Uni-Tübingen

Mathematik

Das Bachelorstudium der Mathematik ist theoretisch ausgerichtet und bietet eine fundierte breit angelegte Ausbildung in den wesentlichen Grundlagen der Mathematik. Studierende erwerben umfassende Kenntnisse grundlegender mathematischer Theorien und Strukturen sowie die Fähigkeit, mathematische Methoden und Modelle sachgerecht anwenden zu können. Grundlegende mathematische Denkmuster wie die Strukturierung von Problemstellungen, das Erstellen von Argumentationsketten und schließlich das Beweisen von mathematischen Sätzen werden vermittelt. Die Absolventinnen und Absolventen kennen die grundlegenden Fragestellungen in linearer Algebra, Analysis, Numerik, Stochastik und Geometrie und beherrschen die zentralen Techniken zu ihren Lösungen.

Veranstaltungen vor Ort + Online im Wintersemester 2024/2025

Die Veranstaltungen vor Ort können während des ganzen Semesters besucht werden (Ende Oktober bis Ende Januar 2025)

siehe Homepage des Fachbereichs


BW² – Beispielaufgaben aus dem Studium

Mathematik an der Eberhard Karls Universität Tübingen

Auf der Plattform BW² – Beispielaufgaben aus dem Studium finden Sie zahlreiche Aufgaben zu Studiengängen, in denen Sie Ihren ersten Hochschulabschluss erwerben können. Erproben Sie, wie gut Sie sich in der Mathematik bereits auskennen und ob Sie sich für die Materie begeistern können.

Hier gelangen Sie zur Einstiegsseite mit grundlegenden Informationen. Im nächsten Schritt geht es zu den Beispielaufgaben. Die Inhalte sind so ausgewählt, dass Sie einen Einblick in wesentliche Themenbereiche und Methoden des jeweiligen Studiengangs erhalten. Zur Lösung der einzelnen Aufgaben bekommen Sie ein Feedback oder weiterführende Erklärungen. Die Aufgaben können Sie so oft ausprobieren, wie Sie möchten. Es ist keine Registrierung erforderlich.


hochschulreif. Der Tübinger Podcast zur Studienwahl

Folge #04: Mathematik

Was unterscheidet die Hochschulmathematik von Mathe in der Schule? Welche Herausforderungen gibt es im Mathestudium? Und wie kreativ kann so ein Studium sein? Zu Gast für unsere Folge über das Studienfach Mathematik ist Professor Dr. Thomas Markwig. Er gibt Einblicke in die verschiedenen Bereiche der Mathematik, in Vorzüge und Herausforderungen des Studiums sowie in mögliche Berufsperspektiven. Außerdem verraten Studierende, was ihnen am Mathestudium am besten gefällt und wie ihre Berufswünsche aussehen.

Listen
Christoph Jäckle (C. J.): Herzlich Willkommen bei „hochschulreif“, dem Tübinger Podcast zur Studienwahl. In unserem Podcast stellen wir Euch in jeder Folge ein Studienfach vor, damit Ihr wisst, was Euch im Studium dieses Faches so erwarten wird. Wir, das sind meine liebe Kollegin Alexandra Becker und ich, Christoph Jäckle. Hallo Alex!

Alexandra Becker (A. B.): Hallo Christoph!

C. J.: Alex und ich sind beide vom Team der Zentralen Studienberatung der Uni Tübingen und haben auch heute wieder einen Gast bei uns im Studio. Heute wird sich alles um das Fach Mathematik drehen. Dazu haben wir uns Prof. Dr. Thomas Markwig eingeladen. Thomas Markwig ist Studiendekan des Fachbereichs Mathematik und kennt sich daher bestens mit allem aus, was das Studienfach Mathematik betrifft. Hallo Herr Markwig!

Prof. Dr. Thomas Markwig (T. M.): Hallo!

C. J.: Herr Markwig, bevor wir gleich von Ihnen selbst hören werden, warum Sie sich für das Fach Mathematik entschieden haben, lassen wir wie immer erst mal einige Tübinger Studierende zu Wort kommen.

Persönliche Motivation (00:57)

Studi 1: Mir hat Mathe einfach schon immer richtig Spaß gemacht, auch in der Schule. Dann hatte ich auch noch den Vorteil, dass ich durch den Vertiefungskurs Mathe schon ein bisschen Einblick in das Uni-Mathe kriegen konnte. Deswegen habe ich mich für Mathe entschieden.

Studi 2: Ich muss sagen, ich habe absolut keine Ahnung mehr, wie ich auf die Idee kam, Mathe zu studieren. Aber das war die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können.

Studi 3: Zum einen habe ich mich für ein Mathe Studium entschieden, weil Mathe mir in der Schule immer ganz gut gelegen hat und zum anderen wusste ich nach der Schule einfach nicht, was überhaupt tun. Es war also ein ziemliches Einfach-mal-Ausprobieren.

Studi 4: Ich habe mich für Mathe auf Lehramt entschieden, weil ich in der Schule immer den Teil spannend gefunden hätte, zu dem mein Lehrer gesagt hat: „Das lernt ihr dann in der Uni“. Und weil Mathe wahnsinnig faszinierend ist.

A. B.: Herr Markwig, wir haben schon gehört, Mathe in der Schule hat Spaß gemacht oder da war die Neugier ganz groß. Wie war es denn bei Ihnen? Warum haben Sie sich für die Mathematik entschieden?

