Uni-Tübingen

Ressourcenkomplexe und Netzwerke in Migrationsprozessen

Projektleitung: Prof. Dr. Jörg Baten

Doktorand: Daniel Steinberg, Dipl.VW

Die Erschließung neuer Rohstoffquellen entfaltete in der Vergangenheit zuweilen überraschende ökonomische Effekte. So führte die Entdeckung von Erdgasvorkommen in den Niederlanden sowie von Erdölvorkommen in Aserbaidschan nicht etwa zu einer anhaltenden wirtschaftlichen Prosperität. Vielmehr trug der massive Export von Erdgas bzw. Erdöl zu einer Aufwertung der jeweiligen Währung bei, was wiederum die Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft unterminierte. Dieses heute unter dem Begriff der „holländischen Krankheit“ bekannte Phänomen legt nahe, dass Ressourcenreichtum nicht zwingend ein „Segen“, sondern sogar ein „Fluch“ für das betreffende Land sein kann.

Zu diesem Ergebnis kommen auch Sachs und Warner, die auf Basis eines Panel-Datensatzes einen negativen Zusammenhang zwischen Ressourcenreichtum sowie der wirtschaftlichen Entwicklung feststellen. Diese Korrelation bestätigt zudem Gylfason: „For OPEC as a whole, GNP per capita decreased by 1.3 percent on average during 1965-1998 compared with 2.2 percent average per capita growth in all lower-and middle-income countries“.

Neben der „holländischen Krankheit“ gibt es zahlreiche weitere Modelle, die einen Beitrag zur Erklärung des „Ressourcenfluchs“ leisten. Diese umfassen mögliche adverse Effekte des Ressourcenreichtums auf Bildungsinvestitionen, adverse Effekte auf politische Institutionen sowie mögliche Bürgerkriege und Konflikte im Kampf um die zusätzlichen Ressourceneinnahmen des Staates. Ausgehend von diesen Theorien zeigen Melhum / Moene / Torvik, dass Länder mit stabilen wirtschaftlichen und demokratischen Institutionen den „Ressourcenfluch“ in einen „Ressourcensegen“ verwandeln können. Dies legt die Hypothese nahe, dass Ressourcenreichtum häufig nicht alleine, sondern erst in Kombination mit einem Mangel an qualitativen Institutionen adverse Effekte auf die Wirtschaftsentwicklung entfaltet.

Trotz umfangreicher Forschung zu den ökonomischen Effekten des Ressourcenreichtums bestehen weiterhin einige offene Fragen. Welchen Effekt haben Ressourcenschocks nicht nur auf die Quantität der Migration sondern auch auf die Selektivität der Migration? Sind ressourcenreiche Länder eher von Brain-Drain- oder Brain-Gain-Effekten betroffen? Hängen die Selektionseffekte von der Art der Ressource sowie dem Entwicklungsstand des Landes ab? Diese Fragestellungen stehen im Mittelpunkt des hier beschriebenen Dissertationsprojektes. Ausgangspunkt dieser Forschungsfragen ist die empirische Erkenntnis, dass Ressourcenreichtum die Einkommensverteilung des jeweiligen Staates beeinflusst und dass die Selektivität der Migration wiederum maßgeblich von der relativen Einkommensverteilung zwischen Herkunfts- und Zielland abhängt. Dies legt die Hypothese nahe, dass ein Ressourcenschock ebenfalls einen Einfluss auf die Selektivität der Migration hat.

Um den Zusammenhang zwischen Ressourcenschocks sowie der Selektivität der Migration aus einer wirtschaftshistorischen Perspektive zu beleuchten, werden Ressourcenschocks in theoretische Außenhandelsmodelle integriert und die Theorie im Anschluss auf Basis empirischer Analysen verifiziert bzw. falsifiziert. Eine kurze Beschreibung des theoretischen Modells sowie der statistischen Methoden steht im Mittelpunkt des nachfolgenden Abschnitts.