Institute for Astronomy and Astrophysics

ABRIXAS kartiert den Himmel

attempto! 6/99

Start frei für den ersten deutschen Kleinsatelliten

Eine russische Cosmos-Rakete schickt den ersten deutschen Kleinsatelliten am 28. April auf seine dreijährige Reise durchs All. Auf seiner erdnahen Umlaufbahn soll ABRIXAS den Himmel mit seinen abbildenden Teleskopen durchmustern, um, so hoffen die Forscher, bis zu 10000 unbekannte Röntgenquellen zu entdecken.

An der wissenschaftlichen Ausstattung des Satelliten hat die Abteilung Astronomie des Tübinger Instituts für Astronomie und Astrophysik (IAAT) drei Jahre intensiv gearbeitet; zusammen mit ihren Kollegen vom Garchinger Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) und dem Astrophysikalischen Institut in Potsdam (AIP).

ABRIXAS steht für A BRoadband Imaging X-ray All-sky Survey. Sein Vorläufer, der deutsche Röntgensatellit ROSAT, hatte vor neun Jahren den Himmel bei niedrigeren Energien durchforstet und dabei über 100000 Röntgenstrahlungsquellen entdeckt - damals eine enorm hohe Zahl, denn vor ROSAT waren nur etwa 5000 Quellen bekannt. Nun soll ABRIXAS noch mehr Licht in das astronomische Dunkel bringen: Nach vorsichtigen Schätzungen wird er dabei über 10000 bisher unbekannte Röntgenquellen im Energieband zwischen zwei und zehn Kiloelektronenvolt finden. Damit hoffen die Astronomen - fast 40 Jahre nach der Entdeckung - den Ursprung der diffusen Röntgen-Hintergrundstrahlung erklären zu können.

Die neu entdeckten Quellen werden hauptsächlich Aktive Galaxien sein, in deren Zentren vermutlich ,Schwarze Löcher' Gravitationsenergie in hochenergetische Strahlung umwandeln. Wie die Astronomen inzwischen auch durch direkte Aufnahmen mit dem Hubble Space Teleskop wissen, sind zahlreiche dieser Quellen von einem Gas- und Staubring umgeben: Dieser absorbiert das weiche Röntgenlicht so stark, daß ROSAT die Quellen nicht erfassen konnte. Erst mit ABRIXAS werden sie für die Wissenschaftler sichtbar.

Das röntgenoptische System von ABRIXAS besteht aus sieben einzelnen Spiegel teleskopen mit 1,6 Meter Brennweite, von denen jedes aus 27 ineinandergeschachtelten Wolter-I-Teleskopen besteht. Dabei werden die Röntgenphotonen an den Innenwänden von Parabol- und Hyperbolspiegeln unter streifendem Einfall total reflektiert. Gebaut hat das Spiegelsystem die Firma Carl Zeiss in Oberkochen. Als Bildempfänger setzen die Forscher eine neuartige Röntgenkamera ein, die in den vergangenen acht Jahren vom MPE zusammen mit dem Tübinger Institut für einen großen Röntgensatelliten der Europäischen Weltraumorganisation ESA entwickelt wurde.

Mit dem neuen Kleinsatelliten fliegt auch Tübinger Technologie ins All: Die Ansteuer- und Ausleseelektronik für die besondere HaIbleiterdetektor-Kamera wurde am Institut für Astronomie und Astrophysik entwickelt und gebaut, einschließlich der Flugeinheiten für die beiden Satellitenprojekte. Die erforderlichen Vibrations- und Thermal -Vakuum-Tests führten die Testlabors des MPE durch. Da die Astrophysiker wegen der hohen Strahlenbelastung im Orbit nur langsame Prozessoren einsetzen können, mußte ein eigener elektronischer Baustein, ein sogenannter ASIC, entwickelt werden, um die geforderte Rechenleistung bewältigen zu können. Das Halbleiterdetektor-Array wird alle 70 Millisekunden vollständig ausgelesen, so daß pro Sekunde mehr als zwei Millionen Bildelernente verarbeitet werden müssen.

Mit dem Abschuß des Satelliten ist für die Tübinger Forschungsgruppe Röntgenastronomie unter Leitung von Professor Rüdiger Staubert die Arbeit noch längst nicht vorbei: Die Umlaufbahn des Satelliten ist um 48,5 Grad gegen den Äquator geneigt, so daß das Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen mehrmals am Tag Funkverbindung mit ABRIXAS aufnehmen kann. Die Daten der Röntgenkamera werden täglich über das Internet an die drei beteiligten Institute in Potsdam, Garching und Tübingen weitergeleitet. Dort wird geprüft, ob der Satellit wie vorgesehen den Himmel absucht und Kamera sowie Elektronik einwandfrei funktionieren. Bei Störungen müssen die Wissenschaftler schnell vom Boden eingreifen, damit möglichst wenig wertvolle Beobachtungszeit verloren geht.

Die Auswertung der Daten wird etwas länger dauern. Die Astronomen und Astrophysiker hoffen aber auf den mit ROSAT gewonnenen Erfahrungen aufbauen zu können, und haben sich zum Ziel gesetzt den endgültigen ABRIXAS-Katalog schon bald nach dem Ende der Mission zu veröffentlichen. Bis dahin wird das Satellitenprojekt weiteren Studentengenerationen am IAAT Gelegenheit geben, in der Arbeitsgruppe für Röntgenastronomie mit weltweit einzigartigen Daten an der vordersten Front der astrophysikalischen Forschung mitzuarbeiten.

Eckhard Kendziorra

Stand: April 1999