Orient- und Islamwissenschaft

FINT-Münze des Monats

In den ersten Tagen eines jeden Monats wird hier ein anlassbezogen ausgewähltes Stück aus der Tübinger Uni-Sammlung islamischer Münzen präsentiert und in seinem historischen Kontext erklärt.

MdM März 2024

 

Unlängst ist an der FINT nun auch ein größerer und recht bunter Bestand byzantinischer Münzen verfügbar, deren Kenntnis dem Verständnis islamischer Münzen bekanntlich recht zuträglich sein kann. Die Byzantinistik ist an der Uni Tübingen zurzeit durch eine Emmy-Noether-Forschergruppe am Seminar für Alte Geschichte zum Thema „Religiöser Konflikt und Mobilität – Byzanz und der weitere Mittelmeerraum 700–900“ vertreten. Deren Leiter Dr. Federico Montinaro wurde nach seinem Studium der Alten sowie byzantinischen und islamischen Geschichte in Italien und Paris 2013 an der École Pratique des Hautes Études (Sorbonne) in byzantinischer Geschichte promoviert, forscht zu Historiographie, Diplomatie, den „dunklen Jahrhunderten“ sowie den Melkiten und musste unter den uns von der Pelling-Zarnitz-Stiftung geschenkten byzantinischen Münzen nicht lange suchen, um ein Stück zu finden, welches es verdient, an dieser Stelle von ihm präsentiert zu werden.

 

Die Münze des Monats März ist eine nagelkleine, für den alltäglichen Gebrauch gedachte Kupfermünze mit einem Gewicht von 1,83 Gramm. Sie gehört zu jenen Prägungen Kaiser Justinians II., die der Historiker und Numismatiker Philipp Grierson einmal prägnant als „a law unto themselves“ bezeichnete. Justinian II. gilt als letzter Sprössling der herakleischen Dynastie, welche ihren Namen vom Gründer Herakleios hat und ab 610 das byzantinische Reich für über ein Jahrhundert regierte. Diese Zeit war für Byzanz insbesondere durch die Auseinandersetzung mit dem expandierenden islamischen Reich im Nahen Osten und Nordafrika geprägt. Justinian II. selbst konnte von der zweiten fitna profitieren und kurz nach seinem Regierungsantritt 685 einen mehrjährigen Friedensvertrag mit den umayyadischen Marwāniden in Damaskus abschließen. Von seinen internen Gegnern wurde er dann aber 695 aus unklaren Gründen abgesetzt, brutal verstümmelt – daher sein Spitzname Rhinotmetos, „mit abgeschnittener Nase“ – und ins Exil auf die Krim geschickt, ehe er zehn Jahre später mit Unterstützung der benachbarten Chazaren abermals an die Macht in Konstantinopel kam. Er regierte daraufhin noch einmal bis 711, und zwar zusammen mit seinem Sohn Tiberius (Mitkaiser).

Interessant ist, dass sich die Konfrontation mit den Arabern deutlich in der Münzprägung jener Zeit widerspiegelt – Justinian II. wurde in einer Art „Krieg der Bilder“ verwickelt. Denn gleichzeitig mit der Schaffung der ersten unabhängigen islamischen Münzprägung unter dem Kalifen ʿAbd al-Malik, welche durch den Verzicht auf die Imitation byzantinischer Vorbilder und die Einführung islamischer Legenden sowie das Münzbild des „stehendem Kalifen“ gekennzeichnet ist, ließ Justinian II. erstmals in der Geschichte des byzantinischen Reiches Goldmünzen mit einer Abbildung Christi prägen. Intern bildete diese Emission den ersten eindeutigen Ausdruck einer theologischen Überzeugung bezüglich der heilsbringenden Kraft der Bilderverehrung.

Die hier vorgestellte Münze ist vielleicht weniger sensationell als der berühmte Christustyp, nicht aber weniger innovativ. Auf der Vorderseite halten Justinian II. (links) und sein Sohn (rechts) zusammen einen Reichsapfel, auf dem das übliche Kreuz durch das charakteristische „Patriarchenkreuz“ ersetzt wurde. Auf dem Globus selbst liest man die Inschrift PAX, „Frieden“. Auf der Rückseite findet sich zum einen der Wertvermerk K für 20 nummi – weshalb wir es mit einem Halb-follis zu tun haben – und zum anderen die Angabe ANNO XX, „im Jahre 20“. Gemeint ist das 20. Regierungsjahr des Kaisers, wobei die Zählung mit dem Jahr 685 beginnt und die Zeit des Exils einschließt. Allerdings dürfte es sich hier um eine erstarrte Jahresangabe handeln, weshalb die Münze auch erst nach 705 geprägt worden sein mag. Unter dem K ist als Werkstattangabe deutlich ein Γ zu sehen; unser Halb-follis stammt demnach aus der Münzstätte der Hauptstadt Konstantinopel.

Die Inschrift PAX, ohne Globus, kommt schon auf Prägungen aus Justinians erster Regierungszeit vor, nämlich auf folles, die teils anhand eines klaren Vermerks, teils aus stilistischen Gründen, der Münzstätte Karthago und deren Nachfolgerin auf Sardinien (nach der islamischen Eroberung Nordafrikas 695) zugeschrieben worden sind. Nun lässt sich der Bezug zum Westen des byzantinischen Reiches bis in die zweite Regierungszeit nachverfolgen. Denn obwohl Justinian unmittelbar nach der Rückkehr an die Macht 705 kurzzeitig konstantinopolitanische Goldmünzen allein in seinem Namen prägen ließ, auf deren Rückseite der Kaiser den modifizierten Reichsapfel mit der Inschrift PAX hält, übernahm die daran anschließende Goldprägung mit zwei Kaisern dieses Merkmal – allerdings nicht das Christusbild! – ausschließlich auf Sardinien. Die Forschung hat lange über die Bedeutung des Verweises auf den „Frieden“ auf solchen Münzen gerätselt. Bezog sich dieser auf ein bestimmtes Ereignis? Handelt es sich um allgemeine Propaganda? Wie dem auch sei, kann kaum angezweifelt werden, dass der Verweis eine dynastische Anspielung darstellte: Der Urgroßvater Justinians II., Kaiser Konstans II., hatte in den 650er Jahren als erster die Inschrift PAX auf Silbermünzen der Münzstätte Karthago prägen lassen – eine Maßnahme, die sich eindeutig mit den militärischen Ereignissen in Nordafrika zur Zeit der ersten muslimischen Angriffe im Westen sowie mit der erfolgreichen Repression der Usurpation des lokalen Exarchen Gregor in Verbindung bringen lässt.

Schließlich sind auch einige Worte zur wirtschaftlichen Bedeutung des Stücks angebracht: Die Statistik der byzantinischen Münzfunde zeigt einen extremen Rückgang der Kupferprägung ab den 670er Jahren, welcher sich unverkennbar durch die drastisch veränderten Verhältnisse des byzantinischen Reiches infolge der islamischen Eroberungen erklären lässt. Eine spürbare Erholung der byzantinischen Ökonomie, die es ermöglichte, den Bedürfnissen kleinerer Wirtschaftsakteure wieder Aufmerksamkeit zu schenken, ist nicht vor dem 9. Jahrhundert zu beobachten. Hoffentlich wird der Leser die Münze des Monats mit derselben Bewunderung betrachten, mit der es die einfachen Leute des 8. Jahrhunderts wohl getan haben; jedenfalls handelt es sich um eines der besten Exemplare, das von diesem seltenen Typ bisher bekannt geworden ist.

 

MdM Februar 2024

 

Am 10. Februar 2024 wird von vielen Menschen der Beginn eines neuen Jahres gefeiert – in China, Korea, der Mongolei und Vietnam etwa. Dieses ostasiatische Neujahrsfest richtet sich nämlich nach dem chinesischen Lunisolarkalender (genauer nach dem zweiten Neumond nach der Wintersonnenwende) und bekanntlich ist gemäß diesem traditionellen Kalender jedem Jahr eines der zwölf chinesischen Tierkreiszeichen (sowie eines der fünf Elemente) zugeordnet. So begrüßen wir 2024 das Jahr des (Holz-)Drachen, wobei der chinesische Drache (long) als verehrtes, glückverheißendes Fabelwesen oder Gottheit grundsätzlich positiv besetzt ist. Nicht nur dies unterscheidet ihn vom westasiatisch-europäischen Drachen, welcher in der Regel als böses Ungeheuer von Helden bekämpft werden musste. Auch das Aussehen ostasiatischer Drachen ist insgesamt weniger reptilienhaft, wenngleich der flügellose (!) Leib stets der einer mächtigen Schlange ist. Insbesondere infolge der Mongolenherrschaft (Ilḫanat) fand die Form des chinesischen Drachens auch Eingang in die islamische Kunst. Letztere hatte allerdings bereits zuvor, während der Selǧuqenzeit, bemerkenswerte Objekte und Bauwerke mit Drachendarstellungen hervorgebracht. Dabei handelt es sich ebenfalls um den Typus des Schlangendrachens, doch erlaubt es eine Reihe fast immer gegebener Merkmale, von einer eigenen „islamischen“ Drachenform zu sprechen; oft ist sogar vom „selǧuqischen Drachen“ die Rede. Selten (aber vergleichsweise früh) begegnet diese Form sogar auf Münzen, nur gilt auch in der Numismatik, dass sich solche Darstellungen einer allgemeingültigen Deutung entziehen. Am einfachsten dürfte die Rolle des Drachen zu verstehen sein, wenn dieser Teil des bekannten Drachentöter-Motivs ist. Münzen mit diesem Bild wurden im 12. Jh. unter den Salduqiden in Erzurum und den Dānišmandiden sowie Rūm-Selǧuqen in Malatya geprägt (aber z.B. auch noch als neuzeitliches Regionalkupfer in Kirmānšāh). Natürlich muss in dem Reiter nicht immer der heilige Georg gesehen werden; im Šāhnāma etwa herrscht an Helden, die Drachen zur Strecke bringen, auch kein Mangel. Auf artuqidischen Münzen kommen in Ḥisn Kaifā (Hasankeyf) zunächst zwei miteinander verschlungene Drachen vor, welche sich ihre aufgerissenen Mäuler entgegenstrecken, und zwar als Gegenstempel- bzw. Pseudo-Gegenstempel-Motiv (Spengler/Sayles 2.3 und 2.4). Auf diese Darstellung gilt es zurückzukommen. Im Drachenreiter auf artuqidischen Münzen aus Ḫartpert (Harput), einer Alternative zum Löwenreiter, wurde zurecht das Sternbild des Schlangenträgers erkannt (S/S 21) und ebenfalls astrologisch zu verstehen ist das bedrohliche Drachenhaupt, welches auf einem weiteren artuqidischen Münztyp dem Schwanz eines (mit Pfeil und Bogen in das Drachenmaul zielenden) Kentauren entwächst (S/S 38).

Die aufgeführten Münztypen türkischer (!) Dynastien mit Drachendarstellungen aus Anatolien (alle Ӕ) sind in der Literatur wohlbekannt. Eine weitere Gruppe islamischer Münzen, die nicht minder eindrucksvolle Drachen zeigen, fand in diesem Zusammenhang (sieht man von einer Berücksichtigung im Met-Ausstellungskatalog Court and Cosmos ab) bisher hingegen keine Beachtung, dabei sind sie noch älter und ostiranisch. Es handelt sich um Dinare (!) wie unsere 2,84 g schwere Blassgold-Münze des Monats, geschlagen unter dem Großselǧuqen Sanǧar zu Herāt. Es gibt gleich mehrere verwandte Typen, bei denen Drachen mit ihren Schlangenkörpern entweder das Feld, eine Umschrift oder beides umschließen, entweder nur auf dem Rev. oder beidseitig. Letzteres ist auf der Münze des Monats der Fall; sowohl die Av.-Feldbegrenzung als auch die innere Rev.-Umschrift ist von (der Anzahl der Köpfe nach je vier?) Drachen umgeben, deren Köpfe sich auf 12 und 6 Uhr frontal begegnen, und zwar mit weit aufgerissenen Mäulern, die spitzen (gleichlangen) Zähne zeigend. Die Leiber sind geschuppt und extremitätenlos; am linken Av.- wie Rev.-Rand ist noch auszumachen, dass die Drachenkörper jeweils auf 9 (und 3) Uhr nach außen hin eine kreisrunde Schlaufe formen, welche einen Teil der (äußeren) Umschrift enthält. Auf dem Av. handelt es sich bei der Umschrift um den Koranvers 9:33 (umringelt ist zum einen ad-dīn, zum andern wohl [bi-l-hudā]), während im Feld zunächst die šahāda und der Kalifenname al-Mus(t)aẓhir / bi-llāh stehen, dann der Name des Münzherrn Sanǧar / b. Malikšāh und schließlich das Wörtchen ʿadl („rechtmäßig“). Beidseitig sind im Feld auch stilisierte Waffendarstellungen verteilt, im linken Av.-Feld ist es ein Bogen. Die äußere Rev.-Umschrift enthält die Koranverse 30:4–5 (li-llāh al-amru min … al-muʾminūna …) und im Rev.-Feld folgt auf Muḥammad rasūl / Allāh eine weitere Herrschernennung, welche bedeutet, dass Sanǧar Ḫurāsān damals noch als untergeordneter Vizekönig regierte in Anerkennung seines Bruders und Oberherrn, as-sulṭān / [al-muʿaẓẓam] Muḥammad / [b. Mali]kšāh. Dies passt zum Prägejahr, welches auf unserem Exemplar zwar nicht vollständig lesbar ist (4xx), sich aber dank zweier weiterer Münzen von diesem seltenen Typ rekonstruieren lässt: 498 H. = 1104/5 A.D.

Ein zweiter Herāter Dinar-Typ Sanǧars aus den 490er Jahren H. (499?) zeigt auf dem Av. außen die gleichen Drachen wie auf der Münze des Monats, jedoch als (bzw. um die) Rev.-Feldbegrenzung Drachen, deren Köpfe die mächtiger Schlangen sind, mit Doppel-Zungen und (nur) je zwei sehr langen, nach innen gekrümmten Zähnen im vorderen Ober- wie Unterkiefer. Bei diesem Typ ist es der Bereich kurz vor den (voneinander abgewandten) Köpfen, in dem die Schlangendrachenkörper auf 12 und 6 Uhr eine Schlaufe formen, die einen Teil der Rev.-Umschrift enthält. Später, als Sanǧar (nach dem Tod seines Bruders Muḥammad) selbst Sultan und (al-Mustaršid Kalif) war, wurde dann weitere Drachen-Dinar-Typen geprägt – Münzstätte ist immer Herāt –, bei dem die Fabelwesen nur als Rev.-Feldbegrenzung erscheinen, die schuppigen Hälse wieder auf 12 und 6 Uhr ins Feld hinein überkreuzt, nun aber mit Köpfen, welche für den „islamischen“ Drachen besonders typisch sind: Die langen, zähnestarrenden Schnauzen sind nicht nur maximal geöffnet (wobei die Zungen nicht gespalten zu sein scheinen), sondern an den Spitzen oben und unten regelreicht aufgerollt. Die Augen sind groß und es lässt sich erkennen, dass die (ohrenlosen) Drachen zwei dünne Hörner besitzen; die Schlangenkörper umringeln auf 3 und 9 Uhr Teile des Kornverses 59:22. Geprägt wurden solche Münzen (um) 520 H., aber auch später noch (530 sowie [54]5 H.?), als bereits al-Muqtafī Kalif war. Die Drachen behielten zuletzt ihr typisches Erscheinungsbild, verfügen bei einer Variante allerdings über fischartige Schwänze, welche auf 3 und 9 Uhr überkreuzt ins Feld ragen.

Vor dem Hintergrund, mit welchen Drachenformen wir es auf Sanǧars Münzen also in der weiteren Typenabfolge – das Motiv wurde über ein halbes Jh. hin mindestens dreimal gewählt – zu tun haben, muss nun herausgestellt werden, dass die Drachenpaare anfangs, also auch auf unserer Münze des Monats aus dem 5. Jh. H., keineswegs reptilienköpfig, sondern – man betrachte insbesondere die angelegten Ohren – wolfsköpfig sind! Bekanntlich spielte der Wolf in der Mythologie der alten Turkvölker eine zentrale Rolle, nicht nur als Totem. Unter chinesischem Einfluss dürfte er sich teilweise mit dem Himmelsdrachen (kök-luu) verbunden haben, zu einem (blauen oder) Himmelswolf (kök-böri), dem türkischen Wolfsdrachen, der von den Selǧuqen mit in den islamischen Kulturraum gebracht wurde, hier mit der Zeit aber eher wieder das eindeutig Wölfische verlor. Zumindest die Kaniden-Ohren lassen sich allerdings noch vielfach beobachten, etwa bei den berühmten (von al-Ǧazarī entworfenen) artuqidischen und zangidischen Doppel-Drachen-Türklopfern oder auch am (ayyūbidischen) „Schlangen-Tor“ zur Zitadelle von Aleppo. Chinesische Drachen haben ja ebenfalls einen Säugetierkopf und wahrscheinlich wurde auch deren Verehrungswürdigkeit und positive Symbolik über das türkische Zentral- nach Vorderasien vermittelt, wo sie dann neben den Typus des unheilvollen Drachen trat (wie er dem Drachentöter-Motiv zugrunde liegt). Unzweifelhaft ist, dass die beschriebenen Drachen auf den Herāter Münzen wie anderswo nicht (nur) der Dekoration dienen, sondern eine Bedeutung haben müssen. Abgesehen davon, dass sie hier wohl der türkischen Himmelsmythologie entspringen, gehört zum ikonographischen Rätsel noch eine weitere Auffälligkeit: Nur zu Beginn von Sanǧars Drachen-Dinar-Serie prangt zwischen den züngelnden Wolfsmäuler-Paaren auf dem Av. noch ein frontaler Bullenkopf, welcher somit anscheinend gefressen zu werden droht. Nun lassen sich in der materiellen Kultur der islamischen Welt nicht nur für zwei symmetrisch miteinander verschlungene Drachen, deren bedrohliche Köpfe einander zu- oder (seltener) abgewandt sind, unzählige Beispiele finden – auch für die erweiterte Variante mit einem frontalen Bullen-, Löwen- oder Menschenhaupt zwischen den beiden Drachenköpfen gibt es nicht wenige Parallelen, etwa im Falle der erwähnten Türklopfer. Ohne jeden Zweifel haben wir es mit einem festen, weit verbreiteten Symbol zu tun, nur wie ist es zu verstehen? In welcher Beziehung stehen das einzelne Haupt in der Mitte und die beiden Drachen?

Bekanntlich zeigte das „Talisman-Tor“ in Bagdad von 1221/22 bis zu seiner Zerstörung 1917 zwei imposante Flügeldrachen mit einer zwischen den aufgerissenen Mäulern sitzenden Herrscherfigur, welche beide Fabelwesen fest an deren Zungen packt. Hieraus darf geschlossen werden, dass die Figur in der Mitte nicht dazu verdammt ist, den Drachen zum Opfer zu fallen, sondern selbige vielmehr dominiert. Es ließe sich verallgemeinern, dass ebenso der Bulle oder Löwe – beides selbst Symbole für Macht und Herrschaft! – den Drachen durchaus widersteht und diese so unter Kontrolle hat, dass sie an seiner Seite als Wächter und Beschützer dienen. Abgesehen davon, dass es wohl Throne mit ähnlichen Drachendarstellungen gab, ist es überhaupt von entscheidender Bedeutung, dass das Motiv insbesondere an Toren, Mauern und Türmen (oder auch heilmagischen Gefäßen) begegnet; ein schönes Beispiel, bei dem es sich ebenfalls um ein Bukranion zwischen zwei Schlangendrachen handelt, kann an den (šaddādidischen) Stadtmauern von Ani (im türkisch-armenischen Grenzgebiet) bewundert werden. Damit liegt es sehr nahe, dem Motiv in erster Linie eine Schutzfunktion zu attestieren, wozu außerdem passt, dass der Himmelsdrache mitunter als Grenzwesen zwischen verschiedenen Sphären gedacht wurde, als eine dem Ouroboros ähnliche Kreatur, die Erde und Kosmos, Innen und Außen, Ordnung und Chaos voneinander trennt. (Auch bei den alten Türken gab es die Vorstellung vom Weltendrachen, der nicht nur Planeten schluckt, sondern mit seinem Schlangenleib um das Himmelsrad gerollt ist und selbiges mit seiner Bewegung am Laufen hält.)

Gerade weil er selbst so gefährlich ist, kann der Drache, speziell als Doppeldrache, also nach außen hin Gefahren und Unheil abhalten und folglich nach innen Schutz bieten. Es ist zwar nicht völlig auszuschließen, dass die Drachen auf Sanǧars Münzen nicht auch heraldisch (und zusammen mit den Waffen als Machtsymbol) verstanden werden können, doch am wahrscheinlichsten ist, dass auch sie als Apotropaion dienen sollten – und demnach positiv konnotiert sind. Diese Funktion ließe sich auf die religiösen Münzinschriften sowie die Herrschernennung beziehen, mag aber auch bedeutet haben, dass die Herāter nicht nur ein Zahlungsmittel in der Tasche hatten, sondern gleichzeitig ein Amulett. Bliebe abschließend noch zu klären, was anstelle eines – von den Drachen unbeschadeten und unbedrohten – Bullenhauptes zwischen den Wolfsdrachenmäulern auf dem Rev. zu sehen ist. Man könnte sich fragen, warum hier ein gleichschenkliges Dreieck eingefügt wurde und was dieses nun wieder symbolisieren mag, doch dürfe es sich (wie die Suche nach vergleichbaren Darstellungen ergab) schlicht um die beiden gespaltenen Zungen handeln, deren Spitzen sich berühren. 龙年快乐 !

Sebastian Hanstein

MdM Januar 2024

 

Ein neues Jahr, ein neues FINT-Projekt! In Kooperation mit Dr. Alain Baron/Numismatica Genevensis wurde im Herbst 2023 auf Basis einer bedeutenden Privatsammlung (teils völlig unbekannten Materials) am Persischen Golf die Idee zu einer Numismatic History of the Arabian Peninsula entwickelt, von der nun, über das Jahr 2024, durch ein internationales Projektteam ein erster Sammelband erarbeitet werden soll. Es handelt sich um den Band, welcher nach unserem Konzept all jene Prägeorte umfasst, die ihrer Lage nach heute zum Königreich Saudi-Arabien gehören. Zunächst nicht berücksichtigt werden damit die meisten Münzstätten des Jemens, der Golfküste sowie Omans, dafür aber (1.) jene des Hedschas, Mekka und Medina, (2.) die Orte, welche zwar historisch zum Norden des Jemens zählen, heute aber im äußersten Südwesten Saudi-Arabiens (teils in der Tihāma, gegenüber den Farasān-Inseln) liegen, sowie (3. und 4.) die Münzstätten zweier historischer Nachbarregionen, von denen die östliche als al-Baḥrain bekannt war (ehe dieser Name später auf die vorgelagerte Insel überging) und die westliche als al-Yamāma. Zwischen diesen beiden Landschaften erstreckt sich nichts als Wüstensand und während al-Baḥrain einst praktisch das gesamte Küstengebiet zwischen Kuwait und Oman meinte, überschneidet sich die Yamāma mit der Region Naǧd ganz im Inneren der Arabischen Halbinsel.

Viel liest man über die abgelegene Yamāma nicht; sie zählte im Mittelalter eher (zunehmend) zur Peripherie als zu den wichtigen Kernländern des Kalifats und anderer Reiche. Ausgedehnte Palmenhaine und Gärten (riyāḍ) gab es hier, vor allem am Wādī Ḥanīfa, verstreute Festungen und wohl auch Gold- und Silberminen. Die Hauptstadt hieß Ḥaǧr und war unter den frühen ʿAbbāsiden, während der Blüte des Kalifenreiches, interessanterweise sogar Münzstätte (zu einer Zeit, als sonst offenbar kaum Münzen auf jenem Gebiet geschlagen wurden, das heute das Territorium Saudi-Arabiens bildet). Auf den älteren Prägungen findet sich der eigentliche Stadtname auch regelmäßig einzeln im Rev.-Feld, während die Av.-Umschrift immer den Provinznamen al-Yamāma enthält (welcher, wie so oft, auch für die Provinzhauptstadt gebraucht wurde). Spätere Dirhams – wie unsere 2,8 g schwere Münze des Monats – weisen dann nur noch letztere Angabe auf (باليمامة), weshalb jedoch nicht zu bezweifeln ist, dass sie weiterhin in der Hauptstadt geschlagen wurden, dem Sitz des Provinzgouverneurs.

Das Jahr, in welchem die Münzprägung in Ḥaǧr (plötzlich) einsetzte, ist das H.-Jahr 165; der Kalifenthron gehörte damals dem dritten ʿAbbāsiden al-Mahdī (reg. 775–785), dessen einflussreiche Hauptfrau aus dem heutigen Saudi-Arabien stammte. Während im unteren Rev.-Feld, wie gesagt, stets حجر steht, lassen sich auf diesen ersten Dirhams sonst keinerlei Sekundärinschriften wie Beamtennamen beobachten, keine Münz- und Beizeichen. Das gilt so auch für einen Großteil der 166 H. geprägten Dirhams, ehe noch im selben Jahr ein initiales ʿain (عـ) im oberen Rev.-Feld eingeführt wurde. Der Gebrauch dieses Zeichens setzte sich im Folgejahr zunächst fort, bevor an dessen Stelle drei Punkte traten. 168 H. (784/785 A.D.) sind es zumeist zwei Punkte, die unten im Av.-Feld prangen; der Stadtname Ḥaǧr wanderte dafür ins obere Rev.-Feld. Grund für diese Verschiebung ist, dass das der Platz im unteren Rev.-Feld nun einem neu hinzugekommenen Personennamen gehört: ʿAbdallāh. In einem nächsten Schritt wurde noch 168 H. ganz auf den Stadtnamen verzichtet, um stattdessen anzugeben, wessen Sohn jener ʿAbdallāh war: Wie auf unserer Münze des Monats zu sehen, steht nun oben Rev.-Feld ʿAbdallāh und unten ibn Saʿīd. Die restlichen Inschriften blieben unverändert; die drei Hauptzeilen des Rev. mit der Kalifennennung lauten: Muḥammadun rasūlu / ’llāh ṣalla ’llāhu ʿalaihi / wa-sallam al-ḫalīfa al-Mahdī. Der Name ʿAbdallāh ibn Saʿīd war auf Münzen der Yamāma bereits 1836 von Christian Martin Frähn vollständig entziffert worden (welcher ebenso die Bedeutung des Zusatzes Ḥaǧr richtig verstanden hatte). Frähn, der nachvollziehbarer Weise annahm, dass es sich bei ʿAbdallāh um den Gouverneur jener innerarabischen Provinz handelte, lag dabei ein Dirham von 169 H. vor, auf dem der nasab seiner Ansicht nach mit dem Wörtchen baḫ („vortrefflich“) kombiniert ist. Tatsächlich fehlt für baḫ jedoch unzweifelhaft das bāʾ-Strichlein, sodass es sich nur um den einzelnen Buchstaben ح handelt (eine Berichtigung, die etwa auch bei Nicholas Lowicks Corpus fehlt). Für das untere Av.-Feld bedeutete dies, dass nun an die Stelle der beiden Punkte entweder ein Ringlein trat oder aber – bei einer zweiten Variante – tatsächlich das Qualitätsprädikat baḫ. Bei einer dritten Variante steht auf dem Av. ebenfalls baḫ, auf dem Rev. aber (statt ح) ein ص hinter Saʿīd. Dirhams, welche 170 H. in der Yamāma geschlagen wurden – es sind die letzten, welche uns aus dieser Münzstätte bekannt sind! – tragen nur noch den Namen des vierten ʿAbbāsidenkalifen al-Hādī und zeigen im unteren Rev.-Feld die Geminatio baḫ baḫ.

Legt der numismatische Befund nun nahe, dass der Gouverneur der Yamāma 168–169 H. ʿAbdallāh ibn Saʿīd hieß? Oder steht gar schon das عـ der Jahre 166–167 H. für ʿAbdallāh? Letzteres ist gut möglich und vielleicht war es immer derselbe Herr, in dessen Verantwortung bereits die Öffnung der Münzstätte von Ḥaǧr erfolgte. Das Problem hierbei ist jedoch eines, das wir von anderen Prägungen der Zeit kennen: Die auf den Münzen genannten Personen, von denen keinesfalls immer, aber oft genug anzunehmen ist, dass sie Gouverneure waren, stimmen nicht unbedingt mit den Provinzstatthaltern überein, welche uns aus Chroniken bekannt sind. Immerhin wird man auch für die Yamāma bei aṭ-Ṭabarī fündig, sodass sich folgende Abfolge rekonstruieren lässt: Während der ersten Hälfte der 160er Jahre gab es einen ʿabbāsidischen Supergouverneur, unter dem (anders als zuvor) gleich mehrere arabische Nachbargebiete (mit Dependenzen) zusammengefasst waren, nämlich Mekka + Medina + aṭ-Ṭāʾif + al-Yamāma. Nachdem der Super-ʿāmil Ǧaʿfar ibn Sulaimān 166 H. von al-Mahdī abgesetzt worden war, unterstand Medina dem Gouverneur Ibrāhīm ibn Yaḥyā, während Mekka und aṭ-Ṭāʾif von ʿUbaidallāh ibn Quṯam regiert wurden, auch er ein ʿAbbāside. Bemerkenswerterweise berichtet aṭ-Ṭabarī an dieser Stelle nichts zur Yamāma ... War auch dieses Gebiet administrativ weiterhin mit Mekka verbunden, sodass das عـ für ʿUbaidallāh stehen könnte? Eher dagegen spricht, dass ʿUbaidallāh über die nächsten Jahre zwar Gouverneur von Mekka und aṭ-Ṭāʾif blieb, die Yamāma 167 H. für sich aber tatsächlich einem ʿAbdallāh unterstellt wurde – jedoch ʿAbdallāh ibn Muṣʿab az-Zubairī! Dass aṭ-Ṭabarī hier irrte und eigentlich ʿAbdallāh ibn Saʿīd gemeint war, ist wenig wahrscheinlich. Lösungen könnten darin liegen, dass der numismatisch Belegte entweder gar kein Gouverneur war oder nur eine Art Subgouverneur. Eine Identifikation, die schon Woldemar v. Tiesenhausen gab (Монеты восточного халифата, Nr. 1073) und dann Eduard v. Zambaur vertrat (Münzprägungen des Islams, S. 103 und 273), ist die mit ʿAbdallāh ibn Saʿīd al-Ḥarašī, welcher als Gouverneur anderer Provinzen bekannt ist. Zambaur (s. Teil II seiner „Contributions à la Numismatique Orientale“ in Bd. 37 der NZ, S. 116–118) verglich die Dynastie der Ḥarašiden mit jener der Muhallabiden und führte vier Vertreter auf. ʿAbdallāh ibn Saʿīd al-Ḥarašī steht ebenso in Verdacht, auf ṭabaristānischen Hemi-Drachmen genannt zu sein; jedenfalls diente er 185–189 H. als Gouverneur von Ṭabaristān.

Interessant ist, dass seit ca. 2016 auch fulūs der Münzstätte Ḥaǧr bekannt sind! Sie stammen durchweg aus dem Jahr 167 H. und genau wie auf den Dirhams zeigt das untere Av.-Feld drei Punkte. Die Rev.-Umschrift enthält zwar eine (auf den Silbermünzen nicht zu findende) Personennennung, doch ist an dieser Stelle wahrscheinlich kein arabischer Provinzgouverneur aufgeführt, vielmehr ließen sich überregionale Zusammenhänge herstellen. Was ʿAbdallāh angeht, so mag zum Ende seiner Nennung auf Münzen der Yamāma und auch zum Ende der gesamten Münzprägung in diesem Teil Arabiens unter al-Hādī passen, dass letzterer 169 H. entschied, die Yamāma nicht nur einem neuen Gouverneur anzuvertrauen (nämlich dem ḫurāsānischen Kommandeur Suwaid b. Abī Suwaid), sondern sie zudem administrativ mit al-Baḥrain zu verbinden. Ab 170 H. unterstanden die Yamāma und Baḥrain sogar demselben Gouverneur (Muḥammad ibn Sulaimān), der gleichzeitig auch für Baṣra, Ḫūzistān, Fārs und die übrigen Küstengebiete am Golf zuständig war. Die Bedeutung der Region nahm allmählich ab und im 3. Jh. der Hiǧra verloren die ʿAbbāsiden die Yamāma schließlich an die zaiditischen Banu ’l-Uḫaiḍir, deren Herrschaft wohl mehr als 200 Jahre währte und viele Bewohner emigrieren ließ. Sie regierten von al-Ḫiḍrima (dem/beim heutigen al-Ḫarǧ) aus, während Ḥaǧr anscheinend bis zum 5. Jh. H. verfiel. Der Platz, an dem unsere Münze des Monats vor 1240 Jahren geschlagen wurde, ging allerdings nicht im Wüstensand unter, sondern ist inzwischen wieder reich bevölkert. Mehr noch: Hier, wo einst das Herz der Yamāma schlug (und dem Besucher schon damals die Gärten erwähnenswert waren), erstreckt sich heute Riad, die Hauptstadt Saudi-Arabiens.

