Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters

Forschungen im Sommer 2014

Entsprechend den Ergebnissen der Jahre 2012 und 2013 wurden die Flächen in den Siedlungsarealen beim Tumulus und südwestlich davon noch einmal ausgeweitet. Im Mittelpunkt der Forschungen standen einerseits die Fragen nach der Struktur der frühneolithischen Siedlung und andererseits nach der zeitlichen Eingrenzung der nach-neolithischen Siedlungsstrukturen auf der Fläche. Entsprechend wurde das südwestliche Areal um die Schnitte I, J (von jeweils 4,5x5m Fläche), N und O (von jeweils 4,5x4,5m Fläche) erweitert. Im nordöstlichen Siedlungsareal wurden unmittelbar südöstlich des Vorjahresschnittes H die neuen Schnitte K und L (von jeweils 4,5x4,5m Fläche mit einer Erweiterung des Schnittes K nach Süden um weitere 2x4,5m) angelegt. Zur weiteren methodischen Klärung der Altgrabung und um eventuell etwas über die Zeitstellung des Tumulus zu erfahren wurde etwa im Zentrum des Hügels ein weiterer Schnitt M (von 5x5m Fläche) angelegt und später auf 2x3m nach Norden erweitert.

Begleitende geomorphologische Untersuchungen durch Bastiaan Notebaert offenbaren, dass es sich bei dem in der geomagnetischen Kartierung befundfreien Streifen zwischen den zwei Siedlungsarealen um eine Geländedepression handelt, an deren Grund ebenfalls mit neolithischen Siedlungsablagerungen zu rechnen ist. Im Gegensatz zu den nördlich und südlich der Siedlung verlaufenden Armen von trockengefallenen Flüssen scheint es sich bei dieser Senke jedoch nicht um einen Flussarm zu handeln, da keine entsprechenden Sedimente in den Sondagebohrungen nachgewiesen werden konnten. Unter Anleitung von Elena Marinova wurden Areale innerhalb der alten Gewässerarme mit potentieller Erhaltung von organischem Material für pollenanalytische Untersuchungen sondiert. Die zoologischen Materialien der vergangenen Grabungsjahre wurden von Béatrice de Cupere bestimmt. Weiterführende Untersuchungen an einer Auswahl der Fischknochen und Moluskenschalen sind am Naturkundlichen Museum in Brüssel geplant.

Ergänzend zu den Untersuchungen der Vorjahre konnte der Verlauf und die Grabungsmethodik der Altgrabung durch Kisléghi Nagy Gyula aus dem Jahre 1904 sehr genau rekonstruiert werden. Es gelang, die südwestliche Kante seiner Grabung in ihrem weiteren Verlauf mit dem Schnitt L zu verfolgen. Insbesondere im Südprofil des Schnittes M zeichnen sich die Sondagen von Kisléghi deutlich ab. Zusammen mit den bereits in der geomagnetischen Kartierung sichtbaren Spuren der Altgrabung lässt sich nunmehr die Grabungstätigkeit vor 110 Jahren sehr detailliert rekonstruieren. Es handelt sich bei den Kisléghi Schnitten um relativ unregelmäßige Streifen mit wannenförmigem Querschnitt, die sich in nordöstlicher Richtung erstrecken. Der Aushub aus einer Sondage wurde dabei in den letzten offenliegenden Schnitt geschüttet. Offenbar wurden nicht alle Funde von der Fläche geborgen denn große Fundansammlungen lagen noch aufgehäuft am Rande der alten Schnittkanten.

Im Bereich des Tumulus konnten in den Grabungsschnitten K, L und M insgesamt drei weitere, vollständige Bestattungen aus dem Frühmittelalter geborgen werden. Wie im Vorjahr wurden darüber hinaus in den Schnitten der Kisléghi Altgrabung weitere menschliche Skelettreste angetroffen, die offenbar von Gräbern stammen, die bereits damals freigelegt wurden. Der Fund von zwei Glasperlen in dem Grab eines Kleinstkindes und einer Bronzeperle in dem Grab eines erwachsenen Mannes geben nun erstmals auch einen klaren Anhalt für die Datierung dieser Gräber. Über Fundparallelen aus ungarischen Friedhöfen lassen sich die Bestattungen dem ausgehenden 8. und beginnenden 9. Jahrhundert n.Chr. zuweisen. Das Grab des Kleinkindes wurde wegen seiner Fragilität en bloc geborgen und unter Laborbedingungen im Museum der Banater Bulgaren in Dudeştii Vechi weiter freigelegt. Wegen seines hohen Ausstellungswertes wurde dieses Grab mit einer Vitrine ummantelt und kann nun in der Ausstellung besichtigt werden.

