Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2022: Leute

Spezialist für Evolutionsgleichungen mit großem Engagement in der Lehre

Zum Tode von Professor Dr. Ulf Schlotterbeck ein Nachruf von Rainer Nagel

Am 12. November 2021 verstarb Professor Dr. Ulf Schlotterbeck nach längerer Krankheit im Alter von 80 Jahren. Der gebürtige Reutlinger hatte 1969 in Tübingen bei Helmut H. Schaefer mit einer Arbeit über majorisierende Operatoren auf Banachverbänden promoviert. Danach war er für zwei Jahre als Assistant Professor an der University of Maryland, College Park tätig. Er habilitierte sich 1975 in Tübingen mit einer Arbeit über Grothendiecksche Tensorprodukte. Ab 1980 bis zu seinem Ruhestand 2006 war er Professor für Funktionalanalysis am Tübinger Mathematischen Institut. Auch danach beteiligte er sich weiterhin aktiv am Lehrangebot des Instituts.

Seine Forschung war zunächst inspiriert von dem auf Stefan Banach zurückgehenden Approximationsproblem, wozu er wichtige Beiträge publizierte. Danach übernahm er eine führende Rolle in dem Tübinger Autorenteam, das die Monographie „One-parameter Semigroups of Positive Operators“ 1986 im Springer-Verlag publizierte. Diese Monographie initiierte weltweit intensive Forschung zu Evolutionsgleichungen. Der sechste Stock des Mathematischen Instituts in Tübingen entwickelte sich daher zu einem Zentrum dieser Thematik, und es entstand dazu eine Vielzahl von Publikationen. Und auch wenn nicht in all diesen Arbeiten „Ulf Schlotterbeck draufstand“, so war doch oft „Ulf Schlotterbeck drin“.

Diese Entwicklung spiegelte sich auch in seinem Engagement in der Lehre wieder, von speziellen Veranstaltungen für Lehramtsstudierende bis hin zu sehr anspruchsvollen Spezialvorlesungen. Seiner Zeit voraus war er im Jahre 1998 als Mitbegründer des „Internet Seminar on Evolution Equations“, einer bis heute aktiven virtuellen Vorlesungsreihe im Verbund mit weiteren europäischen Universitäten. Viele Studierende sowie Kolleginnen und Kollegen erinnern sich sehr gerne an eindrucksvolle „Final Workshops“ im damaligen Heinrich-Fabri-Institut in Blaubeuren. Die Seminarteilnehmer wurden dabei mit vielseitigen schwierigen Sachverhalten konfrontiert, zunächst mit Problemen aus der Theorie der Evolutionsgleichungen und anschließend mit anspruchsvollen Sportkletterrouten an den nahe gelegenen Felsen des Blautals und der Schwäbischen Alb. Bei vielen weckte Ulf dadurch Begeisterung sowohl für die Mathematik als auch für das Felsklettern.

Legendär waren ebenfalls die „Morella-Seminare“ in Süditalien bei Salerno, die er für Studierende der Fächer Mathematik und Sport zusammen mit Rainer Nagel und dem Sportwissenschaftler Veit Wank leitete.

Ulf Schotterbeck war ein begeisterter Felskletterer: Ausfahrten auf den Spuren von Cassin, Comici und Co. brachten seine Augen zum Leuchten. Stolz erfüllte ihn, als er beide Dächer am Pilastro-Pfeiler an der Tofana frei überklettern konnte. Souveräne Begehungen anderer Klassiker, wie etwa der Fair Hands Line oder der Cassin an der kleinsten Zinne, zeugten von seinem Können. 

Die persönlichen Gespräche mit ihm, ebenso wie die gemeinsamen Klettertouren, haben viele seiner Schüler tief beeindruckt und inspiriert. Es war daher sehr schön, dass er 2019 sein Goldenes Doktorjubiläum im Kreise seiner Schüler, Kollegen und Freunde feiern konnte. Er wird allen sehr fehlen.