Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2013: Schwerpunkt

Open Access – die Idee vom offenen Zugang zu wissenschaftlichen Ergebnissen

Warum immer mehr Forscher neue Wege für Veröffentlichungen nutzen

Es gehört zum Selbstverständnis und zu den Aufgaben von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, ihre Forschungsergebnisse zu veröffentlichen. Die Redaktionen der Fachzeitschriften übernehmen dabei eine Qualitätskontrolle über das sogenannte Peer-Review-Verfahren, bei dem sie Fachkollegen des Autors einer Studie auffordern, seine Experimente, Vorgehensweise und Schlussfolgerungen zu beurteilen. Nur bei positivem Urteil akzeptiert die Fachzeitschrift die Studie und druckt sie ab beziehungsweise macht sie ihren Lesern im Internet zugänglich. Über die Jahre haben sich zahlreiche Fachzeitschriften einen guten Ruf erworben: In Fachkreisen sagt schon der Name der Zeitschrift, die eine Studie angenommen hat, viel über die Qualität der Arbeit des Wissenschaftlers aus. Dazu trägt auch der sogenannte Impact-Faktor einer Zeitschrift bei, einer theoretisch errechneten Zahl, die umso höher ausfällt, je häufiger die Aufsätze der Zeitschrift von anderen Wissenschaftlern zitiert werden. Auf diese Weise sollten die Forscherqualitäten eines Wissenschaftlers messbar werden. Eine Veröffentlichung bei einer hoch angesehenen Fachzeitschrift wird über einen höheren Impact-Faktor bei der Anerkennung einer Doktorarbeit oder in einem Berufungsverfahren für eine Professur stärker positiv gewichtet als eine Veröffentlichung in einer weniger renommierten Zeitschrift.


Die Herstellung und der Vertrieb einer Zeitschrift verursachen Kosten, außerdem wollen Verlage Gewinne machen. Bezahlt wird der Preis von den Abonnenten und Lesern. Im Fall von Fachzeitschriften sind dies vielfach die Hochschulbibliotheken. Seit Jahrzehnten steigen die Preise der Fachzeitschriften stark an, in der Folge mussten die Bibliotheken immer mehr Titel abbestellen. Wissenschaftler kamen nicht mehr ohne Weiteres an die Ergebnisse ihrer Fachkollegen heran. Als zudem die elektronische Publikation über das Internet vergleichsweise einfach und kostengünstig möglich wurde, entwickelten sich aus der Wissenschaft Gegenbewegungen, die das Geschäftsmodell der Fachzeitschriften in Frage stellten. Forschung wird mehrheitlich öffentlich über Steuerzahler finanziert. Die Fachzeitschriften erhalten ihre Inhalte also kostenfrei, die Artikel werden von Wissenschaftlern ohne Honorar verfasst. Gutachter im Peer-Review-Verfahren sind ehrenamtlich tätig. Insgesamt schöpfen die Verlage vom Verkauf der Fachzeitschriften einen beträchtlichen Anteil als Gewinn ab.


Dabei halten die Wissenschaftler selbst alles in Händen, um ihre Erkenntnisse mit der „Scientific Community“ zu teilen: Sie liefern die Ergebnisse, sie beurteilen als Gutachter die Arbeit ihrer Kollegen, und sie sind auch die Leser. So kam die Idee des Open Access auf, des „offenen Zugangs“ zu wissenschaftlichen Ergebnissen. In Deutschland wurde am 22. Oktober 2003 bei einer Tagung der Max-Planck-Gesellschaft die „Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen“ (englisch: Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities) erarbeitet, die von 19 deutschen und internationalen Forschungsorganisationen beschlossen wurde. Zu den Unterzeichnern gehörten unter anderem die Hochschulrektorenkonferenz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e. V. sowie die Helmholtz-Gemeinschaft. Inzwischen haben mehr als 400 Forschungsinstitutionen die Berliner Erklärung unterzeichnet. Sie beruhte auf früheren Erklärungen, die einen freien Zugang zur wissenschaftlichen Literatur einforderten.


Mit öffentlichen Geldern gewonnene Ergebnisse gehörten ja im Grunde bereits der Öffentlichkeit. Sie sollten kostenfrei und zügig allen Interessierten zugänglich gemacht werden. Doch es ist nicht damit getan, Forschungsergebnisse einfach ins Internet zu stellen.


Zeitschriften brauchen zum Beispiel eine Redaktion und eine technische Infrastruktur. Und natürlich sollte auch weiterhin eine Qualitätskontrolle über das Peer-Review-Verfahren organisiert werden. All dies verursacht Kosten. Vor allem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Qualifizierungsphase auf dem Weg zu einer Professur können es sich kaum leisten, auf die positive Empfehlung einer Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift mit hohem Impact-Faktor zu verzichten. Zwar erscheint es auf den ersten Blick vielleicht merkwürdig, doch konsequente Folge des Kostenproblems ist, dass Autoren in Open-Access-Journalen für ihre Veröffentlichungen bezahlen müssen. Allerdings sollte es dabei um Kostendeckung gehen, nicht um Gewinnmaximierung wie beim traditionellen Geschäftsmodell kommerzieller Verlage. Die Bezahlung eigener Beiträge haben längst auch unseriöse Anbieter im Open Access als Einnahmequelle entdeckt: Mit klangvollen wissenschaftlichen Zeitschriftentiteln werben sie Beiträge – und Geld – von Wissenschaftlern ein, denen ein Peer-Review-Verfahren und die wissenschaftliche Redaktion als Umfeld nur vorgespiegelt werden. Daher wird die zweite Hürde für seriöse Open-Access-Zeitschriften künftig noch schwieriger zu nehmen sein, neue Publikationsplattformen müssen sich ihr Renommee erst verdienen. Dies dauert seine Zeit. Doch auf einigen Wissenschaftsgebieten, zum Beispiel in der Tropenmedizin, sind schon Open-Access-Zeitschriften führend.


Da auch die Hochschulen Interesse daran haben, insgesamt die Kosten zu senken, unterstützen immer mehr über Steuern finanzierte Universitäten und Forschungseinrichtungen ihre Wissenschaftler bei Veröffentlichungen in Open-Access-Journalen finanziell oder verpflichten sie sogar, diesen Weg zu nutzen. Die britische Regierung hat im vergangenen Jahr angekündigt, bis 2014 zu erreichen, dass alle mit öffentlichen Geldern geförderten Forschungsergebnisse im Open Access publiziert werden. So ist zu erwarten, dass die Idee des Open Access nicht allein von Idealisten getragen werden muss und sich immer stärker durchsetzt.


Weitere Informationen zur deutschsprachigen Open-Access-Bewegung im Internet unter www.open-access.net


Janna Eberhardt