Zum Erscheinungsbild des Frühneolithikums in Südosteuropa
Die Ausbreitung der neolithischen Lebensweise vom Vorderen Orient nach Europa steht seit langem im Fokus der Wissenschaft. Der südosteuropäischen Landmasse kommt aufgrund ihrer Lage zwischen Kleinasien und Mitteleuropa dabei besondere Bedeutung zu, denn der Balkanraum bildet eine Brücke zwischen den Ausgangsgebieten der Neolithisierung und dem europäischen Kernland. Als natürliche Verkehrswege, über die Ackerbau und Viehzucht sowie die Technologie der Keramikproduktion vermittelt wurden, gelten die großen Flußtäler, welche das gebirgige Land durchziehen. Neuere Funde seit den 1980er Jahren machten deutlich, daß der Beginn dieser Entwicklung bereits vor der Besiedlung der bekannten Tellsiedlungen einsetzt. So können erste neolithischen Funde Bulgariens, Griechenlands und Serbiens in die letzten zwei Jahrhunderte des 7. Jahrtausends v.Chr. datiert werden und sind damit um einiges älter als die zuvor als älteste neolithische Funde angesehenen Materialien der untersten Schicht des Tells von Karanovo in Thrakien. Vor-Karanovo-zeitliche Funde sind auch aus den Gebieten nördlich der Balkankette bekannt geworden, wie etwa aus Koprivec und Poljanica-platoto (Todorova 2003). Daß es sich nicht um ein „monochromes“ Neolithikum im Sinne der in Anatolien gebräuchlichen Terminologie handelt, wurde bei eingehender Untersuchung der genannten Keramikkomplexe recht bald deutlich (Stefanova 1996; Krauß 2006, 161-162; Krauß 2008, 119-121). Auch südlich des Balkankammes sind zahlreiche Vor-Karanovo I-zeitliche Fundplätze mit Bemaltkeramik bekannt geworden, welche die These eines „monochromen“ Neolithikums als ältester Stufe des Balkanischen Frühneolithikums wiederlegen (Lichardus-Itten et al. 2002). Die Diskussion um den Charakter der ältesten neolithischen Keramik entbehrte jedoch bislang einer sicheren absolutchronologischen Grundlage, da die Argumentation gegen ein „monochromes“ Neolithikum in Südosteuropa weitgehend auf dem typologischen Vergleich der bekannten Fundplätze beruhte und von den einschlägig bekannten Plätzen nur wenige oder unsichere 14C-Daten veröffentlicht wurden (vgl. Görsdorf/Bojadžiev 1996). Im Vergleich zum Südwestanatolischen Seengebiet, etwa am Fundplatz Hacılar (Mellaart 1970), ist auch im entwickelten südosteuropäischen Frühneolithikum Monochromkeramik die weit überwiegende Keramikware. Bemaltkeramik tritt dagegen nur in geringen Mengen auf. Schon aus diesem Grund ist die Verwendung des Begriffes „monochromkeramisches Neolithikum“ für die vor-Karanovo I-zeitliche Entwicklung wenig zutreffend.