Von Lohndiskriminierung wird gesprochen, wenn gleiche oder gleichwertige Arbeit ungleich bezahlt wird. Einen Gender Pay Gap gibt es demnach, wenn geschlechtsbezogen Gehaltsunterschiede auf denselben Stellenarten – beispielsweise auf gleichwertigen Professuren - festgestellt werden.
Die BRD hat 2017 das „Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz - EntgTranspG)“ erlassen: https://www.gesetze-im-internet.de/entgtranspg/BJNR215210017.html
2023 folgte die Formulierung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie (EU/2023/970) https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32023L0970 zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Entgelttransparenz und Durchsetzungsmechanismen. Die EU-Staaten sind nun aufgefordert, entsprechend der Entgelttransparenzrichtlinie ihre eigene Gesetzgebung zu prüfen und zu überarbeiten.
Für die Analyse und den Abbau des Gender Pay Gap in der Wissenschaft ist vornehmlich die europäische Wissenschaftspolitik von Bedeutung.
Im Rahmenprogramm Horizont Europa https://www.eubuero.de/de/fif-genderaspekte-heu-2586.html wird Genderaspekten ein großer Stellenwert beigemessen. So ist jede Hochschule verpflichtet, einen Gleichstellungsplan zu stellen, der Daten zum nach Geschlecht differenzierten Personal enthalten muss und Stellung nehmen soll zur Geschlechtergerechtigkeit bei Einstellung und Karriereentwicklung. In diesem Kontext hat die Analyse des Gender Pay Gap ebenfalls einschlägige Relevanz.
Weitere Informationen sind auf den Webseiten der Europäischen Kommission und des Europäischen Instituts für Gender Equality (EIGE) zu finden:
https://commission.europa.eu/projects/reducing-gender-pay-gap_en
https://eige.europa.eu/gender-equality-index/2024/domain/money/education
Aber kann es einen Gender Pay Gap in der Wissenschaft geben, obwohl mit den Besoldungsvorgaben die Einkünfte von Professor*innen landesweit einheitlich geregelt sind?
Ja, denn es gibt neben der fixen und altersunabhängigen Grundvergütung zusätzlich einige variable Gehaltsbestandteile.
Frei verhandelbare, variable Gehaltsbestandteile, also Leistungsbezüge, sind beispielsweise:
Zudem ist zu beachten, dass es qualitativ unterschiedliche, variable Gehaltsbestandteile bspw. bezüglich von Befristung oder Dynamisierung und Ruhegehaltsfähigkeit gibt.
Weitere flexible Gehaltsbestandteile wie Familienzuschläge sind an Voraussetzungen gebunden und nicht verhandelbar, sie sind daher in diesem Zusammenhang nicht relevant.
Weshalb können Differenzen in der Bezahlung zwischen Männern und Frauen auftreten?
Die festgestellten Gender Pay-Gaps* lassen sich nicht auf unbereinigte Daten zurückführen, da Gehälter auf gleichen Positionen und in gleichen Gehaltsstufen untersucht wurden. Auch die Annahme, dass die schlechtere Bezahlung von weiblichen Professorinnen nur der unterschiedlichen Fächerwahl, also auch einer „Selbstselektion“ geschuldet ist, konnte in Studien nicht als alleiniger Faktor belegt werden*: Zudem gab es innerhalb von Fächern mit einem hohen Frauenanteil teilweise Verdienstungleichheiten, die aber je nach Fach unterschiedlich hoch ausfallen.
Im Vergleich zur C-Besoldung (bis 2004), die regelmäßig altersabhängig aufsteigende Grundgehälter vorsah, wurden flexible Gehaltsbestandteile in der W-Besoldung vermehrt integriert, so dass potenziell ein größerer Gender Pay Gap entstehen kann. Er wächst sich also nicht automatisch mit einer nachwachsenden und vielfältigeren Professor*innenschaft aus, sondern muss weiterhin beobachtet werden.
Besonders im Bundesland Nordrhein-Westfalen gibt es dazu sehr gute Analysen. Die Befunde verdeutlichen, dass weiterhin Handlungsbedarf besteht, zeigen aber auch die Herausforderungen auf, die angegangen werden sollten.
Auch in Baden-Württemberg wird der Gender Pay Gap diskutiert. Bereits seit 2021 sind im 2. Hochschulfinanzierungsvertrag (HOFV II) Vereinbarungen enthalten, dass geschlechtsbezogene Einkommensunterschiede durch die Hochschulen erfasst werden sollen. Da erste Ergebnisse einen Gap aufgezeigt haben, soll die verpflichtende Daten-Erfassung unter Koordination des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst (MWK) weitergeführt werden. Dass das Thema ernst genommen wird, hat die Wissenschaftsministerin in einer Stellungnahme zu den ersten Ergebnissen klar gemacht.
Die erste Untersuchung der variablen professoralen Bezüge an der Universität Tübingen 2023 hat eine Besserstellung männlicher Professoren ergeben. Im Vergleich von drei Kohorten hat sich jedoch auch die Tendenz zum kontinuierlichen Abbau des Gender Pay Gap gezeigt.
Die Universität Tübingen wird auch weiterhin im Rahmen der Analysen des MWK Baden-Württemberg einen möglichen Gender Pay Gap in der Wissenschaft durch regelmäßiges Datenmonitoring erheben und im Rahmen ihrer Steuerungsmöglichkeiten Maßnahmen zur Vermeidung/ dem Abbau des Gender Pay Gaps entwickeln und umsetzen.
Zu den von der Gleichstellungsbeauftragten vorgeschlagenen Maßnahmen gehört insbesondere ein transparentes Verfahren für die Gehaltsvergabe. Es sollte sich an den Erkenntnissen aus Nordrhein-Westfalen orientieren und von einem entsprechenden Datenmonitoring, welches die Leitung in Entscheidungen unterstützt, flankiert werden. Zudem ist die Verankerung des Supports durch die Gleichstellungsbeauftragte bei der Beurteilung möglicher Bias sinnvoll. Empfehlenswert ist zudem, die Forderungen der Bundeskonferenz der Frauenbeauftragten (BukoF) an die Novellierung des deutschen Entgelt-Transparenz-Gesetzes zu beachten:
bukof-Stellungnahme-zur-Evaluation-und-Novellierung-des-Entgelttransparenzgesetzes
* Eine kleine Auswahl Studien ohne Anspruch der Vollständigkeit:
„Gender-Pay-Gap: Verhandlungsstärke zählt“ in: Forschung und Lehre 08.11.2923 von Jetta Frost, Margit Osterloh & Katja Rost
„Gender-Report 2022 - Geschlechter(un)gerechtigkeit an nordrhein-westfälischen Hochschulen“ (Essen 2022) von Beate Kortendiek, Lisa Mense, Sandra Beaufaÿs, Jenny Bünnig, Ulla Hendrix, Jeremia Herrmann, Heike Mauer, Jennifer Niegel