Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters

Grab Dorothea Ursula

Die Grablege von Dorothea Ursula wurde vom Bildhauer Christoph Jelin gebaut - den Auftrag hierzu erteilte ihr Ehemann Herzog Ludwig 1593, zehn Jahre nach ihrem Tod. Ihr Grabmonument schließt sich nördlich auf gleicher Höhe an die Grablege ihres Mannes an. Unklar bleibt, ob ein vergleichbares Monument für Ludwigs zweite Ehefrau Ursula von Pfalz-Veldenz-Lützelstein (gest. 1635) als Abschluss einer Dreiergruppe geplant war.

Beide Grabdenkmäler sind als Tumben mit vorspringendem Sockel gestaltet. Die Seitenteile der Kästen zeigen jeweils unterschiedliche Medaillons mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament.  Im Sockelbereich umstehen Frauenfiguren die Tumba. Auf den Deckplatten der Tumbenkästen liegen die aus Alabaster gefertigten lebensgroßen Figuren der Verstorbenen. Ihre Augen sind geöffnet, der Kopf Richtung Osten gewandt, ihre Hände zum Gebet erhoben. Dorothea Ursula wird in einem glockenförmigen Kleid dargestellt. Entlang des abgeschrägten Rands beider Deckplatten verläuft einzeilig die Grabinschrift. Zu Füßen der Herzogin liegt ein Hund, in den Ecken der Platte halten Putten Wappenschilder.

Die allegorischen Frauengestalten

Nord-Osten

An der Nord-Ost-Ecke der Tumba befindet sich eine Frauenstatue in antikem römisch-griechischen Stil. Sie trägt reichen Kopfschmuck mit Schleier und Diadem. Sie greift sich mit der linken Hand an den, gen Himmel nach Ost-West gerichteten Kopf. Ihr Gesichtsausdruck wirkt neutral. Der rechte Arm ist angewinkelt nach Ost-West orientiert, wobei die gesamte Unterarmpartie durch eine ältere Beschädigung abgebrochen ist. Sie sitzt auf einem runden Stumpf, wobei ein Bein, das Knie zeigend, angewinkelt auf einem behauenen Stein ruht. Sie trägt hochschaftige Sandalen, ähnlich römischen Kriegersandalen. Kurz oberhalb des Fußgelenks befindet sich der Ring einer Fußfessel, die an dem behauenen Stein befestigt zu sein scheint. Erhaltungsbedingt fehlt der Fuß unterhalb der Schelle komplett. Ihr rechtes Bein, das nach schräg hinten angewinkelt ist, ist ungefesselt und komplett bedeckt. Ihr langes Gewand liegt dicht am Körper an und ist so abzeichnend, dass es wie nass erscheint.

Nord-Westen

Die Kleidung der Frauengestalt im Nord-Westen besteht aus einem bodenlangen Unterrock und einem darüber hochgezogenen Gewand in antikisierendem Schnitt. Da sich Oberweite und Bauchnabel unter diesem Gewand detailvoll abzeichnen, entsteht der Eindruck eines sehr leichten Stoffs. Um ihre Schulter liegt ein Tuch, das wie ein vom Haupt abgestreifter Schleier wirkt.

Leider wurden ihr der Kopf, die Hälfte der rechten Hand und der linke Arm oberhalb des Ellenbogens abgeschlagen. Der rechte Arm ruht allerdings in einer bestimmten Weise auf ihrem angewinkelten Knie, so dass davon ausgegangen werden kann, dass sie einst ihren Kopf auf ihre rechte Hand stützte.

Wegen der fehlenden Bestandteile können weder Attribute, noch Gesten oder Mimik zu ihrer Identifizierung beitragen. Ihre unbefangene Körperhaltung scheint jedoch auf die Darstellung eines ruhigen Gemüts hinzudeuten.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich auch bei ihr um eine Tugenddarstellung handelt. Da zur Darstellung von Spes, Caritas und Temperantia auch Fides passt, ist es möglich, dass samt ihres linken Armes ein in der Hand gehaltenes Buch oder eine brennende Kerze entfernt wurde, welche Attribute der Fides sind.

Süd-Osten

An der Ost-West-Ecke der Tumba befindet sich eine kleine Dreiergruppe. Umrahmt von zwei männlichen nackten Kleinkindern sitz eine Frau barbusig und mit den Kindern interagierend auf einem Säulenstumpf. Ihr linkes Knie ist frei zusehen und wird von ihrem zweiteiligen Gewand umspielt. Erhaltungsbedingt fehlen etwa ein Drittel des Unterschenkels und der linke Fuß komplett. Man kann noch den Ansatz einer hochschaftigen Sandale erkennen. Links neben ihr steht auf dem Säulenstumpf eines der Kinder. Die Köpfe von Frau und linkem Kind sind einander zugewandt und berühren sich an der Stirn. Beide blicken sich entspannt und vertraut an. Der Knabe hält in seiner linken Hand einen stabförmigen Gegenstand, der oberhalb der Hand erhaltungsbedingt abgebrochen ist. Der rechte Arm ist um den Nacken der Frau geschlungen, die ihrerseits das Kind mit ihrem linken Arm festhält. Die Frau hat einen dezenten Kopfschmuck und das Haar locker nach hinten zusammengebunden. Zwischen den leicht gespreizten Beinen der Frau scheint der andere Knabe auf ihren Schoß klettern zu wollen. Seine rechte Hand liegt auf ihrem Oberschenkel, während die linke auf ihrem Bauch liegt. Ihre rechte Hand ruht sacht auf dem Rücken des kleinen Jungen.

Man deutet die Statue als eine der vier Kardinaltugenden. In diesem Zusammenhang wird sie auch mit der Tugend „Caritas“, der Liebe, in Verbindung gebracht.

Betrachtet man bildliche Darstellungen der Renaissance erinnert die kleine Statuengruppe auch an Bilder, die Maria, Christus und den sogenannten Johannesknabe darstellen.

Süd-Westen

Die Frauenfigur im Süd-Westen sitzt auf einer zylindrischen Konsole . Ihre Kleidung besteht aus einem bodenlangen Rock. Jedoch hat sie ihr nacktes rechtes Knie entblößt. Ihren Oberkörper und die große Oberweite bedeckt ein eng anliegendes Korsett unter dem sie eine Bluse mit vergleichsweise überladen verzierten kurzen Ärmeln trägt. Ihr Haar bedeckt eine Art Haube. Sie blickt nach oben in den leeren Raum. Der Mund ist leicht geöffnet.

Leider wurden ihr ab dem rechten Ellenbogen die Hand samt Unterarm und oberhalb des linken Handgelenks die Hand abgeschlagen. Die Haltung ihrer Armstümpfe und eine Beschädigung auf ihrer Schulter verraten allerdings, dass sie vermutlich einst einen Gegenstand in den Händen hielt, der auch auf ihrer Schulter lastete. Daher stellt sich der Eindruck ein, dass es sich um eine Lautenspielerin handelt.

Die Statue könnte als Tugenddarstellung gedeutet werden, da ab dem 16. Jahrhundert gelegentlich eine Verknüpfung von Temperantia oder auch Moderatio mit Musik besteht. Diese wurde vom Wortbestandteil „modus“ für Takt oder Rhythmus abgeleitet. Auch zu Harmonie, Ausgewogenheit und Regelmaß wird ein Bezug hergestellt. In seltenen Fällen ist Temperantia der Gruppe der Sieben Freien Künste beigeordnet, die u. a. das rechte Maß einschließen.

Medaillons

Der Prophet Jona

Das zweite Medaillon an der Nordseite der Tumba zeigt die ersten beiden Kapitel des Buches Jona, also eine Geschichte des Alten Testaments.

Das Medaillon ist als „Rollwerk“ gestaltet und hat als äußere, umrahmende Elemente neben Früchten auch Maiglöckchen-Darstellungen.

Die verschiedenen Szenen werden gleichzeitig dargestellt, lassen ihre zeitliche Abfolge aber aufgrund ihrer perspektivischen Anordnung erschließen. Im Hintergrund, wie am Horizont, ist eine Stadt zu erkennen. Hierbei handelt es sich um die Stadt Ninive, welcher Jona Gottes Strafgericht verkünden soll. (Jona 1, 1.) Doch Jona flieht vor Gottes Aufgabe mit einem Schiff in die gegengesetzte Richtung. Dies erzürnt Gott sosehr, dass er das Schiff in ein Unwetter und somit in höchste Seenot schickt. Die Schiffspassagiere suchen den Schuldigen unter sich. Schließlich gesteht Jona seine Sünde und schlägt vor, man solle ihn ins Meer werfen. Die Seeleute folgen seinem Rat. Kaum ist Jona im Wasser gelandet, da verschlingt ihn schon ein großes Wasserwesen und das Unwetter hört auf. (Jona 1, 2-15) Diese Szene ist durch ein Schiff, aus dem eine Person kopfüber ins Wasser geworfen wird, während im Wasser ein schlangenartiges Seewesen wartet, dargestellt. Im Körper des Tieres betet Jona ununterbrochen zu Gott, sodass dieser am dritten Tag dem „Fisch“ befiehlt, Jona ans Land zu speien. (Jona 2, 1-11) Das Medaillon zeigt diese Szene am prominentesten. Alles überragend sieht man Gottvater mit Reichsapfel und ausgestrecktem Arm auf einem Wolkengebilde, während im unteren Bereich Jona auf einem Felsen sitzt, ihm gegenüber im Wasser der „Fisch“ mit weit aufgerissenem Maul. Feine Linien stilisieren den Vorgang des Ausspeiens.

Die Darstellung des ausgespienen Jona steht als Bild für den dreitägigen Aufenthalt Christi im Grabe und dessen Auferstehung. Die zusätzlich angebrachten Maiglöckchen können als Attribut von Maria und Christus gesehen werden und symbolisieren Christus als Heil der Welt.
Das ganze Ensemble kann daher als Zeichen für die Hoffnung auf die Auferstehung durch Jesus Christus gedeutet werden.

Die Auferstehung

Das Kopfende der Tumba ist mit einer halbplastisch herausgearbeiteten Auferstehungsszene versehen. Diese befindet sich in einem Medaillon, das mit einem renaissance-typischen Dekor verziert ist.

Beidseits des Medaillons befinden sich Arrangements von Früchten, u.a. mit Granatäpfeln, die symbolhaft für christliche Glaubensinhalte stehen und die in der Bibel wiederholt erwähnt werden.

Die Auferstehungsszene innerhalb des Medaillons umfasst sechs Figuren, die analog zur biblischen Erzählung als römische Wachen anzusprechen sind. Diese sollten eine Inszenierung der angekündigten Auferstehung verhindern. Als sich die Auferstehung dann tatsächlich ereignet, berichtet die Bibel von zu Tode erschrockenen Wachen. Zur Illustration dieses Zustandes ist ein Wachsoldat als bewusstlos dargestellt.

Die Auferstehung selbst ist zentral angeordnet. Leider wurde die Christus-Figur entfernt. Die fehlende, vermutlich schwebend dargestellte Christus-Figur hatte sich im Zentrum des Strahlen- und Wolkenkranzes befunden. Die Art der Darstellung nimmt wohl Bezug auf Christi Titel als „Licht der Welt“. Unterhalb des Wolkenkranzes ist ein Steinsarkophag angedeutet.

Zusätzlich zu drei weiteren Figuren im Hintergrund befinden sich ein Portal und eine Art Zaun in der Landschaft. Es sind vermutlich weibliche und männliche Begleiter Christi dargestellt, die der biblischen Überlieferung zufolge den Leichnam aufsuchen wollten.

Die räumliche Anordnung der Medaillons folgt dem Schema neutestamentliche Szenen auf der westlichen und alttestamentliche auf der östlichen Tumbahälfte. Zusätzlich ist eine zeitliche Staffelung der dargestellten Szenen vom Fußende der Tumba hin zum Kopfende herauszulesen. Die dargestellte Zeitschiene gipfelt im finalen Medaillon der Auferstehung.

Darüber hinaus ist die Auferstehungsszene in einen „typologischen“ Bezug zu einem alttestamentlichen, neben dem Fußende gelegenem Medaillon zu setzen, das Jonas zeigt, mit dessen Ausspeiung durch den Walfisch die Auferstehung Christi symbolisch verheißen worden war. Das sogenannte „Rollwerk“-Dekor findet sich in ähnlicher Ausführung als Verzierung bei beiden Medaillons.

Die eherne Schlange

Das Medaillon am Fußende der Tumba, somit im Osten liegend, zeigt die Geschichte der Ehernen Schlange aus dem 4. Buch Mose und ist somit eine Geschichte des Alten Testaments.

Das Medaillon ist als „Rollwerk“ gestaltet und hat als äußere, umrahmende Elemente neben Früchten auch Eicheln und Maiglöckchen-Darstellungen.

Die verschiedenen Szenen werden gleichzeitig dargestellt, lassen ihre zeitliche Abfolge aber aufgrund ihrer perspektivischen Anordnung erschließen. Im Hintergrund sieht man ein großes Lager mit Zelten und Personen die die Hände erheben auf nördlichen Bildseite und Felsen mit einem Baum auf der westlichen Bildseite. In einem geringen Abstand zu dem Lager, perspektivisch weiter vorn, liegt eine Person am Boden, während sich eine Schlange um ihren Körper windet. Diese Bildelemente zeigen den Beginn der Geschichte um die Eherne Schlange: das Volk beklagt sich bei der mühseligen Flucht durch die Wüste aus Ägypten über Moses und Gott. Zur Strafe schickt Gott „feurige Schlangen“, an denen viele starben. (4. Mose 21, 4-6.) Daraufhin fleht das Volk Mose um Hilfe an, der auf Befehl Gottes eine eherne (aus Buntmetall bestehende) Schlange auf einem hohen Stab errichtet. Er verkündet, dass alle diejenigen errettet werden, die zur ehernen Schlange emporblicken. (4. Mose 21, 7-9) Dieser Teil der Geschichte ist im Medaillon ganz vorn dargestellt. Es zeigt zentral eine Schlange an einem kreuzartigen Gestell und einen Bärtigen Mann, der auf dieses zeigt (Mose) während er zu einer Frau mit Kind blickt. Um das Zentralmotiv sind sowohl errettete Personen, i.d.R. mit Kleidern, und getötete Personen, nackt, verteilt. Im vorderen westlichen Bildbereich liegt ein, nur spärlich bekleideter, Mann um dessen Arm sich eine Schlange windet. Er wirkt aber noch lebendig, hat etwas Stoff um die Lenden gebunden und richtet sich zur ehernen Schlange auf.

Die Eicheln außerhalb des Rollwerks können für das „Ewige Leben“ stehen, währen die Maiglöckchen als Attribut von Maria und Christus, Christus als Heil der Welt symbolisieren.
Die Aufrichtung der Ehernen Schlange kann als Vordeutung auf Christi Kreuzigung aber auch als Sinnbild des Vertrauens auf Gott interpretiert werden. Bei der innerbildlichen Interpretation fällt auf, dass die Toten nackt dargestellt wurden, während die Lebenden Kleidung tragen. Eine Art „Zwischenstadium“ scheint die Person am südlichen Bildrand einzunehmen: zwar liegt sie mit einer Schlange um den Arm am Boden und ist größten Teils unbekleidet, richtet sich aber, zur Ehernen Schlange hin, auf und trägt ein Tuch um die Lenden. Ist also nicht völlig nackt dargestellt. Diese Person könnte als Symbol für die Hoffnung auf die Errettung durch Gott gedeutet werden.

Die Kreuzabnahme

Das Medaillon mit der synchronen Darstellung von Kreuzabnahme und Grablegung befindet sich mit seinem neutestamentlichen Inhalt auf der Nordseite der westlichen Tumbahälfte links von der Auferstehungsszene.

Im Vordergrund ist die Kreuzabnahme dargestellt: Vier Frauen und drei Männer stehen um den Leichnam Christi versammelt, der unterhalb des Kreuzes auf einem Tuch am Boden liegt. In der männlichen Figur, die Christi Oberkörper anhebt, darf Joseph von Arimathäa gesehen werden, da dieser reich und im fortgeschrittenen Alter und daher würdig war, Christus an seiner oberen Körperhälfte mittels eines Leinentuchs zu berühren. Die männliche Figur auf der Leiter verkörpert daher vermutlich den jüngeren Nikodemus, der geringeres Ansehen genoss. Die weibliche Figur, die an Christi Füßen kniend seine Hand hält, ist vermutlich Maria von Magdala. Die zusammensinkende Frau, die von einem Mann mit offenem Haar gestützt wird, scheint Maria, die Mutter zu sein. Der Mann dürfte Johannes sein, der Lieblingsjünger, der meist der Mutter am nächsten stehend dargestellt wird.
Links im Hintergrund neben dem Kreuz befinden sich gestaffelt drei Ansiedlungen auf drei Anhöhen - zuvorderst ist wahrscheinlich Jerusalem dargestellt.

Rechts im Hintergrund ist die Szene der Grablegung angeordnet. Vier Frauen und drei Männer haben sich um einen Steinsarkophag versammelt, in den der Leichnam Christi hineingehoben wird. Der Körper liegt dabei auf einem Tuch und wird nicht berührt.
Auch in dieser Szene sind die Figuren vor allem anhand ihrer räumlichen Anordnung zu identifizieren, da es in der Kunstgeschichte zahlreiche Vergleiche für ihr Arrangement gibt. Die männliche Figur, die Christus obere Körperhälfte anhebt, ist vermutlich als Joseph von Arimathäa anzusprechen, während der Mann zu Füßen Nikodemus sein könnte. Diejenige Figur, die Christi Hand küsst und sich zwischen Christus und einer Figur mit offenem Haar befindet (wahrscheinlich Johannes), ist als Maria, die Mutter zu identifizieren.

Kreuzabnahme und Grablegung sind in einen „typologischen“ Bezug zu einem alttestamentlichen, neben dem Fußende gelegenem Medaillon zu setzen, das die Vision des Ezechiel zeigt: Dem Volke Israel, das ohne jede Hoffnung gewesen war, wird die Errettung aus dem Heimat- und Identitätsverlust verkündet. Die Errettung wird symbolisiert durch die Erweckung der Toten.
Die jegliche Hoffnung entbehrende Situation des Volkes wird typologisch als Verheißung des Moments von Kreuzabnahme und Grablegung gedeutet. Die Form der Medailloneinfassung findet sich bei beiden Medaillons in einer ähnlichen Ausführung.