T. M.: Also, dass mir Mathematik sehr viel Spaß gemacht hat in der Schule, das kann ich sicherlich unterstreichen. Ich wollte Lehrer werden, wahrscheinlich einfach, weil es das Berufsfeld war, das ich aus der langen Schulzeit am besten kannte. Ich habe mir dann überlegt, dass ich am besten die Fächer studiere, die mir am meisten Spaß machen. Das waren Mathematik, Geschichte und Biologie. Und das habe ich gemacht. Dann habe ich erst während des Studiums gemerkt, um wie viel mehr Spaß mir Mathematik macht im Vergleich mit allem anderen. Ich bin bei dem Wunsch geblieben, zu unterrichten. Allerdings wollte ich dann doch nicht an die Schule zurück, sondern lieber an der Universität bleiben. Ich habe diesen Weg eingeschlagen und ich hatte das große Glück, die notwendige Unterstützung zu finden, um das am Ende auch erfolgreich machen und an der Universität bleiben zu können und dort Mathematik unterrichten zu dürfen.

A. B.: Also Mathematik sticht Geschichte und Biologie bei Ihnen. Gab es denn bei der Studienwahl Kriterien, die Sie berücksichtigt haben? Sie haben gesagt, Sie wollten Lehrer werden. War das einfach alles klar für Sie? Oder hatten Sie auch bestimmte Strategien zu entscheiden, warum es jetzt tatsächlich Mathematik auf Lehramt werden soll?

T. M.: In der Tat habe ich mir keine Gedanken darum gemacht, was Alternativen sein könnten. Das ist ganz anders als bei meiner Frau, die auch Mathematikprofessorin hier in Tübingen ist. Die hat sich sehr genau überlegt, was sie machen möchte. Das war allerdings nicht Professorin für Mathematik zu werden. Es ist auch bei ihr letzten Endes das, was sie überlegt hat, nicht wirklich zum Zug gekommen, sondern sie hat sich dann davon leiten lassen, was das Studium bringt. Und ich glaube, diese Offenheit muss man mitbringen. Aber ich würde trotzdem jedem angehenden Studierenden empfehlen, sich ein bisschen besser zu informieren, als ich es meinerzeit gemacht habe, was man eigentlich mit den Fächern, für die man sich interessiert, später machen kann, was für Berufsfelder einem da offenstehen. Ich hatte offen gestanden überhaupt keine Ahnung davon, was außer dem Lehramt aus einem Mathematikstudium erwachsen könnte.

A.B.: Ja, das werden wir heute bestimmt auch noch hören. Dann schauen wir uns doch mal ein bisschen genauer an, was man im Studium inhaltlich so macht. Da haben wir auch Studierende gefragt, wie denn eine ganz typische Studienwoche bei ihnen aussieht.

Studieninhalte (04:10)

Studi 1: Im Masterstudium hört man vor allem Vorlesungen und bearbeitet Übungsaufgaben. Dazu gibt es dann Fragestunden und Übungsgruppen, in denen Probleme mit den Inhalten und auch die Übungsaufgaben besprochen werden.

Studi 2: Das Mathestudium besteht im Prinzip aus Vorlesungen, wie zum Beispiel Geometrie, Stochastik, Algebra und Ähnlichem.

Studi 3: Also normalerweise sind es im Vergleich zu anderen Fächern wahrscheinlich eher wenige, aber dafür sehr komplexe und intensive Vorlesungen. Und was man die meiste Zeit tatsächlich macht, ist wahrscheinlich Übungsblätter lösen, weil die Übungsblätter sehr zeitintensiv sind.

Studi 4: Die typische Studienwoche besteht im Endeffekt aus sehr viel Knobeln, versuchen zu verstehen. Daran verzweifeln, es verstehen zu wollen. Wenn man Glück hat, es dann doch noch verstehen und sich dann sehr darüber freuen, dass man es verstanden hat.

Studi 5: Ich glaube, die Hauptarbeit besteht darin, das Skript nachzuarbeiten. Das heißt, das zu verstehen, was in der Vorlesung neu gemacht wurde. Und dann auf jeden Fall die Übungsblätter zu bearbeiten. Das heißt, alleine oder auch mit anderen Leuten über die Aufgaben zu diskutieren und damit den Stoff aus der Vorlesung zu festigen.

C. J.: Also das Studium der Mathematik klingt auf jeden Fall nach immer wieder auftretenden Hochs und Tiefs und vielen Emotionen, einem sich freuen, wenn man etwas verstanden hat und daran verzweifeln, wenn man stundenlang einen Lösungsweg sucht oder etwas zu verstehen versucht und einfach nicht darauf kommt. Aber noch mal einen Schritt zurück. Herr Markwig, was ist der grundlegende Unterschied zwischen Mathe in der Schule und Mathe an der Uni?

