Uni-Tübingen

B 06

Mensch und Ressourcen in der Wikingerzeit. Anthropologische und bioarchäologische Analysen zur Nutzung von Nahrungsressourcen und Detektion von Mobilität

Fachklassifizierung

Archäologie

Anthropologie

Wirtschaftsgeschichte

Projektleitung

Baten, Jörg, Prof. Dr.

Eberhard Karls Universität Tübingen

Wirtschaftswissenschaftliches Seminar

Abteilung für Wirtschaftsgeschichte

Melanchthonstraße 30

72074 Tübingen

Telefonnummer: 07071 29 72985

E-Mail-Adresse: joerg.batenspam prevention@uni-tuebingen.de

 

Bartelheim, Martin, Prof. Dr.

Eberhard Karls Universität Tübingen

Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters

Abteilung für Jüngere Urgeschichte und Frühgeschichte

Schloss Hohentübingen

Burgsteige 11

72070 Tübingen

Telefonnummer: 07071 29 72406

E-Mail-Adresse: martin.bartelheimspam prevention@uni-tuebingen.de

 

Staecker, Jörn, Prof. Dr. 

Eberhard Karls Universität Tübingen

Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters

Abteilung für Archäologie des Mittelalters

 

Wahl, Joachim, Prof. Dr.

Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart

Arbeitsstelle Konstanz, Osteologie

Stromeyersdorfstraße 3

78467 Konstanz

Telefonnummer: 07531 9969950

E-Mail-Adresse: joachim.wahlspam prevention@rps.bwl.de

DoktorandInnen

und Postdocs

Maravall-Buckwalter, Laura, Dr.

SFB 1070 RessourcenKulturen
Gartenstraße 29
Raum 311

72074 Tübingen

E-Mail-Adresse: laura.maravall-buckwalterspam prevention@uni-tuebingen.de

 

Palmowski, Valerie, M.A.

SFB 1070 RessourcenKulturen

Gartenstr. 29

72074 Tübingen

Telefonnummer: 07071 29 73589

E-Mail-Adresse: valerie.palmowskispam prevention@uni-tuebingen.de

 

Toplak, Matthias S., Dr.

