Mit den seit der zweiten Hälfte des 12. Jhs auftretenden und bis in das späte 14. Jh. agierenden Greifensteinern lässt sich am Nordrand der Schwäbischen Alb eine Herrscherfamilie fassen, deren Geschichte den Raum um das obere Echaztal tiefgreifend prägte. Zunächst im Dienste der Pfalzgrafen von Tübingen, später in dem der Württemberger, verstanden die Greifensteiner es erfolgreich eine kleinräumige, offenbar gut ausgebaute Adelsherrschaft um die Orte Pfullingen, Unterhausen und Holzelfingen zu errichten. Deutlich zeichnet sich eine Verfügungsgewalt über mehrere Burganlagen ab; ebenso lassen sich Verbindungen zu klerikalen Niederlassungen verschiedener Art erkennen. Nach einer Blütezeit im 13. Jh. scheint die Herrschaft Greifenstein nach den Verheerungen des Reichskriegs 1311 und damit einhergehenden gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der nahen Reichsstadt Reutlingen im 14. Jh. zunehmend unter Druck geraten zu sein. In der Folge finden sich Vertreter der Familie auch in entfernteren Regionen, wie Oberschwaben, dem Bodenseeraum oder der heutigen Schweiz, wo sie teils hohe politische und klerikale Ämter erringen konnten.
Bezogen auf die hieraus abzuleitende und bislang wohl unterschätzte, auch überregionale Bedeutung der Familie, stellt sich der vorhandene Forschungsstand vergleichsweise spärlich dar und eine moderne Bearbeitung fehlt völlig. Oft werden Sagen und lokale Überlieferungen hierzu weit mehr zitiert als die tatsächlich vorhandenen historischen Quellen. Weiterhin stehen detailliertere archäologische Untersuchungen der dortigen Burgen sowie anderer Elemente der Greifensteiner Kulturlandschaft bislang aus. Gerade solche erscheinen aber umso notwendiger, da insbesondere die Lokalforschung hier ein weitreichendes und bewusst konzipiertes „Greifensteiner Burgensystem“ postuliert. Tatsächlich bietet die vorhandene Ausgangslage, die eine topografisch zusammenhängende Burgengruppe sowie ein deutlich erkennbares lokales Herrschaftsgefüge im Hoch- und Spätmittelalter innerhalb einer kleinräumigen Tallandschaft erkennen lässt, die hervorragende Gelegenheit, eine exemplarische und auch überregional relevante Untersuchung einer solchen kleinräumigen Burgenregion durchzuführen. Hierbei können neben dem „Standort Burg“ im engeren Sinne auch weitreichende Zusammenhänge zwischen Burg und Kulturlandschaft im Sinne eines „Ressourcengefüges“ untersucht werden. Auch die ökonomische und soziokulturelle Wechselwirkung zwischen Adelsherrschaft und umgebender Kulturlandschaft lässt sich unter anderem anhand der gut belegbaren Nutzung des Flusses Echaz, mehrerer „Greifensteiner“ Waldbezirke oder auch dem Ringen um die Kontrolle der Verkehrswege, bezüglich derer vor allem die aufstrebende Reichsstadt Reutlingen seit dem 13. Jh. in Konkurrenz trat, gut nachvollziehen.
Innerhalb des interdisziplinären und modularen Forschungsprojektes soll die Geschichte und Archäologie der Herrschaft Greifenstein umfassend aufgearbeitet werden. Bislang nicht bearbeiteten historischen Quellen werden systematisch erschlossen und ausgewertet. Anhand archäologischer und bauhistorischer Methoden erfolgt eine Untersuchung der Greifensteiner Burgengruppe und weiterer damit in Zusammenhang stehender Objekte. Von besonderem Interesse sind hierbei nicht zuletzt einige „strittige“, bislang nicht mit Sicherheit nachgewiesene Burgenstandorte sowie die erkennbaren Kommunikationslinien zwischen den verschiedenen Orten der Greifensteiner Herrschaftsausübung.
Neben der bewusst interdisziplinär angelegten Herangehensweise ist das Projekt auch konzeptionell weit gefasst. Durch die Einbindung verschiedenster Akteure von Beginn an wurde eine Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Forschung und einer breiteren Öffentlichkeit geschaffen. Zum Projektende ist eine Präsentation der Ergebnisse auf mehreren und längerfristig nutzbaren Vermittlungsebenen geplant.
Weitere Informationen zum Projekt finden sich unter: www.greifenstein-projekt.de