Social and Cultural Anthropology

Feldforschungspraktikum in Baku, Aserbaidjan

Ende Juli 2008 trafen sieben Studentinnen des ethnologischen Instituts am Flughafen in Riga zusammen, um weiter nach Baku/Aserbaidschan zu fliegen.


In Baku angekommen wurden wir zuerst von einem schweren Ölgeruch und einer trockenen Hitze begrüßt. Nach einer abenteuerlichen Fahrt in die Stadt, wurden wir von neugierigen Gastschwestern abgeholt. Etwas enttäuscht über unsere natürliche Schlichtheit, vor allem in Bezug auf Schminke und Kleidung, schlossen sie uns doch bald ins Herz. Was sich vor allem durch die stündlichen Anrufe und die innigen Umarmungen und Händchenhalten bei gemeinsamen Unternehmungen ausdrückte.


Die Sprachlehrer waren zu Beginn über unsere direkte Art überrascht, aber schon bald nannten sie uns liebevoll ihre ucaqlar (Kinder). Was jedoch doch nicht zu unserer sehnlichst gewünschten Eigenständigkeit beitrug. Die Schüler-Lehrer-Begegnung führte zu neuen Erkenntnissen beiderseits: wir lernten mit der noch sowjetisch geprägten Unterrichtsart umzugehen und die Lehrer/innen begegneten diskussionsfreudigen und hinterfragenden Schülern.


Durch die alltägliche Sprachpraxis in den Familien und auf der Straße konnten wir schnell unsere aserbaidschanisch und russisch Kenntnisse vertiefen. Neben dem Sprachunterricht trafen wir uns auch wöchentlich mit unserer Organisatorin Frau Fehlings zu ethnologischen Seminaren. In diesen wurden drei ethnologische Methoden (Genealogie, Haushaltsanalyse, Netzwerkanalyse) erst literarisch erarbeitet und mit anschließend selbst erhobenen Daten eingeübt.


Des Weiteren lernten wir die Region Südkaukasien über themenbezogene Literatur und Referate näher kennen. Die durchgeführten Interviews wurden durch die teilnehmende Beobachtung in den Familien ergänzt und jede Teilnehmerin forschte zu einem bestimmten thematischen Schwerpunkt, wie beispielsweise Migration, Hochzeiten, Gender, Beerdigungs-Rituale, u. ä. Die erhobenen Daten werteten wir aus und präsentierten sie wöchentlich im Seminar, wodurch sich immer wieder neue Zusammenhänge und ein starker Austausch untereinander eröffneten.


Die Gastfamilien unterschieden sich stark voneinander, während einige der Teilnehmerinnen jeden Tag an einem 5stündigen Fernsehsoapmarathon teilnahmen, lernten andere täglich neue neugierige Familienmitglieder kennen. Manche kamen in den Genuss erholsamer Tage auf der Datscha und konnten so der staubigen Hitze Bakus entfliehen. Nach wenigen Wochen hatten wir alle eine neue, aserbaidschanische Familie, die uns herzlichst umsorgte und ins Herz geschlossen hatte. Auf aserbaidschanische Weise flanierten wir mit unseren Gastschwestern auf dem Boulevard am kaspischen Meer, tranken Tee und aßen Baklawa, traten aber rechtzeitig - auch nach aserbaidschanischer Sitte - vor der Dämmerung den Nachhauseweg an.Durch ausgiebige Gespräche über die Unterschiede zwischen aserbaidschanische und deutscher Mode, Männer, Essen und Lebensweisen lernten sich beide Seiten immer besser kennen und verstehen.


Die Slawische Universität Baku nahm uns offen und herzlich auf. Sie kümmerten sich um alle organisatorischen Angelegenheiten, ermöglichten uns Internet- und Bibliothekszugang, waren immer für uns da und brachten uns durch verschiedene Ausflüge, wie zum zoroastrischen Feuertempel, ihr Land näher. Durch mehrere Fernseh- und Zeitungsinterviews wurden wir bald Stadtbekannt. Der Universität lag der Austausch zwischen ihren Studenten und uns sehr am Herzen und unterstützen dies durch verschiedene Diskussionsrunden, zum Beispiel mit der journalistischen Fakultät über die Repräsentation Aserbaidschans in der deutschen Presse. Durch die dort stattfindende dreiwöchige Sommerschule des DAAD zu dem Thema Tourismuspotentiale Aserbaidschans und nationale Selbstkonstruktion: Chancen und Problemfelder einer nachhaltigen Entwicklung kamen wir mit vielen aserbaidschanischen Wissenschaftlern, Repräsentanten der Botschaft, des Ministeriums und der Wirtschaft in Kontakt. In der darin enthaltenen, einwöchigen Exkursion konnten wir uns von dem angesprochenen Tourismuspotential des Landes selber ein Bild machen und die sehr unterschiedlichen Landzüge Aserbaidschans kennenlernen.


Als wir uns im Oktober auf den Nachhauseweg machten, verließen wir trotz der Vorfreude auf das eigene Bett nur mit schwerem Herzen unsere Familien. Unsere Zeit in Aserbaidschan war sehr intensiv - sie erforderte zum einen viel Energie und Kompromissbereitschaft von uns, gab uns aber zum anderen viele für unser Studium wertvolle, aber auch für uns selbst prägende Erfahrungen.


Michaela Buckel
Marion Fohrer
Claudia Lercher
Vivienne Marquardt
Julia Stadtfeld
Anne Weiss
Caroline Wolfart