Sebastian Hanstein

MdM Dezember 2023

 

Die Zeit, sie rast. Wieder ist ein bewegtes Jahr so gut wie vorüber und wieder sind uns teure Menschen 2023 den Weg allen Fleisches gegangen. Auch aus (islam)numismatischer Perspektive haben wir seit Bestehen der Tübinger MdM-Reihe bereits eine Reihe geschätzter Kollegen verloren, darunter Persönlichkeiten, denen das Fach und die FINT viel verdanken. Erst im vorletzten MdM-Beitrag wurde noch einmal an den Sammler Jim Farr erinnert, welcher 2018 verstarb. 2020 verschied zum einen der Zentralasien-Experte Michael Fedorov, einer der Koautoren unseres SNAT-Bandes XVa, und zum anderen Marie Luise Zarnitz (s. MdM Febr. 2021), ohne deren Engagement und großzügige Förderung es nicht nur die Sylloge-Reihe wohl gar nicht gäbe. Nachdem 2021 schon der große Tübinger Gelehrte Josef van Ess verschieden war, folgte ihm 2022 sein mit der FINT-Gründung noch enger verbundener Kollege Heinz Gaube (s. MdM Apr. 2022). Ebenfalls 2022 verstarb überraschend ein Numismatiker, welcher erst ein halbes Jahr zuvor noch einen Gastbeitrag zur MdM-Reihe beigesteuert hatte: Mahesh Kalra (s. MdM März 2022). Schließlich 2023: Der erste Verlust, der unser Fach in diesem Jahr traf, war der von Jere Bacharach und nur wenige Tage bevor zudem der Tod von Peter Ilisch zu beklagen war, ging in Tübingen ein Polyhistor, Sammler und Freund von uns, dessen Andenken der folgende Beitrag gewidmet ist: Dr. Claus Pelling (gest. 25. Mai 2023).

Einerseits habilitierter Chromosomenforscher (1958–1997 am Max-Planck-Institut für Biologie Tübingen), widmete und verschrieb sich Claus Pelling als Connoisseur andererseits den schönen Künsten, der Geschichte sowie nicht zuletzt der Numismatik. An der Gründung der FINT war er wesentlich beteiligt gewesen und die großzügige Förderung, die er dieser Einrichtung vielfältig angedeihen ließ, dauerte bis zuletzt an. Zu den Hochkulturen, deren materiellen Hinterlassenschaften Claus Pellings Passion und Mäzenatentum galten, zählte neben der der Maya vor allem die des Alten Ägypten. Das Nilland, dessen pharaonischer Vergangenheit wohl sein Herz gehörte, ist es auch, über das sich die Verbindung zu seinem Spezialgebiet innerhalb der islamischen Numismatik ergab. Gesammelt und studiert wurden von Claus Pelling nämlich bis zuletzt vor allem Münzen jener ca. 50 mamlūkischen Sultane, denen der Kairoer Thron in der Nachfolge der Ayyūbiden für immerhin 267 Jahre gehörte. Bekanntlich war das Modell, nach dem diese Mamlūkenherrschaft funktionierte, ein merkwürdiges (wiewohl insgesamt erfolgreiches). Denn die politisch-militärische Macht lag bei einer sich von außen (d.h. durch den Import immer neuer Mamlūken) selbst regenerierenden fremdstämmigen Kaste, welche in der Regel aus der ersten Generation freigelassener Kriegssklaven bestand, also eigentlich keine Dynastiebildung vorsah, weshalb oft von einer Ein-Generationen-Militäraristokratie die Rede ist. Nur wer selbst außerhalb der islamischen Welt als Kind versklavt, sodann in diese verbracht, kaserniert zum Elitekrieger ausgebildet und zum Islam bekehrt, als Mamlūk verkauft, unter seinem Herrn in der Hierarchie aufgestiegen und später freigelassen worden war, hatte den passenden Hintergrund, um sich einmal selbst im Kampf um die Usurpation des Sultansthrons durchzusetzen – ein Kampf, der für gewöhnlich also immer wieder aufs Neue zwischen rivalisierenden Mamlūken-Häusern ausgetragen wurde.

Auch wenn die Mamlūkenherrschaft in Ägypten äußerlich stabil war und – beispielsweise in Hinblick auf die Architektur – als Blütezeit gelten kann, war die Herrscherkaste in sich also von systemimmanenter Uneinigkeit, Gegnerschaft und regelmäßigen Umstürzen geprägt. Tatsächlich wurde unter diesen Umständen nur ein Mamlūke zum Gründer einer richtigen Dynastie, indem das Sultanat über mehrere Generationen bei seiner Nachkommenschaft blieb: Soweit sie nicht seine ehemaligen Mamlūken waren, stammten nämlich alle Sultane zwischen 1290 und 1382 bzw. 1390 von Sultan Qalāwūn ab. Jedoch war es in erster Linie an-Nāṣir Muḥammad (I.) b. Qalāwūn, dem eine selbstbestimmte, lange Herrschaft als starker Monarch vergönnt und dessen Macht sogar so sicher war, dass er drei Mal persönlich nach Mekka pilgern konnte (s. MdM Aug. 2020). Bei den meisten anderen Qalāwūniden handelte es sich hingegen um Sultane, die mächtigen Emiren als Marionetten dienten, als solche oft minderjährig auf den Thron gesetzt wurden (s. MdM Juni 2019) und selbigen auch schon nach kurzer Zeit wieder verloren. So währte die Herrschaft von an-Nāṣir Muḥammads ältestem Sohn und (wie vorgesehen) direktem Nachfolger Abū Bakr keine zwei Monate des Jahres 1341, ehe der mongolischstämmige Emir Qūṣūn putschte und Abū Bakr erst (in Qūṣ, s. MdM Sept. 2022) inhaftieren und wenig später hinrichten ließ. Auch Qūṣūn hatte (seinem Schwiegervater und Schwager) Sultan an-Nāṣir Muḥammad angeblich geschworen, sich für dessen Dynastie einzusetzen, und so erhob er umgehend einen der Brüder des von ihm Beseitigtem zum neuen Sultan. Seine Wahl fiel auf den erst sechsjährigen Küčük (der Name bedeutet passenderweise „der Kleine“ oder „der Welpe“), dessen Mutter Ardū ebenfalls Mongolin war. Auch wenn Qūṣūn (als Vize-Sultan) damit zum eigentlichen Herrscher des Mamlūkenreiches aufstieg, war es natürlich Küčük, in dessen Namen umgehend neue Dirhams sowie Dinare geprägt wurden, darunter unsere Münze des Monats. Der 6,46 g schwere Dinar gehörte bis 2020 Claus Pelling und wurde von diesem dann über die Pelling-Zarnitz-Stiftung als Dauerleihgabe in den FINT-Bestand gegeben, nachdem das Lieblingsstück bereits im SNAT-Bd. III berücksichtigt worden war (Nr. 690). Wie erwartbar, informiert der Rev. ganz oben zunächst über den Prägeort, nämlich Kairo, woraufhin die folgenden drei Zeilen dem kleinen Qalāwūniden gehören: as-sulṭān al-malik al-Aš[ra]f / ʿAlāʾ ad-Dunyā wa-d-Dīn Küčük [b.] / as-sulṭān al-malik an-Nāṣi[r] Muḥa[mmad]. Ganz unten findet sich die Jahresangabe: 742 (= 1341 A.D.).

Viel zu erwarten war von dem minderjährigen Sultan freilich nicht. Der Junge tat, wie es in den Quellen heißt, keinen Mucks und Qūṣūn führte beim Unterzeichnen von Dokumenten seine Hand. Einer der anderen Emire empörte sich angesichts dessen, dass zum Sultan doch „nur tauge, wer ein erwachsender Mann sei und wisse, wie man die Herrschaft (selbst) führt“. Das eigentliche Problem war aber Qūṣūns eigene, wachsende Unbeliebtheit, nicht nur im Volk. In Syrien hatte sich der Widerstand gegen seine Herrschaft rasch um Küčüks Bruder Aḥmad formiert und auch in Ägypten wurde Qūṣūns Macht von einigen Emiren als zu drückend empfunden. So kam es noch im selben Jahr zu einer Mamlūken-Revolte, in welcher der Vize-Sultan gestürzt und inhaftiert wurde (Dez. 1341). Für das Kind auf dem Thron musste dies bedeuten, dass auch seine Zeit an der Reichsspitze vorüber war – tatsächlich hatte Küčük kaum sechs Monate den Sultanstitel getragen, ehe er im Januar 1342 durch Aḥmad ersetzt und auf der Kairoer Zitadelle wieder ganz in die Obhut seiner Mutter gegeben wurde. Die Prägung von Münzen in al-Ašraf Küčüks Namen sollte damit auf das eine Jahr 742 H. beschränkt bleiben.

Die Annahme einer außergewöhnlichen Seltenheit war es denn auch, die Claus Pelling vordergründig an Prägungen solcher Kindersultane (und insbesondere Küčüks) reizte – eine Seltenheit, die sich in einer speziellen Geschichte der wissenschaftlichen Erfassung von Münzen ebendieses Sultans spiegelt. Das bis heute grundlegende Werk Paul Balogs zur Erfassung mamlūkischer Münzen führt nur zwei Sultane auf, von denen der Autor bis zur Publikation 1964 nie eine Münze gesehen hatte. Das war zum einen der Burǧī-Sultan Bilbay (reg. 1467), dessen erste Münze im Archäologischen Museum Istanbul 1970 vorgestellt werden konnte, und zum anderen eben ʿAlāʾ ad-Dunyā wa-d-Dīn Küčük. Zum Rätselraten um Prägungen dieses Qalāwūniden gehörte der Umstand, dass Balog zwar keine von dessen Münzen publizieren konnte, wohl aber den Hinweis, dass ihm Abdelrahman Fahmy erlaubt habe, zu erwähnen, dass sich zwei Silbermünzen Küčüks in der Sammlung des Museums für Islamische Kunst in Kairo befänden (welche bis heute unpubliziert geblieben sind). Auch in Balogs umfassenden Nachträgen von 1970 war in Bezug auf Küčük kein Fortschritt zu erkennen. Voller Stolz konnte daher einer der beiden Schreiber dieser Zeilen als Student 1975 ein unscheinbares Silberstückchen seiner Sammlung in der Annahme vorstellen, es sei eine Erstpublikation. Letzterer Stand war auch noch der des Jahres 1992, als Claus Pelling seit etwa einem Jahrzehnt an Mamlūkenmünzen interessiert war, stets auf der Suche nach Raritäten und Unpubliziertem. Seinen Sammeleifer in den Dienst der Tübinger Forschungsstelle stellend, war er sich bewusst, dass die 33.000 Stücke umfassende Sammlung Album zwar hinsichtlich ihrer Datenvielfalt international hervorstach, die gemeinhin am stärksten bewunderten Goldmünzen darin aber mit nur etwa 5 % deutlich geringer vertreten waren als in den großen Nationalsammlungen, mit denen sich der Tübinger Bestand dennoch vergleichen konnte. Hier wollte Claus Pelling gewissermaßen Glanz nach Tübingen bringen und so war es, als er 1992 erfuhr, dass ein schwedischer Münzhändler in Genf einen schweren Dinar mit Namen des Sultans Küčük besaß, nur eine Frage weniger Stunden, bis er telefonischen Kontakt zu diesem Herrn hergestellt hatte und er sich in Verhandlungen zum Erwerb befand. Rund einen Monat später hatte er das erwünschte Stück in seinem Besitz und es bestand Aussicht, zudem einen Dinar von Aḥmad b. an-Nāṣir Muḥammad folgen zu lassen.

Erst im Laufe der Jahre wurde ein zweiter und schließlich ein dritter Dinar Küčüks bekannt. Ferner stellte sich heraus, dass Balog 1964 ein Missgeschick widerfahren war, denn schon 1856 hatte der Genfer Prinzenerzieher Frédéric Soret einen Dirham Küčüks in einem an den Sankt Petersburger Orientalisten Bernhard Dorn gerichteten Brief – veröffentlicht in der Revue de la Numismatique Belge (s. S. 167, Nr. 164) – zutreffend bestimmt. Dieser Brief ist auch in Balogs Bibliographie aufgeführt, doch scheint dem Autor eine entsprechende Karteikarte verloren gegangen zu sein oder er erhielt lediglich einen Hinweis auf die wichtige Veröffentlichung ohne in Rom oder New York selbst Zugang dazu zu haben. Diese erste in der Wissenschaft bekannt gewordene Münze Sultan Küčüks dürfte heute noch in der Staatlichen Münzsammlung in München aufzuspüren sein. Claus Pellings besondere Beziehung zu seinem Küčük blieb durch die neuen Erkenntnisse jedenfalls ungeschmälert. Die Beschäftigung mit der Münze und ihrer Geschichte führte dazu, dass sein nächster Kairo-Besuch ein besonderes Ziel hatte. Nachdem Küčük 1342 abgesetzt worden war, blieb es nämlich nicht einfach bei seiner Verwahrung auf der Zitadelle; leider war es ihm nicht einmal vergönnt, ein Teenager zu werden. Bereits 1345 (746 H.) entschied ein weiterer seiner Brüder, der inzwischen Kurzzeitsultan sein durfte, Küčük vorsichtshalber erdrosseln zu lassen, woraufhin dessen sterbliche Überreste schließlich im Dezember desselben Jahres in einem kleinen Mausoleum nördlich der Zitadelle (an der Südspitze des heutigen al-Azhar-Parks) beigesetzt wurden. Dieses Mausoleum wurde dann interessanterweise in den größeren Grabkomplex des 1347 erdrosselten Emirs Aq-Sonqur (eines weiteren Schwagers Küčüks) eingebaut, welcher heute auch als „Blaue Moschee“ bekannt ist. Als nun der Vorbesitzer unserer Münze des Monats diesen Komplex besichtigte, war das Grab des Kindsultans eigentlich nicht öffentlich zugänglich und mit allerlei Gerümpel verstellt. Claus Pelling fand es jedoch und ließ es freiräumen, sodass er dem hier Ruhenden und fast Vergessenen letztlich einen persönlichen Besuch abstatten konnte.

Sebastian Hanstein und Lutz Ilisch

MdM November 2023

 

Aus gegebenem Anlass fiel die Wahl für diesen Monat auf eine Münze aus Gaza (Ġazza). Was die aktuelle Situation im Gaza-Streifen nicht einfacher macht, ist ja der Umstand, dass sich in diesem Teil der Palästinensischen Autonomiegebiete inzwischen durchschnittlich mehr als 5300 Menschen einen einzigen Quadratkilometer teilen. Der ca. 41 km lange Landstrich an der Grenze zu Ägypten ist damit einer der am dichtesten besiedelten weltweit (zum Vergleich: Tübingen zählt 859 Einwohner pro km2), was vor allem an den acht Flüchtlingslagern liegt. 50 % der rund 2 Millionen Palästinenser im Gaza-Streifen sind Flüchtlinge oder Nachkommen von Flüchtlingen, die bei der Gründung Israels 1948 aus anderen Teilen Palästinas hierhin vertrieben wurden. Ebenfalls die Hälfte der Bevölkerung in und um Gaza ist derzeit unter 15 Jahre alt (kennt also nur die beengten Verhältnisse des schmalen Küstenstreifens) – das dem zugrundeliegende Bevölkerungswachstum wird fast nur durch jenes einiger afrikanischer Staaten übertroffen.

Weniger bekannt: Ein Urgroßvater des Propheten Muḥammad, Hāšim b. ʿAbd Manāf, von dem die Hāšimiden (Haschemiten) abstammen, ist um 500 n. Chr. in Gaza verstorben und liegt ebenda begraben. Schon damals war Gaza uralt. Tatsächlich gehört die Stadt zu den ältesten durchgehend besiedelten Orten der Welt und auch Münzen wurden hier bereits seit der Antike geprägt. Mit durchgehenden Prägereihen ist es (zumindest) für die islamische Geschichte Gazas jedoch nicht weit her: Aus umayyadischer und ʿabbāsidischer Zeit kennen wir bislang nur ganz vereinzelte fals-Typen (wie den von 217 H.). Zwischen dem 7. und 9. Jh. A.D. findet Gaza – der Geburtsort des großen Rechtsgelehrten aš-Šāfiʿī (767–820) – auch in historiographischen und anderen Texten kaum Erwähnung; beduinische Konflikte in der Region scheinen die Stadt in Mitleidenschaft gezogen und deren Bedeutung gemindert zu haben, wenngleich sie von Geographen des 10. Jh. als ausgedehnt beschrieben wird. Spätestens die kriegerischen Auseinandersetzungen in fāṭimidischer Zeit dürften der Entwicklung Gazas dann besonders abträglich gewesen sein: Laut Wilhelm von Tyrus (gest. 1186) fanden die Kreuzfahrer 1149 gar eine Stadt in Ruinen und ganz ohne Einwohner vor. Jedenfalls erfolgte unter fränkischer Herrschaft (Kgr. Jerusalem) ein nennenswerter Wiederaufbau inkl. Befestigung, wodurch Gaza ein moderates Wachstum erlebte – immerhin bezeichnete der Geograph al-Idrīsī es 1154 als bevölkerungsreich. Viel gekämpft wurde im Grenzgebiet zwischen Ägypten und Palästina jedoch weiterhin. Saladin hatte es 1170 zunächst nicht vermocht, auch die von den Tempelrittern gehaltene Festung von Gaza zu erobern, erhielt sie später aber im Austausch gegen den von ihm 1187 gefangengenommenen Großmeister der Templer. Die Befestigungsanlagen der Stadt ließ der Ayyūbide zerstören, woraufhin Gaza im 3. Kreuzzug an Richard Löwenherz fiel, unter dem es erneut befestigt und an die Templer zurückgegeben wurde. Schon kurz darauf, mit dem Friedensschluss zwischen Saladin und Richard von 1192, erfolgte allerdings die endgültige Eingliederung in den ayyūbidischen Herrschaftsbereich, was wiederum eine Schleifung der Festung bedeutete.

Nach Saladins Tod dürfte Gaza zwar von einer relativen Stabilisierung insbesondere der Handelsverbindungen zwischen Ägypten und Syrien profitiert haben, doch scheint es bei einem moderaten Gedeihen ohne Bedeutungszuwachs der (in Yāqūts Muʿǧam al-buldān nicht nennenswert beschriebenen) Stadt geblieben zu sein. So war Gaza innerhalb des dynastischen Herrschaftsverbands nie Zentrum eines ayyūbidischen Teilfürstentums, dafür aber auch unter Saladins Nachfolgern Dreh- und Angelpunkt für allerlei Militäroperationen. 1228 (625 H.) etwa zog der oberste Ayyūbide al-Malik al-Kāmil (reg. 1218–1238) – unter dem unsere Münze des Monats geprägt wurde – an der Spitze eines Heeres von Ägypten aus hierher und schlug sein Lager am Tall al-ʿAǧūl („Kälberhügel“) im Süden Gazas auf. Zum einen wollte er auf das Eintreffen Kaiser Friedrichs II. im Heiligen Land vorbereitet sein (6. Kreuzzug), zum anderen galt es, das angespannte Verhältnis zu seinen Verwandten in Syrien und der Ǧazīra zu regeln, durch deren Bestrebungen die von al-Kāmil beanspruchte Oberherrschaft innerhalb des Ayyūbidenreiches gefährdet war. Im Rahmen intensiver Verhandlungen diverse Gesandte empfangend, verweilte der König von Ägypten sogar mehrere Monate lang vor Gaza – bis ins Folgejahr hinein, in dem er nicht nur mit Friedrich den Vertrag von Jaffa schloss; zuvor (im November 1228) hatte ihn am Tall al-ʿAǧūl auch sein Bruder al-Malik al-Ašraf besucht, welcher bislang Herr der ayyūbidischen Besitzungen in Mesopotamien gewesen war und nun mit al-Kāmil übereinkam, das Teilfürstentum eines weiteren Ayyūbiden aufzuteilen, wobei der Großteil Palästinas samt Gaza dem entsprechend gestärkten König von Ägypten zugesprochen wurde und al-Ašraf unter anderem Damaskus erhielt.

Nun soll es just aus der Zeit, in der al-Kāmil entschied, sich mit seinem Hof nach Gaza zu begeben, die ersten Ayyūbiden-Münzen aus Gaza geben, s. P. Balog, The Coinage of the Ayyūbids, London 1980, S. 31 und S. 170 f., Nr. 469–472 sowie N. D. Nicols „Additions and Corrections“ zu Balogs Werk im Numismatic Chronicle, Bd. 146, S. 134, Nr. B469 und 472a. Es geht um die Prägejahre 624 und 625 H. Besondere Beachtung verdient jener Halbdirham-Typ, der im SNAT-Bd. IVa  als Nr. 183 publiziert wurde (= Nicols B469). Denn nur hierauf ist über al-Kāmil der ʿAbbāside aẓ-Ẓāhir genannt, welcher lediglich 622–623 H. Kalif war. Als Prägeort nahm L. Ilisch [Ġa]zza an, bemerkte dazu aber, der „Münzstättenname könnte auch, wiewohl mit geringerer Wahrscheinlichkeit, zu al-Qāhira zu ergänzen sein“. Tatsächlich ist von der Rev.-Umschrift kaum etwas lesbar – und von der Av.-Umschrift überhaupt nichts, sodass die Datierung des Typs ganz auf der Kalifennennung beruht. Inzwischen lässt sich sagen, dass dieser Typ tatsächlich nach Kairo statt nach Gaza gehört; man vergleiche ihn mit jenem Dirham von 623 H., welcher bei Morton & Eden in Auktion 85 als Los 476 angeboten wurde. Die Münzstättenangabe darauf lautet bi-qalʿat al-Qāhira (Saladins Zitadelle) und die Rev.-Umschrift enthält die šahāda (d.h. statt [Ġa]zza wäre [waḥ]dahū zu lesen). Hinzu kommt, dass sich unter den unzweifelhaft in Gaza geprägten Münzen mit angeblichem 620er-Prägejahr keine einzige finden lässt, auf der die Zehnerzahl ausreichend erkennbar wäre, zum Teil ist vielmehr klar, dass ṯalāṯīn statt ʿišrīn zu lesen ist. Ergo gibt es aktuell eigentlich keine Basis, für die ayyūbidische Münzprägung (so wie von Balog eingeführt und z. B. in Albums Checklist übernommen) an zwei kurzen Aktivitätsphasen mit einer fast zehnjährigen Zwischenzeit festzuhalten – stattdessen dürfte sich die Tätigkeit der Münzstätte Gaza während dieser Epoche wohl auf die 630er Jahre H. beschränken! Genauer gesagt, begann die Prägetätigkeit wohl erst im Jahre 633 H. (1235), aus dem auch unsere 2,93 g schwere Münze des Monats (= SNAT IVa, Nr. 184) stammt. Alle Angaben sind hierauf gut zu lesen; die Rev.-Umschrift lautet: ḍuriba hāḏa ’d-dir / ham bi-Ġazza sana / ṯalāṯ wa-ṯalāṯīn / wa-sitt-miʾa (mit punktiertem z in Ġazza) und die Kalifennennung im Rev.-Feld: al-imām al-Manṣūr / Abū Ǧaʿfar / al-Mustanṣir bi-’llāh / amīr al-muʾminīn. Analog dazu gehört das Av.-Feld dem Saladin-Enkel al-Malik al-Kāmil / Abu ’l-Maʿālī / Muḥammad b. Abī / Bakr b. Ayyūb.

Gut möglich, dass al-Kāmil auch 633 H. in Gaza Halt gemacht hat, als er von Ägypten aus erneut einen Feldzug in den Norden führte (von wo er sich nach einer Niederlage gegen die Rūm-Selǧuqen und im Streit mit den anderen Ayyūbidenfürsten erst im Vorjahr hatte zurückziehen müssen). Jedenfalls kennen wir weitere Münztypen aus Gaza, darunter Halbdirhams, der Jahre 633 bis 635 H.; die kurze Reihe scheint also mit al-Kāmils Tod (1238) abzubrechen. Am 13. November 1239 (637 H.) wurde Gaza dann zum Schauplatz einer Schlacht, in der ein Teilheer des sog. Kreuzzugs der Barone von den Ayyūbiden vernichtet wurde; eine weitere, schwere Niederlage erlitten die Kreuzfahrer 1244 in einer Schlacht nördlich von Gaza. Wie man sich denken kann, waren auch die kriegerischen Auseinandersetzungen der Ayyūbidenzeit insgesamt keine gute Bedingung für die Entwicklung der Stadt. Erst unter den Mamlūken und Osmanen konnte Gaza sein Potential endlich voll entfalten und stieg zu einer ausgesprochen prosperierenden Handels- und Distrikthauptstadt auf, deren bis dahin ungekannte Größe, Schönheit und Reichtum in zahlreichen Quellen gerühmt werden. Fast alle erhaltenen Monumente (und Bauinschriften) stammen aus dieser Epoche – jedoch: Münzen wurden hier nicht mehr geprägt. Tatsächlich stellen ayyūbidische Dirhams der 630er Jahre H., wie unsere Münze des Monats, sogar die letzten (original-)islamischen Münzen dar, welche in Palästina geschlagen wurden.

Al-Kāmil ging im Übrigen nicht nur als geschickter Diplomat in die Geschichte ein, der Verhandlungslösungen vorzog und bekanntlich einen Vertrag zur kampflosen Übergabe Jerusalems schloss – er war auch ein Herrscher, der seine Feinde mit Großmut und Milde beeindruckte: So erlitt der Kreuzfahrer Thomas Oliver von Paderborn (gest. 1227) mit seinen Leuten eine totale Niederlage gegen den Ayyūbiden, überlebte jedoch und sah sich veranlasst, al-Kāmil einen Dankesbrief zu schreiben, in dem er betont, noch nie gehört zu haben, dass Gefangene derart gütig behandelt worden seien. In dem erhaltenen Text ist davon die Rede, dass die Besiegten auf al-Kāmils Befehl hin mit Brot versorgt wurden, nicht misshandelt werden durften und man auch die Kranken auf ayyūbidische Kosten zurück zu den Schiffen in Richtung Europa transportierte. In seiner Historia Damiatina rekapituliert Oliver: „Wer könnte zweifeln, dass eine solche Güte, Freundlichkeit und Barmherzigkeit von Gott ausgegangen ist? Die Männer, deren Eltern, Söhne, Töchter, Brüder und Schwestern wir mit viel Qual getötet, deren Besitz wir weggenommen und die wir nackt aus ihren Wohnungen getrieben haben, die haben uns, als wir vor Hunger am Sterben waren, mit ihrer eigenen Speise erquickt und uns mit vielen Wohltaten gütig behandelt, während wir doch in ihre Herrschaft und Gewalt gegeben waren.“

Sebastian Hanstein

MdM Oktober 2023

 

In German it is common to speak of a “golden October”, and it was in autumn three years ago that Jim Farr’s magnificent collection of Golden Horde coins embarked on its journey to Tübingen (cf. MdM Dec. 2020). Filling many gaps, the more than 3500 coins constitute a significant addition to the FINT collection. Not only do they provide valuable data series and many type varieties but also incentives to occupy oneself with art-historical aspects. Quite a few types show an interesting calligraphy and ornamentation, and one such special design is addressed in the following guest contribution, a working paper by Dr. Alexander Akopyan from the Department of Oriental Written Sources in the Institute of Oriental Studies of the Russian Academy of Sciences (whose current project there examines the coin production and monetary circulation of Armenia from the 650s to 1220s).

 

Perceiving symmetry and asymmetry in nature, as well as creating symmetry or conscious asymmetry in art, is one of the characteristic phenomena of human activity. The creation of symmetric compositions developed greatly in Islamic art. By the beginning of the eighth century, Islamic art largely abandoned the depiction of creatures and natural things (created by God) and focused on the development of non-figural art. In this it was especially successful, creating multi-level, skillfully intertwined compositions, often involving embedded text, and Arabic calligraphy, which allows one to combine the language of culture with the language of geometry, became the dominant art form of Islamic visual culture. The fluency of the Arabic script offers unlimited possibilities for the formation of calligraphic expressions even within a single word, as letters can e.g. be stretched and transformed in various ways to create different impressions and motifs. One of the favorite techniques of Arabic calligraphers was to create (partly) symmetrically arranged texts along a horizontal or vertical axis, or to write words or phrases even twice – in direct and mirrored form (this style is called muthanna or “mirror writing”). The devotion to symmetry did not pass over die engravers (see MdM Sept. 2023), whose products from time to time showed examples of highly elaborated, fancy designs. Kufic script with its highly geometric quality facilitated the inclination to arrange letters or words symmetrically balanced or at least in such a way that lines start/end alike. One of the fundamental phrases on Islamic coins is, of course, the shahāda, or the Muslim creed “There is no deity but God alone; He has no partner.” It contains the twice-repeated negation “no” (lā), which has the form of a mirror-symmetrical ligature in the Kufic script. This form (لا) is also part of the word illā (“but”) and called for a symmetrically balanced design that usually features the two lām-alifs framing the first line of the central obverse legend. On some types, the last shahāda line (lā sharīk lahu) also features a symmetrical element in the middle formed by the skillfully adjusted letters rāʾ and yāʾ (albeit their dissimilarity). We can see this e.g. on Bānījūrid dirhams struck 292 AH / 904–905 in Balkh.

Another particularly remarkable example illustrating the tendency of arranging letters and words almost symmetrically and harmonizing them is our coin of this month. It was struck under the Jöchid ruler of the Golden Horde Jānī-Beg Khān, whose reign (1342–1357), although fraught with crises, continued as a period of strength and relative stability for the Jöchid Khanate; Jānī-Beg even succeeded in capturing Tabrīz. On the dirham (weighting 1.4 g) at least the first two lines of the rev. inscription are arranged in a way that a vertical axis of symmetry can be drawn with the symmetrical numeral ۷ (7) at the top. On both sides of this (serifed) numeral two single letters, yāʾ and bāʾ, almost appear like reflections: ٧ ي ب. These letters are the superscript final letters of two words the initial parts of which can be found in the second line, resembling “سه صر”, and which are written in similar fashion, i.e. almost symmetrically, following the central axis between the ر and the س. Taken together, we can read سراي ضرب ḍarb-i Sarāy ‘struck of Saray’ (sarāy meaning ‘palace’), but it is not the old capital of the Golden Horde where this coin was minted: The third line contains a “super-ligature” from the words الجديد al-jadīd ‘new’ and the numeral ۴ (4). In this line, lām and jīm are joined in the usual way, but also the two dāls are joined with the following symbols, forming almost a knot-like structure, which evenly fills the line and adds to the symmetrical impression. Finally, there is, although barely recognizable, another numeral squashed below the “super-ligature”, namely again the digit ۷, indicating the century of the date. Understanding that the ۴ refers to the decade, we arrive at the year of minting 747 AH / 1346–1347.

The idea of such a sophisticated design for coins of Sarāy al-Jadīd, i.e. ‘New Sarāy’, located on the Lower Volga (most likely this is the Tsarevskoye settlement on the Volga’s left branch Akhtuba, although this is a debatable issue), may well have been brought from western Central Asia by a Khorezmian master. This direction is indicated by the design of the obverse with the name of the khān. On the coin of the month it is written in two lines, the first in a geometric Kūfī style, the second in cursive script: al-sulṭā(n) al-ʿādil / Jānī-Beg Khān. On other coins issued 747 AH in Sarāy al-Jadīd, however, the sultan is cited in three lines that are identical to the design of the Jānī-Beg’s Khorezmian coins of 747 AH with the elongated word بک beg in the middle between جاني السلطا (first line) and العادل (third line). In a way, the engraver from Khorezm combined something old with something new: He brought to the Lower Volga the Khorezmian obverse design that is horizontally oriented and an updated, more elaborated design for the reverse that has a vertical axis of symmetry. Of course, the symmetry of the text is never absolute, but the engraver’s idea is quite obvious and it was within the framework of the knowledge and calligraphic skills of other engravers of Golden Horde Khanate. Presumably, dies were sent to other mints and designs were shared or rejected. This seems to be confirmed by the fact that already in the same year 747 AH, in Sarāy al-Jadīd and in other mints, coins without “super-ligature” were issued, which means that the word الجديد is written more legible and separately from the numeral ۴. In addition, the obverse design changed (back) to the one seen on the coin of the month, which can be described as more traditional, featuring a nice “swallowtail” crenellation of the high letter tips and “happiness knots” between the lines. This design has been known since 746 AH / 1345–1346.