T. M.: Mathematik in der Schule, da wird es in aller Regel darum gehen, Rechenverfahren zu lernen und diese anzuwenden. Natürlich wird auch erklärt, wozu die Rechenverfahren gut sind und es wird auch oft versucht zu begründen, weshalb man diese Verfahren gewählt hat und nicht andere. Aber letzten Endes, wenn man eine gute Schulnote haben möchte, dann muss man die Rechenverfahren anwenden können. Man wird natürlich auch im Mathematikstudium Rechenverfahren lernen und die Rechenverfahren der Schule wiederholen. Man wird auch da wissen müssen, wie man eine Ableitung von der Funktion ausrechnet. Aber uns interessiert eigentlich gar nicht so sehr, wie man für eine konkrete Funktion auf die Ableitung kommt, sondern uns interessiert vielmehr, was denn die Ableitung eigentlich ist, wie diese über einen Grenzwertprozess definiert wird, was ein Grenzwertprozess in diesem Zusammenhang überhaupt ist. Das wollen wir verstehen. Und dann wollen wir natürlich beweisen, dass bestimmte Aussagen, die wir treffen, auch wirklich richtig sind. Weshalb ist die Ableitung von xn [x hoch n] einfach n mal xn-1 [x hoch n minus 1]? Weshalb ist das so? Nicht, wie wende ich das an, sondern weshalb ist das eigentlich richtig? Das Weshalb, das steht hinter allem und das ist sozusagen das, was den Alltag des Mathematikers auch ausmacht. Wir werden immer wieder neue Theorien entwickeln. Wir werden dabei immer auf die Frage stoßen, wieso sollte dieses oder jenes gelten.

C. J.: Ich habe da eine Parallele oder einen schönen Vergleich gelesen, dass man sich es auch so vorstellen kann, dass man in der Schule im Endeffekt das Rezeptbuch bereits vor sich hat, wie bei einem Kochvorgang und die Gerichte nachkocht. Wohingegen wenn man Mathematik studiert, man eher zu einem Koch ausgebildet wird, der dann auch selbst neue Rezepte entdecken kann und mit den verschiedenen Elementen, die in der Küche benutzt werden, in der Mathematik arbeiten kann. Ist es also auch ein kreatives Studium, eine kreative Arbeit?

T. M.: Ja, definitiv. Da wird sehr viel Kreativität verlangt. Jetzt vielleicht eine andere Kreativität, als sie im Kunstsektor benötigt wird, aber definitiv. Wenn Sie neue Ergebnisse erzielen wollen, dann brauchen Sie die Ideen, was gelten kann. Ich selbst arbeite zurzeit im Bereich der tropischen Geometrie und wenn wir zwanzig Jahre zurückgehen, dann hätte Ihnen niemand sagen können, was tropische Geometrie sein sollte. Das ist ein sehr junges Gebiet, bei dem man versucht, Methoden aus unterschiedlichen Bereichen der Mathematik zusammenzubringen, um interessante Fragen zu beantworten.

C. J.: Was könnte so eine Frage zum Beispiel sein? Fällt Ihnen ein Beispiel ein, dass ich mir als Nicht-Mathematiker vorstellen kann, was man mit tropischer Geometrie machen kann, welche Fragen man da beantworten kann?

T. M.: Wir könnten eine sehr simple Frage stellen: Wie viele Geraden durch zwei Punkte in der Ebene gibt es? Und jeder wird sehr schnell sehen, dass wenn man zwei Punkte in der Ebene festlegt, dann gibt es genau eine Gerade dadurch. Das ist eine Kurve vom Grad 1. Nun kann man auch Kurven vom höheren Grad betrachten, etwa Kurven vom Grad 3 und da kann man sich fragen, wie viele Kurven vom Grad 3 gibt es durch 8 Punkte, die vielleicht noch eine Zusatzbedingung erfüllen, dass sie rational sind. Diese Zahl ist 12, eine andere Zahl. Und da kann man fragen, wie geht das weiter, wenn man höhere Grade nimmt und eine Punktzahl festlegt, sodass die Zahl endlich wird. Diese Zahlen steigen sehr schnell. Die kommen letzten Endes aus Anwendungen der Physik heraus – wenn man sich dafür interessiert. Das sind die kromophyten Invarianten, wofür Mathematiker die Fields-Medaille bekommen haben – das ist die höchste Auszeichnung, die es in der Mathematik gibt – für die Entwicklungen, die dazu geführt haben. Heute kann man mithilfe von Methoden der tropischen Geometrie auf viel einfachere Art und Weise zeigen, dass diese Zahlen korrekt sind. Dahinter stehen tiefe Verbindungen zwischen den, man nennt sie algebraischen Kurven, mit denen man angefangen hat, und diesen Objekten, den tropischen Kurven der diskreten Mathematik. Diese Verbindung, die ist schwierig, aber innerhalb der tropischen Geometrie diese Zahlen zu beweisen, ist ein ganzes Stück einfacher.

A. B.: Ich musste tatsächlich noch gerade an die Rhetorik denken und an den philosophischen Hintergrund. Da würde ich sagen, kann man sicherlich beide Fächer wieder zusammenführen in ihrer Geschichte. Dann ist es auch eine sehr lange Tradition, die dahintersteckt. Würden Sie auch sagen, dass es hochgradig philosophisch sein kann oder hergehen kann in der Mathematik?

T. M.: Also es gibt sicherlich eine sehr interessante Beziehung zwischen der Philosophie und der Mathematik, vor allen Dingen in den Denkstrukturen. Letzten Endes das, was die Mathematik ausmacht, ist das wir es lernen, Probleme zu analysieren und Lösungsstrategien zu entwickeln. Das geht aber nur deswegen effizient, weil wir eine sehr formale, verkürzte Sprechweise haben, mit der wir in der Lage sind, uns sehr präzise auszudrücken. Und das ist letzten Endes etwas, was die Philosophen in der gleichen Art und Weise brauchen. Meine Frau hat sich übrigens seinerzeit im Hauptstudium dazu entschieden, im Nebenfach auf die Philosophie zu wechseln, weil sie genau diese Beziehungen sehr gereizt haben.

