Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2024: Studium und Lehre

Fruchtbare Diskussionen, neue Perspektiven, andere Formate

Warum sich Lehrende in Blended Intensive Programmes engagieren

Die Blended Intensive Programmes, kurz BIPs, haben sich in der CIVIS-Allianz als beliebtes Format etabliert. BIPs kombinieren Online-Lehrveranstaltungen mit einer fünftägigen Studienwoche in Präsenz („blended“), in der sich die Teilnehmenden eingehend mit einem Thema befassen („intensive“). 36 BIPs wurden im laufenden akademischen Jahr von den CIVIS-Partnern angeboten, fast 80 Studierende aus Tübingen haben in diesem Rahmen einen Auslandsaufenthalt absolviert, zugleich haben gut 250 Studierende aus ganz Europa an insgesamt acht Tübinger BIPs teilgenommen. Für Studierende sind BIPs eine gute Möglichkeit, internationale Erfahrung zu sammeln – ob durch den Auslandsaufenthalt oder den intensiven Kontakt mit den ausländischen Gästen an ihrer Heimatuniversität.

Was reizt Lehrende an diesem Format? Voraussetzung für ein BIP ist, dass sich Lehrende von mindestens drei CIVIS-Universitäten zusammentun, doch nicht immer bestehen bereits entsprechende Kooperationen. Mit Einführung der BIPs habe es thematische Treffen gegeben, um Gleichgesinnte zu finden, sagt Professor Dr. Thomas Thiemeyer aus der Empirischen Kulturwissenschaft. Den Nutzen dieser Treffen bestätigt Dr. Oliver Feeney. Der Wissenschaftler vom Institut für Ethik und Geschichte der Medizin hat zudem über die Webseiten der Partnerunis nach zusätzlicher Expertise zu einzelnen Themen gesucht – eine Datenbank mit Kontakten interessierter Kolleginnen und Kollegen könnte das erleichtern, findet er.

Diversität der Studierenden als Pluspunkt

Dass Thiemeyer und Feeney schon zum dritten Mal BIPs angeboten haben, zeigt, dass das Format auch für Lehrende lohnenswert ist. Auch Professorin Dr. Gabriele Alex (Ethnologie) und Dr. Rolf Frankenberger (Politikwissenschaft) sind schon länger dabei. Alle vier schätzen an den BIPs, dass internationale, oft interdisziplinäre Gruppen von Studierenden mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund zusammenkommen, sodass sich fruchtbare Diskussionen und neue Perspektiven ergeben – auch für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst. Von Vorteil sei hier auch der virtuelle Teil der BIPs, meint Oliver Feeney: So könnten auch Personen eingebunden werden, für die ein Präsenztreffen nicht in Frage käme, in seinem Fall etwa Vertreterinnen und Vertreter von Patientenorganisationen. Zukünftig will er so auch afrikanischen Partner der CIVIS-Allianz an seinem BIP zur Medizinethik beteiligen.

Ethnologin Alex gefällt, dass sie ihre Lehre etwas unkonventioneller gestalten kann: „Das BIP ermöglicht andere Formate, Interaktionen, praktische Übungen, im Vergleich zu einem wöchentlichen Seminar,“ sagt sie. Thematisch seien BIPs meist forschungsinspiriert oder dem forschenden Lernen verpflichtet, erklärt Rolf Frankenberger. Oft stehen konkrete Objekte oder Fallbeispiele im Zentrum, an denen Studierende Forschungsfragen bearbeiten: Bei Frankenbergers BIPs gab es Feldforschung zu Hochwasserschutz oder sozialem Wohnen, in Thiemeyers Veranstaltungen zu Museumsarbeit erarbeiteten die Teilnehmenden kleine Ausstellungen. Studierende von Oliver Feeney können sich nach dem BIP an der Mitarbeit an einem wissenschaftlichen Artikel versuchen – oftmals ihre erste Publikation.

Netzwerkbildung und Potential für gemeinsame Forschung

Auch über etwaige Publikationen hinaus bieten die BIPs einen Mehrwert für die Forschung. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler profitierten vom intensiven Austausch und der Diskussion von Theorien im Rahmen der gemeinsamen Lehre, so Professorin Alex. Thomas Thiemeyer fand die Einblicke in Museen im Ausland hilfreich. Einig sind sich alle, dass BIPs zur Netzwerkbildung beitragen und damit Potential für gemeinsame Forschungsprojekte mitbringen.

Als Format mit EU-Förderung sind die BIPs allerdings auch mit Bürokratie verbunden. Von Sichtung der Bewerbungen bis hin zur Abrechnung für die Mobilität fällt Arbeit an. „Man muss Aufwand betreiben für jeden Euro, den man bekommt,“ meint Thiemeyer, weist aber darauf hin, dass es auch administrative Unterstützung gebe. Der Mobilitätszuschuss für die Studierenden ist oft nicht kostendeckend: „Ein Problem ist die vergleichsweise bescheidene Finanzierung für den Aufenthalt an einem eher teuren Ort,“ meint Feeney im Hinblick auf die Situation in Tübingen, wo eine günstige Unterkunft nicht leicht zu finden ist. Obwohl sich die Studierenden selbst darum kümmern müssen, kommen bei den Organisatoren vor Ort Fragen dazu an.

Unterschiede zwischen CIVIS-Partnern als Herausforderung

Auch die europäische Zusammenarbeit birgt Hindernisse. Rolf Frankenberger verweist auf die unterschiedlichen akademischen Kalender mit verschiedenen Semester- und Prüfungszeiten, die eine gute Terminierung der BIPs erschweren. Eine Herausforderung seien auch die Differenzen von Lehr-Lern-Traditionen, die von „stark verschult bis offen-reflexiv“ reichten, erklärt er. Nicht zuletzt müsse man mit unterschiedlichen Sprachkompetenzen der Teilnehmenden rechnen, so Professorin Alex, auch wenn die meisten BIPs Englischkenntnisse auf B2-Niveau verlangen.

Oliver Feeney allerdings ist oft beeindruckt, wie souverän und nuanciert viele Studierende die Fremdsprache anwenden. Für ihn sind die BIPs vor allem „fun“ abseits des Alltags – er würde anderen Lehrenden empfehlen, sich in einem BIP zu engagieren: „Es macht Spaß, es ist inspirierend und lehrreich.“ Ein BIP kann zu jedem Thema durchgeführt werden, was zu den fünf Schwerpunkten von CIVIS passt. Ob man einen Kurs wiederholt anbietet und das Konzept von Jahr zu Jahr weiter verbessert, wie Feeney mit seinem BIP zur Genomeditierung beim Menschen, oder Neues ausprobiert: Zur Beantragung reicht – neben dem Zusammenschluss dreier Partner – eine kurze Skizze des Programms und seiner Lernziele, die dann zur Genehmigung einzelnen CIVIS-Gremien durchläuft. Die Förderquote ist hoch; zudem überlegt die CIVIS-Allianz, ein Schnellgenehmigungsverfahren für bewährte BIPs einzuführen, die mehrfach erfolgreich durchgeführt wurden.

Mit Etablierung der BIPs in Studium und Lehre ist ein Schritt zur Zusammenarbeit in der Allianz getan, der eine solide Grundlage für weitere Projekte bildet. Thomas Thiemeyer wagt den Blick in die Zukunft: „Ich glaube, dass sich innerhalb der Strukturen von CIVIS viel entwickeln wird – man sollte diese Strukturen nutzen.“

Tina Schäfer