Als eines der wichtigsten Ergebnisse der Grabungskampagne des Jahres 2014 können die Hinweise auf die Datierung des Tumulus gelten. In der Nordhälfte von Schnitt L konnte das Brandschüttungsgrab eines Kindes mit einer darübergestülpten Urne geborgen werden. Es handelt sich um eine Schüssel mit leicht einbiegendem Rand die über ihre charakteristische Ritzverzierung an der Außenseite der Baden-Coţofeni-Gruppe im Banat zugewiesen werden kann. Am nördlichen Rand von Schnitt M trat ein Körpergrab auf, für dessen Freilegung der Schnitt nach Norden erweitert wurde. Die Bestattung war von einem darüber liegenden Schnitt der Altgrabung Kisléghi nur gestreift worden und ansonsten noch unberührt. Die Grabgrube war von leicht trapezoider Form mit sich zum Fußende hin leicht verschlankenden Umrissen. Der Boden der Grabgrube war vollständig mit einer dunklen Materie ausgekleidet, die von einem vergangenen organischen Material, vielleicht einer Matte, herrühren könnte. Im darunterliegenden Sediment zeichneten sich sowohl am Fuß- wie auch am Kopfende drei kleine Pfostenspuren ab, die auf eine Grabinstallation hindeuten. In der Grabgrube fand sich eine auf dem Rücken liegende Bestattung mit angehockten Knien, die lediglich durch den Erddruck leicht nach links verschoben waren. Im Brustbereich der vorläufig als ältere Frau bestimmten Bestattung fanden sich zahlreiche Schneckenschalen, die nach Auskunft der Zoologin nicht taphonomisch erklärt werden können und darum als Grabbeigaben anzusprechen sind. Zudem fand sich rechts neben dem Kopf der Frau ein geformter Brocken roten Ockers. Die Art der Grablegung und die sehr spezifische Art der Beigabe eines Ockerklumpens deuten darauf hin, dass wir es hier mit einem klassischen Ockergrab aus der Zeit um 3000 v.Chr., also der ausgehenden Kupferzeit zu tun haben. Möglicherweise haben wir mit diesem Grab die Zentralbestattung des Hügels erfasst und das Brandgrab des Kindes ist als Sekundärbestattung, etwa aus dem gleichen Zeitraum anzusprechen. Die kulturhistorische Bedeutung des Ockergrabes liegt in seiner geographischen Position, da es sich hier um eines der westlichsten Bestattungen dieser aus dem Nordpontikum hergeleiteten Bestattungssitte handelt (vgl. Ecsedy 1979, Fig. 3).

Zur frühneolithischen Besiedlung

Im südwestlichen Siedlungsareal konnte im Bereich der Schnitte I und J eine weitere große Grube dokumentiert werden. Die Struktur des Befundes ist bogenförmig und zeigt keinen geplanten Umriss. Etwa mittig ist innerhalb der Grube nochmals ein Schacht wie von einem Brunnen abgetieft worden in dem sich ein vollständiges Fussgefäß fand. Der Befund ist mit sehr viel, ausschließlich frühneolithischem Fundmaterial verfüllt worden. Die Verfüllungsgeschichte ist allerdings sehr komplex und scheint in mehreren Schüben erfolgt zu sein. Entsprechend schwierig ist die Interpretation dieses Befundes. Offenbar diente dieser Bereich zunächst zur Entnahme von Baulehm und wurde später auch zur Wasserentnahme genutzt. Für einen Baubefund ist die Grube zu unförmig, der Befund ist aber dennoch im Zusammenhang mit der frühneolithischen Siedlungsaktivität auf der Bucova Pusta zu sehen.