C. J.: Jetzt kam ja in den in den O-Tönen von den Studierenden schon mehrfach auch zum Ausdruck, dass der eine Bereich im Studium Vorlesungen sind, in denen dann relativ knapp zusammenfassend die neuen Themen eingeführt werden. Danach muss man aber auch viel in eigenverantwortlicher Arbeit in Lerngruppen sich selbst erschließen. Ist es eine große Herausforderung für viele Studierende, diese eigenverantwortliche Herangehensweise?

T. M.: Also die erste Herausforderung an die Studierenden ist, in der Hochschulmathematik anzukommen. Und da gehört dazu, die mathematische Fachsprache zu lernen. Man hat das Gefühl, dass man in der Mathematik Deutsch redet. Das ist so. Aber wie ich eben gesagt habe, benutzt man in der Mathematik, um sich effizient zu verständigen, eine sehr formale, verkürzte Sprechweise. Und diese muss man in den ersten Semestern lernen. Das ist ein durchaus harter Weg. Meine ersten Übungsblätter, auf denen ich Lösungen aufgeschrieben habe, als die zurückkamen, die waren von vorn bis hinten rot. Das hat ein ganzes Jahr lang gedauert bis ich einigermaßen sattelfest darin war, mich sauber in der Mathematik auszudrücken. Das ist die erste große Herausforderung. Eine zweite Herausforderung ist natürlich, dass man bereit sein muss, sich mit Fragen zu beschäftigen, zu versuchen, Lösungen zu entwickeln und zu akzeptieren, dass man die eventuell nicht herausbekommt. Es ist keine Seltenheit, dass man allein und auch mit anderen zusammen drei, vier Stunden an einer Aufgabe sitzt, versucht eine Lösung zu finden und keine hat. Und das kann frustrieren. Dann kommt irgendwann die Übungsstunde, man bekommt die Lösung gezeigt und dann sagt man: „Eigentlich gar nicht so schwer, aber ich bin nicht drauf gekommen“. Aber diese drei, vier Stunden, das war keine verlorene Zeit, denn in den drei, vier Stunden hat man alle Inhalte wiederholt, die in der Vorlesung waren. Man hat alle Methoden versucht anzuwenden, die man in den Beweisen in der Vorlesung gelernt hat. Und auch wenn das für das konkrete Problem vielleicht nicht erfolgreich war, ist das ein enormer Lernprozess, das probiert zu haben. Aber es verlangt eine hohe Frustrationstoleranz. Damit muss man leben.

C. J.: Jetzt hatten wir es und Sie hatten schon über die die tropische Geometrie gesprochen. Sie haben über diese mathematisch formale Sprache gesprochen. Welche Methoden, welche Bereiche werden sonst noch im Studium der Mathematik, vor allem auch im grundständigen Bachelorstudium, vermittelt?

T. M.: Also man steigt ein mit zwei Bereichen. Das ist zum einen die Analysis, bei der es um die Untersuchung von Grenzwertprozessen und von Funktionen geht. Und zum anderen mit der linearen Algebra, bei der es um die Untersuchung von algebraischen Strukturen geht und vor allen Dingen um lineare Strukturen, die einfacher sind als die meisten Funktionen, die man betrachtet, die eben nicht linear sind. Das ist der Einstieg. Dann nach einem Jahr, wenn man die Grundlagen der Mathematik, die man für alle weiteren Vorlesungen benötigt gelernt hat – da gehört zum einen die mathematische Sprache dazu und zum anderen aber eben auch die Grundlagen der Analysis und der linearen Algebra – dann wird das Ganze ein bisschen aufgefächert. Dann hat man Vorlesungen zur Stochastik und zu Numerik. Das sind eher angewandte Bereiche der Mathematik, aber eben auch vertiefende Vorlesungen zur Algebra oder zur komplexen Funktionentheorie. Das sind dann eher reine Bereiche der Mathematik. Das ist ein fester Kanon. Da kann man sagen, den lernt man im Prinzip an jeder Universität in Deutschland in den ersten zwei Jahren in der Mathematik, wenn man einen Bachelor of Science Studiengang einschlägt. Erst danach, ab dem dritten Jahr und im Master vertieft man sich. Und das macht dann schon einen wesentlichen Unterschied, an welcher Universität man ist, was eben gerade die Forschungsbereiche sind, die durch die dortigen Professoren vertreten sind, weil über die Forschungsbereiche kann man dann etwas erfahren.

C. J.: Würden Sie allen Studierenden raten, auch ein Masterstudium an das Bachelorstudium anzuschließen?

T.M.: Ja, definitiv. Also zum einen, man kommt damit erheblich weiter. Man lernt dann wirklich neue Fragestellungen in der Mathematik kennen, an die man im Bachelor nur sehr schwer herankommt. Und zum anderen glaube ich, dass es nach wie vor für den Arbeitsmarkt, wenn wir jetzt von den Science Studenten sprechen, wesentlich besser ist, wenn man einen Master-Abschluss hat, wie wenn man einen Bachelor-Abschluss hat. Im Lehramt ist es sowieso keine Frage. Sie werden als Lehrer nicht eingestellt, wenn Sie keinen Master of Education Abschluss haben, sondern einen Bachelor of Education.

A.B.: Und wie lange dauert das Studium dann so im Schnitt? Haben Sie da eine Einschätzung, was ist die Regelstudienzeit oder was ist der Schnitt des Studiums in etwa?

