Seminar für Allgemeine Rhetorik

Ausführliche Projektdarstellung

1. Projektübersicht

a) Herausgeber und Mitarbeiter:
Begründer und Herausgeber des Lexikons:
Prof. Dr. Gert Ueding

Geschäftsführer:
Dr. Gregor Kalivoda

Redaktion:
Dr. Franz-Hubert Robling Habil. D. R., Dr. Thomas Zinsmaier, Sandra Fröhlich M.A.

Redaktionsassistenten:
Johannes M. Müller, Sandra Teixeira, Annika Strauss
b) Zeitplanung:
1985-1987: Projektvorbereitung
1987-2009: Publikation der Bände 1-9
2011: Publikation von Band 10 (Ergänzungen) und Registerband
c) Finanzierung:
Deutsche Forschungsgemeinschaft

2. Projektentwicklung

Im Wintersemster 1983 konstituierte sich am Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen eine Arbeitsgruppe, in der das große Desiderat eines Rhetorik-Lexikons im Hinblick auf seine Realisierungsmöglichkeiten diskutiert wurde. Dieser Arbeitsgruppe, in der Fragen der Lemma-Auswahl, der Artikeltypologie, des Redaktionsaufbaus, der Autorengewinnung und Projektfinanzierung besprochen wurden, gehörten die Professoren Gert Ueding, Walter Jens und Egidius Schmalzriedt an sowie die wissenschaftlichen Mitarbeiter Peter Weit und Wilhelm Hilgendorff. Erste Kontakte zu den zukünftigen Fachberatern des Lexikons wurden geknüpft und die Vorbereitungsphase des Projekts konturiert. Diese zweijährige Phase von 1985-1987 erfuhr bereits eine Förderung durch die DFG und diente vor allem der Erarbeitung einer Basisbibliographie zur Rhetorikforschung, der Erfassung und Ausweitung von Primärquellen, der Sammlung, Auswahl und Systematisierung der aufzunehmenden Lemmata und der Abfassung von Musterartikeln. Der wissenschaftliche Angestellte Dr. Bernd Steinbrink und sein Assistent Markus Fauser waren die verantwortlichen Mitarbeiter dieses Arbeitsabschnitts. Seit 1987 arbeitet das Projekt in seiner Hauptphase. Zunächst galt es, die Redaktion auf- und auszubauen, Fachberater und Autoren zu werben, editorische Standards und EDV-Verfahren zu entwickeln, Autoren zu gewinnen sowie Zeit- und Umfangsplanungen zu verifizieren. Im Jahre 1992 erschien der erste Band des Lexikons, dem bis 2009 acht weitere Bände folgten. Zur Zeit arbeitet die Redaktion an der Vorbereitung eines Ergänzungsbandes (A-Z) und am Gesamtregister.

3. Projektbeschreibung

Mit den Prädikaten historisch-systematisch, interdisziplinär, forschungsorientiert und verwendungsbezogen sind die Prinzipien angesprochen, die für die Lemmata-Auswahl, die Artikelplanung und die Redaktion gelten. Zur Sammlung und Auswahl der Stichwörter wurde eine Suchtopik entwickelt, mit der zugleich eine kategorielle Über- und Unterordnung der Begriffe vorgenommen sowie ihr systematischer Zusammenhang abgebildet werden konnte. Unterschieden wurden beispielsweise Stamm- oder Grundbegriffe der Rhetorik wie Natura/Ars, Schulen und Lehrrichtungen wie Stoa oder Scholastik, Hauptbegriffe des Redeaufbaus wie Narratio oder Argumentatio.

Nach mehreren Prüfverfahren besteht das Begriffsinventar nun aus ca. 1300 Stichwörtern, die aus anfänglich 5500 Begriffen herausgefiltert wurden. Es ist ein offenes Lemmata-Verzeichnis, das mit Hilfe der Datenverarbeitung, d.h. mit entsprechenden Aufnahmemasken, Datenkorrelationen und Indices konserviert, modifiziert und verwaltet werden kann. Die Notwendigkeit, Stichwörter neu aufzunehmen, zu ersetzen oder zu streichen, ergibt sich aus der redaktionellen Forschungsarbeit sowie aus der Zusammenarbeit mit Autoren und Fachberatern. Ein offenes Register ist also angezeigt und aus pragmatischen Gesichtspunkten notwendig. Geplant sind neun reguläre Bände und ein Ergänzungsband (A-Z) mit je ca. 800 Seiten. Einzelbandregister und Gesamtregister sammeln die begrifflichen Verweise sowie diejenigen Begriffe, die nicht aufgenommen wurden bzw. deren deutscher Entsprechungsbegriff Stichwort ist (Allusion-Anspielung). Als Format ist Lexikon-Oktav und zweispaltiger Druck gewählt worden. Das Lexikon erscheint im Niemeyer-Verlag, Tübingen.

Um die Bandplanung zeitlich, formal und ökonomisch sicherzustellen, wurden exakte Redaktionsvorgaben für die Artikelbearbeitung entwickelt: Neben der Festlegung von Bearbeitungszeit, Artikelform und -umfang wurden strukturelle und typologische Vorgaben erarbeitet. Ausgangspunkt ist der jeweilige Artikeltyp: Umfangreiche Forschungsartikel dienen der problemorientierten, geschichtlichen und mit Sprachbelegen ausgewiesenen Darstellung wichtiger Stichwörter wie Angemessenheit, Barock und Dialog. In Sachartikeln werden definitorische und historische Grundlinien von Begriffen aufgezeigt wie bei Casus, Diatribe, Ellipse oder Epochenstil. Schließlich werden auch kurze Definitionsartikel aufgenommen, in denen eine knappe und mit Beispielen abgesicherte Begriffsbestimmung erfolgt. Hyperbel, Insultatio, Partitio oder Vetustas sind Lemmata, für die ein solcher Artikeltyp vorgesehen ist. Bei Artikelvergabe erhält jeder Autor Schreibkonventionen, Musterartikel, ein Strukturschema zum jeweiligen Artikeltyp sowie eine Inhaltsübersicht. Die Inhaltsübersicht sammelt Informationen zu definitorischen, historisch-systematischen und interdisziplinären Aspekten des Stichwortes. Darüber hinaus enthält sie alle diejenigen Stichwörter des Lexikons, die mit dem zu bearbeitenden in Zusammenhang stehen. Diese Vergabeform ist eine wichtige Vorarbeit zur inneren Abstimmung des Lexikons und für die spätere Redaktion. Sie wird von den Autoren einhellig begrüßt. In der Abfassung der Artikel werden folgende Gliederungsaspekte wirksam:

1. Definitorische, historisch-epochale, systematische,
2. interdisziplinäre und
3. nationalsprachliche Zuordnungen des Stichwortes.

Die erstgenannten Aspekte sind obligatorisch, die Punkte 2 und 3 ergeben sich aus der Art des Stichwortes. So gilt für das Stichwort Barock sowohl der epochale Aspekt als auch die nationalsprachliche Zuordnung (deutscher, englischer, romanischer, skandinavischer und slavischer Sprachraum) und die interdisziplinäre Behandlungsweise (Barockrhetorik in Musik und Malerei). Die jeweiligen Teilartikel werden an entsprechende Spezialisten vergeben. Dies leitet zur Frage der Autorenwerbung und -beratung über. Von der Redaktion wurden inzwischen 23 Fachberater und ca. 450 Autoren im In- und Ausland angeworben, womit auch dem Internationalitätsprinzip Rechnung getragen wird.

Artikelvergabe, Korrespondenz und Beratung erfolgen sowohl über redaktionelle Standardtexte in deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache sowie über individuelle Beratungsgespräche und Briefe. Zur Intensivierung des Kontaktes zwischen Fachberatern, Autoren, Herausgebern und Redakteuren veranstaltet die Redaktion internationale Symposien zur interdisziplinären Rhetorikforschung und Lexikonherausgabe. Diese Tagungen sind auch Teil der fortlaufenden Erfahrungsauswertung und Projektevaluation. Ein erstes Symposion zum Thema "Rhetorik zwischen den Wissenschaften" fand im November 1989 statt, ein zweites zum Thema "Rhetorik und Topik" im Oktober 1997. Die Redaktion der Artikel erfordert einen intensiven Austausch zwischen Redakteuren, Autoren, Fachberatern und Herausgebern, um sowohl dem Stand der Forschung gerecht zu werden als auch die formalen und verlagstechnischen Bedingungen einhalten zu können.

Insgesamt verlangt die Lexikonherausgabe ein pragmatisches Vorgehen, da es keine starren Lösungsmöglichkeiten gibt. Dies gilt insbesondere für Probleme der Artikelanpassung, der Lemmataauswahl, der Registerplanung und der verlagstechnischen Planung. Im Rahmen der vorgegebenen Strukturen und Formprinzipien muß Platz sein für spezifische Einzellösungen. Ein wichtiges Kriterium ist dabei auch die Benutzerfreundlichkeit und Handhabbarkeit des Werkes.

Weitere Problemfelder ergeben sich aus dem laufenden Ausbau der Redaktion (Handbibliothek, Geräteausstattung, Sach- und Personalmittel), aus der notwendig werdenden Kompensation nicht eingehaltener Artikelzusagen, aus der Zeitplanung und der Kalkulation der Kosten. Insofern freut sich die Redaktion nicht nur über neue Autoren und Fachberater aus dem In- und Ausland, sondern auch über Ratschläge und Hilfestellungen bei der Lösung formaler, organisatorischer und inhaltlicher Probleme. Ein Beitrag zur Entfaltung des internationalen Rhetoriker-Diskurses ist darin in jedem Falle angelegt.

Deshalb wirkt die Lexikon-Redaktion über Projektdarstellungen laufend nach außen, um den interdisziplinären Austausch zu verstärken und neue Interessenten und Mitarbeiter zu gewinnen. Der wissenschaftlichen und redaktionellen Kommunikation dient auch das Gespräch mit anderen Lexikonunternehmungen, das zur formalen und inhaltlichen Planung des Rhetorik-Wörterbuches wichtige Erkenntnisse und Erfahrungen beiträgt.

In Zusammenarbeit mit dem Niemeyer-Verlag wurden die Formatplanung und Kostenkalkulation, der Druck der Schreibkonventionen und Musterartikel sowie die vertragliche Gestaltung der Mitarbeit entwickelt. Die Formen und Ergebnisse der Zusammenarbeit zwischen Herausgebern, Redakteuren, Autoren, Fachberatern und Verlag auf der einen Seite und die Erarbeitung von Artikeln in der Redaktion selbst bilden den Erfahrungshintergrund, vor dem die aktuellen Aufgaben bewältigt und die Probleme der Lexikonherausgabe gelöst werden können.

Zusammenfassend sei gesagt, daß sich das Rhetorik-Lexikon der Aufgabe stellt, sowohl ein fachinternes als auch ein interdisziplinäres Bedürfnis nach einem umfassenden rhetorischen Nachschlagewerk zu befriedigen. Hintergrund dieses Bedürfnisses, das von der Fachwelt durchgehend bestätigt wird, ist die seit Mitte der sechziger Jahre immer stärker anwachsende Rhetorikforschung. Die "Ubiquität der Rhetorik" in Wissenschaft und Praxis führte inzwischen zu einer kaum noch überschaubaren Fülle von Einzelforschungen zu Geschichte und Systematik der rhetorischen Theoriebildung und der praktischen Beredsamkeit seit der Antike, zur Bedeutung der Rhetorik für die europäische Bildungs- und Wissenschaftstradition und zu ihrem Einfluß auf Ästhetik, Poetik, Musik- und Kunstwissenschaft, Homiletik und Forensik sowie auf die Analyseverfahren der modernen Medien-, Kommunikations- und Textwissenschaften. Dieser Entwicklung soll lexikalisch Rechnung getragen werden mit dem HISTORISCHEN WÖRTERBUCH DER RHETORIK, das den systematischen Ort von Fachbegriffen bestimmt, ihre geschichtliche Entwicklung und Anwendung aufzeigt sowie ihre fachübergreifende Bedeutung dokumentiert.