Apparently, the idea of more mirror-symmetrical inscriptions did not settle in Sarāy al-Jadīd, but the special design of those 747 AH coins reflects the fact that the subject of perception in Islamic art was the transition between two layers – simple (text) and complex (the way how it is arranged). This is the same transition as between the obvious/secular (ẓāhir) and the hidden/sacral (bāṭin) – underlying the concentric circles design of Fāṭimid coins (cf. S. Anwar / J. L. Bacharach, “Shi‘ism and the Early Dinars of the Fāṭimid Imam-caliph al-Mu‘izz li-dīn Allāh (341–365/952–975): An Analytic Overview” in Al-Masāq, vol. 22-3 (2010), pp. 259–278) – or, as it is described in Islamic jurisprudence, the transition from the ‘basis’ to the ‘branch’ (ʾaṣl-farʿ-transition). Islamic art “uses the visual means at its disposal to create for our perception favorable conditions for such a transition – just as Western art [...] creates favorable conditions for our perception to grasp the pure form immediately” (A. Smirnov, Logical and Semantic Foundations of the Islamic Culture. Semiotics and Fine Arts (in Russian), Мoscow 2005, p. 185). In order to detect and understand such concepts, the relationship between form and content, and the evolution of styles and tendencies in calligraphy and layout design, it is essential to have an excellent coin collection available that is actively organizing and developing its holdings. In the FINT, all types minted 747 AH in Sarāy al-Jadīd as well as many other interesting coins are by now preserved in good quantity and quality – thanks to a donation according to the last will of Jim Farr, who had passed away in 2018. I knew Jim for almost 20 years. He was a great and very sympathetic person (one of my articles, of which Jim was the first reader, is dedicated to his memory). His decision to transfer his Golden Horde collection to the FINT was the decision of a responsible collector seeking the best harbor for his coins.

 

MdM September 2023

 

Three years ago, in September 2020, work began at FINT to create a digital coin cabinet (IKMK) as part of the Network of German University Coin Collections (NUMiD). Today, the growing FINT IKMK (publicly available since 2021) comprises 444 Būyid coins, and one of them has been chosen for another MdM guest contribution, this time by Dr. Ahmed Desouky from Egypt, who is an associate professor of archeology and numismatics at Cairo University’s Faculty of Archeology, Department of Islamic Archaeology. His main interests include the numismatic history of Iran, which is why he focused in his Master’s thesis on “Coins of Iṣbahān since the time of the Abbasid Caliphate until the fall of the Great Seljuks”, before addressing the technical topic of “Mistakes on Islamic Coins and Dies” in his PhD thesis presented in 2015.

 

Our FINT coin of this month is a Būyid dirham (weight: 3.67 g) minted in the year 358 AH (968/969 AD) in the well-known city of Iṣfahān (spelled Iṣbahān on Būyid coins), as can be read in the inner marginal inscription on the obv. The type was published in L. Treadwell’s die corpus (Is358 1/R1), and all inscriptions are carefully transcribed in the FINT IKMK entry: https://www.fint-ikmk.uni-tuebingen.de/ikmk/object?id=ID351. Not uncommonly for Būyid coins, this dirham names no less than four rulers: the (de facto powerless) ʿAbbāsid caliph al-Muṭīʿ li-llāh (r. 334–363 AH/946–974 AD) as well as the senior Būyid and supreme head of the whole Būyid realm Rukn al-Dawla Abū ʿAlī (r. 335–366 AH/947–977 AD) on the obverse, and the latter’s sons ʿAḍud al-Dawla Abū Shujāʿ (r. 338–372 AH/949–983 AD) and Muʾayyid al-Dawla Abū Manṣūr (r. 366–373 AH/977–983 AD) on the reverse. While ʿAḍud al-Dawla rose as Rukn ad-Dawla’s designated heir, expanding his dominance from Fārs throughout the dynasty’s other territories, Muʾayyid al-Dawla was the subordinate prince who ruled Iṣfahān and thus was responsible for issuing coins like our dirham. What deserves special attention is the fact that this coin type also bears the name of yet another person (alive when the dirham was minted), someone outside the political hierarchy. It is the elongated word qabl in the outer marginal inscription of the obv. where we can read in tiny letters: ʿamal al-Ḥasan b. Muḥammad, “work of al-Ḥasan, the son of Muḥammad”. This refers to the coin die, which means that Ḥasan was a die cutter working for Iṣfahān’s dār al-ḍarb.

Dār al-ḍarb and dār al-sikka are two terms for the same facility; the first was used in the east of the Islamic world, while the second was used in the west of the Islamic world. The dār al-ḍarb (see MdM Nov. 2021) was the place where coins of all kinds were minted, in gold and silver, copper and bronze. From its inception, the caliphal state monopolized the production of coins and subjected it to strict supervision, although it was (as in the case of Arab-Sasanian and Umayyad silver coinage) mostly organized on a provincial level (decentralized). Many provinces not only had a (main) mint in their capital but also mints distributed over other important cities. The dār al-ḍarb was open for private persons to bring metal there in order to let it be coined, but no one else than the state was allowed to issue coins, and the authorities imposed harsh penalties on anyone who tried to do so outside the official mints – or tried to divulge the secrets of minting.

The dār al-ḍarb was operated according to a strict technical system that enabled it to perform its tasks properly. The work of the technical staff inside the mint included smelting gold, silver and copper, making the dies, engraving them, producing and stamping the planchets, and other important works related to coinage, e.g. making glass weights for weighing coins. Engraving inscriptions and decorations on the dies was one of the most significant of these works. It was performed by a person known as naqqāsh, fattāḥ, or ḥaffār. In his Al-Dawḥa al-mushtabika fī ḍawābiṭ dār al-sikka (ed. Ḥusayn Muʾnis, Cairo 1986), Abū l-Ḥasan ʿAlī ibn Yūsuf al-Ḥakīm, who flourished in 14th cent. AD Morocco and whose grandfather was a mint director under the Marīnids, explains the following:

Everything has a basis and the fattāḥ is the basis for the workings in the dār al-sikka. He is one of its essential parts; so, if he does his work correctly, other works in the mint run properly as well. The engraver should be honest and trustworthy. He should not do any other work except his work as a die engraver, and he must be skilled in writing, since this is a protection for the dinars and dirhams because a weak writing is associated with corruption and forgery. Accordingly, he must adhere to the rules of the Arabic language and its script, just as he must not alter the spelling on the coins: Neither should he add lines nor shorten them at his own discretion. He should keep his tools in a box reserved for such tools and hide from people's eyes when engraving dies so that no one can imitate him. He is not allowed to be in contact or meet with anyone who is occupied with alchemy or is accused of counterfeiting coins.

The craft of engraving dies demanded special skills that were also commanded by engravers of seals and jewelers. Therefore, the government was constantly inspecting jewelers so that they would not use their skills in engraving coin dies, which could be used to struck false coins outside the official mint. The process of producing dies represented a third stage of preparing the actual striking of coins inside the dār al-ḍarb, in addition to preparing the metals needed, the ingots and the planchets. The dies bore inscriptions in a recessed and mirror-inverted manner, and when struck with a hammer, these inscriptions appeared on both sides of the planchet between the two dies after it was taken out. Care had to be taken by the engraver that the size of the die was appropriate for the size of the dinar and dirham planchets.

Many engravers excelled in their work, and some of them even put their signature on the dies they have made. Thus, these signatures appeared on the coins, just like those of artists and craftsmen in other Islamic arts. Al-Ḥasan b. Muḥammad, whose name can be read not only on Būyid dirhams from Iṣfahān, might be regarded as the best-known among the signing engravers of Islamic dies. He was highly skilled and distinguished, and his career went through several stages (cf. L. Treadwell, Craftsmen and coins, Wien 2011, pp. 66 ff.): When Rukn al-Dawla in 335 AH/946 AD took over Rayy (al-Muḥammadiyya) and other cities of northern Iran, Ḥasan supplied dies for these new Būyid mints, and his signature first appeared on dinars from Āmul in 336 AH. However, Ḥasan at this stage contented himself with engraving the single letter ḥāʾ only (in reference to his ism), placed already, as on our coin, in the outer marginal inscription or within the obv. field. In this early stage, he seems to have been influenced by the style of the Sāmānid engravers. In the second stage of his career, Ḥasan signed in the form Ḥasan, usually above qabl in the outer marginal inscription, but on dinars minted 347 AH in Rayy, the name is divided into its three isolated letters (ḥāʾ – sīn – nūn) in the obv. field. During this stage, Ḥasan also worked for the mints of Sāveh, al-Dīnawar, Hamadān, Qazwīn, and Qum, and the making of many unsigned dies can be attributed to him for reasons of style. Dirhams like the coin of the month are good examples showing Ḥasan’s plain style script, which was engraved with a burin with a particularly broad blade.

During the last stage of his career, Ḥasan continued to engrave dies for mints such as Hamadān, Qazwīn, and al-Muḥammadiyya, but his greatest activity was supplying the Iṣfahān mint from 352 to (at least) 360 AH. Starting in 354 AH, he signed his dies with ʿamal al-Ḥasan b. Muḥammad, and he continued to do so in Iṣfahān until he reverted to unsigned dies in 360 AH. In Rayy, he signed in the given form 361–362 AH; afterwards, his signature was sometimes erased. In addition, Ḥasan also made signed dies for some mints in neighboring regions, such as Arrajān in Fārs and Firrīm in Ṭabaristān, the last of which was controlled not by the Būyids but by their Bāvandid vassals. Although we cannot track the end of Ḥasan’s career as accurately as we can track its beginning, it is certain that he had stopped making dies by the early 370s AH, when mints of the Jibāl region, including Iṣfahān, adopted a uniform style that resembles that of the Qazwīn mint. At the time Ḥasan stopped engraving dies, his career had lasted for over a quarter of a century, from the 330s to the 360s AH, during which he was the leading engraver for the mints of the Jibāl in general and Iṣfahān in particular. In fact, there was even another talented engraver known by name from coins minted in Iṣfahān. This person was active some decades later, 413–421 AH (1022–1030 AD), under Kākūyid rule and his minuscule signature reads Muḥammad (sometimes abbreviated with a mīm). However, in the 5th cent. AH, the Iranian practice of signing coin dies came to an end; all in all, it had been a very uncommon practice.

 

MdM August 2023

 

„Wir erleben eine Zeitenwende“, hatte der deutsche Bundeskanzler letztes Jahr verkündet, „die Welt danach ist nicht mehr dieselbe, wie die Welt davor." Es geht also um eine Phase des Umbruchs und der radikalen Neuorientierung, in der alte Gewissheiten auf den Kopf gestellt werden: Bisher Gültiges gilt nicht mehr. Solche Einschwörungen auf ein – oft bereits erwartetes – neues Zeitalter mit fundamental geänderten Wahrheiten, waren vielen Muslimen vergangener Epochen keineswegs fremd. Zum Teil blieb es bei der Erwartung einer für die (mehr oder weniger nahe) Zukunft prophezeiten großen Zeitenwende, zum Teil wurde selbige tatsächlich ausgerufen, was mit spektakulären Enthüllungen einherging. Wiewohl Olaf Scholz’ Regierungserklärung, aus der sich das „Wort des Jahres“ 2022 ergab, als Rede von historischem Format gelten kann (und vielleicht ja als die wichtigste dieses Kanzlers), war für den 8. August des Jahres 1164, inmitten des nordiranischen Alborz-Gebirges, eine ungleich dramatischere Inszenierung einer Zeitenwende-Verkündigung vorbereitet worden, welche sich einmal mehr an die schiitische Glaubensgemeinschaft der Ismāʿīliten richtete. Es war die Ende des 11. Jh. von den Fāṭimiden abgefallene Sekte der berüchtigten „Assassinen“ mit dem Zentrum Alamūt, deren vierter Großmeister al-Ḥasan (II.) ibn Muḥammad seine Untertanen an besagtem Augusttag zusammengerufen hatte, um vor ihnen eine im Freien aufgestellte Kanzel zu besteigen. Letztere war mit vier großen Fahnen in vier verschiedenen Farben versehen und so ausgerichtet worden, dass Ḥasan in Richtung Mekka schaute. Was der Herr von Alamūt den Versammelten dann feierlich verlas, war ein Dekret und eine Predigt, die ihm der verborgene Imam (auf dessen endzeitliches Erscheinen die nicht-fāṭimidentreuen Ismāʿīliten ja warteten) durch einen geheimen Boten zukommen lassen habe. Inhalt der Predigt war zum einen die Bestimmung Ḥasans zum einzig wahren Stellvertreter des Imams, zum anderen die Ausrufung der qiyāma. Die qiyāma meint hier zwar (noch) nicht die Auferstehung der Toten zum Jüngsten Gericht, jedoch den Anbruch der Endzeit (des Mahdī, s. MdM Febr. 2021) mit der verheißenen Aufhebung aller Gesetzesvorschriften des Islams und somit der Wiederherstellung der paradiesischen Urreligion ohne Scharia. Durch die Gnade des (vorerst noch) entrückten Imams, wurden die eingeweihten Gläubigen also auf einen Schlag von der Last religiöser Ge- und Verbote befreit, sodass nur noch die Verehrung des Schöpfers blieb – ohne Islam. Schon die Ausrichtung der Kanzel hatte bewirkt, dass die Versammelten Mekka den Rücken zuwandten. Am Ende der qiyāma-Offenbarung erklärte Ḥasan: „Heute ist das Fest des Fastenbrechens!“, und lud demonstrativ zu Speis, alkoholischem Trank und musikalischer Vergnügung an eine gedeckte Tafel – dabei war der 8. Aug. 1164 ein 17. Ramaḍān, das Fasten wurde also bei Tage mitten im Fastenmonat beendet!

Ḥasan war bereits unter der Regierung seines Vaters (1138–62) dadurch aufgefallen, dass er im Gegensatz zu diesem die Scharia missachtete und beispielsweise heimlich Wein trank. Einige Anhänger dachten sogar daran, er könne ihr erwarteter Imam sein. Auch wenn Ḥasan dann als Großmeister „nur“ beanspruchte, für den verborgenen Imam zu sprechen, war für die Assassinen-Gemeinden unter ihm nun also die Endzeit gekommen und die Epoche des Islams vorüber. Nach islamischer Zählung fiel die qiyāma von Alamūt ins Jahr 559. Nur zwei Jahre später wurde unsere Münze des Monats geprägt, und zwar mit der Prägeortangabe bi-Kursī ad-Dailam, d. h. „am Sitz von Dailam“, womit kein anderer Ort als das (zur Gebirgsregion Dailam gehörige) Felsennest Alamūt gemeint ist. Die Münzstätte und das Jahr (5)61 sind in der Av.-Umschrift der kleinen Feingoldmünze (Gewicht: 1,5 g) angegeben. Die Prägung solcher Dinare hatte auf Alamūt 536 H. (1141/42) unter Ḥasans Vater Muḥammad ibn Buzurg-Umīd begonnen, woraufhin alle Großmeister bis zur Zerstörung der Assassinen-Zentrale durch die Mongolen (1256) eigene Münzen ausgaben. Man kann also die Frage stellen, was die qiyāma-Zeitenwende für die Münzprägung bedeutete, bedenkt man, dass unser Dinar ja theoretisch von einer post-islamischen Herrschaft zeugt, die – in Kenntnis der unverhüllten Wahrheit – lästige Äußerlichkeiten wie die Gesetzesreligion final abgelegt hatte. Davon offenbar nicht tangiert ist das islamische Glaubensbekenntnis mit der Herausstellung des Propheten Muḥammad. Es steht unverändert im Av.-Feld und wird im oberen Rev.-Feld durch die allgemein-schiitische Herausstellung von Muḥammads Schwiegersohn ʿAlī walī Allāh, „ʿAlī ist der Freund Gottes“, ergänzt. Die drei folgenden Zeilen gehören einem angeblichen Nachkommen ʿAlīs (und damit Muḥammads) – genannt ist: al-Muṣṭafā / li-Dīn Allāh / Nizār. Dies ist ein Fāṭimide, jedoch nicht der in Kairo regierende. Prinz Nizār hatte sich beim Tode seines Vaters al-Mustanṣir 1094 dagegen empört, dass ihm die Nachfolge als Imam-Kalif verwehrt und der fāṭimidische Thron stattdessen mit einem jüngeren Bruder besetzt worden war. Dem Übergangenen gelang es daraufhin, nach Alexandria zu fliehen, wo seine Proklamation zum Gegenkalifen mit dem Thronnamen al-Muṣṭafā li-Dīn Allāh („der für Gottes Religion Auserwählte“) erfolgte. Schon 1095 wurde diese (numismatisch dokumentierte) Rebellion jedoch niedergeschlagen und Nizār als Gefangener in Kairo lebendig eingemauert. Was blieb, war ein (weiteres) Schisma. Denn in Alamūt und den von dort aus geleiteten Ismāʿīliten-Gemeinden erkannte man Nizārs Ansprüche an – mit der Folge, dass man sich vom Kairoer Kalifat unabhängig machte und wir heute korrekter von Nizāriten als von Assassinen sprechen.

Dass der 1095 beseitigte Fāṭimide Nizār auf unserer Münze des Monats von 1165/66 genannt ist, verrät uns, im Namen welches Imams Ḥasan II. regierte und die qiyāma verkündet hatte. Wahrscheinlich hielt man Nizār nicht für tot, sondern nur für entrückt. Er galt in Alamūt als einzig rechtmäßiger Kalif, weshalb er zu Beginn der Rev.-Umschrift auch noch als amīr al-muʾminīn, d. h. als „Befehlshaber der Gläubigen“, ausgewiesen ist, gefolgt von der Eulogie ṣalawāt Allāh ʿalaihi wa ʿalā [ābāʾihī aṭ-ṭāhirīn wa-ab]nāʾihī al-akramīn, „Gottes Segen über ihn, seine unbefleckten Vorfahren und hochedlen Nachkommen!“. Dass hier von Nachkommen Nizārs gesprochen wird, ist interessant, doch wurde die Eulogie einfach von den Fāṭimiden übernommen und findet sich bereits auf der ersten Assassinen-Prägung aus Alamūt. Neu ist an Ḥasans Münzen eigentlich nur, dass er, der Großmeister, darauf selbst nicht genannt ist, wohingegen sein Vater noch stets aufgeführt gewesen war. (Dass der Titel al-Muṣṭafā li-Dīn Allāh, wie S. Albums Checklist zu entnehmen, dem Großmeister selbst gehört, darf freilich ausgeschlossen werden. In H. Hamdans und A. Vardanyans „Ismaili Coins from the Alamut Period“ ist unser Dinar im Übrigen auf S. 297 unter Typ 19 vermerkt, dazu der Hinweis, es handle sich um denselben Typ wie unter Nr. 14 beschrieben. Unter Nr. 14 wird allerdings in gleicher Weise auf Typ Nr. 2 zurückverwiesen, einen Typ mit Nennung von Ḥasans Vater. Korrekterweise soll Typ 19 wohl Typ 18 entsprechen.) Hamdan und Vardanyan kannten 2005 noch keine Münzen aus Ḥasans erstem Jahr als Großmeister, 557 H., inzwischen sind solche aber bekannt geworden und belegen, dass Ḥasan von Anfang an nicht genannt und sein Name nicht etwa erst infolge der qiyāma weggelassen wurde. Womöglich wollte man keine Gegenüberstellung von Imam und Stellvertreter, keine Unterscheidung zwischen beiden betonen oder hielt die Ausübung des sikka-Rechts durch letzteren für unangemessen, zumal mit dem Gedanken, dass ein Hervortreten des Imams nahte (und signalisiert werden sollte). Ḥasan war jedenfalls mit Fragen der ismāʿīlitischen Lehre deutlich intensiver befasst als sein Vater und die nächste sensationelle Enthüllung sollte nicht lange auf sich warten lassen.

Zwar wurde der vierte Großmeister der Nizāriten noch 561 H. (1166) von seinem Schwager, der die neue qiyāma-Doktrin nicht akzeptierte, erdolcht, galt in der Folgezeit jedoch nicht länger nur als Stellvertreter des Imams: Unter seinem Sohn und Nachfolger Muḥammad II. wurde die Vorstellung durchgesetzt, dass Ḥasan II. tatsächlich selbst der verheißene Imam gewesen war und als solcher in direkter Linie von Nizār abstammte! Diese Verbindung sei geheim gehalten worden und bedeutete, dass von Alamūt aus nunmehr präsente Imame (in Konkurrenz zu den Fāṭimiden) geboten – eine Reihe, die sich (angeblich) bis heute fortsetzt: Das derzeitige Oberhaupt der Nizāriten – als deren 49. Imam – ist seit 1957 der IV. Aga-Khan. Der nach offizieller Zählung 24. Imam, Muḥammad III. (reg. 1166–1210!), war seinem Vater Ḥasan noch im Prägejahr unserer Münze des Monats nachgefolgt, weshalb diese möglicherweise bereits unter seiner Herrschaft geschlagen wurde. Denn auch Muḥammads Münzen nennen bemerkenswerterweise unverändert einzig Nizār! Die qiyāma der Nizāriten (es war im Übrigen nicht die erste) hat auf deren Münzprägung also keine erkennbare Auswirkung gehabt. Offenbar sah man keine Notwendigkeit, die neue Zeit auf dem Geld zu propagieren, und anscheinend betraf die Aufhebung der einst von Muḥammad verkündeten Gesetzesreligion nicht die auf den Münzen etablierte Symbolik (was ja auch für die sensationelle ismāʿīlitische Endzeit-Prägung gilt, die als MdM Febr. 2021 besprochen wurde). In Sachen Geld blieb es bei dem, was man gewohnt war, unabhängig davon, ob eine neue, finale Epoche angebrochen war, man sich nicht länger an die Vorschriften des Islams hielt und der Imam leibhaftig unter seinen Anhängern weilte. Zu einer wirklich radikalen Neuorientierung – einer, die sich auch klar auf den Münzen zeigt – sollte es erst im 13. Jh. unter Ḥasan III., dem sechsten Nizāriten-Herrscher von Alamūt, kommen. Dieser brach nicht nur mit der antinomistischen qiyāma-Lehre, sondern ging so weit, zum sunnitischen Islam zu konvertieren!

Sebastian Hanstein

MdM Juli 2023

 

July = vacation time: Summer, sun, and – for many essential – sea. How about Morocco's Atlantic coast or the island of Sicily this year? Our coin of this month knows both places. About 200 kilometers (as the crow flies) south from where it was minted is the tourist-popular port city of Agadir. Here, Dr. Mohamed El Hadri – the author of the following guest contribution – works as a professor of Islamic history and archeology at the Ibn Zohr University. He is a specialist for the Islamic coinage of the Maghreb including al-Andalus, and earned his PhD on Marīnid coins from the University Lyon 2. Accordingly, the coin he has chosen is significant for the history of one of the westernmost regions of the Islamic world and takes us back to the Late Middle Ages.

 

Safi or As(a)fī is one of the main towns on the Atlantic coast of modern day Morocco. The origin of this port city dates back to the medieval period. It is considered in Moroccan medieval chronicles, and particularly in the Marīnid ones, among the economically active centers during the Almohad (1130–1269) and Marīnid (1217–1465) periods. The latter dynasty, a tribe of Zanāta Berbers, overthrew the Almohad caliphs and succeeded to the heritage of their empire in Morocco, bringing the country a remarkable artistic and cultural efflorescence during the later 13th and the first two thirds of the 14th century. Concerning our knowledge of the coinage of Asfī, it was, until the few recent decades, limited to the issues (mainly the silver ones) dating to the beginnings of the late period of the ʿAlawids, the present-day ruling dynasty of the kingdom of Morocco. It is only with the Butera hoard, which was discovered before 1946 in southern Sicily and (thanks to Claus Pelling) since 1999 is preserved in the Research Center for Islamic Numismatics Tübingen, that it became possible to discuss and consider coin-issuing activity in the city of Asfī during the late medieval period. The Butera gold hoard (90 coins, first studied by Lutz Ilisch) is composed mainly of late Marīnid coins and a few contemporaneous issues. According to the relatively dated coins in the hoard, it can quite probably be attributed to the mid-fifteenth century and might have been deposited sometime around the beginnings of the fourth decade of the same century. It is important to note that the precise date of minting, that is the year, is not indicated on Marīnid and most contemporaneous coins of the Maghreb, which follow the Almohad pattern, and that the dating of such coins, gold and silver ones, is based mainly on the name of the ruler indicated in the legends.

Among the interesting and remarkable coins of the Butera hoard is a group of new and unrecorded gold coins of the mint of Asfī: one half dinar and six quarter dinars. Among the latter is our coin of this month, which weights 1.16 g, is 21 mm in diameter, and bears the following inscriptions: the three-line shahāda (barely visible) within the obverse field and around the double square naṣr min / Allāh / wa-fatḥ / qarīb, “victory from God and a near conquest” (Koran 61:13). The reverse field reads: ʿan amr ʿabd / Allāh Muḥammad / al-Masʿūd, and this legend can be translated as “at the command of the servant of God Muḥammad al-Masʿūd”. The reverse margin has the mint name: Asfī / ammanahā / Allāh / bi-mannihī, “Asfī, may God protect it by his grace!”

In addition to the clear mint name, which is unrecorded in the Marīnid list of mints (cf. Harry W. Hazard, The Numismatic History of Late Medieval North Africa, New York 1952), the other new and interesting information in the inscriptions on this coin type is the name of the authority that ordered its issuing: Muḥammad al-Masʿūd. This person is completely unknown, as far as I know, both in medieval and post-medieval chronicles. Although there is no such name in the official dynastic list of the Marīnid sultans, the style, the content and the arrangement of the inscriptions of this coin type are typically Marīnid (M. El Hadri, “Des monnaies inédites frappées à Safi à l’époque mérinide (Au nom de Mohammad al-Mas‘ūd)” in: BAM 22 (2012), pp. 481–484). The religious inscriptions on the coin, including the Koranic verse 13 of sura 61, are common on Marīnid gold coins, and we also note the use of the same executive phrase to introduce the name of the ruler that is characteristic of the Marīnids. Moreover, almost the same legends as on the Asfī coin can be found in the same order on gold issues (particularly of the mints of Sijilmāsa, Azemmour, and the capital Fez) of the Marīnid Abū Saʿīd ʿUthmān III (r. 1398–1420), whose coinage dominates the Butera hoard. Hence, it seems likely that the coin of the month was struck in the last years of the reign of ʿUthmān III or during the succession crisis that followed the assassination of this sultan. Already towards the end of the 14th century, the decline of the Marīnids had begun to be apparent, when the sultanate experienced a series of palace coups and tribal revolts placing princes on the throne only for short reigns. As for Muḥammad al-Masʿūd, who ordered the minting of the quarter dinar in Asfī, he can very probably be seen as an independent local governor of this important city and its territory. The strong representation of the coastal Asfī mint in the Butera hoard and the insular place where the coins were found might hint at a maritime gold trade.

 

MdM Juni 2023

 

Besser spät als nie … Für Juni hatte wieder Dr. Lutz Ilisch eine interessante Idee für unsere Münze des Monats angemeldet und der Uni Tübingen auch gleich das passende Stück aus seiner Sammlung zum Geschenk gemacht. Der Dinar zeugt von spannenden Ent- und Verwicklungen, welche noch gar nicht lange her sind und somit dem einen oder anderen noch in Erinnerung sein dürften. Gleichzeitig hängt an dem Stück unübersehbar eine ganz spezielle Geschichte, welche allgemein unbekannt ist und im Folgenden zumindest ansatzweise rekonstruiert werden soll.

 

Der 1. Juni 1973 kann als Ausgabedatum der folglich modernen Münze des Monats Juni 2023 gelten, mit der die Irakische Republik (unter Saddām Huṣains Vorgänger Aḥmad Ḥasan al-Bakr) den ersten Jahrestag der „Befreiung des Erdöls von den ausländischen Monopolen“ (ḏikrā taḥrīr an-nafṭ min al-iḥtikārāt al-aǧnabīya) feiern wollte. In dem halben Jahrhundert seither hat die Welt mit Staunen zugesehen, wie die Geschädigten jener Befreiung solchen Ungehorsam quittieren, sodass hier nicht weiter darauf einzugehen sein wird, was welcher Akteur verursacht hat und was Zuschreibung ist. Bei der geschichtsträchtigen Münze handelt es sich um eine sogenannte Sondermünze (Sammlermünze) der dritten Sondermünzausgabe, seit der Irak 1971 begonnen hatte, diese Möglichkeit regelmäßiger Geldschöpfung zu nutzen. Geprägt wurden silberne Dinare für den Sammlermarkt sowie Halb- und Viertelstücke (250 und 500 Fils) in Nickel, die auch tatsächlich umliefen.

Die Bildseite zeigt unter christlicher und Hidschra-Datierung (1393) des Ausgabejahres das Tankschiff „Kirkūk“, das nach dem heute von der Türkei beanspruchten Ölförderort im Norden des Iraks benannt worden war. Hinter dem Schiff verheißen die Strahlen der aufgehenden Sonne den Aufbruch in eine neue Zeit. Dass sich darin in deutscher Sprache das warnende Wort FALSCH eingeprägt findet, gehört nicht zur ursprünglichen Prägung, ist aber annähernd so alt wie die Münze selbst und ein wichtiger Teil der hier zu vermeldenden Geschichte. Die Rückseite nennt in einem Kreis die Nominalbezeichnung 1 Dīnār, darüber den Staatsnamen (al-Ǧumhūrīya al-ʿIrāqīya), darunter das Datum (1. Ḥazīrān 1972) und den Prägeanlass in der eingangs bezeichneten Form. Auch diese Seite zeigt in der Mitte die (gleichzeitig zweiseitige) Einprägung FALSCH. Auf den zusammen mit dem Dinar ausgegebenen Teilstücken ist einen Bohrturm mit Förderanlage (250 Fils) zu sehen bzw. nur eine Förderanlage (500 Fils).

Die Gründung der OPEC, die Annäherung arabischer Staaten an die Sowjetunion und die Verstaatlichung der Ölförderrechte in mehreren Ländern bedeuteten eine Verschiebung der globalen Machtverhältnisse. In Zusammenhang mit dem Jom-Kippur-Krieg im Oktober 1973 wurde die erste Ölkrise ausgelöst. Von der Drosselung der arabischen Ölfördermengen war damals insbesondere Westdeutschland betroffen, wo man Ende November/Anfang Dezember 1973 mit Sonntagsfahrverboten und Geschwindigkeitsbeschränkungen reagierte. Die Reaktionen in der Bevölkerung waren ambivalent: Aufmüpfige Studenten begannen die Kufija („Palästinensertuch“) zu tragen, während im rheinischen Karneval der „Ölscheich“ als Verkleidung die bis dahin wertfreien Cowboys und Indianer verdrängte.

Wie kam es nun aber zu dem allein schon in technischer Hinsicht ungewöhnlichen FALSCH-Stempel? Die Münze selbst, welche der Verfasser etwa fünf Jahre nach ihrer Prägung von dem Münzhändler Thomas Heyl, damals Mitinhaber der Münzhandlung Dombrowski in Münster, geschenkt erhielt, erweckt keinen Verdacht einer Fälschung. Das Gewicht von 30,87 g entspricht hinreichend dem Normgewicht von 31,00 g, und der Feingehalt nach Röntgenfluoreszenz-Oberflächenmessung (Dank hierfür an die Münzgalerie München) beträgt 625/1000, was bei nicht umgelaufenen und vor der Prägung weißgesottenen Schrötlingen durchaus mit dem offiziellen Feingehalt von 500/1000 im Innern der Münze harmoniert. Die Erinnerung des Verfassers an die von Thomas Heyl gegebenen Informationen lassen sich heute folgendermaßen zusammenfassen:

Dieser Dinar gehört zu mehreren Hundert solcher Stücke, die zusammen mit einer gleichzeitigen ägyptischen Sondermünzausgabe in hoher Stückzahl von einem – deutsche Großhändler beliefernden – arabischen Händler verkauft wurden. Die deutsche Polizei observierte diesen Handel und beschlagnahmte die an deutsche Händler verkaufte Ware. Die konfiszierten Münzen wurden dann allesamt in Frankfurt dem damals von Joachim Weschke für die Deutsche Bundesbank eingerichteten Erkennungslabor für Falschmünzen vorgelegt und dort nach den damals üblichen Methoden mit Stücken aus anderer Quelle verglichen. Das Resultat war, dass es sich um Fälschungen handeln solle, weshalb die Stücke umgehend mit dem zweiseitigen Stempel FALSCH beprägt wurden. Als Fälschungen blieben sie eingezogen und es entspann sich ein Rechtsstreit zwischen den Ermittlungsbehörden, den deutschen Münzhändlern und dem arabischen Händler. Letzterer brachte in diesem Streit ein Gutachten der Staatlichen Münzstätte Ägyptens bei, in dem die Echtheit und korrekte Herkunft aus ebendieser Münzstätte bestätigt wurde. Das hatte dann wohl den Abbruch des Ermittlungs- oder Rechtsverfahrens zur Folge und die von der Bundesbank gestempelten Münzen mussten den deutschen Grossisten wieder ausgehändigt werden. Soweit die 1978 gegebenen Hintergrundinformationen.

