Institut für Theoretische Physik

Schwerionenreaktionen - der Urknall im Labor

Mitarbeiter:

Dr. M. Krivoruchenko, K. Shekhter, Dr. E. Zabrodin, S. El-Basayouny

Gäste:

Dr. B. Martemyanov (Moskau), Prof. Yu-Ming Zheng (Peking), Prof. Benhao Sa, Prof. Zhang-dao Lu, Dr. Wei Zuo (Lanzhou)

Eine der wichtigsten Fragestellungen der modernen Schwerionenphysik ist die Untersuchung des Verhaltens von Materie unter extremen Bedingungen, wie sie nur ganz in speziellen Situationen im Universum vorliegen. Grob gesagt, kann man die Forschungsaktivitäten dabei in zwei Hauptrichtungen einteilen, die beide für die Astrophysik und das Verständnis unseres Universums von fundamentaler Bedeutung sind:

  1. Die Erzeugung superdichter Materie: Normalerweise liegt Materie in ihrer dichtesten Form im Inneren schwerer Atomkerne vor (so genannte Sättigungsdichte). Schießt man zwei schwere Ionen mit praktisch Lichtgeschwindigkeit aufeinander, so wird die Materie für kurze Zeit auf 3- bis 5-fache Sättigungsdichte komprimiert. In dem so erzeugten Feuerball lassen sich die Eigenschaften der Nukleonen und deren Wechselwirkung, aber auch das Verhalten vieler anderer dort erzeugter Hadronen, z.B. baryonischer Resonanzen oder Mesonen (Pionen, Kaonen, rho-Mesonen etc.), studieren. Die so gewonnenen Erkenntnisse sind insbesondere für das Verständnis von Neutronensternen und Supernovaeexplosionen von Bedeutung. Entsprechende Experimente werden z.B. an den Beschleunigern der GSI in Darmstadt bei Einschussenergien von 1 - 2 GeV/Nukleon durchgeführt.
  2. Erhöht man die Einschussenergie um 2 - 3 Größenordnungen, wie z.B. am CERN, dann ändert sich das Szenario dramatisch: Die Kerne laufen durcheinander durch und hinterlassen in der Reaktionszone einen Feuerball, der den Zustand des Universums kurz nach dem Urknall charakterisiert. Dieser Feuerball enthält eine extrem heiße (T = 1015 Kelvin) Suppe aus Teilchen und Antiteilchen mit niedriger Nettobaryonendichte. Bei diesen hohen Energiedichten können Quarks und Gluonen sogar kurzzeitig als freies Plasma (so genanntes Quark-Gluon-Plasma) vorliegen, in dem das Confinement der Quarks aufgehoben ist. In der anschließenden Expansion und Abkühlung durchläuft das System ebenso wie das frühe Universum eine Hadronisierungsphase, in der sich aus dem Plasma wieder Baryonen und eine Vielzahl verschiedenster Mesonen bilden. Möglicherweise wurde das Quark-Gluon-Plasma bereits am CERN erzeugt. Eine detaillierte Untersuchung dieses speziellen Zustandes von Materie ist jedenfalls die Hauptaufgabe der neuen Collidergeneration RHIC in Brookhaven/USA und LHC am Cern.

Die theoretische Beschreibung von Schwerionenkollisionen erfolgt in unserer Arbeitsgruppe mit Hilfe relativistischer Transportsimulationen. Einerseits studieren wir Kernmaterie bei hohen Dichten im Rahmen mikroskopischer Vielteilchenmodelle, benutzen die so gewonnenen Potentiale in den Transportrechnungen und untersuchen allgemein Modifikationen der Eigenschaften von Hadronen in dichter Materie. Andererseits studieren wir eine mögliche Bildung des Quark-Gluon-Plasmas bei ultra-relativistischen Energien im Rahmen von Quark-Gluon-String-Kaskade-Modellen. In beiden Fällen versuchen wir damit, Aufschluss über das Verhalten von Materie unter diesen Extrembedingungen zu erhalten.