Die strategische Position am südlichsten Flussabschnitt der Donau von der Frühen Eisenzeit bis zum Ende des römischen Limes. Ein intensiver Survey zur Erforschung von Siedlungen und Befestigungsanlagen am Taš bair bei Novgrad (Bulgarien)
In dem ca. 20 km langen Abschnitt zwischen Svištov und der Jantra-Mündung erreicht die Donau den südlichsten Punkt ihres Gesamtlaufs, wodurch diesem Flussteilstück eine bis in die Neuzeit reichende geostrategische Bedeutung zukommt.
Erste um die Jahrtausendwende durchgeführte landschaftsarchäologische Untersuchungen erkannten einen Fundstellenkomplex am Hügelrücken Taš bair in der Nähe der Jantra-Mündung. Mit einer mehrphasigen, vom Spätneolithikum bis zum Frühmittelalter besetzten Fundstelle am Hügelfuß und verschiedenen undatierten Befestigungsanlagen am Mittelhang und auf dem Sporn nimmt er eine Schlüsselstellung für das Verständnis der vor- und frühgeschichtlichen Siedlungs- und Befestigungssysteme in diesem Gebiet ein.
Im Rahmen des Projektes wurden je zwei Survey- und Grabungskampagnen durchgeführt.
Die zuvor durch die Firma Eastern Atlas geomagnetisch prospektierten Fundplätze am Taš bair wurden durch intensive Feldbegehungen erforscht, wobei Angaben zu ihrer Datierung und ihrer inneren Struktur gewonnen wurden. Für die Römische Kaiserzeit deutet beispielsweise eine Reihe von Einzelkomplexen auf die Existenz mehrerer Gutshöfe (villae rusticae) hin, die in Abständen von wenigen Hundert Metern am Südabhang des Höhenzuges lagen. Ähnliche Siedlungsstrukturen, die als Anzeichen einer systematischen Landeinteilung gedeutet werden, sind bereits in den westlich anschließenden Gebieten bekannt. Sie können mit der Versorgung der aus den Militäreinheiten am Limes entlassenen Soldaten in Verbindung gebracht werden.
Das trockene Frühjahr 2019 ermöglichte die Begehung großer Teile der Jantra-Mündungsebene, bei der mehrere Siedlungsplätze auf den Uferwällen entlang der heute weitgehend verlandeten Jantra-Mäander festgestellt wurden. Die Besiedlung setzt hier im jüngeren Abschnitt der Frühen Eisenzeit (Basarabi-Kultur) ein und lässt sich bis zum Frühen Mittelalter (8.-Anfang 11. Jh.) verfolgen.
Entsprechend einer Arbeitshypothese wurde das Siedlungsverhalten sowohl in der Niederung und als auch am Taš bair ganz wesentlich durch die Entwicklung der Flussläufe beeinflusst. Zudem hängt der Erhaltungsgrad der Fundplätze wohl ganz wesentlich von Erosions- und Sedimentationsprozessen ab. Forschungen zur Flussgeschichte in der Jantra-Mündungsebene bilden deshalb einen wesentlichen Bestandteil des Projektes; sie werden durch eine Arbeitsgruppe des Geographischen Instituts der KU Leuven (Belgien) ausgeführt. Zur Rekonstruktion und Datierung der Flussmäander wurden dazu Bohrprofile angelegt und geoelektrische Messungen ausgeführt. Ihre Auswertung erfolgt im Rahmen einer Masterarbeit an der KU Leuven.
Am südlichen Mittelhang des Taš bair, direkt an der Abbruchkante, zeichnen sich in Luftaufnahmen und im geomagnetischen Messbild zwei parallele, kreisbogenförmig verlaufende Grabenabschnitte ab. Im Sommer 2018 wurden der innere Graben und zwei kleine Anomalien im Innenraum, bei denen es sich um eine Grube und eine rinnenartige, anthropogene Vertiefung handelte, gezielt sondiert. Die 14C-Proben datieren die Anlage des Grabens in das 20./19. Jh. v.Chr. und damit an den Beginn der Mittelbronzezeit. Die beiden Strukturen im Innenraum wurden dagegen erst in der Spätbronzezeit (14./13. Jh. v.Chr.) angelegt, so dass sich zwei Hauptnutzungsphasen abzeichnen. Die Datierung des äußeren Grabens ist vorläufig noch unbekannt, so dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht alle Fragen zur Geschichte der Anlage beantwortet sind.
Im Jahre 2019 wurden markante Linearstrukturen auf einem ausgedehnten Fundplatz am südlichen Unterhang des Taš bair untersucht. Dabei wurden Befestigungsanlagen des Spätneolithikums, der Späten Eisenzeit und des Frühmittelalters nachgewiesen. Diese und weitere, bislang im Detail noch nicht untersuchte Strukturen deuten darauf hin, dass dem Taš bair an der Jantra-Mündung in der Vor- und Frühgeschichte eine besondere Bedeutung in der Besiedlung zukam. Eine wesentliche Rolle spielte hierbei sehr wahrscheinlich der unmittelbare Flusszugang, dessen Verlust durch die zunehmende Verlandung der Mäander die Aufgabe aller Siedlungsplätze und Befestigungen nach dem Frühmittelalter zur Folge hatte. Der Taš bair teilt damit das Schicksal anderer Städte im Mittel- und Schwarzmeerraum, die infolge der Verlandung ihrer Häfen aufgegeben werden mussten.
Derzeit erfolgt die Auswertung der Forschungsdaten, die zeitnah in die Publikation der Ergebnisse münden wird.