Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2013: Schwerpunkt
Lehramt Plus
An der Universität Tübingen können Studierende jetzt neben dem Abschluss „Staatsexamen“ den Mastergrad zu erwerben
Das Englische Seminar im Fachbereich Neuphilologie der Philosophischen Fakultät der Universität Tübingen hat ein Programm ins Leben gerufen, das es Lehramtsstudierenden unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, neben dem Abschluss „Staatsexamen“ den Mastergrad zu erwerben – das „Lehramt Plus“
Was ist der Hintergrund?
Für die meisten Studierenden in den Geisteswissenschaften ist das Lehramt an Gymnasien immer noch der attraktivste Abschluss: man kann, muss aber nicht mit diesem Abschluss Lehrer werden. Die didaktischen Kenntnisse und Erfahrungen, etwa aus dem Praxissemester, können auch für andere Berufe qualifizieren, in denen es um die Vermittlung von Wissen und die Anleitung zum Lernen geht. Andererseits droht jedoch mit dem erforderlichen Zuwachs berufsbezogener Anteile im Lehramtsstudium das Fachliche zu kurz zu kommen. Erst kürzlich unterstrich der Leiter des Stuttgarter Seminars für Didaktik und Lehrerbildung, Professor Dr. Wolfgang Schöberle, in einem Interview mit der Südwestpresse die Bedeutung der fachlichen Kompetenzen für das Lehramt: „Lehrer sind zunächst Fachexperten, Gymnasiallehrer besonders. Nur wer fachlich souverän ist, kann Inhalte für verschiedene Altersstufen aufbereiten, ohne sie unzulänglich zu verkürzen oder gar falsch darzustellen.“
Eine Antwort auf dieses Problem ist die stärkere Verzahnung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik, eine andere die Stärkung fachwissenschaftlicher Anteile durch den Anreiz, fachlich „mehr“ zu machen. Das Programm „Lehramt Plus“ schafft diesen Anreiz, indem Lehramtsstudierende mit dem Master einen zusätzlichen, international bekannten Abschluss erwerben können, so wie ja auch schon in der Vergangenheit eine Reihe von Studierenden parallel zum Lehramt den Magistergrad erworben haben.
Lehramt Plus
Da der Master immer einen ersten Abschluss voraussetzt, muss erst das Staatsexamen abgelegt werden, bevor der MA erworben werden kann. Die Studierenden können aber vorher schon zusätzliche Leistungen erbringen, wenn ihre Studienleistungen in dem Fach, in dem sie den Master machen wollen, mit der Note 2,0 oder besser bewertet wurden. Maßgeblich ist dabei das Hauptstudium, in der Regel die einschlägige Hauptseminarnote. Die zusätzlichen Leistungen sind bestimmte Module aus dem MA-Studiengang — etwa Oberseminare —, welche nach dem Staatsexamen anerkannt werden. Lehramt-Plus-Studierende können dann in ein höheres MA-Fachsemester eingestuft werden. Wer also neben dem Lehramtsstudium das Interesse und die Fähigkeit besitzt, sich zusätzlich zu qualifizieren, bekommt das Versprechen der Anerkennung dieser Zusatzleistungen nach dem Staatsexamen.
Für das „Lehramt Plus“-Modell können die drei Masterstudiengänge des Englischen Seminars „English Literatures and Cultures“, „American Studies“ und „English Linguistics“ gewählt werden; ebenso gewählt werden können aber auch interdisziplinäre Studiengänge wie der neue, vom Englischen Seminar maßgeblich mitbetreute, MA-Studiengang „Vormoderne“ — also Literaturen, Geschichte und Kulturen vor 1800 — und der MA Literatur- und Kulturtheorie. Dies gilt insbesondere bei entsprechenden Lehramts-Fächerkombinationen. Darüber hinaus schließen sich derzeit bereits andere Fächer an der Universität Tübingen dem „Lehramt Plus“ an, so dass auch für Lehramtsstudierende in Geschichte und Germanistik eine entsprechende Möglichkeit besteht. Das Fach Informatik hat ebenfalls bereits Interesse gezeigt.
Neben dem Leistungsanreiz ist ein weiteres Ziel des „Lehramt Plus“, Studierenden bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln. Insbesondere in den geisteswissenschaftlichen Fächern sind die Einstellungsaussichten für Gymnasiallehrer in den kommenden Jahren eher schlecht. Dementsprechend soll der Tübinger „Lehramt Plus“-Doppelabschluss all denjenigen, die über Einstellungen entscheiden, die Leistungsbereitschaft und hohe fachliche Qualifikation der Bewerber signalisieren. Das Modell wird auch Bestand haben, falls das Lehramt in Baden-Württemberg auf das BA/MA-Modell umgestellt wird, weil dann zusätzlich zum „Master of Education“ ein weiterer Masterabschluss erworben werden kann.
Schon bisher haben engagierte Lehramtsstudierende, insbesondere in den Geisteswissenschaften, mehr Veranstaltungen besucht als von der Studienordnung vorgeschrieben. Ihnen wird nun die Möglichkeit gegeben, ihre zusätzlichen Leistungen anerkennen zu lassen. Die Anerkennungshürde der Note 2,0 ist dabei nicht nur ein Ansporn für Studierende, sondern führt auch bei den Lehrenden zur Reflexion der Notenstandards: diese Note wird nur für Leistungen des Hauptstudiums vergeben, welche die Fähigkeit zu vertiefter wissenschaftlicher Arbeit — also ein „Masterniveau“ — erkennen lassen.
Das „Lehramt Plus“ hat einen weiteren positiven Effekt: In den Fächern kann aufgrund der größeren Zahl von Master-Studierenden eine größere Zahl an Master-spezifischen Lehrveranstaltungen mit entsprechend höherem fachlichen Niveau angeboten werden. Auf diese Weise profitieren auch die anderen Master-Studierenden von „Lehramt Plus“; das Profil der MA-Studiengänge insgesamt wird geschärft.
Matthias Bauer
Ansprechpartner: Prof. Dr. Matthias Bauer (m.bauer[at]uni-tuebingen.de) und Dr. Fritz Kemmler (fritz.kemmler[at]uni-tuebingen.de), Englisches Seminar