T.M.: Also die Regelstudienzeit für den Bachelorstudiengang ist 6 Semester und für den Masterstudiengang 4 Semester. In Tübingen sind die Zeiten meist ein bisschen länger. Es ist nicht hundertprozentig klar, woran das liegt. Im Lehramtsstudium würde ich sagen, ist einer der Gründe sicherlich die hohen Überschneidungen zwischen den Fächern. Das hat auch damit zu tun, dass die Mathematik im Wesentlichen mit jedem anderen Lehramtsfach an der Universität kombinierbar ist und bilaterale Absprachen, was die Lehrveranstaltung betrifft, da sehr schwer sind. Das bedeutet, dass Studierende häufig Überschneidungen haben, die dazu führen, dass sich das Studium verlängert. Dann ist es aber natürlich auch so, dass wenn man mit dem Mathematikstudium beginnt, es einfach ganz anders ist als die Schulmathematik. Das führt dazu, dass man am Anfang vielleicht falsch einsteigt, dass man vielleicht mit dem Gefühl herangeht, in der Schule musste ich immer nur vor den Klassenarbeiten 2 Tage lernen und dann hat das vollkommen gereicht. Und das ist im Mathematikstudium fatal. Die Fülle an Neuem, die man lernt – an neuen Inhalten und an neuen Methoden – die ist so groß, dass wenn man das Ganze mal zwei Wochen hat liegen lassen, man in aller Regel so weit hinten dran ist, dass man in der Vorlesung nicht mehr folgen kann und dass man dann auch nicht mehr in der Lage ist, die Übungsaufgaben zu bearbeiten. Das führt durchaus dazu, dass man unter Umständen nach dem ersten Semester feststellt, ich hätte anders anfangen müssen beim Lernen. Das weiß ich jetzt, jetzt kann ich es machen. Aber dann muss man eben noch mal neu beginnen.

C.J.: Also wirklich von Anfang an dranbleiben und mitlernen.

T.M.: Ja, was wir in Tübingen bieten, ist den sogenannten Sommereinstieg und der bedingt, dass die Anfängerveranstaltungen bei uns in jedem Semester angeboten werden. Das heißt, es ist erst mal egal, ob man im Winter- oder im Sommersemester beginnt. Aber vor allen Dingen, wenn man ein Semester verpasst hat, kann man einfach im nächsten Semester mit den Anfängervorlesungen nochmal anfangen und man verliert nur dieses eine Semester und nicht mehr. Das ist sicherlich etwas, was dazu beiträgt, dass die Studienzeiten bei manchen Studierenden länger sind. Aber dann ist es auch so, dass wir ein reichhaltiges Angebot haben. Und der eine oder andere Student, der entscheidet sich halt, ein bisschen mehr zu machen und dafür lieber etwas länger zu studieren.

C.J.: Ja, das schadet häufig nicht. Dann lieber ein halbes Jahr oder ein Semester oder zwei Semester länger zu brauchen, aber dafür dann auch das Studium so abzuschließen, sodass man selbst damit zufrieden ist und auch alles gelernt hat, was nötig war.

T.M.: Was kein Problem ist, das sollte man vielleicht erwähnen, ist in die Kurse hereinzukommen in der Mathematik. Manchmal, wenn man eine Wissenschaft studiert, wie Biologie, wo man Praktika besuchen muss, dann ist die Zahl der Praktikumsplätze unter Umständen beschränkt. Das ist bei uns in der Mathematik nicht so. Egal wie viele Studenten bei uns anfangen, wir haben immer genug Übungsgruppen für die Leute. Und wir haben keine festen Praktika, die zahlenmäßig beschränkt werden. Das heißt, man kommt immer in die Lehrveranstaltung rein, in die man rein möchte. Das einzige Problem, dass man haben kann ist, dass man eine Überschneidung mit einer Pflichtveranstaltung im zweiten Fach hat, wenn man im Lehramtsstudium unterwegs ist.

C.J.: Dann würde ich sagen, wir hören uns mal an, warum Tübinger Mathematikstudierende so begeistert sind vom Mathestudium.

Persönliche Voraussetzungen (18:22)

Studi 1: Da gibt es wirklich sehr viel. Also ich bin einfach so ein Fan von Logik und die Mathematik ist einfach sehr genau und sehr strukturiert. Es gibt nicht so viel Platz für ungenaue Interpretationen oder so, sondern entweder etwas gilt oder etwas gilt eben nicht.

Studi 2: Mich begeistert an Mathe vor allem das abstrakte Denken.

Studi 3: Also faszinierend am Mathematikstudium finde ich immer wieder, wie nah die Gedanken „Ich bin unfassbar dumm“ und „Wow, bin ich genial“ liegen können.

Studi 4: So gern man im Studium manchmal verzweifeln könnte, so sehr gibt es auch einfach Momente, in denen man die Fragen, auf die man dachte, das werde ich nie verstehen oder die Aufgaben, bei denen man denkt, wie soll ich das jemals schaffen, wenn man das plötzlich schafft.

Studi 5: Also was ich am besten am Mathestudium finde, sind diese Aha-Momente. Wenn man seit Ewigkeiten über einer Sache gebrütet hat und etwas, was man vor ein paar Wochen oder vielleicht sogar Monaten noch überhaupt nicht verstanden hat, dann irgendwann endlich Klick macht. Das ist der beste Moment.

A.B.: Ja, also die Höhenflüge der Studierenden kommen doch sehr leidenschaftlich rüber. Wir haben schon gehört, es reicht eben nicht, nur gut rechnen zu können. Was wären denn so Voraussetzungen, die Sie Studierenden oder Studieninteressierten noch mitgeben würden? Was erleichtert einem das Mathestudium?