SFB 1070 RessourcenKulturen

Gartenstr. 29

72074 Tübingen

Telefonnummer: 07071 29 37589

E-Mail-Adresse: matthias-simon.toplakspam prevention@uni-tuebingen.de

Die Bedeutung von Ressourcen in der Kulturgeschichte wird nicht nur durch Handlungen von Menschen, sondern auch unmittelbar in deren Körper reflektiert. Unterschiede im Zugang zu Ressourcen und deren spezifische Nutzungsweise können direkte Entsprechungen im physischen Erscheinungsbild finden und dadurch wertvolle individualisierte, aber auch generalisierbare Informationen über naturräumliche, ökonomische und soziokulturelle Lebensbedingungen liefern und dadurch Wechselwirkungen mit der kulturgeschichtlichen Dynamik beleuchten. In der ersten Phase des Projekts wurde der alamannische Siedlungsraum in Baden-Württemberg intensiv untersucht. Auf Basis ausgewählter Gräberfelder des 5. – 8. Jh. n. Chr. wurde zum einen durch die Wirtschaftsgeschichte der Siedlungsraum in Bezug auf seine naturräumlichen und ökonomischen Voraussetzungen analysiert, zum anderen mittels anthropologischer und naturwissenschaftlicher Methoden das Skelettmaterial eingehend bezüglich Faktoren wie Alter und Geschlecht, Pathologien, Ernährung (via Isotopen) und Funktionszuweisungen (via Enthesien) erforscht. Die Korrelation zwischen Grabbau/Grabinventar und Gesundheitszustand/Ernährung tritt deutlich hervor und weist nur in Einzelfällen Abweichungen auf. So konnte z. B. für das Gräberfeld von Fridingen eine deutliche Korrelation zwischen den reich ausgestatteten Separatgrablegen und den Isotopenwerten, die auf proteinreiche Ernährung deuten, nachgewiesen werden. Eine bestimmte Personengruppe hatte Zugang zu einer abweichenden Ernährung und konnte es sich erlauben, einen aufwändigen Grabbau zu betreiben und unterschiedliche Objekte in den Gräbern zu „vernichten“. Damit müssen Thesen, die innerhalb der postprozessualen Archäologie in den letzten Jahren entwickelt wurden, völlig neu diskutiert werden. Archäologen wie z. B. S. Brather hatten davor gewarnt, den archäologischen Befund, d. h. Grabbau und Grabinventar, mit den realen Lebensumständen bzw. sozialen Status gleichzusetzen. Die bisherigen Ergebnisse legen jetzt nahe, doch einen Bezug zu sehen, der aber für jeden Einzelfall überprüft werden muss. Insbesondere wird es von Interesse sein zu überprüfen, ob diese für den alamannischen Raum nachgewiesenen Resultate auch zu anderen Zeiten an anderen Orten belegt werden können. In der zweiten Phase soll daher der Fokus auf die Wikingerzeit gelegt werden, besonders auf Regionen in Skandinavien und (dem späteren) Norddeutschland, die sich im 8. – 11. Jh. potentiell durch geographische Mobilität ausgezeichnet haben. Seit über 150 Jahren werden wikingerzeitliche Gräberfelder intensiv aus Sicht der Archäologie erforscht, aber eine eingehende anthropologische und naturwissenschaftliche Analyse fehlt in den meisten Fällen. Mit Ausnahme der Gräberfelder von Haithabu und Trelleborg gibt es bisher kaum systematische Untersuchungen, in denen naturwissenschaftliche Methoden zum Einsatz kommen. Inhaltlich wird in der zweiten Projektphase besonderes Augenmerk auf die Interaktion von Gewalt (messbar über Schädeltraumata und Waffenspuren), Lebensweise und kulturgeschichtliche Dynamik gelegt. Im Fokus werden drei Regionen stehen: 1. Die Gräberfelder von Thumby-Bienebek und Kosel in der Nähe des Handelsplatzes Haithabu, um Zentrum-Peripherie-Effekte zu untersuchen. 2. Mehrere Gräberfelder auf der dänischen Insel Bornholm erlauben es, den Kontakt von skandinavischer und möglicherweise slawischer Bevölkerung zu betrachten. Wir wollen hier analysieren, ob eine faktische slawische Mobilität zu beobachten ist, oder ob es sich bei den dortigen Funden „nur“ um fremde Objekte handelt, die in die Gräber gelangten. Sollte es sich um slawische Bevölkerungsteile handeln, dann stellt sich die weitergehende Frage, wie sich die Lebensbedingungen im Vergleich zur ortsansässigen Bevölkerung gestalteten und welche RessourcenKulturen sich entwickelten. 3. Für die Insel Gotland mit ihrer zentralen Rolle im östlichen Ostseeraum wissen wir über den Grad an Mobilität bisher sehr wenig. Die Gräber von Kopparsvik und Slite weisen u.a. mehrere Bestattungen mit Bauchlage und zum Teil auch Zahnfeilungen auf. Die Bedeutung dieser Phänomene ist bisher umstritten. Unsere Untersuchungen können hier völlig neue Betrachtungswinkel liefern. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im Teilprojekt Problemfelder‚ die sich an der Schnittstelle zwischen Archäologie, Wirtschaftsgeschichte und Anthropologie herausbilden, beispielhaft und innovativ beleuchtet werden. Es werden drei eng miteinander verbundene Themen untersucht: 1. Die Migrationen im Ostseeraum erlauben es, besonders interessante Aspekte der Ressourcennutzung und deren Auswirkungen auf die Einwanderer zu untersuchen. Die Skelette der betrachteten Individuen sollen anhand von Strontium-Isotopen direkt auf ihre Herkunft überprüft werden. 2. Die Interaktion zwischen Herrschaft, sozialer Ungleichheit und Nutzungsadaption stellt ein interessantes Problem dar. 3. Die Betrachtung der Interaktion von Gewalterfahrungen mit den kulturgeschichtlichen Entwicklungen dieser Zeit und dieses Raumes ist von besonderem Interesse, da Skandinavien im frühen Mittelalter eine Reputation für eine vergleichsweise hohe Gewaltneigung hat.