Bei den gleichzeitig verhandelten ägyptischen Pfund-Stücken (arab. Gineh) dürfte es ich um die Sondermünzen zur Fertigstellung des Assuan-Staudamms gehandelt haben, welche einen Feingehalt von 720/1000 hatten, also erheblich besser waren als die irakischen Dinare von 1973, was erklärt, warum diese bald nach ihrer Rückgabe an die Münzhändler Heyl (damals noch selbständig in Bielefeld) und Dombrowski eingeschmolzen wurden. Von den irakischen Sondermünzen gab es 1978, nach der Fusion der beiden Münzhandlungen, noch etwa 100–200 Stücke, die der Verfasser selbst gesehen hat. Wie er wenige Jahre später erfuhr, sollen auch diese dann Ende 1979 in der berühmten Silberspekulation der Brüder Hunt im Schmelztiegel gelandet sein. Auf dem Höhepunkt dieser Spekulation zu Beginn des Jahres 1980 hätte ein solcher Dinar mit 15,5 g Feinsilber 45 DM erzielen können, und damit deutlich mehr als jemals zuvor im Münzhandel.

Da einige der deutschen Münzhändler zu beruflich notwendigen Vergleichszwecken systematische Sammlungen von Fälschungen unterhalten, scheint es durchaus möglich, dass sich außer der Münze des Monats noch weitere Exemplare mit falschen Bundesbankstempeln erhalten haben. In der Tat ist zu fragen, ob die Expertise der Deutschen Bundesbank zu einem korrekten oder eher falschen Ergebnis gekommen war, wie es offenbar von den staatlichen Ermittlern angenommen wurde. Eine simple Erklärung für ein Fehlurteil bei der Echtheitsbegutachtung könnte sein, dass die erste Dinar-Sondermünzausgabe von 1971 noch einen Feingehalt von 900/1000 aufgewiesen hatte und die Nachricht von einer Feingehaltsreduktion im Jahr 1972 auf 500/1000 im Folgejahr noch nicht in Frankfurt angekommen war. Thomas Heyl deutete allerdings 1978 als private Meinung an, dass das Ermittlungsinteresse der deutschen Polizeibehörden vor dem Hintergrund einer allgemeinen Araberfeindlichkeit nach dem 1972 von Palästinensern verübten Münchner Olympia-Attentat zu sehen und es also nicht wirklich um die Ausschaltung von Fälschungen gegangen sei.

In der Münzgeschichte ist das Aus-dem-Verkehr-Ziehen von Münzen jedweder Herkunft aus politischen, religiösen oder wirtschaftlichen Gründen jedenfalls ein wiederkehrendes Thema – mal kann das Vorgehen als berechtigt gelten, mal als willkürlich. Um eine genaue Einordnung des Falls der Arretierung und Wiederaushändigung der ägyptischen und irakischen Sondermünzen von 1973 vornehmen zu können, fehlen allerdings noch genauere Daten, welche über den hier wiedergegebenen mündlichen Bericht hinausgehen, und es bietet sich ein weites Feld für das Ermittlungshandwerk einer historischen Auxiliarwissenschaft.

 

MdM Mai 2023

Liebe Leserschaft! Leider wurde der zugesagte MdM-Gastbeitrag für Mai bis jetzt nicht geliefert; vielleicht kann die entstandene Lücke später noch gefüllt werden.

Alternativ: https://www.uni-muenster.de/Numismatik/muenzedesmonats/archiv_2023/05.html

MdM April 2023

 

Zu den ältesten christlichen Ländern gehört, neben Armenien, wohin uns die MdM zu Ostern im April 2021 führte, Äthiopien (Abessinien). Während wir in Europa derzeit selbst ein Dürre-Problem haben – vor allem Frankreich und Italien leiden darunter (wiewohl gerade erst einmal Frühling ist) –, sind am Horn von Afrika bereits mehrere Regenzeiten hintereinander so gut wie ausgefallen und auch die Prognose für 2023 ist nicht gut. In Äthiopien und dem südlichen Sudan dauert die Trockenzeit eigentlich bis März, woraufhin der April als ein erster Regenmonat folgt. Die enormen Niederschlagsmengen, die der Monsun dem äthiopischen Hochland dann im Sommer normalerweise bringt, fließen zunächst insbesondere in den Blauen Nil, an dem Äthiopien nun schon seit April 2011 eine gewaltige Talsperre errichtet. Der Sudan und Ägypten sehen durch den „Grand Ethiopian Renaissance Dam“ ihre Wasserversorgung massiv in Gefahr und machen im diplomatischen Streit mit Äthiopien gegen das Projekt mobil, zuletzt erst wieder vor einigen Tagen auf der Wasserkonferenz der Vereinten Nationen.

Bekanntlich war die jährliche Nilschwemme (gemessen mittels Nilometern) für Ägypten einst von schicksalsentscheidender Bedeutung; ihr Ungenügen hatte verheerende Folgen, so wie etwa in den 960er Jahren, als unsere Münze des Monats in al-Fusṭāṭ („Alt-Kairo“, auf dem 3,9 g schweren Dinar steht wie üblich der Landesname Miṣr) geprägt wurde. Der Mann, der Ägypten damals durchaus mit Geschick regierte, stammte beachtenswerterweise aus der derselben Region, aus der auch die Nilflut zu kommen pflegte: aus Abessinien oder zumindest Nubien. Von dort war er um das Jahr 922 etwa zehnjährig als kastrierter Sklave nach Ägypten verbracht worden, wo er zunächst Ölhändlern sowie einem Sekretär diente. Während dieser Jahre soll er einmal einen Astrologen aufgesucht und die Weissagung erhalten haben, noch in den Dienst eines wirklich großen Mannes aufzusteigen und davon sehr zu profitieren. Als der schwarze Eunuch daraufhin nur 2 Dirham bezahlte (die alles waren, was er hatte), kommentierte der Wahrsager dies mit den Worten: „Ich teile dir etwas so Erfreuliches mit und du speist mich mit 2 Dirham ab? So lass mich ergänzen: Du wirst es sogar selbst zum Herrn über dieses Land und mehr bringen – erinnere dich an mich!“

An dieser Stelle ein kleines Experiment. Aktuell ist ja ChatGPT von OpenAI in aller Munde. Der Chatbot verarbeitet Texteingaben mithilfe künstlicher Intelligenz, sodass sich damit (fast) wie mit einer realen Person Unterhaltungen führen und dem Programm alle möglichen Fragen oder Aufgaben stellen lassen. Auf Knopfdruck erhält man zum Beispiel Aufsätze, Gedichte oder Quellcodes – und das durchaus sprachlich korrekt, auf Wunsch sogar in einem bestimmten Stil. Für die Bearbeitung greift ChatGPT auf Milliarden von Datensätze aus dem Internet zurück und setzt diese eigenständig in einen passenden Kontext. Die Ergebnisse vermögen in der Tat zu beeindrucken; die Folgen sind, im Positiven wie im Negativen, erst ansatzweise absehbar. Doch wo genau stößt zumindest die aktuell frei zugängliche Version noch an Grenzen? Was weiß ChatGPT etwa über islamische Münzen? Nun, allgemeine Auskünfte kann die KI geben und auch einige spezielle Aussagen sind nicht falsch. Vorausgesetzt werden muss natürlich publiziertes Wissen und so ließ sich etwa auf eine halbwegs korrekte Beantwortung folgender Testfrage hoffen: „Warum steht auf manchen Münzen der Ikhshididen-Dynastie der einzelne arabische Buchstabe kaf?“. Antwort ChatGPT: „Auf manchen Münzen der Ikhshididen-Dynastie ist der Buchstabe kaf zu sehen. Es wird angenommen, dass dieser Buchstabe eine Abkürzung für den Namen des Kalifen al-Mu'izz li-Din Allah war, der zu dieser Zeit herrschte. Die Verwendung von Abkürzungen auf Münzen war eine gängige Praxis in der islamischen Welt, um Platz auf den begrenzten Flächen der Münzen zu sparen. Durch die Verwendung von Abkürzungen konnte die Inschrift auf der Münze verkürzt und dennoch die notwendigen Informationen vermittelt werden. Der Buchstabe kaf wurde als Abkürzung für den Namen des Kalifen verwendet, da er in arabischen Schriften ein häufig vorkommender Buchstabe ist und leicht auf Münzen eingeprägt werden konnte. Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Verwendung von Buchstaben oder Symbolen auf Münzen zu dieser Zeit oft eine religiöse Bedeutung hatte. Der Buchstabe kaf wird im Islam als einer der 28 Buchstaben des arabischen Alphabets betrachtet, die am Anfang einiger Kapitel des Korans vorkommen. Aufgrund dieser religiösen Bedeutung kann die Verwendung des Buchstabens kaf auf Münzen der Ikhshididen-Dynastie als Zeichen der Unterstützung für den Islam und die religiöse Identität der Dynastie interpretiert werden.“ Hierauf wollte ich von der KI wissen, welche anderen Besonderheiten Münzen der Ikhshididen aufweisen. Antwort ChatGPT: „Münzen der Ikhshididen-Dynastie weisen einige Besonderheiten auf, die sie von anderen islamischen Münzen ihrer Zeit unterscheiden: 1.) Zweisprachige Inschriften: Die meisten Münzen der Ikhshididen tragen Inschriften in zwei Sprachen: Arabisch und Persisch. Dies spiegelt die kulturelle und sprachliche Vielfalt der Ikhshididen wider, die in einer Region herrschten, in der sowohl Arabisch als auch Persisch gesprochen wurden. 2.) Verwendung von Tiermotiven: Einige Münzen der Ikhshididen zeigen Tiermotive wie Löwen, Panther und Vögel. Diese Motive spiegeln die künstlerischen Einflüsse der Ikhshididen wider, die in einer Region herrschten, in der Kunst und Kultur aus Persien, Byzanz und anderen Regionen zusammenkamen. 3.) Verwendung von verschiedenen Metallen: Die Ikhshididen prägten Münzen aus verschiedenen Metallen wie Gold, Silber, Kupfer und Bronze. Dies spiegelt ihre wirtschaftliche Macht und Kontrolle über verschiedene Ressourcen wider. 4.) Detaillierte Inschriften: Die Inschriften sind oft sehr detailliert und enthalten Informationen über den Herrscher, seinen Titel und seine Regierungszeit. Diese Inschriften spiegeln die Bedeutung von Münzen als Medium zur Verbreitung von politischen Botschaften wider.“ Letzte Frage: „Welche Inschriften trägt eine islamische Goldmünze, die in den 960er Jahren vor der Machtübernahme der Fatimiden in Ägypten geprägt wurde?“ ChatGPT: „Die Münze weist auf der Vorderseite eine Inschrift in Quadratschrift auf, die den Namen und Titel des damaligen Herrschers von Ägypten zeigt. Auf der Rückseite der Münze ist eine Kufi-Inschrift zu sehen, die den islamischen Glauben und die religiöse Identität des damaligen Herrschers darstellt.“ Soso. Dass das meiste davon Unfug bzw. Blabla ist, versteht sich unkommentiert und je nachdem, wie hartnäckig man (nach)fragt, desto abstruser fallen die Antworten aus (wie weitere Versuche zeigten). Auch für eine einfache studentische Hausarbeit reicht das gewiss nicht.

Tatsächlich findet sich im Av.-Feld unseres Dinars der Name des letzten Iḫšīdiden-Herrschers von Ägypten: Unter den drei šahāda-Zeilen steht ʿAlī b. al-iḫšīd. Im Rev.-Feld ist unter der erweiterten Propheten-Eulogie (wohl nach ḥamdānidischem Vorbild mit Schia-Tendenz, s. MdM Mai 2019) der ʿAbbāsidenkalif al-Muṭīʿ li-llāh genannt. So wie letzterer ganz unter būyidischer Kontrolle stand, war auch der Iḫšīdide Abu l-Ḥasan ʿAlī weitestgehend von der Macht ausgeschlossen. Auf den Thron gesetzt hatte ihn 961 (349 H.) sein Erzieher, jener schwarze Eunuch, welcher – einst für 18 Dinare an Muḥammad b. Ṭuġǧ, den Begründer der Iḫšīdiden-Dynastie, weiterverkauft – wahrhaftig eine beeindruckende Karriere gemacht und nach dem Tod seines Herrn, des iḫšīd, 946 (334 H.) für dessen jungen Sohn die Regierungsführung übernommen hatte: al-ustāḏ („Meister“) Abu l-Misk Kāfūr (kāfūr = „Kampfer“, misk = „Moschus“). Über die Jahre konnte der ehemalige Sklave seine Position als De-facto-Herrscher festigen und so gilt in der Numismatik schon lange als ausgemacht, dass es sich bei dem isolierten Buchstaben kāf – welcher ab 346 H. (957) auf allen Iḫšīdiden-Dinaren und -Dirhams (zunächst der Münzstätten Miṣr und Filasṭīn) begegnet – um eine Abkürzung des Namens Kāfūr handelt (J. Bacharach, Islamic History through Coins, Kairo 2006, S. 68 ff.). Der Punkt ist dabei wohlgemerkt der, dass es sich nicht nur um eine Initiale handelt, sondern der arabische Name des Buchstabens fast dem des Eunuchen entspricht. Auch wenn solche Einzelbuchstaben als Münzzeichen wohl zumeist andere, technisch-bürokratische Funktionen hatten, d.h. sich eher nicht auf Herrscher bezogen, war in diesem Fall anscheinend doch ein möglichst dezenter, verhaltener Verweis auf den eigentlichen Machthaber intendiert (oder hatte Kāfūr gar im Besonderen eine Zuständigkeit für die Münzstätten inne?). Das kāf tritt ja zunächst auch nur ergänzend zur regulären Iḫšīdiden-Nennung hinzu und ersetzt diese nicht etwa. Allerdings sollte es keiner der Nachkommen des iḫšīd schaffen, sich von dem bald übermächtigen Regenten zu emanzipieren. ʿAlī bekam von Kāfūr lediglich 400 000 Dinar p.a. zugewiesen und starb (mit etwa 28 Jahren) schon 966 (355 H.), woraufhin der Eunuch schließlich mit Genehmigung vom Bagdader Kalifat auch ganz offiziell die statthalterliche Alleinherrschaft über Ägypten und Syrien übernahm. Spätestens von da an wurde er regulär in der Freitagspredigt genannt, und zwar anstelle eines Iḫšīdiden (zuvor, ab 340 H.?, womöglich schon zusätzlich zu einem solchen, so wie ja in Bagdad die Nennung des ersten Oberemirs Ibn Rāʾiq eingeführt worden war). Hiermit ging aber offenbar nicht die Gewährung des eng verwandten Rechts einher, ebenso auf den Münzen als Herrscher aufgeführt zu werden, denn es blieb interessanterweise auch nach 355 H. bei der zurückhaltenden Andeutung einer Verantwortlichkeit in Form des Anfangsbuchstabens kāf. Letzterer konnte anscheinend nicht als vollwertige Nennung gelten; strenggenommen, wurden die Münzen aus Kāfūrs späten Jahren also nur im Namen des machtlosen Kalifen al-Muṭīʿ geprägt.

Zu sehen ist das berühmte kāf (ڪ) unten im Av.-Feld; die innere Av.-Umschrift enthält in unserem Fall (Bacharach, Typ 94) das Prägejahr 353 H. (964). Wie gesagt, steckten Ägypten und die davon abhängigen Länder damals in einer schlimmen Hungersnot und entsprechenden Unruhen, nachdem die Nilschwemme abermals nicht die nötige Höhe erreicht hatte. Was trotzdem wuchs, wurde von heißen Winden und Heuschrecken vernichtet; auch eine Rattenplage und Seuchen ließen nicht lange auf sich warten. Die Preise für Lebensmittel explodierten, bis beispielsweise ein Huhn einen Dinar und ein Ei einen Dirham kostete. Als man unsere feingoldene Münze des Monats zu al-Fusṭāṭ prägte, fielen Teile Oberägyptens zudem an das benachbarte Goldland Nubien; den Truppen des christlichen Königs von Makuria gelang es sogar, bis Aḫmīm vorzustoßen. Wenig später kam es im Zuge des Hungers zu schweren antichristlichen Ausschreitungen in Jerusalem, bei denen die Grabeskirche geplündert und niedergebrannt wurde. Kurzum: Die Lage war katastrophal, auch wenn Kāfūr das Land weiterhin zusammenhielt. Unter den Hunderttausenden, die damals starben, hinterließen manche natürlich verborgene Vermögen. Da traf es sich, dass Kāfūr einen Juden namens Yaʿqūb b. Killis in seinen Dienst nahm, welcher über mehrere solcher Schätze Informationen erhielt. So sicherte Ibn Killis seinem Herrn unter anderem 30 000 Dinare, welche im Haus eines Verstorben in ar-Ramla aus dem Boden zu holen waren, sowie 20 000 Dinare, die ein Jude in Pelusium vor seinem Tod in Flachsballen versteckt hatte. Eine Zeit für Schatzsucher also. Interessanterweise hatte schon der iḫšīd, also Muḥammad b. Ṭuġǧ, den Menschen einmal großzügig die Erlaubnis erteilt, gezielt nach Schätzen zu graben, und zwar solchen aus alter Zeit, auf die sie Hinweise in Manuskripten gefunden zu haben glaubten. Was man statt des erhofften Goldes fand, waren „Gewölbe voller Statuen aus Knochen und Staub“ – also ganz offenbar altägyptische Mumien! Begräbnisort aller Iḫšīdiden war das heilige Jerusalem und ebenda fand auch Meister Kāfūr seine letzte Ruhe, nachdem er im April 968 (357 H.), bald nach Ostern, verstorben war. (Für den Fāṭimiden al-Muʿizz – auf den sich das kāf der Münzen laut ChatGBT beziehen soll – war damit der, wie es hieß, mächtige „schwarze Stein“ zwischen ihm und Ägypten endlich aus dem Weg; das Nilland wurde im Folgejahr erobert, Ibn Killis später Wesir der Fāṭimiden.)

Sebastian Hanstein

MdM März 2023

 

March is named for the Roman god of war – it was this month in which the warfare season began after campaigns had been interrupted by winter. Since antiquity, the “warlike” people of Gīlān had been mentioned as mercenaries, but their home country could never be incorporated into one the successive neighboring empires: Neither was it conquered by the Sāsānids and the Arabs nor succeeded dynasties like the Būyids or Seljuqs in imposing their foreign rule and a regular taxation. Instead, the Gilites resisted imperialist annexation attempts, fiercely maintaining their independence (and own character). Even the Russian occupation of Gīlān remained an episode – after some years, the tsar had to negotiate treaties and return all Iranian provinces (18th cent.) … The coin of this month, however, dates from a much earlier period in the history of Gīlān and was chosen by Dr. Aram Vardanyan from the Mesrop Mashtots Institute of Ancient Manuscripts in Yerevan. He has just published a catalogue of coins from the “Holy Land” in the Jeselsohn collection, but in his following guest contribution, he once more approaches the history of a place close to Transcaucasia.

 

Hawsam (today: Rūdsar) – where the coin of this month comes from – was a city in the region of Gīlān lying in the open land between the Caspian Sea and the Alborz mountains of Northern Iran. The penetration of Islam into this area took place in the 9th century thanks to the Zaydī ʿAlids. Since then, Hawsam had been among the most important strongholds for the ʿAlid movement which opposed the power of the ʿAbbāsid caliphate. According to literary sources, Hawsam had a Friday mosque and a market; it also played an important role as a religious centre where the seat of the contemporary ʿAlid dāʿī (“missionary”) was located. Unfortunately, the history of Hawsam in the 10th century is full of chronological lacunas, and the Būyid period is not an exception in this regard. During the Sāmānid-Būyid struggle for the Jibāl province and Ṭabaristān, Hawsam was controlled by either ʿAlids or local dynasties that acted in the region on behalf of the Būyids. Muʿizz al-Dawla, the Būyid lord of Iraq (r. 945–67), built a palace in Hawsam, and in the last quarter of the 10th century Fakhr al-Dawla, the Būyid king of Rayy, found shelter in the walls of this palace after an unsuccessful attempt to stand out against his brother ʿAḍud al-Dawla in 369 AH (979/80), which caused him to flee to his ally, the Ziyārid Qābūs ibn Wushmgīr (r. 977–81, 997–1012) in Hawsam.

The Ziyārid dynasty was founded by Mardāwīj ibn Ziyār (r. 931–35) who descended from the royal clan of Gīlān. Taking advantage of the rebellion that broke out in the Sāmānid state in the days of Naṣr II (r. 914–43), Mardāwīj could easily establish his control over large parts of the Jibāl province including Iṣfahān and Hamadān. After the death of Mardāwīj the power in the state passed to his brother Wushmgīr under whom the Ziyārid possessions shrank considerably in favor of both the Būyids and the Sāmānids. By accepting the latter as overlords, Wushmgīr managed to rule peacefully for a couple of decades, but the realities of the permanent Sāmānid-Būyid struggles forced Wushmgīr’s sons to make their new choice for the Būyids who gradually ousted the Sāmānids from Western and Northern Iran. Wushmgīr died while hunting in 967 leaving three sons: The eldest was Bīsutūn who inherited the power from his father and ruled for a decade (967–78). The above-mentioned Qābūs, the second son, had initially fought Bīsutūn for power, but managed to assume it only after the death of the latter. Langar was the third son and seems to have never ruled in his father’s domains, but became prominent due to a brief occupation of Hawsam (and maybe entire Gīlān)…

Coins in the name of Ziyārid rulers were struck in Jibāl, Gīlān, Ṭabaristān and Jurjān with serious chronological gaps that can be explained by the frequent changes of political climate in the region and the unstable status which the Ziyārid dynasty enjoyed in the area. Mardāwīj exclusively struck gold dinars in the cities of Māh al-Baṣra (see MdM Jan. 2021!), Karaj, Qum and Hamadān in early 320s AH. From Wushmgīr, who had to maneuver between the Sāmānids and Būyids and often acknowledged one of these two as his overlords, only scarce silver dirhams from the city of Rayy have survived. His successors Bīsutūn and Qābūs did also have some limited emissions of dinars, however the main bulk of their coins was yet produced in silver. Bīsutūn’s coinage was concentrated in the largest cities of Ṭabaristān and Jurjān (Āmul, Astarābād, Jurjān, Sārīya) as well as in Hawsam in Gīlān and spanned a short period of time from 357 to 368 AH. In this period, the Ziyārids put themselves in opposition to the Sāmānids and thus made an alliance with the Būyids, which explains the appearance of the contemporary Būyid lord Rukn al-Dawla (d. 976) on Ziyārid dirhams. Oddly enough, it has been observed that around 360 AH (970) Bīsutūn replaced on coins his own name with the name of his deceased father (S. Album, Checklist, 3rd ed., p. 172). At any rate, Ziyārid dirhams of this interesting period are frequently found, as whole pieces and in fragments, in coin hoards buried in Scandinavia, Eastern Europe and the Volga River basin. Based on topographic data one can assume that such coins were transported in huge quantities.

The numismatic history of Hawsam is rather obscure. No coins of this mint have been recorded so far for the first three centuries of Islam. From 335 and then the years of 341–45 AH (952–56) silver dirhams of Hawsam quoting the Zaydī ʿAlids Abū al-Faḍl Jaʿfar ibn Muḥammad (al-Thāʾir fī Allāh) and his son al-Mahdī are known (Vardanyan, “Zaydī ʿAlids in the Northern Jibāl, Gīlān and Khurāsān”, NC 170, nos. 15–18). ʿAlids struck coins in Hawsam in later periods too. For instance, a handful of gold fractional dinars with the date 400 AH (1009/10) and presumably struck in the days of the dāʿī Abū al-Ḥusayn al-Muʾayyad came to light a few years ago (CNG Triton auction XIX, lot 714). With the weight of around one gram these anonymous coins are interesting due to their unusual design as well as the Shiite shahāda addition and the Quranic sūrat al-ikhlāṣ. In the meantime, coins were also minted at Hawsam in the name of Ziyārid and Būyid rulers: Predating the relatively well-known issues of 364 and 366 AH that were struck as a consequence of the Ziyārid subordination to the Būyids, our coin of the month is so far the earliest Ziyārid coin known for the city. It is a unique silver dirham struck in the name of (last two lines of the rev. field:) Langar / ibn Wushmgīr (see above) in the year 351 AH (962/63). Taking into account that the text on the coin mentions neither the ʿAbbāsid caliph al-Muṭīʿ nor any Būyid – a characteristic feature for Ziyārid coinage struck elsewhere –, this could be an argument for Langar’s thoroughly independent rule in Gīlān on one side and his acceptance of local Zaydī traditions on the other side. At the same time, the crude style of the inscriptions may speak in favor of the idea that die cutters were either unfamiliar with Arabic calligraphy or had to prepare the dies in a hurry.

This rare dirham (3,6 g) is an important document for the obscure and turbulent developments that took place in Hawsam in the early 350s AH, and can as such be combined with another source in order to reconstruct the history of Gīlān during these years: a fragment from the Kitāb al-Tājī composed by the Sabian master stylist of epistolary prose and secretary at the caliphal and then Būyid courts in Baghdad Abū Isḥāq Ibrāhīm ibn Hilāl (d. 994). Particularly, it provides not only valuable evidence on the ʿAlids that ruled Hawsam in this turbulent period, but also some fragmentary information on the career of the otherwise obscure Ziyārid ruler Langar ibn Wushmgīr. Based on this work and the available coins one can assume that in the 340s AH Gīlān belonged to al-Thāʾir (and his son al-Mahdī). From here, the ʿAlid repeatedly tried to get possession of the city of Āmul, sometimes in alliance with the Būyids, sometimes in alliance with Wushmgīr (who held one of his sons as hostage). At some point, Langar (in the service of his father?) started to attack the ʿAlids and continued so after al-Thāʾir’s death in Hawsam in 350 AH (961), until he took prisoner al-Thā’ir’s son Abū al-Qāsim al-Ḥusayn and partially blinded him. Now, the power in Hawsam passed briefly to Langar until he was killed in battle by a new ʿAlid pretender to power in Gīlān named Abū Muḥammad al-Ḥasan ibn Muḥammad ibn Aḥmad al-Nāṣir (W. Madelung, “Abū Isḥāq al-Ṣābī on the Alids of Ṭabaristān and Gīlān”, JNES 26/1 (1967), pp. 46–47). Langar lost his life around (or in) 352 AH as the news of his death reached Baghdad in 353 AH (964). His rival Abū Muḥammad al-Ḥasan, had initially managed to secure the power in Gīlān for himself, but very soon he was driven out of Hawsam by another son of al-Thāʾir known as Amīrkā, who received support from Bīsutūn. With Ziyārid support, Amīrkā soon got rid of his main opponent and could set up himself in Hawsam, but very quickly turned the local nobility against him. As a result, the Daylamite king Manādhir ibn Justān wrote to Baghdād inviting yet another ʿAlid to come to Gīlān and to bring the affairs in Hawsam in order (Madelung, op. cit., p. 47). The reaction was not long in coming since we know gold dinars citing the invited ʿAlid (NBJ auction 3, lot 414), all apparently struck in Hawsam and dated 357 AH (968). Numismatics confirm: Gīlān played by its own rules.

 

MdM Februar 2023

 

Bleiben wir ruhig noch etwas in Zentralasien! Zu den Lehrveranstaltungen an der Abteilung für Orient- und Islamwissenschaft, welche diesen Monat zu Ende gehen, gehört nämlich eine Übung speziell zu sāmānidischen und qaraḫanidischen fulūs aus einem Bestand, welcher der FINT erst vor ein paar Jahren von Hans Herrli zum Geschenk gemacht wurde. Im Laufe des Wintersemesters galt es, wenigstens einen Teil der zahlreichen Kupferprägungen zunächst aus Plastikfolien zu befreien, dazu Zettelchen mit Grunddaten anzufertigen und eine erste Bestimmung als Vorbereitung der finalen Inventarisierung und Einordnung in die Tübinger Sammlungssystematik vorzunehmen. Wie sich schnell zeigte, wird die Uni-Sammlung durch die Neuzugänge an mehreren Stellen signifikant verbessert; nicht wenige Exemplare sind von einiger Seltenheit und werfen interessante Forschungsfragen auf. Die Herrschaft der iranischen Sāmāniden-Dynastie ist dabei in ihren ganz frühen wie in ihren späten Jahren dokumentiert und auch die Vielfalt sowie Qualität der (zahlenmäßig etwas schwächer vertretenen) fulūs, welche unter den Qaraḫaniden geschlagen wurden, ist durchaus erfreulich. Solche Münzen, manche mit bildlichen Darstellungen, faszinieren bekanntlich nicht zuletzt dadurch, dass sie den türkischen Charakter der Qaraḫaniden-Herrschaft in Form der einen oder anderen Besonderheit erkennen lassen, man es also auch verstärkt mit türkischem Vokabular zu tun hat. Die Münze des Monats, ein 3 g schwerer fals, den uns Herr Herrli 2019 zukommen ließ, ist da keine Ausnahme: Im Av.-Feld prangt – unterhalb eines Mondschiffchens mit der Devise li-llāh an Bord – der Titel oder, besser gesagt, Ehrenname, Arslān-Ḫān (mit dem Loch zwischen den lām-alif-Armen), woraufhin in der folgenden Zeile Aḥmad ibn al-Ḥasan zu lesen ist. Dies dürfte der Name des Münzherrn sein, doch ergibt sich direkt die Frage, ob hier ein qaraḫanidischer Herrscher (Aḥmad als Arslan-Ḫan) genannt ist oder zwei Personen (Aḥmad und Arslan-Ḫan).

Bekannt ist, dass der totemistische Ehrenname „Löwen-Ḫan“ traditionell dem (oder einem der) obersten Herrscher des – in seiner Ost- wie in seiner Westhälfte (Doppelkönigtum) mehrere Ränge kennenden – Qaraḫaniden-Reiches gebührte, einem Großḫan (Ḫaqan) also. Von Münzen – unserer Hauptquelle zu den Qaraḫaniden! – ist nun aber kein Großḫan Aḥmad ibn al-Ḥasan bekannt; vielmehr hatte diese Stellung im Prägejahr des fals, 413 H. (s. Rev.-Umschrift), Manṣūr ibn ʿAlī inne. Es muss sich demnach um zwei Personen handeln. Um Aḥmad zu identifizieren, bietet es sich an, dem nasab, also dem Patronym „Sohn des Ḥasan“ Aufmerksamkeit zu schenken. Die qaraḫanidische Dynastie umfasste nämlich zwei Zweige: den der ʿAliden und den der Ḥasaniden. Die Großḫane des späten 10. und frühen 11. Jh. waren ʿAliden wie auch jener (untergeordnete) Qaraḫanide einer war, der den Sāmāniden 999 endgültig Transoxanien entriss. Die Anzahl und Macht der Ḥasaniden (deren Herrschaft unter den ʿAliden in Kāšġar, also Ostturkestan, zentriert war) nahm allerdings zu, wobei es insbesondere ʿAlī ibn al-Ḥasan zu einiger Prominenz brachte. Dieser entkam zunächst aus seiner Gefangenschaft beim (ʿalidischen) Großḫan, ging ein Bündnis mit den Selǧuqen ein und eroberte im Jahre 411 H. unter anderem Buḫārā. Indem er sich im Westen (wie Münzen belegen) ein eigenes Herrschaftsgebiet sicherte, ging er insbesondere gegen den Bruder des Großḫans vor, welcher das Gebiet als untergeordneter Fürst mit dem Titel Ileg hielt und Muḥammad ibn ʿAlī hieß. Davon dass sich der Ileg (bzw. dessen Sohn) nicht in der Lage sah, ʿAlī zu besiegen, konnten offenbar noch andere Ḥasaniden profitierten, jedenfalls ergibt sich an dieser Stelle der Schluss, dass jener Aḥmad ibn al-Ḥasan, unter dem 413 H. unsere Münze des Monats geschlagen wurde, ebenso ein Bruder ʿAlīs war wie Muḥammad ibn al-Ḥasan, der wohl 412 H. in Samarqand prägen ließ. Hinzuzuzählen ließe sich auch al-Ḥusain ibn al-Ḥasan, bekannt von Münzen aus Īlāq, doch war es nun eben in erster Linie das eigentliche Transoxanien (Suġd), welches von Ḥasaniden übernommen wurde. Als Prägeort unserer Münze des Monats ist (in der Rev.-Umschrift) nämlich al-Kušānī angeben, eine Stadt (nördlich von Samarqand), von der es in den Ḥudūd al-ʿālam (einem geographischen Werk des 10. Jh.) heißt, sie sei „die florierendste in Sogdien“ (Yāqūt s. v. Kušāniya im 13. Jh.: „das Herz der Städte Sogdiens“)!

