Uni-Tübingen

F08: Bedrohte Solidaritäten. Mobilisierende Diskurse und Praktiken in der Geflüchtetenhilfe

Projektmitarbeiter*innen:
Tim Schumacher, M.A.
Doktorand

Fachgebiet: Empirische Kulturwissenschaft, Europäische Ethnologie

Die Dynamik des ´Arabischen Frühlings´ am Anfang der Dekade war mindestens in Syrien in einen blutigen Bürgerkrieg übergegangen. Daraufhin machten sich immer mehr Menschen auf den Weg das Land zu verlassen. Dieser massiven Migrationsbewegung gelang es in der Folge, die hochgerüsteten europäischen Grenzanalgen zu überwinden. Das europäische Grenzregime, dass seit Jahrzehnten auf die Abschottung ausgerichtet war, geriet dadurch massiv unter Druck. Die Verschärfungen der Diskurse der Exklusion und die weitere Militarisierung der Grenzen sind als Teil eines Re-Ordering-Prozesses des europäischen Grenzregimes zu verstehen. Die anti-migrantischen Mobilisierungen, die die Ankunft der Geflüchteten zum Anlass für die Forderung nach weiterem Ausschluss nahmen, können als wesentliche Kommunikation dieser Bedrohten Ordnung gefasst werden.

Für einen nicht unerheblichen Teil der Menschen, die sich um das Jahr 2015 auf der Suche nach einem sicheren und würdigen Ort als Lebensmittelpunkt in Europa auf den Weg gemacht hatten, endete die teilweise monatelange Migration in deutschen Landkreisen und Kommunen. Diese waren teilweise unvorbereitet, durch Sparmaßnahmen durchlöchert oder Unwillens für die Ankommenden würdige Lebensgrundlagen zu organisieren. Dieses unzureichende staatliche Handeln und die  daraus folgenden Not der Geflüchteten war vielerorts der Anlass, für eine in ihrer Größe und Diversität der Beteiligten in Deutschland bisher unbekannte zivilgesellschaftliche Mobilisierung der Unterstützung für Geflüchtete. Für diese Mobilisierung war es wesentlich, das Narrativ, der Migration als Bedrohung, zurückzuweisen. Der Logik der Abschreckung und Exklusion und setzten die Aktiven die konkrete und empathische Unterstützung der Geflüchteten entgegen. Mit der lokalen Ausrichtung auf Tübingen leuchtet das Projekt die vielfältigen und widersprüchlichen Netzwerke und Allianzen dieser Zeit aus. Das Projekt entwickelt über den Fokus auf solidarische Fürsorge einen neuen Erklärungsansatz für den Zusammenhalt und die Form der Mobilisierung der Unterstützung für Geflüchtete vor Ort.