Aufgabe und Ziele
Das Tübinger Forum für Wissenschaftskulturen (TFW) ist eine institutionell eigenständige zentrale Einrichtung der Universität Tübingen unter dem Dach des Forum Scientiarum. Fokus ist die Interdisziplinarität. Die Institution ist ein offenes Forum für den Dialog zwischen den Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Die Aktivitäten des TFW sind dabei insbesondere auf Studierende und Promovierende ausgerichtet. Zusätzlich gibt es Veranstaltungen, welche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Karrierestufen oder die breite Öffentlichkeit ansprechen.
Bezogen auf die Bedingungen und den Kontext heutiger Wissenschaften und ihrer Wechselwirkung mit der Gesellschaft, folgt das TFW der grundsätzlichen Analyse von Sir C.P.Snow (The Two Cultures, 1959), dass es eine Kluft zwischen verschiedenen Wissenschaftskulturen gibt, deren Überbrückung, sowohl im abstrakt geistigen, als auch im ganz praktischen Sinne, notwendig sei. Dessen Unterscheidung nur zweier Kulturen wurde zwar inzwischen vielfach als zu einfach kritisiert. Vor diesem Hintergrund sieht das TFW seinen Auftrag in einer Brückenfunktion zwischen den Fächer und Disziplingrenzen. Damit soll eine fundamentale und nicht zu unterschätzende Kompetenz entwickelt werden, die für die Arbeit in der Wissenschaft wie zur Bewältigung von gesellschaftlichen Problemstellungen wichtig ist: eine Dialogfähigkeit in einer disziplinär pluralen Diskursgemeinschaft.
Aufgabe und Ziel des TFW sind daher die Förderung des fachübergreifenden Denkens und die Förderung der Offenheit gegenüber Perspektiven anderer Fächer. Der Ansatz zum interdisziplinären Zusammenwirken wird damit auch gesellschaftlichen Problemstellungen gerecht, die von keiner einzelnen Disziplin und einem getrennten nebeneinander mehrerer Fächer zu leisten wäre.
Inhaltliche Schwerpunkte
Interdisziplinarität und ein entsprechendes fächerübergreifendes Nachdenken und Arbeiten werden „praktisch“, d.h. in Bezug auf konkrete Themen und Debatten in der Wissenschaft und ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang implementiert. Hierzu arbeitet das TFW mit anderen universitären Einrichtungen zusammen. Insgesamt werden drei miteinander verknüpfte inhaltliche Schwerpunkte verfolgt und in verschiedenen Formaten umgesetzt.
Interdisziplinäres Studienangebot
Trotz neuer fachübergreifender Studienangebote sind die Studiengänge an der Universität Tübingen überwiegend disziplinär strukturiert. Die Spezialisierungsdynamik, insbesondere im Laufe des Masterstudiums, führt dazu, dass Wissenschaft als ein statisches Nebeneinander verschiedener unabhängiger Disziplinen betrachtet wird. Spätestens in der Promotion und darauf folgenden Forschungsarbeiten vollzieht sich die eigene akademische Arbeit im Rahmen fortschreitender Ausdifferenzierung und disziplinärer Spezialisierung. Das interdisziplinäre Studienangebot des TFW bietet ein komplementäres Programm während der wissenschaftlichen Ausbildung an.
Reflexion
Weder in den hochverschulten Bologna-Studiengängen noch im Forschungsalltag ist ausreichend Zeit vorhanden über das Verhältnis verschiedener Wissenschaften nachzudenken und im Dialog die Grundlagen und Grenzen der „eigenen“ Wissenschaft zu reflektieren. Die Reflexion der eigenen wissenschaftlichen Praxis schließt auch eine Auslotung zwischen einem naturwissenschaftlichen Erklärungsanspruch und einem geisteswissenschaftlichen Verstehensanspruch mit ein, deren Aus- bleiben oft zu Unverständnis und einer fehlenden Verständigung führt. Für diese Reflexion bietet das TFW einen Denk- und Arbeitsraum.
Wissenschaftsverständnis und Wissenschaftskritik
In Zeiten von alternativen Fakten und Fake-News wird es immer schwieriger, zwischen wahren und falschen Aussagen zu unterscheiden. Vor diesem Hintergrund wird es immer wichtiger, den Wert von Wissenschaft hervorzukehren. Vetrauen in die Wissenschaft setzt ein Verständnis dessen voraus, was gute Wissenschaft ausmacht. Gleichzeitig braucht es auch ein Verständnis, welchen Zwängen Wissenschaft als soziales und kollektives Unternehmen unterliegt, um legitime Kritik an und in der Wissenschaft ausüben zu können. Auf diesem Wege entsteht ein differenziertes Bild auf die wissenschaftliche Praxis und deren Kommunikation – und nicht zuletzt auch ein zeitgemäßes Verständnis von Wissenschaft in der Öffentlichkeit und Politik.