Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters

Fragestellungen

Die zunächst grundlegend zu stellenden Fragen betreffen die Besiedlungsgeschichte des Platzes und die Entstehung der Propstei. Sie umfassen im Einzelnen die Topographie des Platzes sowie die Standortvorrausetzungen in unmittelbarer Nähe zur Reichsabtei Corvey, wobei auch die wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen mit einbezogen werden sollen[1]. Von Bedeutung ist dabei insbesondere die Frage nach dem Motiv der Gründung und den dafür verantwortlichen Personen (Abb. 3).

Bedingt durch den seltenen Fall einer vollständig archäologisch erfassten Klosteranlage, lassen sich im Weiteren vor allem Fragen zu ihrer Infrastruktur beantworten, die darüber hinaus auch allgemeinere Rückschlüsse auf die Situation in mittelalterlichen Klöstern zulassen. Besonderes Augenmerk soll hierbei auf die Konventsgebäude und technischen Einrichtungen gelegt werden, wobei insbesondere die Anlagen zur Wasserversorgung[2] und Beheizung hervortreten (Abb. 4, 5).

Vor diesem Hintergrund kommt dem Ordensleben der Benediktiner eine wichtige Rolle zu, sowohl im Bezug auf ihre Bauvorschriften als auch auf die Aufgabenbereiche und Funktionen der Bruderschaft im inner- und außerklösterlichen Umfeld[3]. Erst die Korrelation der Befunde mit dem bereits quellenkundlich aufgearbeiteten Fundmaterial[4] ermöglicht deshalb Aussagen zur Nutzung der jeweiligen Konventsgebäude und lässt somit Rückschlüsse auf Lebensweise und Alltag im Kloster zu.

Damit rücken die Menschen, die in diesem Kloster gelebt haben in den Blickpunkt, deren Hinterlassenschaften uns heute Aufschluss hierüber geben können. Zugleich stellt dies das grundsätzliche Ziel der Arbeit dar, welches nicht auf die materiellen Hinterlassenschaften um ihrer selbst willen gerichtet sein soll, sondern auf den Menschen und seine Lebenswelt. Dieser Aspekt gewinnt in der modernen Forschung der Archäologie des Mittelalters zunehmend an Bedeutung[5], wozu das vorliegende Dissertationsvorhaben einen wichtigen Beitrag leisten kann.

Für eine umfassende architektonische Einordnung der Klosteranlage muss das Augenmerk über die Propstei hinaus zunächst auf regionale Aspekte gerichtet werden. Verschiedene siedlungsgeographische und archäologische Untersuchungen in der Reichsabtei Corvey und der nahe liegenden Stadt Höxter[6] bieten hervorragende Möglichkeiten einer Einbindung des Klosters in die unmittelbare Siedlungs- und Sakrallandschaft. Dabei sind neben wirtschaftsgeschichtlichen und kulturellen Aspekten auch religiöse Funktionen wie das Pfarrrecht mit zu berücksichtigen[7].

Ein überregionaler Vergleich mit anderen Benediktinerklöstern wird zeigen, wie die Situation in tom Roden in einem größeren Rahmen zu beurteilen ist und in wieweit Aussagen zur Baupolitik und Sakraltopographie der Reichsabtei Corvey möglich sind. Benediktinerklöster unterstanden dem einheitlichen Regelwerk Benedikts von Nursia, dessen Umsetzung im Einzelnen variieren konnte: Hierzu gehören beispielsweise die Platzwahl des Klosters sowie die Ausführung und Ausstattung der Bauten. Erst wenn diese Punkte für mehrere Klöster ausreichend erforscht sind, lässt sich ein Gesamteindruck der von Corvey geprägten Klosterlandschaft erreichen, der über das jeweilige Einzelkloster hinausreicht und die Bedeutung der verschiedenen Faktoren für die Klosterentwicklung erkennen lässt.[8]


[1]Vgl. hierzu auch Stephan 2000.

[2] Vgl. hierzu auch Wasserversorgung 1991.

[3] Insbesondere da in der vorliegenden Klosteranlage – im Gegensatz zur üblichen Bauform benediktinischer Klöster – der Westflügel fehlt und somit eine Verschiebung und Konzentration der vorgeschriebenen Räumlichkeiten zu erwarten ist.

[4] Röber 1990, Röber 1992.

[5] Grundlegend hierzu Austin 1990, 9ff.

[6] Stephan 2000; König/Rabe/Streich 2003.

[7] Isenberg 2002, 196.

[8] Dabei kann und darf das Bearbeitungsgebiet nicht auf den Weserraum beschränkt bleiben, sondern es müssen großräumig Vergleiche hinzugezogen werden.