Nun kann man auf die Idee kommen, dass Aḥmad seinem Bruder ʿAlī unterstand und dieser den Ehrennamen Arslan-Ḫan beanspruchte, immerhin war die bestehende Reichsordnung ja durch ʿAlīs „Rebellion“ gestört worden. In Albums Checklist (Nr. 3345) ist denn auch zu lesen, dass ʿAlī 411–415 H. den Titel Arslan-Ḫan geführt habe, jedoch dürfte dies zu korrigieren sein. Denn tatsächlich begnügte sich Bahāʾ ad-Daula ʿAlī (wie seine Münzen zeigen) zunächst mit dem Tegin-Rang und war dementsprechend mit den ʿAliden rasch zu einer Einigung gekommen, welche wenigstens bedeutete, dass er über sich den Großḫan Manṣūr (mit Sitz in Balāsāġūn) anerkannte. Das Arslan-Ḫan auf Aḥmads fulūs aus Kušānī ist daher ebenso als normaler Verweis auf Manṣūr zu deuten wie auf ʿAlīs Münzen. Allerdings verstarb Manṣūr (welcher auf fulūs aus as-Suġd von 411–412 H. noch als einziger Herrscher genannt worden war) bereits 415 H., woraufhin die Ḥasaniden die Führung übernahmen, aber auch Streitigkeiten unter ihnen ausbrachen: Während Muḥammad ibn al-Ḥasan sich wohl zum neuen Großḫan aufschwang, stieg ʿAlī in den Rang des Arslan-Ileg (nicht: Arslan-Ḫan) auf, wobei sich sein Machtbereich in Sogdien nochmals vergrößerte. Auch fulūs aus Kušānī – der seltene Prägeort ist nur durch vier Typen belegt – tragen 415 H. seinen Namen mit dem Titel Arslan-Ileg, wohingegen Aḥmad darauf nicht mehr aufgeführt ist (vielleicht weil er verstorben war) – und auch sonst kein Herrscher außer dem ʿAbbāsidenkalifen. Insbesondere gegen seinen mächtigen Bruder ʿAlī (und dessen selǧuqische Alliierte) ging nun Yūsuf ibn al-Ḥasan, der das Ḫaqanat von Kāšġar aus beanspruchte, ein Bündnis mit den Ġaznaviden ein, die 416 H. in Transoxanien eindrangen und ʿAlī in die Flucht schlugen. Vermutlich deshalb wurde nun ʿAlīs Sohn neuer Arslan-Ileg, jedoch war die Karriere des in die Steppe Geflüchteten noch nicht vorbei: Nach dem Abzug der Ġaznaviden konnte er seine Ländereien von Yūsuf zurückerobern (Samarqand 419 H.) und als letzterer 423 H. starb, war es tatsächlich ʿAlī selbst, der in Sogdien das Ḫaqanat für sich beanspruchte – bis zu seinem eigenen Tod 426 H. Im Folgenden unterlagen ʿAlīs Söhne Qaraḫaniden des ʿAliden-Zweigs, welche sich in ihren eroberten West-Besitzungen von den Ḥasaniden im Osten unabhängig machten, wodurch das Qaraḫaniden-Reich schließlich eine dauerhafte Zweiteilung erfuhr (ca. 1040 A.D.).

Man merkt: Die Qaraḫaniden-Numismatik ist nicht die einfachste Spezialisierung, welche man sich suchen kann, jedenfalls besitzen die vielen, (mit dem Aufstieg einer Person) wechselnden Namen und Titel (in Verbindung mit der ausgeprägten Dezentralität der Qaraḫaniden-Herrschaft) großes Verwirrungspotential – ʿAlī b. al-Ḥasan ist hier ein gutes Beispiel. Aḥmads Karriere mag weniger beeindruckend sein als die seines Bruders, dafür beeindruckt sein fals aus Kušānī durch eine Besonderheit, für die wir uns noch den zwei Zeilen des Rev.-Felds zuwenden müssen. Mit Arabisch kommt man an dieser Strelle nämlich nicht weiter; die Schrift, welche hier gewählt wurde, ist die (alt)uigurische. Diese Alphabet-Schrift, eine ebenfalls linksläufige Kursive, wurde vom Frühmittelalter bis ins 18. Jh. A.D. für verschiedene Sprachen Zentralasiens verwendet, wobei sie unter den Qaraḫaniden für das Türkische noch parallel zur arabischen Schrift Anwendung fand – für alle offiziellen Dokumente und die Korrespondenz der Ḫaqane, wie Maḥmūd al-Kāšġarī in seinem Dīwān Luġāt at-Turk (2. Hälfte 5. Jh. H. / 11. Jh. A.D.) erklärt. Selbst aus der sogdischen Schrift hervorgegangen, entwickelte sich aus der uigurischen später die mongolische. Wie unser fals zeigt, wurde die uigurische Schrift horizontal geschrieben; die Punkte und der Mond zwischen beiden Zeilen dürften keinen Buchstabenbezug haben. Zu lesen ist nichts anderes als noch einmal der türkische Titel Arslan- / Ḫan, wenn auch das l (Buchstabe leš) unten eigentlich einen Haken haben müsste (Haken-reš), so wie es auf Manṣūrs erwähnten Münzen der Jahre 411 und 412 H. aus as-Suġd deutlich besser geschnitten ist – dieser Typ diente vermutlich aus als Vorlage für Aḥmads fulūs. Überhaupt gibt es eine Reihe qaraḫandischer Münzen mit kurzen uigurischen Inschriften, welche in der Regel den wichtigsten Herrschernamen wiederholen (z. B. Naṣr oder Yūsuf). Eine gezielte Zusammenstellung hierzu liegt meines Wissens nicht vor – wer mehr weiß, möge sich gern melden.

Wäre abschließend noch die bislang schuldig gebliebene Angabe nachzutragen, wann fulūs vom Typ unserer Münze dieses Monats im heutigen Usbekistan eigentlich nach christlicher Zeitrechnung geprägt wurden: Eine Umrechnung ergibt das Jahr 1023.

Sebastian Hanstein

MdM Januar 2023

 

Neues Jahr, neue Münzen und ein ganz neuer Prägeort! Noch Ende 2022 überließ die (seit 2017 bestehende) Pelling-Zarnitz-Stiftung der Universität Tübingen wieder eine grandiose Auswahl historischer Münzen aus unterschiedlichen Epochen und Regionen der islamischen Welt als unbefristete Leihgabe zu Gunsten der FINT. Eines der 36 Stücke, die dem Sammlungskustos vom Stiftungsvorsitzenden Dr. Claus Pelling überreicht wurden, fiel – wenngleich auf den ersten Blick nicht das ansprechendste – durch die darauf (sicher) zu lesende Angabe seines Entstehungsortes auf, denn tatsächlich wurde diese Angabe so auf noch keiner anderen Münze gelesen, weshalb der Prägeort auch weder in E. v. Zambaurs Die Münzprägungen des Islams noch in Ö. Dilers Islamic Mints verzeichnet ist. Die Entdeckung einer bislang unbekannten Münzstätte ist zumindest in der islamischen Numismatik gar keine so große Seltenheit (unter besagten Dauerleihgaben findet sich sogar noch ein weiterer Fall). Dabei kommt es vor, dass eine Münzstättenangabe zwar halbwegs – d. h. soweit es die übliche Abwesenheit diakritischer Punkte und Vokalzeichen eben erlaubt – lesbar ist, der so dokumentierte Ort aber mangels sonstiger Belege für seine Existenz (d. h. insbesondere in Werken der Geographie) nicht mehr identifiziert, nicht bestimmt werden kann, sondern sich bestenfalls auf Basis anderer (etwa stilistischer oder technischer) Merkmale der Münze mehr oder weniger sicher, mehr oder weniger grob einer Region zugeordnet lässt. Bei solchen Prägeorten kann es sich beispielsweise um kleine, relativ unbedeutende Provinzstädte oder ephemere Residenz-Neugründungen handeln, an denen nur eine kurze Zeit lang Münzen produziert wurden. Besonders befriedigend sind tendenziell die Fälle, in denen die neu gelesene Münzstättenangabe kein Rätsel bleibt, sondern ein Toponym enthält, das sich in anderen Quellen wiederfinden lässt, sodass wenigstens Grundinformationen zusammengebracht werden können und auch Aussicht auf Lokalisation besteht. Unsere Münze des Monats – besagtes Stück aus dem Bestand der Pelling-Zarnitz-Stiftung – ist so ein Fall, in dem sich eine in der geographischen Literatur zumindest einigermaßen belegte Stadt als Prägeort offenbarte: „Dieser Dirham“, so heißt es in der bereits im Münzhandel (Stephen Album Rare Coins) korrekt gelesenen Av.-Umschrift, „ward geschlagen zu Munk“ (ـڪﻣـ).

Die Stadt Munk – von der wohl die allermeisten noch nie etwas vernommen haben dürften – gehörte zu einem alten Land namens Ḫuttal(ān), welches sich auf dem Territorium des heutigen Tadschikistan (Provinz Хатлон, sprich: Ḫatlon) zwischen den Flüssen Wachsch und Pandsch erstreckte. Im Süden, wo sich beide Ströme zum Amudarja (dem antiken Oxus) vereinigen, lag Ṭuḫāristān, östlich davon Badaḫšān und westlich des Wachsch-Tals die kleine Nachbarregion Qubāḏiyān, deren nördliche Grenze ebenso wie die von Ḫuttal in den Ausläufern des Pamir-Alai-Systems verlief (Rāšt-Gebiet). In diesen Bergen, einst Buttamān-Gebirge genannt, gab es Silber- und Goldvorkommen, aber auch das räuberische Kumīǧī-Volk. Das Herz Ḫuttals schlug seit jeher in der ausgesprochen fruchtbaren Ebene des (Pandsch-Zuflusses) Kyzylsu und des in diesen mündenden Jachsu. Hier befand sich die Hauptstadt Hulbuk, welche mit archäologisch gut untersuchten, teils rekonstruierten Ruinen im heutigen Distrikt von Wosse (mit dem entsprechend neu benannten Zentrum Ҳулбук) identifiziert wurde. Die üppigen Weidegründe Ḫuttals erlaubten, wofür das transoxanische Land weithin berühmt war: seine Pferdezucht (und was damit zusammenhing, etwa das Hufschmiede- und Sattlerhandwerk sowie die Tiermedizin). Speziell zu Munk liest man, dass es (im 10. Jh. A.D.) nicht nur größer als der Herrschersitz Hulbuk war (beide Toponyme klingen im Übrigen nicht iranisch), sondern als Ḫuttals größte Stadt ebenso Halāwand/Halāward (das heutige Provinzzentrum Бохтар?) am Wachsch übertraf. Die Bevölkerung sei kriegerisch gewesen und Munk in frühislamsicher Zeit ein Grenzposten gegenüber dem (heidnischen) Türkengebiet in den Bergen um Rāšt (Qarategin, heute: Garm).

Es mag also gar nicht mal verwundern, dass in Munk Dirhams geprägt wurden. Auf der Münze des Monats folgt auf die Ortsangabe ungewöhnlicherweise kein „im Jahre“, sondern unvermittelt die Jahreszahl [2]84 – nach christlicher Rechnung: 897/898. Damals war das wohlhabende und bevölkerungsreiche Ḫuttal seit knapp 150 Jahren islamisch, stand jedoch wieder (d. h. wie schon in vorislamsicher Zeit) unter der Herrschaft einer eigenen Dynastie. So steht auf unserem Dirham auch nicht allein der Name des fernen ʿAbbāsidenkalifen al-Muʿtaḍid bi-’llāh (letzte Rev.-Zeile), sondern auch der eines, wie man schließen muss, Emirs von Hulbuk: al-Ḥāriṯ b. Asad (letzte Av.-Zeile) – der Sohn eines Löwen ist natürlich ebenfalls ein Löwe (und auch der alte Titel der Herrscher von Ḫuttal, šēr-i Ḫuttalān, mag an die Großkatze denken lassen haben). Dieser Emir ist zumindest numismatisch kein ganz unbekannter. Seine Dirhams der Münzstätte al-Ḫuttal – worunter gewiss die Hauptstadt zu verstehen ist – datieren in die Jahre 280–296 H., wobei auf den späteren Prägungen (unter dem Kalifen) nicht länger al-Ḥāriṯ allein aufgeführt ist, sondern auch der damals mächtigste Fürst Transoxaniens: der regierende Sāmānide (mit Sitz in Buḫārā). Die hierin zum Ausdruck kommende Anerkennung der sāmānidischen Oberhoheit findet in anderen Quellen Bestätigung, doch wird betont, dass Ḫuttal zu jenen Ländern gehörte, deren Fürsten den Sāmāniden als deren Vasallen lediglich Geschenke zu schicken hatten, wohingegen Gouverneure von vergleichsweise direkt beherrschten Teilen des Sāmānidenreiches die hier eingenommenen Steuergelder weiterleiten mussten. Zudem kann aus den Erwähnungen der Zeitgenossen Ibn Ḫurdāḏbih und al-Yaʿqūbī geschlossen werden, dass al-Ḥāriṯ b. Asad b. Bīk (= Beg?) bereits vor 274 H. zur Herrschaft über Ḫuttal (oder einen Teil davon) gelangt war (s. R. Vasmer, „Beiträge zur muḥammedanischen Münzkunde – I. Die Münzen der Abū Dā’udiden.“ in: NZ, Bd. XVIII, S. 49–62), und wie erst vor Kurzem im Auktionshandel aufgetauchte Dirhams verraten, hatte diese Position auch bereits sein (darauf genannter) Vater (Asad, von dem bislang noch keine Münzen bekannt waren!) innegehabt, und zwar im Prägejahr 270 H. (also wohl als unmittelbarer Vorgänger). Hochproblematisch gestaltet sich die dynastische Einordnung al-Ḥariṯs und seines Vaters (sowie einer ganzen Reihe weiterer numismatisch nachgewiesener Herren von Ḫuttal in späteren Jahren). Dabei geht es um jene Familie, die als die der Bānīǧūriden oder Abū-Dāʾudiden bezeichnet wird – für den Historiker aber leider schwer greifbar ist. Bedeutung kommt einer Aussage Ibn Ḫurdāḏbihs zu, in der es heißt: […] al-Ḥāriṯ b. Asad, ibn ʿamm Dāʾūd b. Abī Dāʾūd b. ʿAbbās […]. Daraus ergibt sich nämlich die Überlegung, ob besagter Vetter nicht mit dem halbwegs bekannten Herrn von Balḫ Dāʾud b. al-ʿAbbās b. Hāšim b. Bānīǧūr (reg. 233–258 H.) gleichgesetzt werden kann (auf den dann offenbar der von Münzen bekannte Abū Dāʾud Muḥammad b. Aḥmad folgte). Schon J. Marquard schlug in diesem Sinne vor, das b. zwischen Abī Dāʾūd und ʿAbbās als Fehler anzusehen, doch lehnte Vasmer diesen Lösungsschritt ab und entwarf stattdessen einen separaten Familienzweig. So oder so darf Ḫuttal als ursprüngliche Machtbasis der Bānīǧūriden gelten (wiewohl wir diese Dynastie numismatisch vielleicht besonders mit Andarāba und Panǧhīr in Verbindung bringen) und es ist dabei durchaus wahrscheinlich, dass zu dieser Familie eben auch die Linie von al-Ḥāriṯ gehörte.

Auch in einem relativ kleinen Fürstentum konnte es natürlich gute Gründe geben, mehr als nur eine einzige Münzstätte zu betreiben, so wie die Münzprägung andersherum selbst in einem Großreich stark zentralisiert sein konnte. Wie gesagt, ist auf Prägungen aus Ḫuttal(ān) der Landesname die normale Münzstättenbezeichnung und wird, wie so oft, für die Hauptstadt, also Hulbuk, stehen. Allerdings gibt es von al-Ḥāriṯ b. Asad auch äußerst seltene Dirhams (mit Sāmāniden-Nennung) des Jahres 293 H. aus Andīčārāġ – einer wichtigen Stadt im Süden Ḫuttals, am Ufer des Pandsch, welche als das Handelszentrum des Landes galt – und, wie wir nun wissen, eben auch aus Munk. Doch wo lag Munk? Mitunter findet sich (auf Basis jüngerer archäologischer Untersuchungen?) eine Gleichsetzung mit Chowaling (Ховалинг), doch stimmt wohl eher die ältere Identifikation mit dem Gebiet der heutigen Stadt Baldschuwon (Балҷувон) am Kyzylsu. Zwei Tagesreisen seien es von Munk bis nach Hulbuk gewesen, das weiter im Süden lag, während einen die Straße von Munk in Richtung Norden zur berühmten steinernen Brücke über den Wachsch führte. Zur Entwicklung Munks in späteren Jahrhunderten (oder das Schicksal al-Ḥāriṯs und der Bānīǧūriden-Herrschaft) ist leider so gut wie nichts bekannt (Yāqūt etwa führt das Toponym im 13 Jh. selbst nicht auf), doch liegt nunmehr wenigstens ein unverhofftes, 2,05 g schweres Zeugnis aus der Blütezeit jener Stadt während des 9. und 10. Jh. vor und verbessert so schlagartig unsere Kenntnis der in ihrer historischen Bedeutung nicht zu unterschätzenden Regionen am Oberlauf des Oxus, im heutigen Tadschikistan.

Sebastian Hanstein

MdM Dezember 2022

 

Der Dezember ist vom Weihnachtsfest bestimmt, wobei es seit etwa zwei Jahrhunderten Brauch ist, insbesondere Kinder zu beschenken. Um Kinder und deren Belohnung geht es auch in einem von der Gerda-Henkel-Stiftung geförderten Projekt, welches dazu beitragen soll, in Syrien – das sich seit nunmehr elf Jahren im Krieg befindet – eine Generation zu sensibilisieren, die das historische Erbe und die Archäologie im Land schätzt und schützt. Das numismatische Projekt wird vom FINT-Mitarbeiter Alaa Aldin Al Chomari koordiniert, welcher den folgenden Beitrag gemeinsam mit Lutz Ilisch verfasste – geleitet von einem Stern und zu einem Münztyp, dessen bislang unklare Herkunft durch besagten Beziehungsaufbau zwischen Archäologinnen und Archäologen einerseits und Kindern, die Münzen finden, andererseits seit Kurzem als gesichert gelten kann und so den Nutzen des Projekts gut exemplifiziert.

 

Ab 2017 war an der FINT zunächst ein Projekt gefördert worden, in dem eine Referenz-Datenbank zur erleichterten Aufnahme von Einzelfunden solcher islamischer Münztypen erstellt wurde, die in Nord- und Südsyrien häufig entdeckt werden können. Darauf baut seit 2020 ein ebenfalls von der Gerda-Henkel-Stiftung finanziertes Nachfolgeprojekt zur Qualifizierung einer Gruppe syrischer Archäologen in den fünf Gouvernements Damaskus, Aleppo, Ḥomṣ, Deir az-Zor und as-Suwaidāʾ auf, mit dem Ziel, dass diese nach dem Erwerb praktischer Bestimmungsfähigkeiten besagte Datenbank nutzen können. Die zweite und wichtigste Aufgabe besteht darin, dass das Arbeitsteam in Syrien Besuche an Schulen durchführt, um Kinder über den historischen Quellenwert von Münzen aufzuklären, damit sie dieses massenhafte Fundgut nicht an Händler verschleudern, sondern die Kenntnis der Fundorte erhalten. Die Münzen stehen dabei stellvertretend für Artefakte aller Art, etwa aus Keramik und anderem datierbaren Material, doch ist im Falle der Münzen der historische Kontext und die Vorstellung eines Wertes leichter an Kinder vermittelbar. Die Münzen, um die es geht, stellen Einzelfunde dar, die Kinder beim Spielen wie auch in der Weide- und Ackerwirtschaft seit jeher finden. Funde von historischer Aussagefähigkeit werden aber auch bei Aufräum- und Wiederaufbauversuchen in den bewohnten Gebieten gemacht. Eine besondere Sensibilisierung ist aufgrund gefährlicher Hinterlassenschaften des Krieges vonnöten. Deshalb besucht das Arbeitsteam in ländlichen Gebiete nicht nur Schulen, sondern auch Ort, an denen sich Kinder zum Spielen versammeln. Viele Kinder sind aufgrund des Krieges von Armut betroffen oder können nach dem Tod der Eltern nicht mehr zur Schule gehen, sondern versuchen in der ländlichen Arbeit ein Überleben zu finden.

Um den wissenschaftlichen Nutzen des Projekts aufzuzeigen, wurde als Münze des Monats ein Fall ausgewählt, in dem es um die Lösung der Schwierigkeit geht, die Münzstätte eines Kupfermünztyps zu ermitteln, ohne dass diese durch Aufschriften oder durch das Münzbild angegeben ist. Welche Methoden bietet die islamische Numismatik in solchen Fällen? In der Vergangenheit, als es nur um die systematische Ordnung von Sammlungen ging – quasi um das Wegsortieren von Münzen – schaffte man eine eigene Kategorie „ohne Münzstättenangabe“, was mit Lücken in den Übersichtsreihen zu bekannten Münzstätten einherging. Heute möchte man jedoch die Münzen in ihren historischen Kontext einordnen oder auch mittels Fundmünzen aus den Beziehungen von Herkunftsorten und Fundorten geographische Beziehungsgeflechte ermitteln, sodass eine Kategorie „ohne Münzstättenangabe“ zu Verzerrungen und falschen Schlussfolgerungen führt. Seit Mitte des 19. Jh. werden in Europa zunächst einmal auf der Basis geographischer Fundvorkommen Annahmen zum Entstehungsort gemacht. Keltische Münzen ohne Aufschriften hatten hier eine Vorreiterrolle, doch weist der gestohlene Münzschatz von Manching darauf hin, dass gerade Edelmetallmünzen in Massen zu wandern verstanden, wie in diesem Fall von Böhmen nach Bayern. Kupfer, das im Normalfall als überbewertete Scheidemünze innerhalb einer Staatsorganisation ein festumrissenes Umlaufgebiet hatte, war erheblich ortsfester und erlaubt deshalb Rückschlüsse vom Fundgebiet auf seine Herkunft. In den islamischen und christlichen Ländern des Nahen Osten versagte diese Methode aber, weil es im Widerspruch zur gesetzlichen Ordnungen über das letzte Jahrhundert hinweg keine systematische Funderfassung durch staatliche Organe gab und zugleich private Initiativen, die diesen Mangel z. B. in der Türkei partiell ausglichen, durch den gesetzlichen Rahmen decouragiert wurden. Liegen also Daten zur Fundverbreitung nicht vor, so hilft oft eine Untersuchung der Provenienzen in Sammlungen hinsichtlich einzelner Münztypen weiter, aber solche Forschung ist relativ grobmaschig und fehleranfällig. Eine andere Methode zur Herkunftsermittlung von Kupfermünzen basiert auf der Beobachtung von Überprägungen. Finden wir regelmäßig Überprägungen eines Münztyps ohne Münzstättenangabe auf einen mit Münzstättenangabe bzw. wurden Typen ohne Angabe regelmäßig durch spätere Typen mit Angabe überprägt, so lässt sich auch hierdurch die Münzstätte ermitteln. An dieser Stelle setzt der wissenschaftliche Nutzen des Projekts, welches Fundortangaben aufnimmt, an:

Ein 12jähriger Junge namens ʿUmar aus der Gegend um Tell Hrīm (nahe Mūḥassan) nördlich von ar-Raḥba am Euphrat arbeitete hier als Hirte, nachdem er seine Familie verloren hatte und sein Schulbesuch nicht mehr fortgesetzt werden konnte. Es war der örtliche Direktor der Abteilung für Altertümer in Deir az-Zor, der Museumsleiter Ahmad al-Haj Saleh, der im Herbst 2022 als Teil des Projektteams mit dem Jungen ins Gespräch kam und sich berichten ließ, dass ʿUmar Metallstücke gesehen habe, aber nicht wisse, worum es sich handelt. Das Kind erhielt daraufhin erste Informationen über die potenzielle Bedeutung solcher Funde. Zwei Wochen später kam Ahmad während einer Tour erneut in die Gegend, um gezielt mit Kindern zu sprechen, darunter auch ʿUmar. Letzterer hatte nun zwei Kupfermünzen für Ahmad bei sich und führte diesen zu dem Ort, wo er sie gefunden hatte. Auf die Frage, was er dafür als Geschenk haben wolle, antwortete er, dass er Papier und einen Stift zum Lernen brauche, weil seine Mutter immer gesagt habe, dass er zur Schule gehen würde. Dies konnte ʿUmar jedoch nur, bis das Haus seiner Familie im Krieg zerstört wurde, weshalb er jetzt wenigstens den mütterlichen Wunsch erfüllen wolle, lesen und schreiben zu können. Zwei Fragen hatte ʿUmar hinsichtlich der von ihm abgegebenen Münzen: Warum ist ein Stern darauf zu sehen und wieviel war/ist so eine Münze damals/heute wert? Ahmad antwortete ihm, dass der Stern nur ein Ornament sei und ein großer Wert darin liege, dass die fulūs die Geschichte der Region erzählen. Dann brachte er die gewünschten Hefte und Stifte, die aus Projektmitteln bereitgestellt wurden, und sagte dem Jungen, dass er dessen Namen im Museum „in die Ehrenliste“ eintragen und ihn begleiten würde, um das Museum zu besuchen, in dem die Münzen ausgestellt werden würden.

Der fals-Typ mit dem großen fünfzackigen Stern war nicht unbekannt. In der Tübinger Universitätssammlung befinden sich immerhin fünf Exemplare, aber nicht deshalb, weil der Typ besonders häufig wäre, sondern weil er hinsichtlich seiner rätselhaften Herkunft interessant erschien. Das Feld mit dem Stern wird von einem Doppelkreis begrenzt, um den herum die Titel und Namen des Münzherrn zu lesen sind: al-Malik al-ʿĀdil Saif ad-Dīn Abū Bakr b. Ayyūb. Dieser Ayyūbide (reg. 1200–1218 mit Sitz in Ägypten) hatte in einem langen innerfamiliären Krieg die Söhne seines Bruders Saladin entweder aus deren Positionen in Syrien verdrängt oder sie seiner Oberhoheit unterworfen, darunter die Fürsten von Aleppo und Ḥamāh. Die von Zeitgenossen wohl als Vorderseite betrachtete Seite ohne Stern nennt in drei Zeilen die beiden Hauptsätze des islamischen Glaubensbekenntnisses (noch zu sehen: … rasūl …) sowie den Bagdader Kalifen al-imām an-Nā[ṣir] (reg. 1180–1225). Ein Prägeort ist auf dem Typ ebenso wenig angegeben wie ein Prägejahr.

Alle bekannten Exemplare weisen Spuren von Überprägungen auf ältere fulūs auf, welche bestimmbar sind und Münzstättenangaben tragen, sodass sich die Untertypen Prägeherren in Damaskus zuordnen ließen. Auf dem Av. der 4,96 g schweren Münze des Monats zeigt sich die Überprägung rechts oben im Abschnitt eines Perlkreises und den letzten Buchstaben des Namens Ismāʿīl, welcher Saladins letztem Oberherrn aus der Zangiden-Dynastie gehört. Bei der ersten Veröffentlichung des Sterntyps (schon inkl. des hier besprochenen Stücks) durch N. D. Nicol 1986 wurde der Prägeort mit Damaskus und einem Fragezeichen angegeben („Paul Balog’s The Coinage of the Ayyubids: Additions and Corrections“ in The Numismatic Chronicle, Bd. 146, S. 129, Nr. 326a). Nicol konnte zwei Überprägungen auf drei Exemplaren in der Sammlung S. Albums (1988 für die Uni Tübinger erworben) erkennen, die in diese Richtung wiesen. Hinzu kam, dass die Münze des Monats aus der in Israel zusammengetragenen Sammlung A. Bermans stammt, welche in den späten 1970er Jahren von Album erworben worden war. Hier war also aufgrund der Provenienz eine Herkunft aus dem Süden der Bilād aš-Šām festzuhalten, was Damaskus als naheliegende Münzstätte zu bestätigen schien. Genauere Fundprovenienzen fehlten 1986 und unter den Grabungsmünzen aus Ḥamāh, ar-Ruṣāfa und ar-Raqqa sowie den Lesefunden von Bālis war der Typ nicht vertreten. Gegen Damaskus standen allerdings zwei Argumente: einerseits die relativ große Seltenheit des Sterntyps (nur zwei Av.stempel bei fünf Exemplaren!), die nicht recht zu einer die Großstadt Damaskus und deren Umland versorgenden Emission passen würde, und andererseits der verhältnismäßig unbeholfen wirkende Stempelschnitt der Schrift und des Ornaments unter dem Kalifennamen mit eher provinziellem Charakter.

Vor etwa 20 Jahren wurde dann eine Liste mit Münzen französischer Archäologen veröffentlicht, welche bei Survey-Arbeiten am Euphrat um den Zufluss des Ḫābūr herum gefunden und von R. Gyselen in Tübingen bearbeitet worden waren. Dabei befand sich unter 39 Münzen aus Tell Hrīm ein weiteres Exemplar des Sterntyps. Vor der Veröffentlichung des SNAT-Bandes IVb1 „Damaskus I“ (2015) stand damit zur Entscheidung an, welche Herkunftsannahme für die fünf Tübinger Exemplare gelten sollte: Damaskus oder eine unbekannte provinzielle Münzstätte, deren Publikation für einen späteren Band zurückzustellen gewesen wäre. Ersterer Möglichkeit wurde auf Basis der Überprägungsevidenzen Vorrang gegeben, eine Samlungsprovenienz aus Israel und eine einzelne Fundprovenienz aus dem östlichen Syrien schienen sich gegenseitig zu eliminieren (L. Ilisch, SNAT IVb1, Nr. 679–683, MdM: Nr. 681). Doch mit nunmehr – ʿUmar sei Dank! – zwei weiteren, klaren Fundprovenienzen sieht die Bilanz ganz anders aus: Als Münzstätte kommt jetzt vielmehr das nahe Tell Hrīm gelegene ar-Raḥba (beim heutigen al-Mayādīn) infrage! Hier hatte die Verwaltung der ʿAbbāsiden im Jahr 269 H. (882/83) eine Münzstätte für Gold und Silber gegründet, deren Prägungen sich im nur lückenhaft erfassbaren Material bis etwa 515 H. (1121) verfolgen lassen. Die noch heute eindrucksvolle Festung ar-Raḥbas – dort gelegen, wo die von Ḥomṣ oder Damaskus kommende Straße über Palmyra auf die den Euphrat begleitende Straße trifft – blieb bis zum Ausgang des Mittelalters von großer Bedeutung. Unter mamlūkischer Herrschaft befand sich hier eine Unterstatthalterschaft der Vizekönige von Damaskus, um den wichtigen Fernverkehrsweg zu sichern.

In der Zeit unserer Münze des Monats gehörte ar-Raḥba zum Fürstentum von Ḥomṣ, das von einer ayyūbidischen Nebenlinie regiert wurde. Diese stammte nicht von Ayyūb ab, sondern von dessen Bruder Šīrkūh, welcher mit zangidischer Hilfe für seinen Neffen Saladin die Herrschaftsübernahme von den Fāṭimiden in Ägypten in die Wege geleitet hatte. Der auf dem Sterntyp ungenannte Fürst, dem wir die Kupferprägung in ar-Raḥba wohl zuzuschreiben haben, war ein Enkel dieses Šīrkūh, trug (sicher mit Stolz) denselben Namen wie dieser (ergo: Šīrkūh II.), jedoch mit dem Titel al-Malik al-Muǧāhid, und regierte 581–637 H. (1186–1239) von Ḥomṣ aus. Dass unser Typ in Ḥomṣ ausgegeben wurde, ist wohlgemerkt auszuschließen, weil solche Münzen so gut wie nie im Aleppiner Handel anzutreffen waren. Möglich wäre allerdings eine Prägeausführung in Ḥomṣ, jedoch nicht für den dortigen Umlauf, sondern um von ar-Raḥba aus in Zirkulation gesetzt zu werden – für Ḥomṣ selbst ist unter Shīrkūh II. von 589–599 H. eine zeitlich befristete Silbermünzprägung nachzuweisen. Auch letztere Münzen tragen nicht den Namen des lokalen Fürsten, sondern eines in Ḥomṣ anerkannten Familienchefs der Ayyūbiden. In der Tübinger Sylloge-Publikation war der Sterntyp in die Zeit um 610 H. eingeordnet worden, was auf der Annahme eines chronologisch abfallenden Kupfermünzgewichts in Damaskus basierte. Diese Grundlage entfällt nun. Stattdessen kann der Typ in Ḥomṣ für ar-Raḥba zwischen 595 und 599 H. angesetzt werden, oder alternativ um 600 H. bei angenommener Dislokation der Münzstätte Ḥomṣ nach ar-Raḥba. Ein besonderer Grund für Kleingeldbedarf in ar-Raḥba könnte im Bau der „neuen Festung“ auf dem Berg und dem Abriss der alten, durch ein Erdbeben zerstörten innerhalb der Stadt im Jahr 604 H. bestanden haben, zu dem Šīrkūh II. persönlich nach ar-Raḥba reiste, wie aus der Chronik des Ibn Naẓīf, welcher zeitweilig in ar-Raḥba lebte, zu ersehen ist (at-Taʾrīḫ al-Manṣūrī, ed. Abu l-ʿĪd Dūdū, Damaskus 1981, S. 55 f.). Auch andere große Bauvorhaben der Zeit korrelierten mit ungewöhnlich großen Kupfermünzausgaben.