Im Bereich südlich dieser Grube fällt das Gelände zu einem der in der geomagnetischen Kartierung sichtbaren alten Gewässerlauf ab. Zur Klärung dieser Situation wurden südlich des Schnittes J zwei weitere Schnitte N und O angelegt. Besonders im Süden des Schnittes O zeichnet sich das Gefälle des natürlichen Bodens sehr deutlich ab. Im Uferbereich des alten Flussarmes fanden sich noch zahlreiche frühneolithische Funde, darunter ein weiteres vollständig zu rekonstruierendes Gefäß. Die Fundkonzentration in diesem Bereich deutet darauf hin, dass dieser Altarm gleichzeitig mit der frühneolithischen Siedlung bestanden hat. Die geomorphologischen Untersuchungen konnten in diesem Jahr allerdings nicht bis in diesen Bereich vorangetrieben werden um diese Situation zu bestätigen.

Im nordöstlichen Siedlungsareal konnte in den Schnitten K und L eine sehr komplexe Situation dokumentiert werden. Die frühneolithischen Befunde sind dort immer wieder von späteren Eingrabungen gestört und darum streckenweise noch recht unklar. Deutlich zeichnete sich zwischen den Schnitten K und L, ganz im Norden eine weitere frühneolithische Grube ab, die bereits im Süden des Schnittes H im Vorjahr beobachtet werden konnte. Auch diese Grube hat keine regelmäßigen Umrisse und zeigt eine komplexe Verfüllungsgeschichte mit frühneolithischem Siedlungsmaterial. Als einer der wichtigsten Befunde konnte in diesem Jahr im Norden des Schnittes K ein weiterer Ofen dokumentiert werden. Ähnlich wie der Ofen aus Schnitt G, der im Vorjahr dokumentiert wurde, handelt es sich um einen aus dem anstehenden Boden herausmodellierten, freistehenden Ofen. Allerdings war in diesem Fall auch die sehr aufwändig gestaltete Kuppel erhalten, die in einen zylindrischen Rauchabzug mündet. Der südliche Bereich des Schnittes K zeigt weitere frühneolithische Eingrabungen, die aber durch spätere Störungen stark zerschnitten sind. Es zeichnet sich ab, dass die alte Geländeoberfläche auch in diesem Bereich stark abfällt. Entgegen der ursprünglichen Annahme scheint es sich hier, wie eingangs erwähnt, aber nicht um einen alten Gewässerlauf sondern lediglich, entsprechend der geomorphologischen Untersuchungen, um eine Geländedepression zu handeln. Diese Eintiefung ist mit tiefschwarzem Sediment verfüllt, das möglicherweise umgelagertes Material der erodierten Tumulusschüttung darstellt. Einen terminus ante quem für die Verfüllung dieser Senke bietet ein weiteres frühmittelalterliches Grab, das in diese dunkle Füllschicht eingebracht wurde.

Von der Firma „Andron Solutions“ konnte die offene Grabung mit einem Quadrokopter aus der Luft fotographisch dokumentiert werden. Diese Aufnahmen können nun auch dazu verwendet werden, das bereits anhand von Tachymeter-Messungen erstellte Geländemodell des Fundplatzes zu vervollständigen.

Im Grabungscamp im Museum der Banater Bulgaren von Dudeştii Vechi konnten sämtliche im Vorjahr aus den frühneolithischen Befunden entnommenen Sedimentproben geschlämmt werden. Es wurde ein Archivierungssystem für die Funde eingerichtet, das jederzeit eine Bearbeitung der Funde auch durch andere Fachwissenschaftler ermöglicht. Die Beschriftung erfolgte ausschließlich in englischer Sprache, um international arbeiten zu können. Von der Gemeinde Dudeştii Vechi wurde uns die Möglichkeit eingeräumt im Museum eine neue archäologische Ausstellung einzurichten, in der zukünftig die wichtigsten Ergebnisse unserer Forschungen der Öffentlichkeit präsentiert werden können.

Literatur:
I. Ecsedy, The People of the Pit-Grave Kurgans in Eastern Hungary. Fontes Arch. Hung. (Budapest 1979).
E. Gáll/D. Ciobotaru/D. Tănase, Kisléghi Nagy Gyula – Archaeológiai Napló (Szeged/ Timişoara 2010).
R. Krauß