Was ist kulturelle Fitness?
Wie auch im Titel des diesjährigen Studienkollegs "Kognition - Sprache - Sozialität: Zur Verflechtung von kultureller und biologischer Evolution" wird häufig von kultureller Evolution als Analogon zur biologischen gesprochen. Eine Parallelität, die prima facie sehr schlüssig zu sein scheint, aber bei genauerer Betrachtung alles andere als unproblematisch ist. Auch Darwin hat schon auf eine mögliche Analogie zwischen der Entstehung von Arten und kulturellen Entwicklungen im Bereich der Sprachen hingewiesen.
"The formation of different languages and of distinct species, and the proofs that both have been developed through a gradual process, are curiously parallel" (Darwin 1887)
In diesem Kontext wird klar, dass man nicht einfach metaphorisch von kultureller Evolution sprechen kann, sondern dass damit immer die Evolutionsmechanismen Darwins impliziert werden. Der Begriff Evolution wird immer darwinistisch konnotiert sein. Uns interessiert, ob sich diese suggerierte Parallele tatsächlich ziehen lässt.
Ein zentraler Teil der biologischen Evolutionstheorie ist das Konzept der Fitness. Der evolutionsbiologische Fitnessbegriff beschreibt den Reproduktionserfolg eines Individuums und damit den seiner Merkmale. Reproduktionserfolg steht in der darwinschen Theorie zwischen den Begriffen der Variation, der natürlicher Selektion und der Vererbung. Erst durch Unterschiede in der individuellen Fitness können sich Populationen an ihre Umwelt anpassen und damit evolvieren.
Die Frage, mit der wir uns beschäftigen wollen, ist, ob ein analoger Begriff für die kulturelle Entwicklung, wie ihn eine Theorie der kulturellen Evolution voraussetzen würde, definiert werden kann; d.h. gibt es kulturelle Fitness im darwinschen Sinne?