T.M.: Also man sollte definitiv einfach Spaß daran haben, sich mit Problemen zu beschäftigen, lange darüber nachzudenken, zu knobeln. Ich sage mal jemand, der sehr gerne Sudokus löst – das ist vielleicht ein bisschen verkürzt, es darauf zu reduzieren – aber wenn man Spaß an solchen Rätseln hat, dann wird man auch Spaß daran haben, sich mit mathematischen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Wie schon gesagt, man braucht eine gewisse Kreativität, wenn man neue Dinge in der Mathematik entwickeln möchte. Also langfristig, wenn man nicht nur das Studium machen möchte, sondern vielleicht bei der Mathematik bleiben will, dann braucht man eine gewisse Kreativität und man braucht auch eine gewisse Frustrationstoleranz. Das habe ich auch schon mal gesagt, denn es wird immer wieder Höhen und Tiefen geben. Und was ich definitiv unterstreichen kann, ist das, was die Studierenden vorhin gesagt haben. Wenn man sich mit einem Problem beschäftigt, lange beschäftigt, und man hat dann endlich eine Lösung dafür gefunden. Das ist ein wirkliches Glücksgefühl, das dabei aufkommt. Wenn man sich dann hinsetzen kann, das aufschreiben kann und das so zu Papier bringen kann, dass man findet, so muss man das genau sagen, das ist richtig schön. Das ist auch später so. Das ist nicht nur im Studium so. Das hält dauerhaft an.

A.B.: Also ich kann es schon beinahe nachempfinden. Ich würde sagen, auch diese Klischees, die man so hört, dass man im Mathestudium alleine vor sich hin brütet, das kam jetzt schon zur Geltung, dass das durchaus nicht so ist, also dass man durchaus auch in Lerngruppen arbeitet. Ist das etwas, was wirklich Usus ist? Würden Sie sagen, es ist ganz wichtig teamfähig zu sein und sich auch auszutauschen in der Mathematik? Oder funktioniert es auch für sich allein?

T.M.: Also es ist eine wichtige Sache, dass man Mathematik im Gespräch mit anderen betreibt. Mathematik für sich allein zu machen, ist sehr schwer. Es gibt sicherlich auch Mathematiker, die so herausragend sind, dass sie niemand anderen brauchen und die genialsten Ideen allein haben und dann auch allein für sich entwickeln können. Aber wenn man in der Mathematik etwas erreichen will, dann muss man über die Mathematik mit anderen reden und das auch schon im Studium. Wir stellen jede Woche Übungsaufgaben und die Erwartung ist nicht, dass die Studenten sich zu Hause hinsetzen und diese Übungsaufgaben komplett allein lösen und dann Lösungen einreichen. Sondern die Idee ist, dass sie sich hinsetzen und sich austauschen, dass wenn einer die Idee hat, dass jemand anderes die aufgreift und ebenfalls versucht, diese Idee weiterzuentwickeln. Am Ende sollte man versuchen, das, was man verstanden hat, selbst zu Papier zu bringen. Das ist am Anfang des Studiums wichtig, damit man lernt, die mathematische Sprache zu benutzen und Rückmeldung dazu bekommt, wie man selbst sie benutzt hat. Aber Arbeit im Team ist essenziell.

A.B.: Und was jetzt natürlich auch noch spannend ist, wenn man all das mitbringt und sich für ein Mathestudium entscheidet, wo soll es denn damit hingehen? Und auch da haben wir Studierende in Tübingen gefragt, was die denn so für Ideen haben oder Wünsche, was sie später mal machen möchten.

Berufsperspektiven (22:42)

Studi 1: Ich studiere Mathe auf Lehramt und habe auch vor in die Schule zu gehen und dort Lehrer zu werden für Mathe.

Studi 2: Also das ändert sich bei mir alle paar Monate. Ich habe eine Zeit lang überlegt, noch irgendwie in Richtung Medizintechnik zu gehen. Gerade bin ich eher so auf dem Zweig Machine Learning, das heißt ich höre im Nebenfach Machine-Learning-Vorlesungen.

Studi 3: Nach dem Studium könnte ich mir vorstellen, irgendwas in Richtung KI (künstliche Intelligenz) bzw. maschinelles Lernen zu machen, weil das Thema an sich einfach sehr spannend ist und natürlich auch unglaublich viel Zukunftspotenzial besitzt. Und Mathematiker sind dort auch sehr gefragt.

Studi 4: Was ich nach dem Studium mache, steht bei mir durch den angestrebten Abschluss schon fest. Ich werde Lehrerin. Ich persönlich kann mir vorstellen, neben der Schullaufbahn auch in die Schulbuchentwicklung oder in die Erwachsenenbildung zu gehen.

Studi 5: Also ich bin gerade sogar fertig geworden mit dem Studium und jetzt promoviere ich erst mal. Und danach würde ich gerne entweder in der Forschung bleiben oder in die Wirtschaft gehen und mich zum Beispiel mit Themen wie Machine Learning beschäftigen.

C.J.: Jetzt ist mehrfach der Begriff Machine Learning als mögliches Berufsfeld gefallen und auch KI. Herr Markwig, können Sie ganz kurz versuchen zusammenzufassen, was Machine Learning ist und warum man dafür Mathematikstudierende oder -absolvent:innen braucht?

