Institut für Anorganische Chemie

Forschung im Arbeitskreis Schnepf

Synthesechemie mit Weltraummolekülen:

Direkte Einblicke in den nanoskaligen Grenzbereich zwischen Molekülen und Festkörpern bei Metallen und Halbmetallen


Die Mehrzahl der Elemente des Periodensystems sind Metalle und deren Chemie, vor allem die Herstellung und das Auflösen gehört zu den ältesten chemischen Prozessen. Die Fähigkeit zur Herstellung von Metallen spielte bei der Entwicklung der Menschheit eine zentrale Rolle. Folgerichtig wurden viele Zeitalter nach den Metallen benannt die dort erstmals zugänglich waren (Kupferzeit: 4300 – 2200 v. Chr.; Bronzezeit: 2200 – 1100 v. Chr.; Eisenzeit: 1000 – 40 v. Chr.). Trotz der zentralen Bedeutung der Metalle kennt man in der Regel nur die Eigenschaften des Elementes selbst, sowie stabile Verbindungen der Metalle (Salze, Oxide, Sulfide in Lösung oder im Festkörper). Ein tieferes Verständnis über Zwischenstufen, die bei der Bildung oder dem Auflösen eines Metalls durchlaufen werden ist bisher nicht vorhanden, was vor allem auf das Fehlen geeigneter Ausgangsmaterialien bzw. Synthesestrategien zurückgeführt werden kann.

 

Ideale Modellverbindungen, um den nanoskaligen Grenzbereich zwischen Molekül und Festkörper der Metalle zu erhellen, sind metalloide Clusterverbindungen der allgemeinen Formel MnRm (n > m; M = Metall wie Al, Au, Sn etc.; R = Ligand wie S-C6H4-COOH, N(SiMe3)2 etc.), die der metallischen Phase bei größer werdendem n immer ähnlicher werden. Untersuchungen in diesem Bereich gewinnen auch immer größere technische Bedeutung da Metallnanopartikel in immer weiteren Bereichen eingesetzt werden. Solche Metallnanopartikel besitzen eine gewisse Größenverteilung und können als Mischung metalloider Cluster verschiedener Größe verstanden werden. Metalloide Cluster sind also ideale Modellverbindungen um Struktur-Eigenschaftsbeziehungen für Metallnanopartikel zu entwickeln. Die Synthese metalloider Cluster ist dabei sehr komplex, da sie metastabile Intermediate auf dem Wege zur Festkörperphase sind, wie in Schema 1 erläutert.

 

Die bisherige Wissenslücke über die Zwischenstufen bei der Bildung oder dem Auflösen von Metallen beruht vor allem darauf, dass lange Zeit keine geeignete Syntheseroute existierte, da vielfach die richtigen Ausgangsmaterialien und Untersuchungsmethoden fehlten. Außerdem sind weitere Untersuchungen zu den Eigenschaften metalloider Clusterverbindungen aufgrund des metastabilen Charakters schwierig oder teilweise nicht möglich.

 

Schema 1: Energetische Einordnung metalloider Cluster.

Eine, vor allem für unedle Metalle angewandte Syntheseroute verwendet die Disproportionierungsreaktion einer metastabilen Ausgangsverbindung, wie zum Beispiel Monohalogenide der 3. oder 4. Hauptgruppe
(siehe Synthesekonzept). Metastabile Lösungen dieser Monohalogenide lassen sich über präparative Kokondensationstechnik erhalten, was ein zentraler Forschungsschwerpunkt unserer Gruppe ist
(siehe Kokondensationsanlage). Durch die Kokondensationstechnik können neuartige Reagenzien auf Basis von Molekülen erzeugt werden die sonst nur unter drastischen Reaktionsbedingungen stabil sind. Dies eröffnet ganz neue Bereiche für die Synthesechemie und wurde zum Beispiel von Moskovits und Ozin wie folgt umrissen: „The chemists can now devise experiments taking advantage of starting materials that might be regarded as esoteric or even unattainable from a synthetic point of view; M. Moskovitz, G. A. Ozin in Cryochemistry, 1976, Wiley, New York.”

 

Unter Ausnutzung der hohen intrinsischen Reaktivität der metastabilen Subhalogenidlösungen konnten wir in den letzten Jahren eine Syntheseroute zu metalloiden Clustern der 4. Hauptgruppe eröffnen. Die Eigenschaften dieser metalloiden Cluster der Elemente Si, Ge, Sn, und Pb ermöglichen einen direkten Einblick in den normalerweise unsichtbaren Grenzbereich zwischen molekularen Verbindungen und der Festkörperphase und zeigen, dass im nanoskaligen Grenzbereich ganz neue Bindungssituationen und Strukturen realisiert werden. Der metastabile Charakter der Lösungen kann weiterhin genutzt werden um das jeweilige Element bei tiefen Temperaturen herzustellen, sodass auch ein Zugang zur templatgesteuerten Synthesen der Elemente möglich ist.

 

Neben dem für die Grundlagenforschung wichtigen Aspekt des Einblicks in die Bildung von Metallen auf atomarer Ebene, eröffnen Folgereaktionen mit metalloiden Clustern den Weg zu neuartigen Materialien. So gelingt es, ausgehend vom metalloiden Germaniumcluster {Ge9[Si(SiMe3)3]3}- durch Reaktion mit Übergangsmetallen größere intermetalloide Clustern zu synthetisieren; eine Verbindungsklasse die den Weg zu kettenförmigen Anordnungen metalloider Cluster ermöglicht, welche auch als molekulare Kabel betrachtet werden können.

 

Eine andere mögliche Syntheseroute zu metalloiden Clustern nutzt die Reduktion einer geeigneten Vorstufe mit starken Reduktionsmitteln, wobei diese Syntheseroute vor allem für Edelmetalle geeignet ist, bei denen die Bildung des Elementes prinzipiell bevorzugt ist. Das Element Gold steht bei dieser Synthesestrategie im Zentrum der Forschung und wir konnten jüngst einen Zugang zu mehrschaligen metalloiden Goldclustern wie Au108S24(PPh3)16 schaffen, wo neue Strukturmotive realisiert werden. Zur Synthese werden neue Thiosilylliganden verwendet, welche während der Synthese als Quelle für Schwefelatome fungieren, sodass sich zum Beispiel Au4S4 Strukturen in der Ligandhülle ausbilden können. Die Anordnung der Goldatome im Au44 Kern kann als Ausschnitt aus der kubisch dichtesten Kugelpackung von elementarem Gold gesehen werden, wobei der molekulare Charakter der Goldatome nach außen hin immer größer wird, wie es oft bei metalloiden Clustern beobachtet wird.

 

Zentrale Forschungsthemen: