Uni-Tübingen

Poetik-Dozentur 2016

Von 13.-18.11.2016 waren Siri Hustvedt und Vittorio Gallese in Tübingen zu Gast.

Siri Hustvedt

„Das Fiktive ist, wie sich zeigt, ein weites Feld mit unbestimmten Grenzen, und es ist höchst ungewiss, wo es anfängt und endet.“ (Der Sommer ohne Männer)

 

Siri Hustvedts Schreiben gleicht einem furiosen Spiel mit literarischen Stimmen, Formen und Perspektiven: Ob mit der hünenhaften Gestalt Harry Burdens (Die gleißende Welt), deren Biographie aus widersprüchlichen Zeitungsartikeln, Notizbüchern und Interviews rekonstruiert wird, oder mit der des erblindenden Kunsthistorikers Leo Hertzberg (Was ich liebte), immer wieder schicken ihre nicht nur markanten, sondern auch ambivalenten Figuren den Leser auf die Suche nach einer Wahrheit, die sich nicht finden oder zumindest nicht festhalten lässt. Voll von Anspielungen auf Philosophiegeschichte, Psychoanalyse und Hustvedts eigene Biographie lösen sich die sicheren Grenzen von Realität und Fiktion, von Kunst und Wissenschaft auf: Siri Hustvedts Essays sind romanhaft wie ihre Prosa lyrisch ist und ihr zuletzt erschienener Roman Die gleißende Welt (2014) ist versehen mit Fußnoten und wissenschaftlichen Überlegungen. So stellen alle ihre Texte die Frage nach Anfang, Ende und Möglichkeiten des Fiktionalen noch einmal neu.

 

Geboren 1955 wächst Siri Hustvedt in der amerikanischen Kleinstadt Northfield auf und ist heute eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen und Intellektuellen der USA. Nach ersten lyrischen Versuchen veröffentlicht sie 1993 mit Die unsichtbare Frau ihren Debutroman. Es folgen Die Verzauberung der Lily Dahl (1997) und der Erfolgsroman Was ich liebte (2003), die Hustvedt weltweit bekannt machen. Neben ihren Erzähltexten verfasst die Autorin Essays zu Ästhetik und Wissenschaft, schreibt mit am Migräneblog der New York Times und lehrt in der psychiatrischen Abteilung des Weill Medical College in Cornell. Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet. Sie lebt und arbeitet in Brooklyn.

 

Bibliographie (Auswahl):

Die unsichtbare Frau. Roman. Reinbek 1993.

Die Verzauberung der Lily Dahl. Roman. Reinbek 1997.

Was ich liebte. Roman. Reinbek 2003.

Being a Man. Essays. Reinbek 2006.

Die zitternde Frau. Eine Geschichte meiner Nerven. Reinbek 2010.

Leben, Denken, Schauen. Essays. Reinbek 2014.

Die gleißende Welt. Roman. Reinbek 2015.

 

 

Vittorio Gallese

„Vittorio Gallese has a gift for dialogue. Vittorio is always curious. He is always open to ideas. He is a great reader, not just of neuroscience, but of philosophy and psychology and literature, and, last but not least, he has a sense of humor, crucial to the navigation of the conceptual maze we call ‚the life of the mind.‘“ (Siri Hustvedt)

 

Der Neurowissenschaftler lehrt Physiologie an der Universität in Parma, hält einen Lehrstuhl für experimentelle Ästhetik an der University of London und ist Adjunct Senior Research Scholar am Department für Kunstgeschichte und Archäologie an der Columbia University (NY). Im Zentrum seiner Forschung steht der Versuch, die neuronalen Mechanismen zu erklären, die Empathie, Sprache und ästhetischer Erfahrung zugrunde liegen. Gallese war maßgeblich an der Entdeckung von Spiegelneuronen beteiligt, für die er neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen 2007 den Grawemeyer Award für Psychologie erhielt. In weit über die Grenzen seines Fachs hinausreichenden Kooperationen hat sich der Neurowissenschaftler immer wieder mit der Frage auseinandergesetzt, wie Denken und Kunst, Realität und Fiktion zusammenhängen und wurde dabei zum Gründungsvater der ‚Neuroästhetik‘.Vittorio Gallese und Siri Hustvedt verbindet das Interesse an den Schnittstellen von Kunst und Wissenschaft.

 

Bibliographie (Auswahl):

„Mirror Neurons and Art“. In: F. Bacci/H.Melcher (Hg): Art and the Senses. Oxford 2010.

„Mirror neurons, embodied simulation, and the neural basis of social identification“. In: Neuropsychoanalysis 13/2 (2011).

„The Mirror Neuron Mechanism and Literary Studies“. In: California Italian Studies 2/1 (2011).

„Neuroaesthetics. The Body in Esthetic Experience.“ In: V.S. Ramachandran (Hg.): The encyclopaedia of Human Behavior“. London u.a. 2012.