Studienkolleg 2006/2007: Thema
Im Kollegjahr 2006/07 widmete sich das Studienkolleg den biologischen und kulturellen Grundlagen menschlichen Denkens. Die Fähigkeit des Menschen zu denken beschäftigt sowohl die Geisteswissenschaften als auch die Psychologie und die Anthropologie und zunehmend auch die Neurowissenschaften. Mit der Frage nach den Grundlagen des Denkens verbunden sind Fragen nach der Sprachfähigkeit des Menschen, nach dem Bewusstsein und Selbstbewusstsein bis hin zu Fragen des sozialen und kulturellen Handelns.
Das Studienkolleg gliederte sich deshalb in drei thematische Blöcke:
- "Die Evolution von Bewusstsein"
Im ersten Block standen die evolutions- und neurobiologischen Grundlagen im Mittelpunkt. - "Denken und Sprache"
Im zweiten Block wurde Sprache als Medium, das Geist und Natur vermittelt, untersucht. Die wichtigsten Beiträge kommen aus der Psychologie, der Sprachwissenschaft und der Informatik. - "Der kulturelle Aufbau der Vernunft"
Der dritte Block behandelte verschiedene Aspekte der kulturellen Verankerung der Vernunft und der philosophischen Anthropologie.
Bewusstsein, Sprache, Vernunft – drei Begriffe, die geeignet erscheinen, die Sonderstellung des Menschen zu begründen und zu erklären, wodurch sich der Mensch von seiner Umwelt abhebt. Wir fassen diese drei Begriffe unter dem Titel menschliches Denken zusammen und fragen, was das denn eigentlich ist – das Denken?
Die These Descartes’, dass das Denken eine eigene Sache und nicht von den materiellen Dingen dieser Welt abgeleitet sei, steht folgenreich am Anfang der modernen Wissenschaften. Nur weil das Denken nicht selber ein Teil der Welt ist, kann es diese im Ganzen erforschen und auch noch die verborgensten Winkel ausleuchten und die entferntesten Regionen erkunden. Zugleich begründet die Unbedingtheit des Denkens die Würde des Menschen, der sich im Denken über die leibliche Gebundenheit zur Freiheit erhebt.
Freilich lehren uns heute gerade die modernen Wissenschaften, dass das Denken sehr wohl materielle Grundlagen hat. Die Biologen und Mediziner sind weit fortgeschritten in der Beschreibung neuronaler Prozesse, die das Denken im Gehirn abbilden. Ohne neuronale Aktivität kein Denken. Das Denken lässt sich deshalb ebenso als eine Errungenschaft der Evolution verstehen wie andere menschliche Charakteristika auch. Gerade die hohen Freiheitsgrade des menschlichen Denkens machen evolutionsbiologisch gesehen Sinn.
Zu den neuronalen Grundlagen des Denkens kommt nun noch ein Weiteres hinzu: Der aufwachsende Mensch übt das Denken in sozialen und kulturellen Kontexten ein. Diese prägen nicht nur bestimmte Inhalte, sondern beeinflussen auch Form und Struktur des Denkens. Dabei kommt der Sprache besondere Bedeutung zu. Die kulturelle und sprachliche Formung des Denkens ist eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen von Kommunikation und die Erfahrung von Intersubjektivität.