Fragen wie die nach dem Grund für die Ausgabe des Sterntyps werden voraussichtlich durch besagten Projektmitarbeiter Ahmad al-Haj Saleh von Deir az-Zor aus zu klären sein, zumal er noch einen zweiten ayyūbidischen fals-Typ unter den Fundmünzen aus seiner Region und in dem von ihm geleiteten Museum ermitteln konnte, welcher mit dem Sterntyp unmittelbar zusammenhängt. Ob der unsere Münze des Monats charakterisierende Stern tatsächlich als Ornament zu verstehen ist, muss angesichts der neuen Bestimmung nochmals untersucht werden. Denn gerade in den Jahren um 600 H. wurden in Nordmesopotamien auch wappenartige Münzbilder genutzt, um die familiäre Herkunft des Prägeherrn anzugeben (vgl. MdM Okt. 2021), bei den Ayyūbiden eine fünfblättrige Blüte. Würde sich der Stern als Wappen bestätigen, dürfte nicht der genannte Saif ad-Dīn Abū Bakr als Prägeherr der Münzen gelten, sondern eben Šīrkūh II. Es wird jedenfalls deutlich, dass Funde wie die von ʿUmar und ihre wissenschaftliche Erfassung in Deir az-Zor wie in Tübingen in einem fruchtbaren Zusammenspiel zu Fortschritten in der historischen Forschung führen und damit nicht zuletzt ein Beispiel für die segensreiche Projektförderung der Gerda-Henkel-Stiftung darstellen.

 

MdM November 2022

 

Vor wenigen Tagen fand im historischen Lesesaal der Tübinger Universitätsbibliothek eine gut besuchte Abendveranstaltung zur Märchensammlung Tausendundeine Nacht statt: Die hierauf spezialisierte Übersetzerin Claudia Ott (Webpräsenz: https://www.tausendundeine-nacht.com) las aus ihrem neusten Werk – dem vier Erzählungen umfassenden Buch der Liebe – und als Frucht einer Lehrveranstaltung von Prof. Regula Forster gab es in einer Ausstellung entsprechende Manuskripte sowie frühe Drucke aus dem Bestand der Bibliothek zu sehen – darunter der „Tübinger Umar“ Ma VI 32 mit Illustrationen aus dem 17. Jh.

Wie so viele Alf-Laila-wa-Laila-Schachtelgeschichten kommen auch die Begebenheiten im Buch der Liebe nicht ohne den berühmten ʿAbbāsiden Hārūn ar-Rašīd (reg. 786–809) aus, wenngleich auf diesen wohl Charakterzüge des Fāṭimiden al-Ḥākim (s. MdM Jan. 2020) übertragen wurden. Überhaupt hat in Tausendundeine Nacht eine ganze Reihe von Kalifen und anderen historischen Persönlichkeiten ihren Auftritt, die wir von Münzen kennen. Der Barmakide Ǧaʿfar (767–803) etwa begegnet wiederholt als ar-Rašīds kluger Wesir, wohlgemerkt ohne wie z. B. bei Disney die Rolle des Bösewichts zu spielen. Die Barmakiden waren eine Familie iranischer Herkunft, die im Dienste der frühen ʿAbbāsiden in höchste Staatsämter aufstieg, bis die Regierung zeitweise ganz in ihren Händen lag. Ihr Reichtum erlaubte ihnen die Betätigung als herausragende Förderer von Wissenschaft und Kultur – selbst heute noch ist die barmakidische Großzügigkeit sprichwörtlich. Die glanzvolle Machtentfaltung dieser Familie prägte vor allem das (auch deshalb zur goldenen Zeit verklärte) Kalifat ar-Rašīds, dessen Erzieher und loyaler Bevollmächtigter Yaḥyā b. Ḫālid b. Barmak vor 786 (170 H.) gewesen war. Als Hārūn dann mit Anfang 20 zum „Befehlshaber der Gläubigen“ aufstieg, wurde Yaḥyā dessen väterlicher Wesir und erhielt als solcher bis dahin ungekannte Befehlsgewalten übertragen. Dabei, d. h. beim Regieren eines Weltreiches, stützte sich Yaḥyā stark auf seine beiden Söhne al-Faḍl und Ǧaʿfar. Ersterer war Hārūns Milchbruder, doch wurde letzterer zum Intimus und (für seine Eloquenz berühmten) Zechgenossen des (fast) gleichaltrigen Kalifen. Ǧaʿfar b. Yaḥyā bekleidete mit der Zeit verschiedene Ämter, darunter Gouverneursposten in Ost und West. Es mag zunächst also nicht verwundern, dass der Name dieser prominenten 1001-Nacht-Persönlichkeit auf nicht wenigen Münztypen begegnet – auf unserer Münze des Monats steht er im unteren Rev.-Feld. In den beiden Zeilen darüber ist zu lesen: mimmā amara bihī al-amīr al-Amīn / Muḥammad ibn amīr al-muʾminīn, also „von dem, was der Emir al-Amīn Muḥammad, der Sohn des Befehlshabers der Gläubigen, befohlen hat“. Als (theoretisch verantwortlicher) Münzherr aufgeführt ist also jener 170 H. geborene Sohn Hārūns, welcher schon 173 bzw. 175 H. zum Kronprinzen und Statthalter im Irak und in Syrien ernannt worden war. Hierzu passt, dass der 2,93 g schwere Dirham 179 H. (795/96) zu Madīnat as-Salām geschlagen wurde (also im Irak); allerdings ist 179 H. das erste Jahr, in dem al-Amīns Name auf Bagdader Münzen erscheint. Daher steht die Einführung der Prinzen-Nennung hier vielleicht eher in Verbindung mit Hārūns Umzug von Bagdad nach ar-Raqqa, welcher für das Jahr 180 H. berichtet wird und bedeutete, dass al-Amīn (in aktualisierter Form) zum Statthalter seines Vaters (auch) in Madīnat as-Salām sowie dem restlichen (arabischen) Irak und der westiranischen Ǧibāl-Provinz ernannt wurde (wohingegen zumindest für die Hauptstadt angesichts der Anwesenheit des Kalifen vorher keine dauerhafte Statthalterschaft angezeigt gewesen war).

Und Ǧaʿfar b. Yaḥyā? Was ist der Grund für seine Nennung? Hängt sie mit der al-Amīns zusammen? Tatsächlich steht Ǧaʿfars Name schon ab 176 H. auf den Münzen, also (in Bagdad) zunächst ohne den des designierten Thronfolgers (während al-Amīn in al-Muḥammadīya vor 176 H. auch ohne Ǧaʿfar genannt ist). Ein Erklärungsmodell könnte sein, dass der Barmakide mit der Zeit sowohl (einzelne) Gouverneursposten unabhängig vom Kronprinzen als auch unter diesem innehatte. Eine Nennung als einfacher Provinzgouverneur (wālī) dürfte zumindest für Damaszener Dirhams von 181 H. gegeben sein, da hierauf eindeutig fī wilāyat Ǧaʿfar ibn Yaḥyā zu lesen ist (s. SNAT IVb1, Nr. 297) und diese wilāya in den Chroniken (für 180 H.) Bestätigung findet. „Angeordnet“ wurde die Prägung ebenfalls von al-Amīn, sodass der Barmakide offenbar innerhalb von dessen Reichsteil, d. h. Syrien quasi für den Kronprinzen regierte, zumindest nominell. In den meisten Fällen (v. a. wenn auf den Münzen lediglich Ǧaʿfar steht) scheint sich die häufige sikka-Präsenz des Barmakiden allerdings nicht mit dessen überlieferten Amtszeiten als Gouverneur dieser oder jener Provinz zu decken. Nun könnte man fragen, ob es nicht stattdessen seine übergeordnete Stellung als Wesir oder Vize-Wesir des Kalifen war, die eine Nennung auf den Münzen rechtfertigte; immerhin vertrat Ǧaʿfar ja seinen mächtigen Vater und wie diesem war auch ihm vorübergehend das Siegel des Kalifen überlassen. Ein Problem dabei: Sollten uns dann nicht in ähnlichem Ausmaß die Namen seines Vaters und Bruders in der sikka begegnen? Der numismatisch interessiere Geschichtsschreiber al-Maqrīzī (s. MdM Sept. 2022) bietet – Jahrhunderte später – noch eine andere Erklärung: Ǧaʿfar sei von Hārūn irgendwann auch die Verantwortung für die Münzprägung (d. h. insb. für die Feingehalte) übertragen worden, woraufhin der Barmakide seinen Namen auf die Münzen von Madīnat as-Salām und al-Muḥammadīya (Rayy) gesetzt habe. Angeblich sei Hārūn sogar der erste Kalif gewesen, welcher sich nicht mehr zur persönlichen Aufsicht des Münzwesens herabließ. Wenn also die zentrale Verantwortung für die Münzen der Hauptgrund für Ǧaʿfars Nennung (neben der des herrschenden „Auftraggebers“, so wie auf unserer Münze des Monats) ist, dürfte ihm diese Zuständigkeit (soweit sie nicht bei bestimmten Provinzgouverneuren lag) 176 H. übertragen worden sein, woraufhin er sie bis zu seinem Tod behielt.

Sie mögen sich, auch beim Nachlesen der Münzinschriften, vielleicht fragen, inwieweit unser Dirham nun eigentlich vom 1001-Nacht-Kalifen Hārūn ar-Rašīd höchst selbst zeugt. Wo bei alledem hat er seinen Platz? Es mag einige womöglich überraschen, aber auch der „Befehlshaber der Gläubigen“ ist auf der Münze des Monats namentlich genannt! Dabei ist dies nicht selbstverständlich, da das sog. sikka-Recht damals noch nicht in der Weise entwickelt war, dass der Kalif in jedem Fall aufgeführt werden musste (s. MdM. Sept. 2020). Hārūn ar-Rašīd ist sogar auf den meisten unter seiner Herrschaft geprägten Münzen nicht genannt; viele sind anonym. Auf unserem Dirham jedoch gibt es auf dem Rev. eine Feldbegrenzung, die eigentlich eine zweite, innere Umschrift ist. Nur unter der Lupe lässt sich erkennen, dass beginnend auf 2 Uhr (beim ersten Buchstaben der Feldinschrift) mimmā amara bihī ʿabd Allāh Hārūn (6 Uhr) amīr al-muʾminīn steht. Dabei sind alle Worte an bestimmten Stellen in die Länge gezogen, sodass sich diese Längen mit Buchstabengrüppchen und einzelnen Buchstaben abwechseln: Nahe 12 Uhr erkennt man z. B. eine Dreiergruppe: das alif von mimmā, gefolgt vom alif und mīm von amara. Erst nach einer Länge bildet das rāʾ zusammen mit dem bāʾ von bihī eine Zweiergruppe in Richtung 11 Uhr usw. Nun muss man wissen, dass die Miniaturisierung dieser Umschrift eine Entwicklung war, die sich über 10 Jahre hinzog: Als Hārūn 170 H. Kalif wurde, ließ er in Bagdad Münzen prägen, die seinen Namen trugen (was zumindest zu Beginn einer Herrschaft wichtig war). Zum ersten Mal wurde hierfür eine zweite Rev.-Umschrift eingeführt, deren Text (wie angegeben) Anfang der 170er Jahre H. auch noch normal groß war. Bereits ab 172 H. erscheint die innere Umschrift jedoch ein Stück geschrumpft und ab 175 H. derart verkleinert, dass sie kaum noch wahrnehmbar ist. 179 H. ist das letzte Jahr, in dem man sie lesen kann; ab 180 H. sind es nur noch Strichlein, Pünktchen oder Ringlein, welche jedoch interessanterweise noch in den charakteristischen Grüppchen des Vorbilds gesetzt werden, also die ursprüngliche Inschrift immer noch andeuten! 183 H. ist die Auflösung schließlich abgeschlossen: Die Feldbegrenzung ist nur noch ein (einfacher, doppelter oder geperlter) Kreis. Wie gesagt, verlor die Nennung des Herrschers mit dessen Etablierung vielleicht an Bedeutung, zumindest in der Hauptstadt, auf die dieser Münztyp fast beschränkt ist: Nur in al-Kūfa wurde er ebenfalls geprägt. Hinzu kommt, dass der Kalif in vielen Bereichen Zuständigkeit delegierte und sich, wie gesagt, sogar in Bagdad vom Kronprinzen vertreten ließ. Letzteres hatte zur Folge, dass auf den Münzen zweimal die mimmā-Formel erschien, was wohl als inadäquat empfunden wurde. Jedenfalls wurde auf die Kalifennennung hier (unter Ǧaʿfars Zuständigkeit?) behutsam, peu à peu verzichtet: Der Übergang zum nächsten Münztyp erfolgte ähnlich schleichend wie Scheherazades Übergänge von einer Geschichte zu einer neuen.

Zu den spektakulären Wendungen, über deren Hintergründe schon viel gerätselt wurde, gehört der tiefe Fall der Barmakiden-Wesire: Im Jahre 803 (187 H.) ließ Hārūn plötzlich alle Barmakiden festnehmen, ihr Vermögen einziehen und seinen ehemaligen Favoriten Ǧaʿfar auf der Stelle hinrichten – die zerstückelte Leiche wurde in Bagdad ein Jahr lang zur Schau gestellt. Damit endete natürlich auch die Nennung Ǧaʿfars auf den Münzen. Ebenso aber tragen die Münzen von Madīnat as-Salām ab 187 H. auch nicht mehr den Namen al-Amīns – der Kalif war in die Hauptstadt zurückgekehrt mit der Folge, dass hier bis zu seinem eigenen Tod (193 H.) nur noch anonyme Münzen geschlagen wurden. Ein schöner Bagdader Dirham aus der Zeit, in der die Kalifennennung (in der inneren Rev.-Umschrift) noch gut lesbar und Hārūns Name der einzige auf der Münze ist, fand seinen Weg in den FINT-Bestand übrigens aus der Sammlung jenes Tübinger Orientalisten, der Die Erzählungen aus den Tausendundein Nächten in den 1920er Jahren „zum ersten Mal nach dem arabischen Urtext der Calcuttaer Ausgabe aus dem Jahre 1839“ in 6 Bänden „vollständig“ ins Deutsche übertrug: der Professorensammlung von Enno Littmann (1875–1958)! Wiewohl eigentlich keine Rede von einem Urtext oder Vollständigkeit sein kann, lohnt es sich immer mal wieder in diese Geschichten hineinzulesen – nicht nur wegen der häufigen Erwähnungen von Münzen, Münzschätzen und Münzsorten, unter denen an der des ašrafī sogar die Datierung der berühmten Galland-Handschrift hängt. Beim Lesen oder Hören der Erzählungen werden einem, wie es in einer Vorrede zu 1001 Nacht über deren Nutzen heißt, „Erholung und Freude zuteil in Zeiten des Kummers über die Zeitläufe“. „Lehrreiche Lebensgeschichten sowie wunderbare Gedanken für Menschen von hoher Bildung“ seien darin zu finden. Ǧaʿfars Vater Yaḥyā (gest. 805) pflegte im Übrigen zu empfehlen, das beste von dem, was man hört, aufzuschreiben, das beste von dem, was geschrieben steht, zu memorieren und das beste von dem, was memoriert wurde, zu sagen.

Sebastian Hanstein

MdM Oktober 2022

 

Manche sprechen bezüglich der vergangenen 70 Jahre vom zweiten Elisabethanischen Zeitalter. Wie sinnvoll dies ist, sei einmal dahingestellt – fest steht aber, dass nur wenige Staatsoberhäupter in der Weltgeschichte (darunter kein britisches) länger auf dem Thron saßen als Elisabeth II. und Großbritannien und seine Monarchie in dieser langen Zeit der wirtschaftlichen und sozialen Umbrüche bedeutende Entwicklungen durchlebten. Elisabeths Vater Georg VI. war noch Kaiser von Indien gewesen. Unter der Queen wurde dann das Commonwealth of Nations zum Auffangbecken für ehemalige Kolonien des bröckelnden Imperiums ausgebaut, dessen endgültiger Niedergang sich insbesondere in der Sues-Krise (ab Okt. 1956) offenbarte. Bis zu ihrem Tod war die „Verteidigerin des Glaubens“ Elisabeth II. die einzige lebende Person, die noch zur Herrscherin gesalbt worden war, und ihre Krönung im Jahre 1953 war (entgegen dem Willen Churchills) die erste eines britischen Monarchen, welche (live) im Fernsehen übertragen wurde. Unter den zahlreichen royalen Gästen war damals auch ein ʿAbbāside, der mit seiner Familie im Londoner Savoy Hotel residierte. Seine Anwesenheit hatte nicht zuletzt damit zu tun, dass die junge Elisabeth unter anderem zur Königin von Pakistan gekrönt wurde. Wie das?

Als der indische Subkontinent 1947 seine Unabhängigkeit erlangte, indem aus den Provinzen Britisch-Indiens (Karte) unter bürgerkriegsähnlichen Teilungsunruhen die zwei Dominions Indien und Pakistan hervorgingen, blieb es zunächst dabei, dass beide Staaten – als souveräne Mitglieder des Commonwealth – an der britischen Monarchie festhielten, also anfangs noch Georg VI. zum Staatsoberhaupt hatten, der nun die beiden separaten Titel „König von Indien“ und „König von Pakistan“ führte. Da Indien sich bereits 1950 für die republikanische Staatsform entschied, erbte Elisabeth II. von ihrem Vater nur noch die Krone Pakistans, ehe auch dieses Commonwealth Realm 1956 eine Republik wurde. Für souverän erklärt hatten die Briten 1947 aber nicht nur die beiden Dominions Indien und Pakistan, sondern ebenso all die kleinen und großen Fürstenstaaten des Subkontinents, welche bis dahin zwar von einheimischen Herrschern, jedoch (als Protektorate) unter britischer Oberhoheit regiert worden waren. Faktisch mussten sich diese weit über 500 Princely States mit dem Rückzug der Briten entscheiden, ob sie sich eher dem hinduistischen Indien oder dem islamischen Pakistan anschließen würden. Die meisten erklärten ihren Beitritt(swillen) zu einem der beiden neuen Staaten innerhalb kurzer Zeit. Im Falle Pakistans (mit der Hauptstadt Karatschi) kamen zu den (ehemals britischen) Provinzen Ost-Bengalen (später: Bangladesch), West-Pandschab, Belutschistan, Sindh und der Nord-West-Grenzprovinz nach und nach 14 Fürstentümer hinzu, wobei unter denen, die sich noch im Herbst 1947 anschlossen, das von Bahāwalpūr die mit Abstand größte Fläche und Bevölkerung besaß – es erstreckte sich im Süden des Pandschabs (Karte), am Rande der Wüste Thar/Tscholistan, östlich der Flüsse Satludsch und Pandschnad sowie noch ein Stück entlang des Indus (ab jener Stelle, wo dieser den Pandschnad in sich aufnimmt). Der (Ende Sept. 1904 geborene) Herrscher von Bahāwalpūr – mit dem Titel Nawāb – war Anfang Okt. 1947 vorzeitig von einer Europa-Reise zurückgekehrt und trat (anders als viele andere Fürsten) aktiv für ein Ende der Gewalt und des Elends ein, die mit der Aufteilung des vormaligen Britisch-Indien einhergingen (etwa indem er den Ameer of Bahawalpur Refugee Relief and Rehabilitation Fund einrichtete). Am 3. Okt. unterzeichnete er das Dokument zur Angliederung seines Fürstentums an Pakistan, welche zwei Tage später vom Generalgouverneur Muhammad Ali Jinnah bestätigt wurde. Er wurde damit zu Bahāwalpūrs letztem regierenden Nawāb – sein Name: Sadiq Mohammed (Khan) V. Abbasi, zu lesen auf unserer (bislang jüngsten) Münze des Monats, deren Avers auch ein Bildnis des hochdekorierten Fürsten zeigt (Vergleichsfoto).

Das „gottgegebene Königreich“ (mamlakat-i ḫodā-dād) von Bahāwalpūr (wie es auch auf einigen Prägungen sowie Briefmarken heißt) bestand unter seiner ʿAbbāsī-Dynastie seit dem späten 17. bzw. frühen 18. Jh. Das muslimische Fürstenhaus führte seine Abstammung auf die ʿAbbāsidenkalifen von Ägypten zurück, von wo ein Dynastievertreter im Laufe des 15. Jh. mit großem Gefolge an den Indus gekommen sei. Als die Oberherrschaft der afghanischen Durrānī-Könige zu Beginn des 19. Jh. schwand und die Macht der Sikhs wuchs (Karte), begann der Nawāb von Bahāwalpūr mit der Prägung eigener Münzen; zu den Prägeorten gehörten neben der Hauptstadt, welche für das Fürstentum namensgebend war, Aḥmadpūr und Ḫānpūr. Die Abhängigkeit von den Briten nahm ihren Anfang mit entsprechenden Schutzverträgen in den 1830er Jahren. Die ʿAbbāsī-Nawābs von Bahāwalpūr hatten in der Folgezeit das Recht auf 17 Salutschüsse, womit sie in der Hierarchie der diversen Princely States weit oben rangierten. Nachdem ihre Münzprägung zunächst anonym gewesen war, begann noch Mohammed Bahawal Khan V. (reg. 1883–1907) gegen Ende seiner Herrschaft damit, seinen Namen auf die kupfernen Paisa-Stücke zu setzen, welche seit 1301 H. (1883/84) zu Bahāwalpūr in rechteckiger Form geschlagen wurden. Auch sein Sohn und Nachfolger, unser Sadiq Mohammed V., ließ anfangs (d.h. ab 1326 H.) derartige traditionelle Münzen mit seinem eigenen Namen prägen, ehe es mit der Einführung maschinell geprägten Geldes 1343 H. (1924/25) zu einer Neugestaltung der Münzen kam: Recht kurios erscheinen die von Spink & Son Ltd. (London) entworfenen Silber- und Gold-Stücke mit Jugendportrait und einem Vollwappen nach europäischem Vorbild inkl. Ritterhelm. Auf anderen Rupien und Paisa-Typen erscheint der Name des ʿabbāsidischen Nawābs nun erstmals in Form einer ṭuġrā, wie man sie von den Osmanen kennt, und bei der ṭuġrā blieb es dann auch auf Sadiq Mohammeds finalen Typen, welche 1359 H. ausgegeben wurden und zu denen die Münze des Monats gehört.

Wie auf dem Revers angegeben, handelt es sich nicht um das kleinere ½-Paisa-Stück (Half Pice), sondern um das größere (gleichfalls kupferne) ¼-Anna-Stück mit einem Gewicht von 4,86 g. Über der englischen Angabe One / Quarter / Anna findet sich besagte ṭuġrā, innerhalb derer von unten nach oben zu lesen ist: Ṣādiq / Moḥammed / ʿAbbāsī / ḫāmis (letzteres bedeutet „der Fünfte“); die verlängerten alifs (ā) sollen an drei Rossschweif-Standarten-Schäfte mit je einem herabhängenden Haarbüschel erinnern. Dieselben Namensbestandteile finden sich noch einmal in lateinischer Schrift rund um das Herrscherportrait auf dem Avers – der Nawāb trägt eine Uniform mit Abzeichen und Ordensspange sowie eine Art hohen Fes (vgl. Gruppenfoto von 1941, 2. Reihe!) – wohlgemerkt mit einem vorangestellten Zusatz, der auf dem Revers keine Entsprechung hat: der Ehrenbezeichnung al-Haj (al-ḥāǧǧ), welche Sadiq Mohammed als einen Muslim ausweist, der die Pilgerfahrt nach Mekka absolviert hat. Irgendein Herrschertitel (nawāb, amīr) ist auf den Münzen wohlgemerkt nicht zu finden. Auch sonst sind die übrigen Inschriften (alle auf dem Revers) einfach gehalten: Dem englischen Bahawalpur State entspricht auf 2 Uhr die Prägeortangabe żarb-i Bahāwalpūr (mit ḍamma über dem p), unter der noch als Element der ṭuġrā eine Mondsichel mit Stern zu sehen ist. Dieses Symbol (mit derselben Ausrichtung) war schon für die Flagge der All-India Muslim League gewählt worden, auf der Pakistans Flagge basiert. Auf 11 Uhr findet sich die Angabe des Nominals auch noch einmal in arabischer Schrift: pāʾo ānna (man beachte die Form des letzten Buchstabens) – eine „Viertel Anna“ entsprach einer Paisa. Die Zweisprachigkeit, welche im Falle aller älteren Münztypen (auch der 1320er und 1340er Jahre H.) nicht gegeben war, setzt sich bei der Datierung fort: Auf 9 Uhr steht sana („Jahr“) und darüber١٣٥٩ H., auf dem Avers ganz unten 1940.

Unsere Münze wurde also sieben Jahre vor dem Ende der britischen Oberhoheit über Bahāwalpūr sowie dem Anschluss des Fürstentums an Pakistan geprägt. Als Sadiq Mohammed V. dann 1953 als ein Vertreter Pakistans bei der Krönung Elisabeths II. zugegen war (Familien-Foto im Savoy), bestand Bahāwalpūr allerdings noch immer als autonome Einheit. Es dauerte sogar noch bis zum 14. Okt. 1955, ehe der ʿAbbāside eine Vereinbarung mit Malik Ghulam Muhammad unterzeichnete, mit der sein Fürstentum an der Grenze zu Indien endgültig in der Provinz West-Pakistan aufging (wobei der Nawāb-Titel behalten werden durfte und seinem Träger unter anderem ein persönliches Einkommen blieb). Anstelle Malik Ghulam Muhammads setzte die Queen im selben Monat einen neuen Generalgouverneur ein – es sollte ihr letzter für Pakistan sein. Als Elisabeth 1961 erstmals Pakistan besuchte (Video), war sie nicht mehr Königin dieses Landes, die Islamische Republik jedoch noch Commonwealth-Mitglied. Lange nachdem Sadiq Mohammed V. 1966 in London verstorben war, reiste die Queen im Okt. 1997 noch ein weiteres Mal nach Pakistan. Anlass war das 50. Jubiläum der Unabhängigkeit des Landes von Großbritannien – dieses Jahr, 2022, ist die folgenreiche Auflösung Britisch-Indiens also 75 Jahre her.

Sebastian Hanstein

MdM September 2022

 

In 2006, Dr. Norman Douglas Nicol published his Corpus of Fāṭimid Coins, which is considered the standard reference for Fāṭimid coins. Now, in 2022, a supplement volume has been released for sale and covers hundreds of types not included in the original work. Doug Nicol received a doctorate in Medieval Islamic History from the University of Washington (Seattle) in 1979 and during a subsequent stay in Egypt, co-authored a catalogue of the coins in the Egyptian National Library (1982). He worked for Stephen Album in California and, as a senior research fellow at Oxford University, wrote five volumes of the Sylloge of Islamic Coins in the Ashmolean. For the following coin of the month guest contribution he has chosen one of the rarest dinar types minted under the Fāṭimids – a dynasty that moved to Egypt 1050 year ago and was finally overthrown in September 1171.

 

The stability and prosperity of the Fāṭimid caliphate was threatened long before the final demise of this Ismāʿīlī Shiite dynasty. The founding of the Crusader Kingdom of Jerusalem in Palestine became a source of ongoing problems for the Fāṭimid régime in Egypt and Syria. The situation became particularly difficult during the reign of al-Āmir bi-Aḥkām Allāh, who was born in 1096 and proclaimed caliph by the vizier al-Afḍal upon the death of his father when he was only five years old (1101). As he had done during the previous reign, al-Afḍal completely controlled the government and did so for 20 years. Most of al-Āmir’s caliphate was taken up with events in Syria and Palestine. In 1103, the Crusaders laid siege to ʿAkka and they succeeded in taking the City in 1104. A number of expeditions were organized against the Crusaders, launched from the Fāṭimid base in ʿAsqalān (Ashkelon). However, one after another of the coastal cities were conquered by the enemy: Ṭarāblus in 1109, Ṣūr (Tyre) in 1124. In 1117 (511 AH), a Crusader army led by king Baldwin I of Jerusalem even invaded Egypt itself, but was forced to retreat, having advanced only as far as Tinnīs in the northeast Nile delta. The long time military dictator al-Afḍal was assassinated in 1121 and it was only after this event that al-Āmir was finally able to assume his full caliphal powers. Dissatisfied with his new vizier’s ability to control events, al-Āmir ordered him executed in 1125. Nizārī agents continued to infiltrate Egypt and foment discord. Their greatest success was the assassination of the Fāṭimid caliph on 7 October 1130, throwing the question of succession into chaos.

One important effect of the Latin kingdom between Egypt and Syria was the disruption of the pilgrimage route to Mecca (cf. MdM Aug. 2020). To counter the threat posed by the Crusaders on the annual Ḥajj, the Fāṭimids developed the town of Qūṣ (in Graeco-Roman times: Apollonopolis) in Upper Egypt as a transfer point between Lower Egypt and the Red Sea. Located on the east bank of the Nile between Qenā and Luxor, Qūṣ was at a strategic point that was not a long distance from the coast opposite the Hejaz. The town soon became a major alternative that brought pilgrims and other travelers destined for Mecca and Medina, as well as trading centers further south and east. This development (cf. also Jean-Claude Garcin, Un Centre Musulman de la Haute-Égypte Médiévale: Qūṣ, Cairo 1976, pp. 84–85) leads to our FINT coin of the month for September. As Qūṣ grew in importance, a mint (dār ḍarb) was established there in 516 AH/1123 CE, as the medieval Egyptian historian al-Maqrīzī (d. 1442 CE) in his Ittiʿāẓ al-ḥunafāʾ bi-akhbār al-aʾimma al-Fāṭimīyīn al-khulafāʾ (ed. Muḥammad Ḥilmī Muḥammad Aḥmad, vol. III, Cairo 1393 = 1973, p. 93) reported:

وتولى قوص الأمير مؤيد الملك وخلع عليه، وأمر أن يبنى بقوص دار ضرب، وجهز معه مهندسين وضرابين وسكك العين والورق، وعشرين ألف دينار وعشرين ألف درهم فضة، فضربت هناك دنانير ودراهم، وصار كل ما يصل من اليمن والحجاز من الدنانير العدنية وغيرها يضرب بها. وصار ما يضرب باسم الآمر فى ستة مواضع: القاهرة ومصر وقوص وعسقلان وصور والإسكندرية

“The emir Muʾayyid al-Mulk was appointed governor of Qūṣ and accordingly received a robe of honour. His order was to build up a mint in Qūṣ and so he was provided with craftsmen and minters, dies for gold and silver, 20.000 dinar plus 20.000 dirham (of fine) silver. Consequently, dinars as well as dirhams were struck at Qūṣ, and (in the course of this) all the dinars of Aden and other sorts of money that used to arrive from Yemen and the Hejaz were being (brought to be re-)minted there. Overall, minting in the name of al-Āmir took place at six locations: Cairo, Miṣr [= al-Fusṭāṭ/‘Old Cairo’], Qūṣ, Asqalān, Ṣūr and Alexandria.”
(tr. Sebastian Hanstein)

One would think that given the prodigious number of dinars struck in the name of the caliph al-Āmir surviving into the present day, at least a portion of them minted in Qūṣ would be encountered along with issues of Cairo or Alexandria. Such a surmise is not born out in reality, however, as only a single coin of al-Āmir with the mint name Qūṣ exists – preserved in the FINT collection. This beautiful dinar (3.81g, 20mm), our coin of the month, is dated 519 AH (= 1125 CE); see SNAT, vol. III, pp. 82–83, no. 1185 and Nicol, A Corpus of Fāṭimid Coins, no. 2511. The arrangement of the inscriptions is in the standard pattern common to almost all of al-Āmir’s dinars. Obverse center: ʿālin ghāyatan “extremely pure” (referring to the fineness of the gold), inner circular inscription: shahāda with Shiite extra phrase (cf. MdM Jan. 2020), outer circular inscription: Qurʾān IX:33. Reverse center: al-imām al-Manṣūr, inner circular inscription: Abū ʿAlī al-Āmir bi-Aḥkām Allāh amīr al-muʾminīn, outer circular inscription: mint and date formula.

