Kontrollierbare Gefühle?
Die Kommunikation von Dirigentinnen und Dirigenten bei der Probenarbeit und den Aufführungen
Dieses Projekt lenkt den Blick auf die Vermittlung von Musik durch zeitgenössische Dirigentinnen und Dirigenten. Diese werden gebeten längere Interviews zu geben. Die Hypothese lautet, dass die Künstler ihre Gefühle einsetzen, um ihre Deutungsmacht zu festigen. Möglicherweise schaffen gerade deren eigene Emotionen Verbindungen zwischen den Kompositionen, den Musikern und dem Publikum. Es interessiert deren Rückgriff auf Emotionen, um etwa bei einer Probe den Musikern durch Bilder, Gesten und Geschichten die eigenen Ziele zu verdeutlichen.
Was sind überhaupt Emotionen aus der Perspektive einer Dirigentin oder eines Dirigenten und wo werden Sie aktiv? Zu klären ist, wie diese Musik in den Proben in eine emotionale Sprache übersetzen. Es interessieren Metaphern, Gesten, Witze, durch die zunächst die Musiker und dann viele im Publikum begeistert, erschreckt oder bewegt werden. Wichtig ist es herauszufinden, ob Dirigentinnen oder Dirigenten die Emotionen eher dem Werk zuschreiben, oder wie weit sie selbst die eigenen Gefühle mit einbringen und diese dann ins Stück hineinlegen. Spannend wäre es darüber zu reden, ob es bei der Probenarbeit oder bei der Aufführung mehrere verschiedene Gefühle gibt, die empfunden werden. Gibt es ein Gefühl, indem die Künstler sagen, bei Mozart anders zu empfinde als bei Bruckner? Wie nehmen Dirigentinnen oder Dirigenten die Stimmung des Publikums wahr? Wie bewerten sie die spätere Kritik, ja auch einen Musikskandal, in Folge gewisser Kompositionen, die sie dirigiert haben?
Eine der Ursachen für die Deutungsmacht der Dirigentinnen und Dirigenten könnte darin liegen, dass sie durch eigene Gefühlsregeln die Kommunikationsformen im Musikleben steuern und erweitern. So aufschlussreich es ist, durch eine geschichtswissenschaftliche Perspektive die Bedeutung der Interpretationen durch den Kontext zu erklären, so muss ebenso klar sein, dass diese Beziehungsgeschichte auch umgekehrt gilt und bestimmte musikalische Stile auch soziale und politische Wirkungen in der Gesellschaft entfalten.
Ziel ist es die Erträge dieses Projektes für eine breitere Öffentlichkeit auch außerhalb der Universität zugänglich zu machen (Publikationen, Symposium, Radio- und Internetbeiträge). Fünf ausführliche Interviews mit Nikolaus Harnoncourt, Christian Thielemann, Marek Janowski, Simone Young und Kristiina Poska wurden bereits durchgeführt, weitere sind in Vorbereitung.