Philosophische Fakultät

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09.09.2023

Dr. Christian Bentz (Seminar für Sprachwissenschaft) wirbt ERC-Starting Grant ein

Projekt: „EVINE” zur Erforschung der Evolution der visuellen Kodierung von Informationen noch vor der Entwicklung von Schrift

Bevor die Schrift erfunden wurde, konnte Sprache nicht aufbewahrt werden. Christian Bentz geht jedoch davon aus, dass sich bereits zuvor eine wichtige Komponente der menschlichen Sprachfähigkeit entwickelt hatte, die Fähigkeit, Symbole zu kombinieren. In seinem Projekt „The Evolution of Visual Information Encoding“ (EVINE) – Die Evolution der visuellen Kodierung von Informationen – will er erforschen, ob Spuren dieser Fähigkeit erhalten geblieben sind. Dafür nutzt er statistische Methoden in der quantitativen Linguistik.

 

In der Altsteinzeit besiedelten Menschen von Afrika aus viele weitere Gebiete der Erde. „Auf ihrem Weg haben sie bearbeitete Gegenstände hinterlassen, auch Artefakte genannt, die ein Fenster in ihre Gedankenwelt öffnen“, sagt Bentz. Einige dieser Artefakte tragen frühe Beispiele der visuellen Informationskodierung: geometrische Muster. Von den Neandertalern sind solche Belege kaum bekannt. Sie tauchten erst in der Mittelsteinzeit Afrikas in Verbindung mit der heute noch lebenden Menschenform, dem Homo sapiens, auf.

 

Als diese Menschen in der späten Altsteinzeit nach Mitteleuropa einwanderten, nutzten sie bereits Steine, Perlen, Knochenfragmente und Figurinen als Ausdrucksform und Informationsträger. Beispiele finden sich in der Eiszeitkunst aus den Schwäbischen Höhlen. „Diese Alltagsgegenstände sind vielfach mit geometrischen Zeichen versehen. Wie stark verbreitet sie waren, wird bei heutigen Sammlungen im großen Stil deutlich“, sagt Bentz. Sicherlich könnte manches Muster aus ästhetischen Gründen entstanden sein. „Das schließt jedoch die Kodierung von Informationen nicht aus“, erklärt der Wissenschaftler. Er will den Informationsgehalt solch geometrischer Zeichen auf Artefakten objektiv messen, unabhängig von der Bedeutung, welche die Menschen darin gesehen haben könnten. So möchte er belegen, dass diese Muster von einer echten Schrift klar zu unterscheiden sind. Außerdem will er mehr darüber erfahren, ob es in der Entwicklung der Zeichen in der späten Altsteinzeit vor rund 35.000 bis 15.000 Jahren erkennbare Übergänge gab – rund 10.000 Jahre bevor Menschen die ersten Schriften erfanden.

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