Another dinar of the same mint and date, with the same type format, is in the collection of the British Museum, but the mint is rendered as Madīnat Qūṣ (Nicol, Corpus, no. 2512). Why only two examples of dinars from Qūṣ and from the same year, but struck from different dies, have ever been discovered has never been adequately explained. This interesting case would be a good starting point for discussing the problem of survival rates in Islamic numismatics.

 

MdM August 2022

 

Kürzlich wurde die Sammlung islamischer Münzen der Eberhard Karls Universität  (ja, der Alma-Mater-Name bleibt – denn wie der Rektor ganz richtig zu bedenken gab, ist „[d]ie Vergangenheit kein Ballast, den man möglichst schnell loswerden sollte. Sie ist weder eine Aneinanderreihung großartiger Leistungen, noch ein ununterbrochenes Schurkenstück. Geschichte ist immer Licht und Schatten und sie ist Teil unserer Identität.“)  abermals durch eine Dauerleihgabe der Pelling-Zarnitz-Stiftung bereichert (s. MdM Sept. 2020 sowie MdM Febr. 2021), bestehend aus 20 Münzen – eine interessanter und kostbarer als die andere. Eines dieser neuen Stücke wurde in einem Land geprägt, dessen heißes Klima schon von den mittelalterlichen Geographen als unerträglich hervorgehoben wurde und auch gegenwärtig dazu geeignet ist, unser Klagen über Spitzentemperaturen um die 35 °C zu relativieren – am (ehemaligen) Prägeort der Münze des Monats herrschen auch diesen Sommer schon mal über 50 °C. Die Rede ist von Irans arabischster Provinz Ḫūzistān und den als Band-e Qīr bekannten Ruinen der selǧuqenzeitlichen Hauptstadt ʿAskar Mukram. Letztere lag an beiden Seiten eines großen Kanals und war schon in sāsānidischer Zeit von Bedeutung gewesen. Im 10. Jh. war sie ein Zentrum der Zuckerindustrie und bekannt für ihre hochwertigen Textilien – ebenso wie für ihre gefährlichen Skorpione (Hemiscorpius lepturus?). In Bezug auf ihre Einwohner wird berichtete, dass gefühlt jeder ein Hobby-mutakallim war; selbst Lastenträger hätten während der Arbeit Fragen der Koran-Auslegung erörtert.

Auf der Münze – einem 2,24 g schweren Dinar – lautet die Prägeortangabe in der Av.-Umschrift bi-ʿAskar, was ein Beleg dafür ist, wie die Stadt auch nach anderen Quellen gemeinhin (verkürzt) genannt zu werden pflegte (auf älteren Prägungen hingegen oft: ʿAskar min al-Ahwāz). Wie sich an mehreren Beispielen beobachten lässt, konnten sich offizielle (arabische) Stadtbezeichnungen (aus frühislamischer Zeit) gerade auf Münzen lange halten, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auch in der sikka jener Name Einzug hielt, welcher von jeher allgemein gebräuchlich war. Dass die sīn-Strichlein in ʿAskar auf unserem Dinar ausgeführt sind, ist nicht selbstverständlich; auf einem wenige Jahre jüngeren Münztyp fehlen sie komplett (عــــكر satt عسكر), und zwar nicht nur in der Münzstättenbezeichnung. Mit diesem Wissen lässt sich die (für solche Typen bislang meist falsch gelesene) Jahresangabe nach sana (auf unserem Exemplar mit nur einem fehlenden Strichlein ىىىة geschrieben) so deuten, dass auch der erste Buchstabe der Zehnerzahl nur als Grundlinie ausgeführt, jedoch ein sīn ist, und man sittīn lesen darf. Das Jahr 560 H. (= 1164/65 A.D.) ist wohlgemerkt nicht das einzige, welches auf derartigen Dinaren aus ʿAskar Mukram begegnet. Auf einer eng verwandten Münze konnte ich sana sabʿ… lesen – also wohl: [56]7 –, auf einer weiteren 566 (komplett ohne sīn-Strichlein). Während auf letzteren als Kalif der ʿAbbāside al-Mustaḍīʾ bi-Amr Allāh genannt wird, ist es 560 H. (in der letzten Av.-Zeile, unter der šahāda) noch al-Mustanǧid bi-’llāh. Während die ʿAbbāsiden im 12. Jh. wieder als selbstständige Machthaber über den (arabischen) Irak geboten, stand dessen östliches Nachbarland Ḫūzistān ab 1160 (555 H.) unter der Herrschaft einer neuen Dynastie. Deren Gründer, ein türkischer Emir, wird in den Chroniken meist nur Šumla genannt, begegnet auf Münzen wie unserem Dinar jedoch unter seinem eigentlichen Namen. So ist im Av.-Feld oben, links und rechts (auf allen Typen und Varianten) Ḥusām / ad-Dīn / Īl-Doġdī zu lesen (und wohlgemerkt nicht: Ai-Doġdī). Die Münzen dokumentieren jedoch nicht nur das korrekte türkische Anthroponym, sondern offenbaren uns sogar, zu welchem Stamm die Dynastie des Münzherrn gehörte. Hierfür gilt es das Zeichen im oberen Rev.-Feld (rechts neben einem dicken Punkt) zu verstehen, ein tamġa. Solche abstrakten Symbole prangen ebenso auf Münzen der Salġuriden und Artuqiden und wahrscheinlich nahm sich Šumla die Prägungen des benachbarten Atabegs von Fārs zum Vorbild. Jedenfalls fand meine Vermutung, dass es sich um ein Stammesemblem handelt, Bestätigung, indem ich das Zeichen in entsprechenden Aufstellungen klar als tamġa der oġuzischen Eymür identifizieren konnte (s. S. Hanstein, „Numismatische Einblicke in die Geschichte der Borsuqiden-Dynastie und Ḫūzistāns im 12. Jh.“ in Studia Numismatica et Islamica in Honorem Lutz Ilisch).

Die wohl bedeutendste Dynastie, welche die oġuzische Stammeskonföderation hervorbrachte, die der Selǧuqen, war zu Šumlas Zeit wohlgemerkt auch in ihrer Hauptlinie noch nicht Geschichte (wenngleich im Niedergang) – um die eigene (wenngleich faktisch unabhängige) Herrschaft zu legitimieren, war es damals nach wie vor vorteilhaft, sich auf diese ehrwürdige Familie und ihren etablierten (imperialen) Thronanspruch zu beziehen. Idealerweise regierte man im Namen eines „eigenen“ Selǧuqen, einen, den man selbst unter Kontrolle hatte, und in Šumlas Fall hieß dieser Abū Šuǧāʿ Muḥammad ibn Toġrı̊l. Der Name findet sich im Rev.-Feld zusammen mit dem Titel as-sulṭān al-muʿaẓẓam und (vertikal links/rechts) dem Ehrennamen Muġīṯ ad-Dunyā / wa-’d-Dīn. Über Muḥammad ist bekannt, dass er zuvor nomineller König von Fārs gewesen und dann vom salġuridischen Atabeg Sonqur 1161 (556 H.) als Gegensultan zu seinem Bruder Arslan losgelassen worden war. Muḥammad und seine Verbündeten erlitten jedoch eine Niederlage gegen Sultan Arslan und dessen Atabeg Eldigüz und es sind die Münzen, welche uns verraten, dass der geschlagene Selǧuqe daraufhin nicht zurück nach Fārs, sondern nach Ḫūzistān ging. Šumla stellte Muḥammad sicherlich nur zu gern unter seinen Schutz und – wie unser Dinar zeigt – als ḫūzistānischen Gegensultan auf, um auf diese Weise mit den eldigüzidischen Atabegs von Aserbaidschan auf Augenhöhe um die regionale Vorherrschaft konkurrieren zu können. In dieser Hinsicht ist das Prägejahr der Münze des Monats besonders interessant. Von 560 H. gibt es nämlich nicht nur diesen einen Typ, sondern noch einen anderen, auf dem as-sulṭān al-muʿaẓẓam Muḥammad ibn Toġrı̊l zusammen mit seinem Bruder as-sulṭān al-aʿẓam Arslan ibn Toġrı̊l genannt ist (und dieser Typ ist der häufigere). Hinzu kommt sogar noch ein weiterer neuer Dinartyp aus der Reihe, welcher Šumlas alleinige Anerkennung Sultan Arslans (noch zur Zeit des Kalifen al-Mustanǧid, gest. 566 H.) dokumentiert! Prägeort ist, als einzige Münzstätte Ḫūzistāns in der späten Selǧuqenzeit, stets ʿAskar Mukram.

Wie mögen die beobachteten Wechsel in der Sultansnennung nun zu interpretieren sein? Erkannte Šumla Muḥammad 560 H. zunächst, in einem ersten Schritt, zusätzlich zu Arslan an und nannte ihn erst später in diesem Jahr als einzigen Selǧuqen? Auf jeden Fall musste er, wie die Typen mit Nennung al-Mustaḍīʾs dokumentieren, diesbezüglich bald wieder ein Stück weit zurückrudern und so mag die Entwicklung vielleicht die folgende gewesen sein:

[55]6 (?):  Šumla + Arslan + al-Mustanǧid

560 (a):  Šumla + Muḥammad + al-Mustanǧid

560 (b):  Šumla + Muḥammad + Arslan + al-Mustanǧid

566, [56]7:  Šumla + Muḥammad + Arslan + al-Mustaḍīʾ

Das heißt, der Münzherr ersetzte, nachdem er zu Beginn seiner Herrschaft noch ordnungsgemäß Arslan anerkannt hatte, dessen Namen (spätestens) 560 H. durch den seines eigenen Kandidaten, wurde aber noch im selben Jahr dazu bewogen, den eldigüzidisch gestützten Selǧuqen zumindest wieder als Großsultan über Muḥammad anzuerkennen, wobei es dann blieb. Das in Ḫūzistān errichtete Gegensultanat wäre demnach 560 H., vermutlich im Rahmen von Verhandlungen, (in ein Subsultanat umgewandelt und damit) beendet worden – die Eldigüziden setzten sich als Groß-Atabegs durch und auch Šumlas Expansionsbestrebungen zeigten wenig Erfolg. Es waren 1195 jedoch nicht die Atabegs von Aserbaidschan, welche der Dynastie des 1174/75 verstorbenen Emirs Šumla ein Ende bereiteten, sondern die wiedererstarkten Kalifen von Bagdad. Dabei begann der ʿabbāsidische Eroberungsfeldzug im Herbst 1194 und wurde zu Beginn des neuen Jahres abgeschlossen – erfolgte also verständlicherweise während des Winters, wenn die Temperaturen sogar in Ḫūzistān erträglich sind.

Sebastian Hanstein

MdM Juli 2022

 

Die FINT wünscht ihrem ehemaligen Leiter Lutz Ilisch alles erdenklich Gute zum Geburtstag! Erst vor einigen Wochen erschien zu seinen Ehren die Festschrift Studia Numismatica et Islamica in Honorem Lutz Ilisch (bestellbar im Onlineshop des Wasmuth-&-Zohlen-Verlags) und nun wurde es wieder einmal Zeit, dass der Adressat dieses Sammelbandes (Inhaltsverzeichnis) uns mit einem weiteren Münze-des-Monats-Beitrag erfreut, einem sommerlichen Gastbeitrag, der auch deshalb sehr willkommen ist, weil er uns (zum ersten oder zweiten Mal in dieser Reihe) nach Ifrīqiya führt, und das auch noch über Byzanz…

 

Zu einem Zeitpunkt, an dem viel von einer Zeitenwende die Rede ist, mag es einem älteren Zeitgenossen gestattet sein, ein anderes Bild zu bemühen, nämlich dass sich die Geschichte bisweilen im Kreis zu drehen scheint und – gemessen an den Geburtsumständen zur Zeit der Koreakrise – aktuell eine Runde in einem solchen Kreis zurückgelegt worden sein könnte. Der „Westen“ hat wieder seinen „Osten“. Annäherung und Entfernung, Verstehen und Nicht-Verstehen bilden Themen in Gegenwart wie Vergangenheit und selbst in der Münzgeschichte lässt sich Stoff für derartige Betrachtungen finden, etwa in den kuriosen Verbindungen der Antipoden Kalifat und Byzanz, in denen zeitweise auch noch eine weitere Macht eine undurchschaubare dritte Rolle zu spielen scheint: das Karlsreich.

Die Münze des Monats Juli (mit einem Gewicht von 1,85 g) kommt auf den ersten Blick als byzantinisches Silberstück, als Miliaresion, daher. Christlich geprägt ist sie auf dem Revers durch ein Stufenkreuz mit dem lateinisch-griechischen Bekenntnis zum Begründer des siegreichen Glaubens IhSЧS XRISTЧS nICA. Die andere Seite nennt in weitgehend griechischer Sprache, jedoch lateinischer Schrift die Beherrscher des Reiches: Constantin(os) VI. (reg. 780–797) und dessen mütterliche Vormünderin Irene (IRIҺIЄ, Namen in der 1.–3. Av.-Zeile). Letztere war nicht die einzige Frau, welche als Kaiserin auf byzantinischen Münzen genannt oder dargestellt wurde, aber sie war die einzige tatsächlich regierende Kaiserin des oströmischen Reichs (nach dem Tod ihres Mannes Leo IV. für ihren Sohn Constantin). War es ein Zufall, dass gerade zu Irenes Zeit auch die ʿAbbāsidenherrschaft zwei machtvolle Frauen, al-Ḫaizurān und Zubaida, Mutter und Ehefrau des Hārūn ar-Rašīd hervorbrachte? (Im Namen der zweiten wurden unter anderem Dirhams in der armenischen Silberbergbaumünzstätte al-Muḥammadīya, auch Maʿdin Bāǧunais genannt, geprägt.)

Münzen wie die des Monats sind deshalb Teil der Sammlung in der Forschungsstelle für Islamische Numismatik Tübingen, weil sie häufig Spuren der Überprägung auf arabische Münzen tragen, welche sich bei näherem Hinsehen sehr viel genauer bestimmen lassen als die byzantinische Nachnutzung. Diese bisher nur selten vollzogene Bestimmung des ursprünglichen Zustandes, des Untertyps, lohnt aber, indem sie die Interpretation dessen, was wir sehen, gründlich verändert. Eine naheliegende Interpretation der Überprägung eines ʿabbāsidischen Dirhams mit seinem islamischen Glaubensbekenntnis hin zu einem byzantinischen Miliaresion mit christlicher Glaubens- und Siegesgewissheit besteht in der Unlesbarmachung und Ersetzung des bekämpften Fremden im Rahmen des sich über Jahrhunderte hinziehenden Konflikts beider Imperien. Doch so einfach ist die Sache nicht…

Schon 1858/1860 erkannte der in russischen Diensten stehende Brigadegeneral Jean de Bartholomaei in einem Aufsatz über Münzfunde aus Tiflis, dass die seit Leo III. und Constantin V., also spätestens seit 741 geprägten Miliaresia hinsichtlich ihrer Bildlosigkeit, religiöser und weltlicher Herrschaftsbekundung und der Randzier mit dreifachem Kreis eigentlich eine Art kūfischer Dirhams in byzantinischem Gewand darstellen. Den Überprägungen auf Dirhams widmete der amerikanische Islam-Numismatiker George C. Miles hundert Jahre später einen ersten Überblick, in dem er 16 solche Überprägungen, zumeist aus der Staatlichen Eremitage und der selbst kuratierten Sammlung in New York, zusammenstellen konnte. Die genaue Erkennung der überprägten Dirhams gelang ihm jedoch nur bei vier Stücken: zwei Dirhams, die 87 H. zu Wāsiṭ bzw. 98 H. zu Dārābǧird geschlagen noch aus umayyadischer Herrschaft stammten, einem ebenfalls sehr alten Dirham aus Iṣṭaḫr und schließlich einem Bagdader Dirham von 156 H. (772/773), der sich nur kurze Zeit in der islamischen Welt aufgehalten haben konnte, weil er bereits zwischen 776 und 780 christianisiert wurde. Seit Miles’ Studie wird sich die Zahl nachweisbarer Überprägungen bis heute vermutlich verzehnfacht haben, sodass das Ausmaß und die Regelhaftigkeit des Phänomens deutlich werden. Wichtig war vor allem eine kleine Fundpublikation durch Simon Bendall 1988, in der 99 Miliaresia des zweiten bis letzten Viertels des 8. Jh. aufgelistet und besprochen wurden, von denen 14 erkennbar überprägt waren. Der tatsächliche Anteil mag noch höher gewesen sein, da die Überprägung gelegentlich perfekt gewesen sein kann, sodass keine mit bloßem Auge sichtbaren Reste des Untertyps verblieben. Bendall erkannte, dass solche Überprägungen erst nach der Mitte des 8. Jh. begannen und ihr Anteil an der Prägung über die zweite Jahrhunderthälfte hinweg zunahm, sodass Miliaresia des hier vorgestellten Typs von 780–797 zu 28% durch Überprägung von Dirhams produziert worden waren. Er diskutierte die Möglichkeit, dass die Dirhams Kriegsbeute gewesen sein könnten, doch die Häufung in der genannten letzten Periode macht eine solche Interpretation unwahrscheinlich, da sich in den letzten Jahrzehnten des 8. Jh. auf byzantinischer Seite kein Kriegsglück einstellen wollte.

Simon Bendall und der ihm helfende Michael Bates hatten weniger genaue Ergebnisse bei der Bestimmung der unter Irene und Constantin VI. überprägten Dirhams als bei den älteren Stücken des Fundes. Hier zeigen nun die insgesamt vier in Tübingen zur Verfügung stehenden Überprägungen, dass dies kein Zufall war. Denn anders als die älteren Überprägungen mit Untertypen aus dem iranisch-irakischen Raum kommen die jüngeren ganz überwiegend aus dem westlichen Nordafrika. Die unter den Gouverneuren von Ifrīqiya aus der Muhallabiden-Familie in Massen produzierten Dirhams, insbesondere jene aus der 151 H. gegründeten Provinzhauptstadt al-ʿAbbāsīya, sind von einem eigenen Stil und zeigen eine im Verlauf von zwanzig Jahren immer kleiner und undeutlicher werdende Schrift; die dabei lang ausgezogenen Buchstaben mit parallelen Doppellinien wie dāl oder kāf erscheinen auf Prägungen aus al-ʿAbbāsīya regelmäßig als eine dicke, tief ausgravierte Linie. So war es kein Wunder, dass solche Untertypen weniger oft genau bestimmt werden konnten als die alten Umayyaden-Dirhams (mit ihrer großen und deutlichen Schrift), und sie waren bei ihrer Überprägung auch noch recht jung. Auf der Münze des Monats findet sich – abgesehen von einem Teil der Avers-Feldinschrift (šahāda) – sogar eine lesbare Jahreszahl des Untertyps, nämlich 163 H. (779/780) – der ausgeschriebene Einer ṯalāṯ (drei) ist am Rand der Seite mit dem Kreuz bei 4:30 bis 5 Uhr zu sehen, deutlich auch das ins Feld ragende nūn von sittīn (vgl. ein unüberprägtes Exemplar). Der ursprüngliche Dirham ist damit genau während der zwölf Monate vor der Regierungsübernahme Irenes für ihren minderjährigen Sohn im September 780 geprägt worden. Im Falle eines anderen Miliaresions, das kurz zuvor, 775–780, mit den Namen Leos IV. und Constantin VI. geprägt wurde, datiert der überprägte nordafrikanische Dirham ins Jahr 161 H. (777/778), gelangte also ebenfalls sofort oder bald nach seiner arabischen Prägung in die Münzstätte Konstantinopel.

Al-ʿAbbāsīya lag an der westlichen Peripherie des ʿAbbāsidenreiches und ist mit dem heutigen Ṭubna in Algerien zu identifizieren. Noch weiter westlich hatten sich kleinere Staaten religiöser Gruppen etablieren können, die das ʿAbbāsidenkalifat nicht anerkannten, darunter die Ḫāriǧiten im Silberbergbauort Tudġa im Hohen Atlas, die Umayyaden von Spanien, die zur Prophetenfamilie zählenden Idrīsiden, welche in weiten Teilen des heutigen Marokkos Anerkennung fanden, und die für den damaligen Welthandel wichtigen Ibāḍiten unter Führung der Rustamiden von Tāhert im heutigen Algerien. Offenbar ahmten letztere die Dirhams von al-ʿAbbāsīya nach und es ist heute oft schwierig zwischen den Originalen und solchen Nachahmungen zu unterscheiden.

Um die Hintergründe der Überprägungen zu verstehen, reicht es also nicht, einseitig auf die direkten militärischen oder wirtschaftlichen Kontakte zwischen dem Kalifat und Byzanz zu schauen, sondern der weltweite Export nordafrikanischer Dirhams im letzten Drittel des 8. Jh. ist zu betrachten.  Zwischen 770 und 790 führte dieser hauptsächlich in den Nahen Osten, nach 790 auch direkt in das Karolingerreich und – Überprägungen wie die hier behandelte weisen darauf hin – vermutlich auch direkt nach Byzanz. Wenn es sich bei größeren Zahlen statistisch bestätigt, dass der Anteil nordafrikanischer Dirhams als Untertyp der Miliaresia Irenes größer ist als deren Anteil von über einem Drittel am nahöstlichen Silbermünzumlauf, wie er sich in Schatzfunden abzeichnet, so wird daraus zu schließen sein, dass dieses nordafrikanische Silber durch Vermittlung von Fernhändlern mit Basis außerhalb oder am Rande des ʿAbbāsidenreichs vom Bergwerk in die Münzstätte und auf das Schiff nach Konstantinopel kam. Über solche Fernhändler berichten uns die zeitgenössischen Geschichtsquellen nur zufällig, etwa über jenen Isaac Judaeus, der die Beziehungen zwischen Karl dem Großen und dem Kalifen Hārūn ar-Rašīd organisierte, bevor ersterer sich im Jahr 800 zum Kaiser krönen ließ. In diesem Fall kann aus der überlieferten Reiseroute erschlossen werden, dass der Fernhändler zur Gemeinschaft der jüdischen Rāḏānī-Kaufleute zählte, über die uns das Wegebuch des Ibn Ḫurdāḏbih (um 860 zusammengestellt) detailliertere Auskunft gibt, so z. B. über deren Anwesenheit an allen Königs- und Kaiserhöfen der alten Welt, Byzanz und China eingeschlossen. Ähnlich wie bei den ibāḍitischen Kaufleuten bildeten Luxusgüter, Waffen und Sklaven die höchstpreisigen Waren.

Im Hochmittelalter wurde der Begriff Miliaresion mit dem islamischen Dirham gleichgesetzt, wie aus Urkunden und Texten aus Südeuropa und den Kreuzfahrerstaaten hervorgeht. Das kann durchaus in das 8. Jh. zurückgehen, auch wenn das Gewicht der Miliaresia zunächst bei etwa 2,35 g und im späten 8. Jh. auf 2,15 g sank, während der Dirham gleichzeitig bei 2,97 g anzusetzen war. Doch sowohl die Miliaresia als auch zuerst die nordafrikanischen, später auch die östlichen Dirhams wurden seit dem Ende des 8. Jh. mit schwankendem Gewicht zum Zuwiegen bei der Bezahlung geprägt, sodass derselbe Name (milares) für beide Münzsorten gebraucht werden konnte, solange sie nur im Feingehalt übereinstimmten.

 

MdM Juni 2022

 

Letzten Monat fand wieder die von der FINT ausgerichtete Tagung anlässlich des ONS-Meetings statt, dieses Mal mit 10 Vorträgen. Einer hatte die Münzprägung der Oberemire unter den ʿAbbāsiden zum Thema, also jener mit Ibn Rāʾiq (gest. 942) beginnenden Reihe von Militärführern mit dem Titel amīr al-umarāʾ („Emir der Emire“), welche anstelle des Bagdader Kalifen die Herrschaft ausübten und deren Namen eben bisweilen auf Münzen begegnen (329 H.: Abu l-Ḥusain Baǧkam, 330–31 H.: der Ḥamdānide Nāṣir ad-Daula, 333–34 H.: al-Muẓaffar Abu l-Wafāʾ Tuzun). Im Anschluss an den Vortrag kam die Frage auf, wie es nach 945 (334 H.) mit der Nennung von Oberemiren in der sikka weiterging, als das Amt an die Būyiden gefallen war. Genauer gesagt, wurde zunächst Muʿizz ad-Daula vom Kalifen zum neuen Oberemir ernannt. Dieser Būyide war zwar derjenige, welcher Bagdad und die ʿAbbāsiden kontrollierte, doch war seine Stellung innerhalb des būyidischen Herrschaftsverbands nur die eines untergeordneten Machthabers – das Oberhaupt der Dynastie, Muʿizz ad-Daulas ältester Bruder ʿImād ad-Daula, residierte in Fārs und kam selbst nie in den Irak. Dass in erster Linie der in Bagdad regierende Būyide als amīr al-umarāʾ galt, ohne unbedingt der höchstrangige Dynastievertreter zu sein, lässt sich auch noch für spätere Jahre beobachten. Aus dieser Unstimmigkeit dürfte sich wenigstens in der Anfangszeit eine gewisse Unklarheit ergeben haben, wem der Titel tatsächlich gebührte. Hierauf deuten z. B. Münzen aus Šīrāz, auf denen ihn ʿImād ad-Daula für sich beansprucht. Muʿizz ad-Daula trägt ihn auf seinen Münzen hingegen nie, was in Anbetracht der Praxis seiner Amtsvorgänger (Baǧkam, Nāṣir ad-Daula, Tuzun) aber auch gar nicht zu erwarten ist. Mit der Zeit bevorzugten die Būyiden dann ohnehin Königstitel, womit der Titel des Oberemirs an Bedeutung und Verfänglichkeit verlor. Er wurde sogar būyidischen Prinzen überlassen und schließlich, wie Münzen belegen, von Vasallen der Būyiden wie den Mukramiden geführt. So löste sich der Titel noch im 10. Jh. von seiner ursprünglichen Bedeutung; der Träger musste kein vom Kalifen ernannter Regent, nicht übergeordnet und nicht in Bagdad sein.

Kaum bekannt: Auch unter den Selǧuqen begegnet der Titel amīr al-umarāʾ vereinzelt auf Münzen. Es sind dies Prägungen aus dem heutigen Afghanistan, wo der Sultan (1063–1072: Alp-Arslan, 1072–1092: Malik-Šāh I.) eine ganze Reihe von Verwandten – darunter einige, über die wir so gut wie nichts wissen – mit der Herrschaft über Provinzen wie die von Balḫ und Walwālīǧ in Ṭuḫāristān bedachte. Letztere Stadt, das heutige Qunduz (Kundus), ist der Prägeort unserer blassgoldenen Münze des Monats, auf der der Titel des Oberemirs ganz unten im Av.-Feld steht (امر الامرا für امير الامرا). Auf diesem seltsamen Dinar muss zumindest die innere Av.-Umschrift als Trugschrift gelten – denn außer der basmala und dem einigermaßen richtig positionierten (jedoch gleich doppelt gesetzten) Wort sana ergibt die zu erkennende Buchstabenfolge keinerlei Sinn. Nur weil es in der FINT-Sammlung mit diesem 4,31 g schweren Stück insgesamt vier eng verwandte Münzen gibt, welche alle vom selben Rev.-Stempel stammen, kann zum einen der Prägeort als sicher gelten und zum anderen auch auf das Prägejahr geschlossen werden: 479 H. = 1086/87 A.D. Die anderen drei Dinare stammen nämlich zudem vom selben Av.-Stempel, welcher wenigstens im Bereich der Münzstätte-Datum-Formel nicht durch eine Trugschrift verwirrt. Doch auch die anderen, lesbaren Inschriften weisen Merkwürdigkeiten auf und lassen sich nicht leicht interpretieren. So ist im Rev.-Feld unter Muḥammad rasūl Allāh immer as-sulṭān dīn li-llāh zu lesen – wohl grammatikalisch falsch für sulṭān dīn Allāh, „Sultan der Religion Gottes“ – und in der Zeile darunter offenbar Muʿīn ad-Dunyā wa-d-Dīn, gefolgt von Šāh Muḥammad (letzte Zeile). Eine Frage lautet also: Wer ist hier der Münzherr, wer Sultan, wer amīr al-umarāʾ? Ein „Šāh Muḥammad“ ist nicht bekannt, ebenso wenig ein Sultan mit dem Ehrennamen Muʿīn ad-Dunyā wa-d-Dīn. Der Selǧuqensultan hieß damals Malik-Šāh, sodass sich die Überlegung aufdrängt, das Wort مـ‍ل‍ـ‍ڪ, welches ganz oben im Feld zwischen zwei Ringlein steht, als Malik und mit Šāh zusammenzulesen. Dann müsste man Muʿīn (معين) aber auch als Fehlschreibung für Muʿizz (معز) betrachten, denn Malik-Šāh hieß bekanntlich Muʿizz ad-Dunyā wa-d-Dīn. Bliebe noch der Name Muḥammad…

Im Florian Schwarz’ SNAT-Bd. XIVc – wo einer der vier Dinare publiziert ist (Nr. 1290) – ist der Münztyp einem amīr al-umarāʾ Muḥammad zugeordnet, doch wer soll das sein? Wie gesagt, wissen wir von Münzen und aus Chroniken, dass es in der Region mehr als einen selǧuqischen Oberemir gab, darunter zunächst ein Sohn Čaġri-Begs namens ʿUṯmān. Dieser wurde 465 H. = 1073 bei einem Überfall der benachbarten Ġaznaviden auf Ṭuḫāristān gefangengenommen und nach Ġazna gebracht. Allerdings dürfte aus einer der Quellen hervorgehen, dass es wenig später zu einem Treffen zwischen ihm und seinem Neffen Sultan Malik-Šāh kam, bei dem letzterer den amīr al-umarāʾ zum Gouverneur von Walwālīǧ ernannte. Vermutlich war dies eine Wiedereinsetzung (in die schon bis 465 H. innegehabte Position), nachdem ʿUṯmān vom Ġaznaviden-Sultan freigelassen worden war. Leider sind bislang keine Münzen ʿUṯmāns bekannt geworden, dafür aber eine Prägung eines anderen selǧuqischen Oberemirs: Auf einem Walwālīǧer Dinar von 470 H. (s. SNAT XIVc, Nr. 1287) ist der Münzherr als Masnad ad-Daula amīr al-umarāʾ Sulaimān angegeben. Von diesem ist bekannt, dass ihm sein Bruder Alp-Arslan 458 H. Balḫ gab, während ein anderer Bruder namens Ilyās Ṭuḫāristān erhielt und in der Tat gut numismatisch nachweisbar ist (für Walwālīǧ und Balḫ). Interessant ist nun ein für das Jahr 490 H. (1097) berichtetes Ereignis: Ehe seine Erhebung schließlich trotz ġaznavidischer Unterstützung niedergeschlagen wurde, soll sich ein Cousin Malik-Šāhs gegen dessen Nachfolger Berkyaruq (s. MdM Febr. 2020) aufgelehnt und (von Walwālīǧ aus?) nach Balḫ gezogen sein, wobei der Rebell als amīr-i amīrān (persisch für amīr al-umarāʾ) bekannt war und Muḥammad b. Sulaimān hieß. Es ist also nicht auszuschließen, dass die Münze des Monats eine Prägung dieses (sonst unbekannten) Selǧuqen ist, allerdings müsste Muḥammad seinen Vater dann schon mindestens zehn Jahre vor der Erhebung in Walwālīǧ beerbt haben. Alternativ wäre denkbar, dass mit Muḥammad Malik-Šāhs Vater Alp-Arslan (der so hieß) gemeint und der nasab folglich persisch zu lesen ist: Malik-Šāh-i Muḥammad (statt ibn Muḥammad). In diesem Fall wäre der Oberemir – vielleicht noch immer Sulaimān (in der Nachfolge ʿUṯmāns)? – anonym.

