Politische Theologie im imperialen Russland
Die russische Orthodoxie im Angesicht des Ukraine-Krieges
Herzlich laden wir Sie zu folgender Veranstaltung ein:
Politische Theologie im imperialen Russland: Die russische Orthodoxie im Angesicht des Ukraine-Krieges
Mo., 24.10.2022, 18:00 Uhr bis 21:00 Uhr im Hörsaal des Theologicums
Es referieren
Dr. Michael Hagemeister, Osteuropa-Historiker, Bochum
Das „Dritte Rom“ – der „Nördliche Katechon“: Antiwestliche Strömungen im heutigen Russland
Dr. Regina Elsner, Mitarbeiterin am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien, Berlin
Die Russische Orthodoxe Kirche im Krieg: Theologische und Politische Aspekte
Mit dem Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine ist auch in einer breiteren Öffentlichkeit die Rolle des russisch-orthodoxen Christentums in den Blick geraten: Durch Predigten des Moskauer Patriarchen Kyrill I., in denen der Krieg zu einem „heiligen Kampf“ gegen die bösen Mächte des Westens stilisiert wurde, leistet die russische Orthodoxie einen eigenen Beitrag zur Legitimation des Überfalls in der Ukraine. Doch die Predigten des Moskauer Patriarchen weisen auf ein weiter reichendes Phänomen hin. Die russische Orthodoxie ist eine zentrale antiliberale und antiwestliche Akteurin in Russland, mit der die imperiale Politik zur Rückeroberung der so genannten „russischen Erde“ gestützt wird. Für ein vertieftes Verständnis der russischen Politik ist daher die Auseinandersetzung mit theologischen und kirchlichen Positionen der russischen Orthodoxie notwendig und unabdingbar. Doch dieser akzentuierte Blick auf die russische Orthodoxie kann auch der Analyse von antiliberalen Haltungen in christlichen Kontexten jenseits von Russland neue Impulse geben.
Eine digitale Teilnahme ist möglich. Den Zoomlink erhalten Sie auf Nachfrage.
Immer noch Kritische Theorie? Zwei aktuelle Perspektiven
Workshop mit Prof. Rainer Forst und Prof. Matthias Möhring-Hesse
Anlässlich des 60. Geburtstags von Prof. Matthias Möhring-Hesse lud der Tübinger Lehrstuhl für Sozialethik am 2. Mai 2022 zum wissenschaftlichen Workshop ins Theologicum. Zwei aktuelle Perspektiven auf das Forschungsprogramm der Kritischen Theorie sollten an einem langen Abend vorgestellt und diskutiert werden.
Eröffnungsredner des Abends war Professor Rainer Forst, Inhaber des Lehrstuhls für Politische Theorie und Philosophie an der Goethe-Universität Frankfurt. Rainer Forst stellt sich mit seiner politischen Theorie, die er um den Begriff der Rechtfertigung entwickelt, explizit in die Tradition der Kritischen Theorie. Seine neuesten Anknüpfungen sind im 2021 erschienenen Band Die noumenale Republik. Kritischer Konstruktivismus nach Kant versammelt. Das von Max Horkheimer und Theodor Adorno im Frankfurt der 1930er-Jahre und später im amerikanischen Exil entwickelte Wissenschaftsprogramm beeinflusst auch Professor Matthias Möhring-Hesse in seinem Denken seit langem. Sein "Coming out" als Kritischer Theoretiker hatte Möhring-Hesse schließlich im Jahr 2020 mit dem Artikel Theologische Sozialethik als Kritische Theorie - Ein Versuch acht Jahrzehnte nach "Traditionelle und Kritische Theorie" (1937). Forst und Möhring-Hesse entwickelten in unterschiedlichen, aber verwandten Fachdisziplinen Argumente für die bleibende Aktualität und inspirierende Kraft des Frankfurter Programms, Wissenschaft zu betreiben und Wissenschaft zu verstehen.
Im Anschluss an die Hauptvorträge eröffneten drei Statements die Plenumsdiskussion der rund 30 Teilnehmer:innen. Saskia Wendel, neu berufene Professorin für Fundamentaltheologie an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen, nutzte den Impuls der Kritischen Theorie für Überlegungen zum Verhältnis von Rationalität und Glauben. Professor Hans-Jürgen Bieling, politischer Ökonom – ebenfalls Uni Tübingen – machte die marxistischen Komponenten der Kritischen Theorie und ihre Kapitalismuskritik stark. Dr. Katja Winkler, Assistenzprofessorin am Lehrstuhl für Sozialethik der Katholischen Universität Linz, führte durch postkoloniale und repräsentationskritische Perspektiven eine weitere Reflexionsschleife in die Diskussion um Kritische Theorie ein. Im Verlauf der Diskussion rückten vor allem die Frage ins Zentrum, wie unter Berücksichtigung der Einwände Kritischer Theorie Theologie betrieben werden kann. Diskutiert wurde auch, wie eine liberale Sozialethik aussehen kann, in der vor allem die Vernunft- und Fortschrittskritik der Kritischen Theorie Beachtung findet.
Insgesamt waren die Debatten durchaus kontrovers und die von Forst und Möhring-Hesse vorgestellten Aktualisierungen regten zu vielfältigen Bezugnahmen darüber an, was für theologisches und politisch-philosophisches Theorietreiben "an der Zeit ist" (Horkheimer).
Allzeit darf Lohnarbeit nicht sein. Arbeitspolitik als Zeitpolitik?
Beitrag im Jahrbuch Sozialer Protestantismus 2021/2022
Das Jahrbuch Sozialer Protestantismus 2020/2021 widmet sich dem Thema Zeitpolitik. Michael Brugger und Matthias Möhring-Hesse analysieren für den Sammelband unter der Überschrift ›Allzeit darf Lohnarbeit nicht sein… Arbeitspolitik als Zeitpolitik?‹ unterschiedliche arbeitspolitische Felder auf ihre zeitpolitischen Gehalte. Sie fragen danach, ob ›Zeit‹ ein belastbares Konzept für eine integrative und qualitativ ausgerichtete Arbeitspolitik darstellt. Untersucht werden zur Beantwortung der Frage unterschiedliche arbeitspolitische Felder mit zeitpolitischem Bezug wie der Sonntagsschutz, die Verdichtung und Entgrenzung von Arbeitszeit in Industrie und stationärer Pflege, sowie die extreme Entgrenzung und Prekarität in der häuslichen Pflege.