20.11.2025
Präsentation des “Jahrbuchs des Föderalismus 2025”
Am 17. November war es endlich soweit: Das “Jahrbuch des Föderalismus 2025” wurde offiziell vorgestellt! Auch in diesem Jahr fand diese Veranstaltung wieder in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin statt.
Nach einem Vorempfang, bei dem u.a. sowohl Spezialitäten aus Berlin (Currywurst) als auch aus dem Ländle (Käsespätzle) angeboten wurden, eröffnete Herr Ulrich Aierstock, stellvertretender Dienststellenleiter der Landesvertretung, die Veranstaltung und begrüßte die anwesenden Gäste. Im Anschluss stellte Frau Prof. Dr. Gabriele Abels, Sprecherin des Vorstandes des EZFF, die Themen des Jahrbuchs vor. Besonderes Augenmerk widmete sie dabei dem diesjährigen Schwerpunktthema “Populismus und Föderalismus – ziemlich beste Freunde?” – eine Frage, die angesichts jüngster politischer Entwicklungen in vielen verschiedenen Ländern zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Anschließend diskutierte Prof. Abels mit Frau Prof. Dr. Paula Diehl, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, und Frau Prof. Dr. Sabine Kropp, Freie Universität Berlin, über das Thema “Föderalismus – Hemmnis oder Chance für den Populismus?”. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob föderale Strukturen populistischen Kräften ein fruchtbares Umfeld bieten oder sich stattdessen besonders gut eignen, um ihnen Einhalt zu gebieten.
Prof. Diehl wies in ihrem Eingangsstatement darauf hin, dass das Zusammenspiel von Populismus und Föderalismus von drei grundlegenden Faktoren abhänge, die sich von Land zu Land erheblich voneinander unterscheiden können: die Funktionsweise des politischen Systems, die Eigenheiten der politischen Kultur und die politische Ebene, auf der populistische Kräfte operieren (Bund, Länder oder Kommunen?). Zugleich erinnerte sie daran, dass es – trotz einiger gemeinsamer Charakteristika – nicht “den einen Populismus” gebe und sich populistische Akteure mit der Zeit auch entwickeln können. Populismus müsse zudem nicht immer zwangsläufig autoritär ausgerichtet sein – jedoch sei dies durch die vermehrte Adaption durch rechtsextreme Kräfte immer häufiger der Fall. Eine Normalisierung populistischer Botschaften würde nur zu einer noch stärkeren Radikalisierung führen. Von zentraler Bedeutung sei, so Diehl, die Frage, wie sich Populismus auf die Funktionsweise von Institutionen ausübe. Hierbei bediente sie das Bild eines betrunkenen Gastes auf einer Feier: Genauso wie dieser für Stimmung sorgen könne, habe auch der Populismus das Potential, die Demokratie zu revitalisieren. Gleichwohl könne er sie auch zerstören. Die Rolle des Föderalismus sei diesbezüglich je nach Land und politischer Ebene unterschiedlich: Während sich etwa in den USA die Bundesstaaten als wirksames Bollwerk gegen die rechtspopulistische Politik der Bundesregierung erweisen würden, sei es in Österreich der populistischen FPÖ durch Regierungsbeteiligungen auf Länderebene gelungen, den cordon sanitaire der Bundesparteien zu durchschlagen.
Prof. Kropp schloss sich der Einschätzung an, dass zwischen Populismus und Extremismus unterschieden werden müsse. Die zentrale Kommunikationsstrategie des Populismus sei die Schuldzuweisung gegen Andere, die – häufig im Namen des “Volkes” – für Probleme verantwortlich gemacht werden. Dabei könne es sich um “die Elite” (bzw. “die da oben”), aber auch allgemein um Akteure auf anderen politischen Ebenen handeln. Auf diese Weise könne etwa eine Bundesregierung die Verantwortung für ausbleibende Reformen weiterreichen. Dementsprechend ist eine populistische Kommunikation nicht nur radikalen Akteuren vorbehalten, sondern könne auch von als gemäßigt wahrgenommenen Kräften ausgeübt werden. Der föderale Aufbau eines Landes könne von populistischen Kräften als Blockadeinstrument genutzt werden. Gerade der deutsche Vollzugs-, aber auch der Exekutivföderalismus biete dafür zahlreiche Einfallstore, etwa im Bundesrat oder den Fachministerkonferenzen. Da diese in der Regel konsensorientiert arbeiten und nicht selten Einstimmigkeit für Beschlüsse benötigen, könne es bereits erhebliches disruptives Potential mit sich bringen, wenn auch nur in einem Bundesland eine populistische Partei (mit)regiert. Der Schlüssel zur Stärkung des wehrhaften Bundesstaates liege, so Kropp, nicht etwa in kleinteiligen institutionellen Reformen. Stattdessen müssten föderale Strukturen insgesamt flexibler gestaltet werden, etwa durch die Abschaffung von Einstimmigkeitserfordernissen.
Bei der Frage, ob der Aufstieg populistischer Kräfte wieder rückgängig gemacht werden könne, zogen die beiden Diskutantinnen ein ernüchterndes Fazit. Prof. Diehl zufolge sei stattdessen eine Verschärfung der Situation wahrscheinlicher. Die zunehmende Verrohung der Sprache, gerade in den sozialen Medien, sei nur schwer umkehrbar. Prof. Kropp wies gleichermaßen darauf hin, dass sich ein Gefühl der dauerhaften Krise in der Gesellschaft etabliert hätte, dass populistische Kräfte für sich zu nutzen wüssten. Auf die Nachfrage von Prof. Abels, ob sich populistische Parteien durch eine Regierungsbeteiligung entzaubern ließen, entgegnete Prof. Kropp, dass dies angesichts des wachsenden Einflusses parteiinterner Kräfte, die auf ihren Maximalforderungen beharren, nur noch schwer vorstellbar sei. Ein “Lass sie mal mitmachen” auf Landesebene könne angesichts der föderalen Verflechtungen und dem konsensorientierten System der Bundesrepublik verherrende Folgen haben. Prof. Diehl verwies mit dem Beispiel des Rassemblement National in Frankreich darauf, dass eine Normalisierung populistischer Inhalte, gepaart mit einer augenscheinlichen Kompromissbereitschaft der populistischen Partei, die Annäherung an andere Parteien fördern und diese letztendlich dazu verleiten könnte, ein Regierungsbündis einzugehen – eine potentiell folgenschwere Entscheidung.
Im Anschluss hatte das Publikum noch die Möglichkeit, Fragen an die Diskutantinnen zu richten. Ein Nachempfang mit Getränken rundete den Abend ab.
Das EZFF bedankt sich herzlich bei Prof. Diehl und Prof. Kropp für die spannende Diskussionsrunde sowie bei allen Anwesenden für ihre Teilnahme. Dank gebührt zudem der Landesvertretung Baden-Württemberg für die abermals hervorragend organisierte Veranstaltung sowie dem Nomos-Verlag, der auch in diesem Jahr wieder einen Büchertisch mit einer Auswahl an spannenden Publikationen bereitgestellt hatte. Bis nächstes Jahr!
Weitere Informationen zum Jahrbuch, dass auch einen Beitrag von Prof. Kropp zur Wehrhaftigkeit des deutschen Bundesstaates enthält (zusammen mit Florian Grotz), finden Sie hier.