Social and Cultural Anthropology

Making sense of cancer - Sinnstiftungen von Krebs in multiplen medizinischen Kontexten

Gefördert von der Fritz-Thyssen-Stiftung 2016

1. Titel: Making sense of cancer - Sinnstiftungen von Krebs in multiplen medizinischen Kontexten

2. Laufzeit: k.A.

3. Projektleiterin: Dr. des Eva Jansen

4. Forschungsort: Deutschland

5. Zusammenfassung: Krebserkrankungen sind laut der WHO nach Herz- und Kreislauferkrankungen die zweithäufigste Todesursache in alternden europäischen Gesellschaften. In Deutschland stellen einige betroffene PatientInnen, ÄrztInnen, HeilpraktikerInnen und auch die Medien „herkömmliche“ biomedizinische Behandlungsmethoden wie Chemo- und Strahlentherapie in Frage. Hauptkritik ist, dass die psycho-soziale Befindlichkeit von mit dem eigenen Tod konfrontierten PatientInnen nicht genug in die Therapie mit einbezogen wird. Um dieses Defizit auszugleichen greifen PatientInnen zunehmend auf naturheilkundliche Methoden zurück. Praktizierende naturheilkundlicher Methoden sehen PatientInnen weniger in einer passiven Rolle, sondern räumen ihnen Verantwortung und Handlungskapazitäten in der Therapie der eigenen Krankheit ein. Naturheilkundliche Therapien bieten zudem Erklärungsmuster zur Ursache von Erkrankungen, die über die reine Funktionalität des Körpers hinausgehen. Man geht davon aus, dass heutzutage in Deutschland vier von fünf PatientInnen mit einer Krebserkrankung nicht-biomedizinische Praktiken zur Verbesserung ihres Zustandes ausprobieren und oft auch jahrelang durchführen - zumeist ohne die/en biomedizinische/n Behandelnde/n darüber zu informieren. BiomedizinerInnen haben diesen Trend erkannt und integrieren zunehmend komplementäre und alternative Verfahren in biomedizinische Institutionen (Krankenhäuser für Naturheilkunde wie zum Beispiel Havelhöhe oder die Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin Essen). Sie sollen die Nebenwirkungen der Chemotherapie abschwächen, die Lebensqualität verbessern und einen erneuten Ausbruch der Krankheit verhindern. Die Schwerpunkte dabei liegen auf Misteltherapie, Homöopathie, Neuraltherapie und Ernährungsempfehlungen. Damit besteht die Tendenz der biomedizinischen Regulierung des Zugangs zu naturheilkundlichen medizinischen Dienstleistungen. Einen zusätzlichen Weg, die PatientInnen in den sozialen Mittelpunkt ihrer Behandlung zu stellen, ist die Integration von psychologischer Therapie in die biomedizinische Behandlung (Psychoonkologie). Dieses Projekt untersucht in den oben genannten Behandlungszusammenhängen zum einen den Prozess der institutionellen Hybridisierung konfligierender Medizinsysteme. Zum anderen analysiert es das health-seeking-behavior, die psycho-soziale Befindlichkeit, divergierende Erklärungsmodelle von PatientInnen, die die behandelnden Einrichtungen besuchen. Ziel ist es, am Beispiel von zwei sich derzeitig neu selbst definierenden Krankenhäusern in Deutschland die multiplen Sinnstiftungen von Krebserfahrungen auf der Seite der PatientInnen im Medizinpluralismus Deutschlands zu erforschen.