T.M.: Also Machine Learning ist ein Bereich, der in der Informatik angesiedelt ist. Das, was ich offen gestanden nicht weiß, ist, was am Ende wirklich die Kollegen des Machine Learning machen. Das, was ich sagen kann, ist, Machine Learning ist ein Bereich, der in der Informatik im Augenblick sehr stark ausgebaut wird. Und gerade in Tübingen ist ein großes Zentrum dafür entwickelt worden, mit mehreren Professuren in der Informatik. Das Ziel ist letzten Endes, dass man möchte, dass zum Beispiel autonomes Fahren funktioniert und dass man Maschinen entwickelt, die in der Lage sind, Situationen einzuschätzen und darauf zu reagieren. In der künstlichen Intelligenz geht man noch ein Stück weiter. Da möchte man, dass die Maschinen selbst lernen, dass die in Zukunft auch neue Situationen erfassen können, die sie bisher nicht erfassen konnten. Inwieweit das im Machine Learning gemacht wird, weiß ich nicht. Aber Big Data ist ein Schlagwort, dass da mit herein gehört, dass man enorme Datenmengen hat, die verarbeitet werden müssen. Das ist eine Herausforderung, weil diese Daten dann unter Umständen in sehr kurzer Zeit verarbeitet werden müssen.

C.J.: Aber das heißt, da arbeiten dann auch Mathematiker:innen sehr eng mit Informatiker:innen zusammen, oder?

T.M: Klar. Ich meine erst mal ist die Unterscheidung zwischen Informatik und Mathematik ein Stück weit eine künstliche. Letzten Endes die Strukturen, die man dem Computer versucht beizubringen, die dort abgebildet werden, die Algorithmen, die implementiert werden, das ist dasselbe, was wir in der Mathematik auch machen, algorithmisch zu arbeiten und zu denken. Die Gebiete sind sehr nah beieinander. Und dann ist es so, dass letzten Endes in der Informatik viele Bereiche, wie zum Beispiel das Machine Learning, stark mathematisch geprägt sind, dass da viele tiefliegende mathematische Methoden benötigt werden, die dann eingehen und die dort Anwendung finden.

C.J.: Welche anderen Berufsfelder vielleicht klassische oder eher auch schon Berufsfelder, die es schon früher gab, sind für Mathematiker:innen vorstellbar?

T.M.: Also wir haben vor einiger Zeit eine Vortragsreihe ins Leben gerufen, die heißt „Mathematiker:innen im Beruf“. Das Ziel der Vortragsreihe ist unseren Studierenden zu zeigen, was man alles machen kann. Das wird übrigens von den Studierenden selbst organisiert. Die suchen sich ehemalige Absolventen oder Berufsfelder, die sie interessieren, und laden dann Vortragende ein. Wir hatten in dieser Vortragsreihe Leute vom Deutschen Wetterdienst da, wir hatten Besuch vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt. Wir haben ein Engineering Director von Google eingeladen und Leute, die in Banken oder bei Versicherungen arbeiten. Wir hatten auch von Ditch Silent jemanden da, die modellieren die elektrischen Netzwerke – wie der Strom in ganz Europa geleitet wird. Zudem hatten wir Gäste aus der Entwicklungsabteilung von Daimler bei der Vortragsreihe. Es gibt enorm viele Bereiche, wo Mathematiker eingesetzt werden und nicht, weil sie irgendeinen bestimmten Inhalt in der Mathematik gelernt haben, sondern weil sie eben Problemlösestrategien gelernt haben, auf eine sehr effiziente Art und Weise.

A.B.: Also was ich da raus höre, ist auch, dass es noch genug Raum im Studium gibt, sich zu orientieren. Sie haben selber aus ihrer eigenen Erfahrung erzählt, dass Sie sich noch mal umentschieden haben mit ihrem ursprünglichen Berufswunsch. Sprich, man muss vielleicht nicht von Anfang an eine genaue Vorstellung haben. Manche haben das, aber es gibt auch noch genügend Zeit, sich im Studium zurechtzufinden.

T.M.: Auf alle Fälle! Ich selbst bin in einem Gebiet der reinen Mathematik unterwegs. Ich habe eben tropische Geometrie genannt. Das ist nicht der einzige Teil. Algebraische Geometrie, Computeralgebra, tropische Geometrie – das ist das Spannungsfeld, in dem ich mich bewege. Das sind reine mathematische Fragestellungen. Wir haben zunächst keinerlei Anwendung im Blick. Alle Absolventen, die ich über die Jahre hinweg begleitet habe, hatten binnen von spätestens einem halben Jahr nach ihrem Abschluss eine Arbeitsstelle, die sie haben wollten und die ihnen Spaß gemacht hat. Viele hatten schon Angebote, bevor sie überhaupt weggegangen sind. Und das auch bei Unternehmen wie Banken oder Versicherungen, wo der Wunsch besteht, dass die Leute eine spezielle mathematische Ausbildung mitbringen. Das war egal. Sie sind einfach extrem gut qualifiziert gewesen und das hat gereicht.

A.B.: Vielleicht können wir auch noch mal ganz kurz den Blick auf das Lehramt werfen. Wie sind da die Chancen mit dem Fach Mathematik als Kombinationsfach?

T.M.: Gleich vorweg, dass aus meiner Sicht unsere besten Absolventen an die Schulen gehören! Also ich würde mir wünschen, dass die besten Mathematiker, die wir ausbilden, an die Schulen gehen, weil wir einfach gut qualifizierte Lehrer brauchen. Natürlich brauchen Lehrer auch didaktische und pädagogische Fähigkeiten. Man braucht auch ein zweites Fach hier in Deutschland. Aber neben diesen Fähigkeiten ist es ganz wichtig, dass man in seinem Fach sehr solide ausgebildet und davon begeistert ist. Deswegen wünsche ich mir die besten Absolventen an den Schulen. Mathematik ist in vielen Bundesländern immer noch ein Mangelfach. In Baden-Württemberg offiziell nicht, da sind die Mangelfächer Physik und Informatik. Aber trotzdem, die Mathematik ist ein Fach, wo Lehrer gebraucht werden und wo man in aller Regel kein allzu großes Problem hat, eine Anstellung zu finden.

C.J.: Mangelfach bedeutet, dass es grundsätzlich momentan einfach zu wenig Lehrpersonal in dem Bereich gibt?

T.M.: Dass es meistens weniger Bewerber als offene Stellen gibt.

A.B.: Gut, das sind doch alles in allem gute Aussichten. Und insofern glaube ich, haben wir einen guten Rundumschlag geschafft heute. Hast du noch Fragen, Christoph?

C.J.: Ich glaube nicht. Mein Eindruck ist, wenn man sich einmal durchgequält und auch durchgehalten hat bei dem Studium und natürlich auch ganz viel Erfolgserlebnisse gehabt hat, wird man am Schluss auf jeden Fall dafür belohnt und kann dann mit der mathematischen Brille, die man auf hat und mit den ganzen Skills, die man erworben hat, auf jeden Fall überall spannende Berufsmöglichkeiten entdecken.

A.B.: Herr Markwig, haben Sie noch abschließende Worte?

T.M.: Ja, ich würde jeden, der sich für Mathematik interessiert, dazu anhalten wollen, sich mit Mathematik zu beschäftigen. Und ich möchte sagen, man kann auch in jungen Jahren sehr erfolgreiche Dinge erreichen. Ein Gebiet, das man aus der Schulmathematik kennt, ist sicherlich die Ebene der Elementargeometrie, wo man sich mit der Lage von Geraden zueinander, mit Aussagen über Winkel in Dreiecken beschäftigt. Und das sind Fragestellungen, die haben schon die alten Griechen beschäftigt. Das Lehrbuch von Euklid ist bis ins 19. Jahrhundert hinein das Standardwerk gewesen, nach dem Geometrie an den Schulen unterrichtet wurde. Da sind Fragen dabei wie, wie teile ich denn eigentlich einen Winkel mit Zirkel und Lineal in zwei gleich große Winkel? Jeder Schüler lernt das in der Schule. Man lernt nicht in der Schule, wie man einen Winkel mit Zirkel und Lineal in drei Teile zerlegt. Jetzt könnte man sich fragen, ob denn die Dreiteilung weniger interessant ist als die Halbierung. Und das ist es nicht, sondern die Aussage ist, man kann das nicht. Die Griechen wussten, dass sie es nicht hinbekommen haben. Sie wussten aber nicht, dass es nicht geht. Die Frage, weshalb das nicht geht – das ist das Faszinierende an der Mathematik – das ist eine geometrische Fragestellung. Will man die beantworten, braucht man die Algebra. Es gibt algebraische Methoden, mithilfe derer man beweisen kann, dass die Winkeldreiteilung nicht möglich ist. Diese algebraischen Methoden wurden von zwei Mathematikern entwickelt: Évariste Galois und Niels Henrik Abel. Abel ist, glaube ich, 26 Jahre alt geworden ist. Évariste Galois ist 21 geworden. Die hatten diese fundamentalen Theorien in jungen Jahren bereits entwickelt und haben damit eine Mathematik begründet, die heute jeder Lehramtsstudierende und jeder Bachelor-of-Science-Studierende in seinem zweiten Studienjahr kennenlernt, die Galois-Theorie. Ich will nur sagen, man kann in jungen Jahren sehr schöne Sachen machen. Und das Faszinierende bei der Mathematik ist immer, wie Dinge, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, auf einmal zueinander in Beziehung gesetzt werden. Das ist auch etwas, wofür Mathematiker später eingestellt werden, weil sie in Unternehmen unter Umständen Strukturen entdecken, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, die aber Gemeinsamkeiten haben und dann dazu beitragen können, dass die effizienter verwaltet werden.

A.B.: Das ist doch ein schönes Schlusswort. Dann schließen wir ab mit den vielversprechenden Perspektiven und bedanken uns bei Ihnen, Herr Markwig, dass Sie heute da waren, dass Sie Zeit hatten, alle Fragen zu beantworten.

T.M.: Ja, ich bin gern hier gewesen. Danke.

A.B.: Dann gibt es nur noch zu sagen: weiterführende Infos gibt es auf der Webseite bzw. wenn Fragen, Rückmeldungen, Kritik anstehen, dann schreibt uns gerne unter hochschulreif@uni-tuebingen.de. Und wir sagen Tschüss und bis zum nächsten Mal!

Shownotes

„hochschulreif“ spricht mit Prof. Dr. Thomas Markwig über die folgenden Themen: 
00:57 Persönliche Motivation
04:10 Studieninhalte
18:22 Persönliche Voraussetzungen
22:42 Berufsperspektiven

Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer der Uni Tübingen bieten ein Orientierungsangebot speziell für MINT-Fächer an, bei dem MINT-Studierende Deine Schule besuchen und von ihren Studieneindrücken berichten.

Individuelle Unterstützung bei der Studienwahl findet Ihr bei der Zentralen Studienberatung der Universität Tübingen. Infos zu allen Studiengängen an der Universität Tübingen gibt es im Verzeichnis der Studiengänge.

Bei Fragen, Anregungen oder Kritik schreibt uns an: hochschulreif@uni-tuebingen.de