Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2010: Termine und Veranstaltungen
Martha C. Nussbaum zu Gast an der Universität Tübingen
Soziale Gerechtigkeit und freie Entfaltung der Person – Interdisziplinärer Meisterkurs am FORUM SCIENTIARUM
Die zierliche Dame, wie immer elegant gekleidet, steht am Pult des Audimax und zieht den vollen Saal mit ihrem Vortrag zum Thema "Gewissensfreiheit" in ihren Bann. Am nächsten Abend plaudert sie im Kreise von Studierenden über ihre Treffen mit der Familie Obama: Martha Nussbaum heißt diese bemerkenswerte Frau, Philosophin und Professorin für Recht und Ethik an der University of Chicago. Eine Woche lang war sie im Rahmen der diesjährigen Unseld Lecture zu Gast an der Universität Tübingen und am FORUM SCIENTIARUM. Dort arbeitete und diskutierte sie mit 25 Studierenden aus mehr als zehn Nationen und ebenso vielen verschiedenen Disziplinen – unter anderem Philosophie, Soziologie, Theologie, Ökologie und Volkswirtschaftslehre – in einem Meisterkurs zum "Capabilities Approach". Dieser normative Denkansatz dient als Grundlage für eine Theorie fundamentaler sozialer Gerechtigkeit, in der die Menschenwürde und die freie Entfaltung der Person im Mittelpunkt stehen.
Die Teilnehmer – allesamt fortgeschritten und mit dem Capabilities Approach bestens vertraut – präsentierten ihre Arbeiten zu diesem Thema und auch Martha Nussbaum stellte ihre neuesten Untersuchungen vor. Die unterschiedlichen Herkunftsorte und Disziplinen der Teilnehmer ergaben neue spannende Blickwinkel auf das Thema, die sich im universitären Alltag zumeist nicht erschließen. Die Vorstellung von Studien beispielsweise über die Zukunftsperspektive von Kindern in Namibia oder über den Einfluss von Mikrokrediten in Indien ermöglichte es, den oft fehlenden Bezug einer philosophischen Theorie zur Praxis herzustellen. Kontrovers diskutiert wurde über zwei Vorträge aus Kanada, die sich für eine Erweiterung des Capabilities Approach auf die unbelebte Natur aussprachen. Ein immer wiederkehrendes Thema war zudem die schwierige Frage, wie man mit einem normativen Ansatz wie dem Capabilities Approach den verschiedenen Kulturen und Religionen gerecht werden kann. Die Erfahrungsberichte der Teilnehmer aus Singapur, den USA, Europa, Indien und Russland ermöglichten es jedoch, über den eigenen Tellerrand zu sehen und auch Standpunkte nachzuvollziehen, die dem Einzelnen aufgrund der eigenen Kultur zunächst schwer verständlich erscheinen mussten.
Für die Unseld Lecture 2011 wird der chilenische Neurobiologe und Systemtheoretiker Humberto Maturana zu Gast am FORUM SCIENTIARUM sein.
Serina Hirschmann
Das Forum Scientiarum ist eine Zentrale Einrichtung der Universität Tübingen zur Förderung des Dialogs zwischen den Wissenschaften in Forschung und Lehre. Es wird unterstützt von der Udo Keller Stiftung Forum Humanum, der Klett-Stiftung und der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Die Unseld Lectures wollen den Dialog zwischen den Wissenschaften anstoßen, insbesondere den Dialog zwischen den Natur- und den Geisteswissenschaften. Sie kombinieren drei Formate: "Festvortrag" – "Disputation" – "Meisterkurs". Die Unseld Lectures suchen den Dialog mit der Gesellschaft, sie fördern die Auseinandersetzung zwischen Forschern verschiedener Disziplinen und sie verankern das fächerübergreifende Arbeiten in der Lehre. Die Unseld Lectures werden von vier Partnern getragen: dem FORUM SCIENTIARUM der Universität Tübingen, der "edition unseld" des Suhrkamp Verlags Berlin, der Udo Keller Stiftung Forum Humanum und der Universität Tübingen. Mehr Informationen: |
---|