Uni-Tübingen

C 03

Ressourcen und die Formierung von Gesellschaften, Siedlungsräumen und kulturellen Identitäten der italischen Halbinsel im ersten vorchristlichen Jahrtausend

Fachklassifizierung

Klassische Archäologie




Ressourcen beruhen nach der Definition des SFB 1070 RessourcenKulturen auf kulturellen Praktiken und Bewertungen sozialer Akteure. Ressourcen sind demnach sozio-kulturelle Konstrukte, stiften, erhalten oder verändern aber auch soziale und kulturelle Beziehungen, Einheiten und Identitäten. Im Teilprojekt C 03 wird dieses Ressourcenkonzept genutzt, um soziale und kulturelle Identitäten zweier historisch bedeutender Siedlungsräume der italischen Halbinsel des 1. Jt. v. Chr. in einer für die Forschungsfelder neuen Perspektive zu analysieren. Dominierende Forschungsdiskurse sollen so durch alternative Erklärungen materieller Phänomene der Besiedlung und der Kulturkontakte in Bezug auf Bildung und Wandel von Identitäten erweitert werden.

Dabei werden kulturelle Kontexte der Regionen der etruskischen Städte am Tyrrhenischen Meer sowie der griechischen Städte am Tyrrhenischen und am Ionischen Meer vergleichend betrachtet. Gezielt wird auf Identitäten formende Praktiken mit Monumenten und Dingen in rituellen oder sakralen Kontexten, jenen zentralen Räumen, in denen Bewertungen von Ressourcen verhandelt wurden, jedoch auf einer niedrigeren Skalierung als die der üblichen vermeintlich homogenen staatlichen oder ethnischen Einheiten.

In den ersten beiden Förderphasen standen die Zeiträume des 8. bis frühen 5. Jh. v. Chr. und dann des 5. und 4. Jh. v. Chr. im Fokus, die üblicherweise als Zeiten der ‚Kolonisation‘ und ‚Dekolonisation‘ oder auch der Formierung und ‚Krise‘ etruskischer und griechischer Identitäten gelten. In der dritten Förderphase sollen die Untersuchungen zu RessourcenKulturen beider Regionen der italischen Halbinsel in Hinblick auf die Einbindung unter römische Herrschaft, also auf nochmals stark veränderte soziale und politische Bedingungen zusammenfassend abgeschlossen werden. Die beiden Vergleichsregionen sind in diesem Zeitrahmen verstärkt als politische oder kulturelle Einheiten (Etruria/Magna Graecia) verstanden worden.

Im archäologischen Teilprojekt C 03 wird mit kontextuellen Analysen von Dingen, Monumenten und Bildern in öffentlichen und sakralen Räumen auf die kulturellen, symbolischen und memorialen Dimensionen von Ressourcen gezielt. Ressourcen gelten dem SFB 1070 RessourcenKulturen als Bestandteil von Netzwerken oder Bündeln miteinander verwobener, interdependenter materieller und immaterieller Elemente. Dem Projektbereich ‚Bewertungen‘ entsprechend stehen aus diesem Spektrum nicht die Rohstoffe und ‚natürlichen‘ Umwelten im Mittelpunkt der Untersuchungen, sondern in kulturelle oder rituelle Praktiken eingebundene, Ordnungen repräsentierende Kontexte von Dingen und Monumenten. Über die Perspektive der analytischen Werkzeuge RessourcenKomplex und RessourcenGefüge lässt sich die Verknüpfung materieller und immaterieller Aspekte der Formation und Transformation sozialer und kultureller Identitäten erkennen.

Dabei untersucht das Teilprojekt C 03 RessourcenKulturen anhand ausgewählter, archäologisch gut dokumentierter Fallbeispiele von Ressourcen im Rahmen der Stiftung, Bewahrung und Veränderung von Identitäten über den gesamten Zeitraum von archaischer bis in römische Zeit. Für diesen übergreifenden Zeitrahmen wurde in den ersten beiden Förderphasen vor allem mit dem Konzept des Kulturellen Gedächtnisses nach Aleida und Jan Assmann gearbeitet, das Wissen und Konstruktion von Vergangenheiten mit bestimmten Medien und sozialen Räumen verknüpft sieht. In der letzten Förderphase soll auch Ian Hodders Konzept des entanglement herangezogen werden, nach dem Verflechtungen von Menschen und Dingen im Sinne befähigender Abhängigkeiten oder einengender Abhängigkeiten verstanden werden können. Übertragen auf Ressourcen im Sinne des Teilprojekts C 03 heißt das, dass Dinge, etwa Grabmonumente, niedergelegte Gegenstände oder auch sakrale Räume, Konstruktion, Bewahrung und Wandel von Identitäten ermöglichen, als deren Ressourcen zugleich aber strukturelle Pfadabhängigkeiten festlegen.

Im Laufe der Arbeiten der ersten beiden Förderphasen haben sich einige konkrete Kontexte sakraler Räume beider Regionen als Fallbeispiele angeboten. In der letzten Förderphase sollen diese für die Untersuchung von Kontinuitäten und Bewahrung, aber auch Wandel und Veränderung in dem zeitlich erweiterten Rahmen weiter im Fokus stehen. Für die Region des tyrrhenischen Meers werden dafür exemplarisch einerseits Monumente und Dinge der Nekropolen von Pontecagnano in Kampanien und von Cerveteri in Etrurien vom 8. Jh. v. Chr. bis in römische Zeit als Medien der Identitätsstiftung oder Monumente einengender Abhängigkeiten verfolgt. Eine weitere Fallstudie analysiert und beschreibt zusammenfassend das Heroon von Poseidonia in den sich wandelnden politischen, sozialen und kulturellen Kontexten von der griechischen Gründung über die ‚lukanisierte‘ Siedlung bis zum römischen Paestum. Dem Aspekt der kulturübergreifenden Verbreitung sakraler Figuren und Konzepte um landwirtschaftliche Ressourcen soll anhand der Bilder des Dionysos und der Demeter und der Demeter-Heiligtümer der Magna Graecia auch in diesem erweiterten Rahmen abschließend zusammenfassend nachgegangen werden.