Abgesehen von einigen aufgrund zu großer Kälte unbewohnbaren Orten, ist unsere Spezies heute erfolgreich auf dem ganzen Planeten verbreitet. Während Forscher weiterhin die Wanderbewegungen unserer Vorfahren über die Kontinente untersucshen, bleiben viele Aspekte dieser Ausbreitung umstritten: So z.B. wann, wie und unter welchen Umständen welche Routen verwendet wurden.
Neueste archäologische, paläoanthropologische und genetische Untersuchungen aus der Alten Welt deuten auf eine komplexe Abfolge menschlicher Formen hin, deren Populationen sich im Laufe der letzten 1 bis 2 Millionen Jahre verschoben, expandiert und ausgebreitet, aber auch wieder verkleinert und zurückgezogen haben.
All diese räumlichen und quantitativen Fluktuationen fanden vor dem Hintergrund der Klimaschwankungen statt, welche die Umwelt unseres Planeten während des Pleistozäns geprägt haben. Während dieser immensen Zeitspanne nutzten Homininen häufig die als Levante bezeichnet Region, die wichtigste und einzige Landbrücke, die Afrika, Asien und Europa miteinander verbunden hat. Obwohl unser Wissen über die Bewegungen der Homininen über diese Landbrücke durch die laufende Erforschung des südlichen Teils der Levante sehr bereichert wurde, wird unser Verständnis durch das Fehlen von Daten aus anderen Gebieten, insbesondere aus dem im Herzen der Levante liegenden Libanon, stark beeinträchtigt.
Vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Studien und Ausgrabungen durchgeführt, deren Ergebnisse deutlich vor Augen führten, welch enormes Potenzial die paläolithischen Hinterlassenschaften des Libanons zur Klärung der Ausbreitungsgeschichte unserer Vorfahren zu bieten haben.
Diese Projekte haben eine Vielzahl von Fundstellen der materiellen Kultur aus dem gesamten Zeitraum des Paläolithikums erbracht (Abb. 1). Die besser erforschten Fundstellen enthielten auch Faunenreste und Funde von Homininen. Trotz des großen Potenzials dieses Materials, Informationen über das Verhalten und die Anpassungen prähistorischer, menschliche Populationen zu gewinnen und Aussagen über die Verhaltensweisen der jeweiligen Homininenarten zu erschließen, blieb dieses Material leider weitgehend unerforscht, da der Ausbruch des libanesischen Bürgerkriegs Mitte der 1970er Jahre alle weiteren geplanten Forschungsaktivitäten verhinderte.
Das ERC-Konsolidator REVIVE (2021-2026) Projekt wird dort anknüpfen, wo die Arbeit vor mehreren Jahrzehnten aufgehört hat, und sie mit den modernsten Methoden, die uns heute zur Verfügung stehen, vorantreiben. REVIVE soll das Potenzial der libanesischen Fundstätten und des Materials nutzen, um Hinweise auf die menschliche Besiedlung in dieser Region und prähistorische Wanderungen durch dieses Gebiet zu erhalten um so die geografische Lücke in der Erforschung des levantinischen Paläolithikums zu schließen.