Links und rechts im Av.-Feld – der seltsame Stempel mit Trug- statt sinnhaltiger innerer Umschrift ist auch durch ein Exemplar im Orientalischen Münzkabinett Jena (2011-26-13) belegt – steht ganz offenbar ein Kalifenname, und zwar (links abwärts:  القلمfür) al-Qāʾim (und rechts aufwärts, auf dem Jenaer Stück gut lesbar:) bi-Amr Allāh (بامرلله). Von der Orthographie abgesehen, ist das Problem nur, dass dieser ʿAbbāside bereits 467 H. = 1075 verstarb – und tatsächlich ist auf dem anderen Av.-Stempel (mit brauchbarer Münzstätte-Datum-Formel) korrekterweise al-Muqtadī / bi-Amr Allāh genannt, sodass man die Aufführung al-Qāʾims wohl als weitere Fehlleistung werten darf. Hinzu kommt noch eine Fehlschreibung von وحده in der 2. Av.-Zeile und was die äußere Av.- sowie die Rev.-Umschrift angeht – beide bei Schwarz ungelesen –, so lässt sich feststellen, dass jeweils nur der Anfang der zu erwartenden Standardinschriften (Koran 30:4–5 / Muḥammad rasūl Allāh + Koran 9:33) stimmt, der Großteil jedoch wieder nur vorgibt, lesbar zu sein. Eine recht trügerische Prägung also, die auch eine Unfähigkeit zu Schreibungen in korrektem Arabisch zeigt – im freilich auch recht peripheren ostiranisch-zentralasiatischen Ṭuḫāristān, wo die Grenze zwischen dem Selǧuqen- und dem Ġaznaviden-Reich umkämpft war. Zur Qualität der Inschriften passt der Feingehalt solcher Münzen: Unter Ilyās (s. o.) wurde begonnen, in Blassgold zu prägen, d. h. die Dinare östlicher Münzstätten enthielten damals nur noch etwa 50 % Gold, Tendenz: sinkend. Dies sowie die Fehlerhaftigkeit der Inschriften macht solche Prägungen jedoch keineswegs uninteressant – im Gegenteil. Sie verraten etwas über Defizite und darüber, was man sich über das Lesen der Inschriften dachte. Natürlich können falsche Inschriften die Bestimmung erschweren, aber selbst solche sperrigen Stücke wie die Münze dieses Monats besitzen einen hohen Quellenwert (jenseits geldgeschichtlicher Aspekte), belegen die Prägungen aus Walwālīǧ doch, dass diese Oase und andere Gebiete im heutigen Afghanistan während des 11. Jh. zunächst immer wieder als Teilfürstentümer an Verwandte des Selǧuqensultans vergeben waren, wobei der Titel amīr al-umarāʾ anscheinend speziell mit der Herrschaft in Ṭuḫāristān verbunden und wohl sogar erblich war. Offenbar erschien er damals als geeignet zur Vergabe an ein (älteres?) Familienmitglied, das dem Sultan untergeordnet war, aber doch durch einen besonderen (eigenen) Titel ausgezeichnet sein wollte, auch wenn dieser natürlich nichts mehr mit dem einstigen Oberemirat am Bagdader Kalifat zu tun hatte und keinen festen Platz, keine feste Bedeutung in der Hierarchie selǧuqischer Titel finden sollte. Ohne ihn auf Münzen prägen zu lassen, nahm ihn später auch nur noch der eine oder andere Militärführer der Selǧuqen in seine Titulatur auf; für Mitglieder der Herrscherfamilie selbst spielte er keine Rolle mehr.

Sebastian Hanstein

MdM Mai 2022

 

Recently, the FINT was consulted by a PhD student from the University of Naples “L’Orientale” (Department of Asian, African and Mediterranean Studies), who is currently a visiting research fellow at the Institute of Iranian studies at the Austrian Academy of Sciences: Arturo Annucci. Since his MA, he has been successfully specializing in Islamic numismatics, participating in different archaeological projects, among them the Ghazni Project of the Italian Archaeological Mission in Afghanistan. The coinage of the (peripheral) Eastern Iranian territories (mid-8th to mid-11th century) is also the topic of his PhD research – as well as of the following guest contribution by him.

 

The 9th and 10th centuries represented a crucial period for the political and cultural formation of the areas on the eastern borders of the dār al-Islām. The weakening of the Caliphal power led to the rise of regional dynasties that assumed direct control of these areas, including important centres for the main trade routes of the time. In particular, on the northern slope of the Hindu Kush mountain range, the area of Badakhshān and Andarāba was located in the easternmost periphery of the Islamic world. From a monetary point of view, this area revolved mainly around the city of Balkh, and for this reason, the mints were included in the SNAT volume XIVc Ḫurāsān III, separating them from the mints of Panjhīr and Ghazna, published in SNAT XIVd Ḫurāsān IV.

The coin of this month belongs precisely to the mint of Andarāba (اندرابة, in modern Afghanistan), although the mint name cannot be read on the specimen. It is a silver coin minted during the reign of the Sāmānid Aḥmad b. Ismāʿīl (r. 295–301 AH/907–914) whose name can be read in the last line of the reverse, while the ʿAbbāsid caliph al-Muktafī bi-llāh (r. 289–295 AH/902–908) is mentioned in the last line of the obverse. The small dirham (no. 89 in SNAT XIVc) was struck during the first phase of Sāmānid issues in Andarāba after the conquest of the region was fully achieved in the early 10th century. The flan is thick and narrow (⌀ 17.4 mm, 2.91 g), and thus different from the ones used for reformed Islamic silver coinage, which are thinner and broader. It is appropriate to speak of a “Shahi” flan, namely associated with the non-Islamic coinage of the Hindu Shahi dynasty, which, in the 9th century, replaced the Turk Shahis in Kābulistān and became the main political counterpart to the Muslim rulers in the area. The absolute chronology of the Hindu Shahi coinage is still widely discussed, but the first issues (with the title of Śri Spalapati Deva) could likely be placed at the beginning of the 9th century, representing an important point for the monetary tradition of these regions. Changes from the Turk Shahi to the Hindu Shahi coinage involved precisely the coin flan, which became narrower and thicker, and the metal content: compared to the silver issues of the previous period, the Hindu Shahi coins stand out for their high percentage of silver (even exceeding 90%) – a phenomenon probably due to the temporary control of the Panjshīr mining area, located south of the Hindu Kush.

The Hindu Shahi coinage had a particular influence on the entire area, not limited to the Andarāba mint. Coins with similar metrological characteristics were also struck 150 km north of Kabul, in the mint of Panjhīr (بنجهير, as written on the coins). In this latter case, the authority responsible for this issue is not to be identified with the Sāmānids, but rather with the Ṣaffārid emir Yaʿqūb b. al-Layth (r. 247–265 AH/961–879). Yaʿqūb began issuing coins in the area starting from 259 AH/872–873, probably in connection with the conquest of Balkh, which took place a few years earlier. The beginning of the issues in the Panjshīr valley officially marks the beginning of the Muslim exploitation of the huge silver resources of the area, apparently removing them from the direct control of the Hindu Shahis.

The communication between the two valleys of the Hindu Kush was far from sporadic, and, although located on the two opposite slopes of the mountain range, the two mints of Andarāba and Panjhīr were not isolated but connected by a pass that linked the Kabul basin and the area of Balkh and Badakhshān. In his study Craftsmen and coins: signed dies in the Iranian world (Wien 2011), L. Treadwell pointed out how, at the end of the 9th century, a die engraver working in Andarāba moved to the Panjhīr mint, as indicated by some signatures on the coin dies. Even the Ḥudūd al-ʿālam, a 10th century geographical work by an anonymous author, mentioning Andarāba, refers to a link with the Panjshīr area: “Here (in Andarāba) dirhams are struck from the silver extracted from the mines of Panjhīr and Jāriyāna” (V. Minorsky, Ḥudūd al-ʿĀlam – ‘The Regions of the World’, London 1937, p. 109). These aspects reveal that between Andarāba and Panjshīr and the two sides of Hindu Kush there was a flow of materials, objects and information. Islamic issues on Shahi flans – like our coin of the month – could also fit in this historical framework: the first coins struck on this kind of flans would be minted in Panjhīr, sporadically starting from the conquest of Yaʿqūb, while in the Andarāba area they are attested a few years later, perhaps also as the result of exchange phenomena between the two centres.

Indeed, the diffusion in the region of coins linked to the Shahi issues is to be attributed to the Ṣaffārid dynasty, which directly conflicted with the Hindu Shahis in the Kabul area. Yaʿqūb had defeated the Hindu Shahis but, probably, he never carried out full and lasting control of the area. In this period, therefore, the Islamic mints most likely found themselves in close contact with the Shahi issuing centres, generating an influence of the latter’s coinage on the Islamic one. What happened in this first phase regarding the control of the territory and resources is still a matter of discussion among scholars, as is the nature of the authority behind some issues probably struck in Zābulistān and Kābulistān that show hybrid characteristics pertaining both to Islamic and Shahi cultures. Apparently restrained during this phase, the phenomenon of the Shahi influence on the Islamic coinage, at least according to the known examples, reached another scale in the Ghaznavid period. This new dynasty issued coins that made even more explicit the reference to the monetary model of the Hindu Shahis, not only in the metrological aspects but, concerning some mints, also in the design of the coin types.

 

MdM April 2022

 

Die Abteilung für Orient- und Islamwissenschaft trauert um Heinz Gaube, welcher vor zwei Wochen in Berlin verstorben ist; bereits einen Tag später kursierten zahlreiche Trauerbekundungen aus Syrien und anderen arabischen Ländern. Gaube war von 1979 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 2008 Professor für Iranistik am Orientalischen Seminar der Universität Tübingen und spielte als solcher eine wichtige Rolle bei der Gründung der Forschungsstelle für Islamische Numismatik (1990) und dem vorausgegangenen Erwerb der Münzsammlung Stephen Albums. Um letzteren und dessen Schatz kennenzulernen, flog er 1988 nach Santa Rosa; zum Förderantrag an die VW-Stiftung trug Gaube dann vor allem den Teil bei, in welchem die Album-Sammlung im Vergleich zu jener des British Museum charakterisiert wurde, sowie Vorstellungen zum Forschungsprogramm. Sein Ziel war es, an der Uni Tübingen eine dauerhafte wissenschaftliche Einrichtung zu schaffen, die sich um die Pflege und den Ausbau der Sammlung sowie um die islamnumismatische Forschung kümmert – und dies wurde bekanntlich erreicht.

Als die FINT geplant wurde, war Gaube wohlgemerkt der einzige orientnumismatisch ausgewiesene Hochschullehrer Deutschlands. So stammt das Kapitel zur Numismatik im 1982 erschienenen Bd. I des Grundrisses der Arabischen Philologie von ihm und bietet auf 25 Seiten eine Überblicksdarstellung, die sich auf den (sprachlichen) Aufbau arabischer Münzinschriften konzentriert und deren Inhalte in ihrer Entwicklung räumlich wie zeitlich verfolgt, etwa bis zum Jahr 1258 für den östlichen Teil der islamischen Welt und bis zur Osmanenzeit für den westlichen. Es ist allerdings ein ganz spezielles, besonders anspruchsvolles Gebiet innerhalb der islamischen Numismatik, mit dem man Gaube wohl allgemein in Verbindung bringt: das der arabisch-sāsānidischen Münzen. Als Student hatte Gaube selbst sāsānidische Drachmen gesammelt (Ziel: eine pro šāhānšāh) und seine dritte Publikation war ein kleiner Aufsatz von 1972 mit dem Titel „Der späteste bisher bekannte Arabosasanidische Dirhem“ (Schweizer Münzblätter 22, S. 57–59; zu einer Prägung ʿUmāra b. Tamīm al-Laḫmīs aus Sīstān von 79 H.). Im Jahr darauf veröffentlichte er sodann sein bekanntes und geschätztes Handbuch Arabosasanidische Numismatik, eine systematische Pionierstudie mit dem Ziel, „arabosasanidische Münzen leicht und schnell bestimmbar zu machen“.

Es sollte also keine Überraschung sein, dass es sich bei unserer Münze des Monats um eine arabosāsānidische Drachme handelt, wenn auch um keine, deren Vorhandensein in der FINT-Sammlung sich Prof. Gaube selbst verdankt (so wie dies etwa für einen Löwentaler aus der Sammlung seines Vaters gilt, für welchen er in seiner Zeit als Referent am Orient-Institut der DMG in Beirut gelegentlich Münzen erwarb). Das 3,5 g schwere Silberstück nach sāsānidischem Vorbild ist gleich in mehrfacher Hinsicht interessant und auf den ersten Blick als frühislamische Prägung zu erkennen, weist es doch nicht allein mittelpersische Pahlavī-Inschriften auf, sondern auf dem Avers auch die arabische Randlegende (ohne Zusätze) bi-smi ’llāh („im Namen Gottes“), wobei der letzte Buchstabe noch an ein Pahlavī-P erinnert. Der Revers enthält hingegen noch nichts Arabisches. Das Münzbild unseres Exemplars lässt hier leider etwas zu wünschen übrig, bekanntlich ist in der Mitte aber ein (zoroastrischer) Feueraltar dargestellt, flankiert von zwei sog. Assistenzfiguren. Neben der rechten findet sich die Münzortsigle, in diesem Fall ein Kürzel aus drei Buchstaben, für deren Lesung es wegen der Ähnlichkeit einiger Pahlavī-Buchstaben – diese Schwierigkeit bietet nicht nur unpunktiertes Kūfī – zunächst mehrere Möglichkeiten gibt. So käme für den ersten Buchstaben grundsätzlich sowohl W als auch N, für den zweiten A, aber auch H, und für den dritten R wie L infrage… A. D. Mordtmann (1879), J. Walker und R. Göbl lasen daraus die Sigle NHR für den von umayyadischen Reform-Dirhams bekannten Ort Nahr Tīrā in Ḫūzistān (Mordtmann 1865 noch: NHR für Nahrawān nördlich von Bagdad). Es war dann Gaube, der als erster erkannte, dass dasselbe Kürzel nicht nur (so wie auf unserer Münze) einzeln begegnet, sondern genau wie einige weitere Siglen (darunter GY und HPYC) ebenso als Anhang zum bekannten Kürzel KRMAN für (die Provinz) Kirmān, und daraus schlussfolgerte, dass alle diese (später suffigiert vorkommenden) Kürzel stets (d. h. auch isoliert) für eine kirmānische Münzstätte stehen (1973, S. 96–98 und 101). Mit dieser Einsicht bestimmte Gaube, dass GY und HPYS die Städte Ǧīruft und Ḫabīṣ meinen und für jenes Kürzel, das auf der Münze des Monats erscheint, eben kein Ort in Ḫūzistān infrage kommt. Stattdessen schlug er die Lesung WAR für Weh-Ardašīr = Bardašīr vor, einen älteren Namen der (heutigen) Hauptstadt Kirmāns. Als wahrscheinlicher gilt mittlerweile allerdings, dass die auch schon auf sāsānidischen Münzen häufig vorkommende Sigle zum ostkirmānischen Narmašīr gehört und sie dementsprechend nicht WAR, sondern NAR zu interpretieren ist (wie G. C. Miles und M. I. Mochiri vorschlugen).

Vor dem Gesicht der traditionellen Königsbüste mit ihrer in den Randbereich ragenden Flügelkrone steht nicht länger der Name des von den Muslimen gestürzten Sāsāniden-Herrschers, sondern der eines, wie man schließen darf, arabischen Gouverneurs – allerdings mit Pahlavī-Buchstaben geschrieben: APDWLA. Hierin lässt sich unschwer der Name ʿAbdullāh erkennen, zu dem Gaube (1973, S. 59) schrieb: „Es besteht kein Zweifel daran, daß dieser […] ʿAbdallāh b. ʿĀmir […] ist.“ Letzterer ist gut von anderen arabosāsānidischen Drachmen(typen) verschiedener Münzstätten bekannt, auf denen er inklusive nasab-Angabe genannt ist (APDWLA Y AMYRAN). Mochiri nahm für die Nennung ohne nasab einen (unbekannten) Ḫāriǧiten-Emir an, doch ist Gaubes Identifikation nach wie vor mit hoher Wahrscheinlichkeit korrekt, zumal wir über ʿAbdallāh b. ʿĀmir b. Kuraiz (geb. 4 H. = 626) – den ersten Muslim überhaupt, dessen Name auf Münzen begegnet – nicht schlecht informiert sind. Er war ein Cousin des dritten Kalifen ʿUṯmān (reg. 23–35 H. = 644–656), nach dessen Tod er während der 1. fitna zunächst ʿĀʾiṣa, Ṭalḥa, und az-Zubair gegen den Kalifen ʿAlī unterstützte und nach deren Niederlage dann den Umayyaden Muʿāwiya (reg. 41–61 H. = 661–680). Von diesem Ende 41 H. zum Statthalter der Baṣra-Provinz ernannt, organisierte er mit Erfolg die Rückeroberung der im ersten Bürgerkrieg verlorengegangenen Ost-Gebiete, also die von Baṣra abhängigen Territorien im Iran einschließlich Sīstān und Ḫūrāsān. 44 H. (664) wurde er vom Kalifen seines Amtes wieder enthoben und zog sich wohl nach Mekka zurück, wo er in den späten 50er Jahren H. verstarb.

Links neben der linken Assistenzfigur findet sich natürlich auch eine Datumsangabe auf unserer Münze. Zu lesen ist SYH (sīh), d. h. „dreißig“. Die Frage ist nur, nach welcher Ära hier 30 Jahre gezählt wurden. Die sog. Post-Yazdigard-Ära setzt mit dem Todesjahr des letzten Sāsānidenkönigs, Yazdigards III., anno 651 ein, sodass sich für die Prägung das Jahr 681 (= 62 H.) ergäbe – viel zu spät für den Prägeherrn ʿAbdallāh b. ʿĀmir. Nach der (fortgesetzten) Yazdigard-Ära, welche ab 632 zählt, kämen wir hingegen auf das Prägejahr 661, also genau auf das Jahr, in dem ʿAbdallāh von Muʿāwiya zum Gouverneur al-Baṣras bestallt wurde – nach islamischer Rechnung wie gesagt: 41 H. – und tatsächlich finden sich auf anderen Münzen ʿAbdallāhs Jahresangaben ab 41. Gegen ein Prägejahr 30 nach der Yazdigard-Ära würde allerdings sprechen, dass unsere Drachme ja aus NAR in Ostkirmān stammt und eigentlich nicht anzunehmen ist, dass ʿAbdallāh diese Region gleich 41 H. (661) unter Kontrolle bringen konnte; 42 H. war er zunächst noch mit der Rückgewinnung von Fārs beschäftigt (dem westlichen Nachbarland Kirmāns). Bleibt noch die Überlegung, ob nicht gar das Jahr 30 nach islamischer Rechnung gemeint sein könnte, was natürlich eine sehr frühe H.-Datierung wäre. Hierzu ist zu bedenken, dass ʿAbdallāh b. ʿĀmir zweimal Gouverneur von Baṣra war: unter Muʿāwiya und, das erste Mal, unter ʿUṯmān ab 29 H. (649). Damals war er für die (erste) Eroberung von Fārs verantwortlich, von wo aus Yazdigard III. weiter nach Kirmān floh. Der Sāsānide fand jedoch weder dort noch in Sīstān Unterstützung. Beide Provinzen wurden von ʿAbdallāhs baṣrischen Truppen erobert, Kirmān noch 30 H. (650). Ganz ausgeschlossen ist es demnach nicht, dass die Datierung auf der Münze – hält man das Jahr für authentisch und nimmt nicht etwa die Verwendung eines alten Rev.-Stempels an – bereits islamisch ist und die Prägung noch zu Lebzeiten des unglücklichen Yazdigard erfolgte…

„Die frühen Jahre neuer Weltreiche und neuer Kulturen stellen die reizvollsten und am schwierigsten zu erfassenden Gegenstände historischen Forschens dar“, schrieb Gaube 1973 und noch immer ist die arabosāsānidische Numismatik reich an Rätseln und das Material ungebrochen faszinierend, auch wenn das Gebiet zwischenzeitlich deutlich stärker beforscht wurde als es noch 1973 der Fall war, als es Gaube darum ging, mit seinem Buch „ein Interesse an der arabosasanidischen Numismatik“ zu wecken, von dem damals noch „kaum gesprochen werden“ konnte. Darum Interesse zu wecken, geht es nicht zuletzt auch bei der MdM-Reihe, zu der mir Prof. Gaube im Übrigen Anfang 2021 gratulierte und befand, sie sei „SEHR GUT !!!“ (Versalien und Anzahl der Ausrufezeichen wie in seiner E-Mail).

Sebastian Hanstein

MdM März 2022

 

As can currently be observed, conquering other states and imperialist ambitions are not consigned to history – and (electoral) autocracies have been on the rise anyway... The country that is still regarded as the world’s largest democracy is the homeland of both our coin of this month and of the numismatist who presents it: Dr. Mahesh A. Kalra. After visiting the FINT due to the international scholarship programme of the Staatliche Museen zu Berlin in 2015, he completed his PhD on “Mughal Coins from the Deccan” and has worked with various Indian museums as a curator incl. the RBI Museum in Kolkata. Currently, Dr. Kalra is the project curator for numismatics at the Asiatic Society of Mumbai.

 

The conquest of Bengal (a natural deltaic region in Eastern India formed of parts of modern Bangladesh and West Bengal, a modern state of India) by the forces of Islam took place in AH 601 (1204/5 CE) under the aegis of Ikhtiyār al-Dīn Muḥammad Bakhtiyār Khaljī, a Turco-Afghan soldier of fortune who rose in the ranks of the Indian forces of the Ghūrid Sultan Abū ’l-Muẓaffar Muʿizz ad-Dīn Muḥammad ibn Sām (d. 1206). Muḥammad Bakhtiyār’s career is well recorded in the Ṭabaqāt-i Nāṣirī, a Persian historical work written by Minhāj-i Sirāj Jūzjānī (completed in 1260) for the Dehli Sultan Nāṣir al-Dīn Maḥmūd, which gives an account of the Ghūrids and records Bakhtiyār’s origin from the Khalj tribe of Ghūr – hence, in some texts, he is surnamed Khaljī (Ṭabaqāt-i Nāṣirī, tr. H. G. Raverty, London 1881, vol. I, pp. 548–576).

According to Jūzjānī, Bakhtiyār initially went to the Ghūrid court at Ghazna where he was rejected by Sultan Muʿizz al-Dīn Muḥammad on account of his unremarkable appearance. He faced a similar situation on arriving in India at the Delhi court under Muʿizz al-Dīn’s lieutenant, Quṭb al-Dīn Aybak. Hence, he was forced to proceed to the eastern outpost of the Ghūrids located at Badaun in the province of Awadh in Eastern India. Here he found favour with the local commander (sipāh-sālār) and was appointed as a soldier with a horse, efficient arms and a fixed salary. His actions in local campaigns won him the favour of the local commander, Ḥusām al-Dīn Oghul-Beg who bestowed a local fief upon him. This success induced Bakhtiyār to undertake aggressive campaigns into more eastern regions of Bihar, Bengal and Assam. He initially ravaged Bihar and its rich Buddhist monasteries, gaining access to booty, horses, arms, men and more importantly a reputation as a brave intrepid warrior of the Islamic forces. His exploits reached the Delhi court and he was summoned by Quṭb al-Dīn Aybak for formal honours. Bakhtiyār’s reputation also spread far east scaring the Indian rulers of the eastern kingdoms of Bang (also known as Gour/Gaur/Gauḍa, the older name of Bengal) and Kamarupa (Assam). The ruler of Gauda, Rai Lakhmanaiah (Lakshmana Sena, the last Hindu ruler of Bengal) was seated at Nabadwip (the modern city of Nadia on the border of India and Bangladesh) ruling a vast and prosperous kingdom for almost three decades before the advent of Islamic forces. Lakshmana Sena was aware of the possibility of an imminent attack by Bakhtiyar’s army. However, he did not prepare for it nor did he vacate the capital for safer inner cities of the Gauda kingdom. As a result of the ruler’s indifference, Bakhtiyār entered Nabadwip unopposed with just eighteen horsemen. The king was alerted only by the cries of the residents outside the royal palace. Alarmed by the commotion, Lakshmana Sena, seated at an elaborate luncheon, rose instantly and fled the city leaving Bakhtiyār’s forces his whole treasury along with his wives, servants and elephants. Bakhtiyār’s army followed him and looted the whole city, laying it to waste. Bakhtiyār wasted no time and consolidated his gains by bringing the entire north-western portion of the Gauda kingdom under his control. He soon occupied the city, Gaur, then named Lakhmanavati (after Lakshmana Sena) or Lakhnauti according to Muslim sources.

Of the booty seized, Bakhtiyār despatched a large portion to the central treasury in Delhi. He arranged the naming of the Ghūrid sultan in the khuṭba and sikka at Lakhnauti and made the city the capital of the new outpost of the Islamic forces in Eastern India. The FINT coin of the month, a rare fractional silver tanka (⌀ 11 mm; without any mint indication or date) is among the series of gold and silver coins issued by Bakhtiyār in the name of his overlord and supreme commander Muʿizz ad-Dīn Muḥammad ibn Sām at Lakhnauti after its conquest in AH 601. The larger coins in the series depict a galloping Turkic horseman carrying a mace with a mix of Arabic and Indian (Nagari) legends. In contrast, the fractional tanka’s legends are briefer due to the very small flan size; the obverse legend reads: Abū ’l-Muẓa[ffar], and the reverse legend: Muḥammad Shā[h], along with a star above and below the legend. The coin’s ticket in the FINT collection identifies it with a one-twelfth tanka listed in S. Goron’s and J.P. Goenka’s (“GG”) famed catalogue The Coins of the Indian Sultanates (New Delhi 2001) as type B5. However, examining GGB5, one observes two important differences compared with the FINT specimen: The GG coin’s weight is 0.90 g whereas the FINT specimen weighs 0.55 g. The second vital difference is that the dies of the two specimens are different – the GG type having no stars on the reverse.

Hence, the FINT specimen represents a coin type not recorded by Goron/Goenka. Consulting two eminent numismatic scholars, Mr. Jan Lingen (Netherlands) and Dr. John Deyell (Canada), three 3 similar coins came to our attention, sold by Baldwin Auctions (Sale 26, lot 1021, 0.56 g;  Sale 26, lot 1022, 0.54 g,  and New York Sale XXX, lot 499, 0.53 g) roughly having the same weight as the FINT specimen, with one specimen even sharing similar calligraphic features including the reverse star mint marks. The weight of the fractional tanka thus suggests two possibilities, one that it was a fraction of the heavier tanka (12.6 g) – it might have been a one-sixteenth (Goron/Goenka, op. cit., p. 141) which may have lost weight over time. The other possibility, in Goron’s latest opinion, is that its current weight of 0.55 g was due to its being a one-twentieth part of the standard tanka of the Bengal series ranging from 10.5 g to 11 g.

Two other important observations are regarding the reason for its issue and its mintage. Jūzjānī records that in the country of Bengal, the kauri (cowrie shell) was the unit of money with no issue of silver money of any kind before the Muslim conquest (Ṭabaqāt-i Nāṣirī, tr. Raverty, vol. I., p. 556). Modern numismatic sources record that gold issues of Bengal in the name of Muḥammad ibn Sām are invariably found in Pakistan and Afghanistan whereas silver ones are found in parts of Bengal. This means that the gold units were carried by the victorious commandants as “souvenirs” back home in North-Western India, whereas silver units were used for local payments and use. The defacement of these lower fractions (all four specimens including the FINT coin) suggests that they were used as “scatter coins” (nis̠ār), for alms or daily purchases. Similar fractions appear to be have been issued by later Bengal rulers ʿAlāʾ al-Dīn ʿAlī Mardān (r. 1210–13), Rukn al-Dīn Kay-Kāwūs (r. 1291–1302) and Ghiyāth al-Dīn Bahādur (r. 1320–28) as recorded in Goron’s catalogue. These rarely surviving specimens make us wonder how many other rulers’ fractions may have not being discovered or have been melted for general use or hoarded away from the general circulation. The mintage of the fractions is difficult to judge in view of their poor survival and the fact that these coins would have also faced intense competition from the cowries, which remained the main currency of Bengal till the nineteenth century CE.

 

MdM Februar 2022

 

Die letzte MdM entführte uns in die letzten Jahre der islamischen Herrschaft in Spanien, wo die Naṣriden im Jahr der Entdeckung Amerikas Granada verloren. Dynastien, die zur gleichen Zeit im Osten der islamischen Welt bestanden, erfahren allgemein nur sehr wenig Interesse, was auch für ihre Münzen gilt. Es ist daher sehr zu begrüßen und hervorzuheben, dass seit einigen Jahren speziell zur Herrschaft der „Schwarz- und Weißhammel“-Turkmenen (Qara- und Aq-Qoyunlu) geforscht wird, und zwar von Dr. Georg Leube, welcher 2021 an der Sprach- und Literaturwissenschaftlichen Fakultät der Univ. Bayreuth eine entsprechende Habilitationsschrift vorlegte. Ebenda (Lehrstuhl Islamwissenschaft) ist PD Georg Leube aktuell als Akademischer Rat beschäftigt, an der Univ. Hamburg zudem als Vertretungsprofessor. Im Folgenden bespricht auch er eine Münze seiner Wahl – geprägt 1491/92!

 

Als regelmäßige Leserinnen und Leser dieser schönen Reihe sind Sie mit der vielfältigen Verwobenheit einzelner Münzen kreuz und quer durch die Kulturgeschichte der Islamischen Welt vertraut. Entsprechend möchte ich die freundliche Einladung Sebastian Hansteins nutzen, um eine Münze aus der Tübinger Universitätssammlung in den weiteren Kontext der höfischen Repräsentation der "turkmenischen" Dynastien der Qaraquyunlu und Aqquyunlu (15. Jh., Ostanatolien, Mesopotamien und Westiran) zu stellen, die ich in meiner Habilitation behandelt habe. Zuvor jedoch freue ich mich, der Forschungsstelle für Islamische Numismatik Tübingen an dieser Stelle für Ihre freundliche und kompetente Unterstützung bei verschiedenen Projekten während der vergangenen 10 Jahre zu danken.

Auch wenn der Prägestempel auf dem Tübinger Exemplar nicht in Gänze abgebildet ist, lässt sich die Legende durch den Vergleich mit anderen Münzen zuversichtlich rekonstruieren. Auf dem Revers lesen wir, dass diese Silbermünze (Gewicht: 2 g) in al-Ḥiṣn, dem jüngst großteils gefluteten Hasankeyf im Südosten der Türkei, durch Bāysunġur b. Yaʿqūb b. uzun Ḥasan Aqquyunlu (reg. 896–897 H. / 1491–1492) geprägt wurde (ḍarb / [as-sul]ṭān al-ʿādil / [ab]ū l-fatḥ Bāysunġur ḫān / [ḫa]llada [llā]h mulkahū / al-Ḥiṣn). Unterhalten könnten wir uns über die nominale Lesung von ḍarb, „Prägung“, statt derer ebenfalls eine aktive oder passive verbale Lesung als ḍaraba / ḍuriba, „es prägte / wurde geprägt“ denkbar ist. Offen ist aus Sicht des Verfassers weiterhin der Kasus des Herrschernamens in Form der kunya im Nominativ (abū) oder Genitiv (abī) und die Lesung des Segenswunsches ḫallada (llāhu) mulkahū, „(Gott) lasse seine Herrschaft andauern!“. Dieser Segenswunsch wird häufig im arabischen Stamm I als ḫalada mulkuhū, „seine Herrschaft dauere an!“, gelesen, allerdings legt das regelmäßige Vorkommen der Formel unter Einschluss des Gottesnamens eine generelle Lesung im arabischen Stamm II nahe. In jedem Fall sind diese Fragen für die Einordnung der Münze jedoch eher zweitrangig.

Auf dem Avers lesen wir das Glaubensbekenntnis und die Jahreszahl in den Zwickeln um das zentrale Textfeld (lā ilāha [illā / llāh Muḥammad] / rasūlu llāh / fī sanat 897 [geschrieben: 798]). Die Legende im zentralen Textfeld bringt den koranischen Vers 99,7 (fa-man yaʿma[lu] / miṯqāla ḏa / rratin ḫayran yarahū, „und wer das Gewicht eines Staubkorns an Gutem tut, wird dafür belohnt werden“) und ist der Grund, warum ich Ihnen gerade dieses Stück aus der so reichen Tübinger Sammlung als Münze des Monats vorstelle. Die Platzierung dieses Verses auf dem Avers von Münzen ist in sicherer Datierung zuerst auf einer Münze von Bāysunġurs Vater Yaʿqūb belegt, die 890 H. / 1485 in Tabrīz geprägt wurde (Turābī Ṭabāṭabāʾī, Sikkahā-yi Āqqūyūnlū, 2535 / 1977, S. 70). Obwohl Yaʿqūb und sein Sohn Bāysunġur sowie die späteren Aqquyunlu-Herrscher Rustam und Murād in verschiedenen Münzstätten weitere Münzen mit diesem Text im zentralen Avers-Feld prägen ließen, wurden in denselben Münzstätten unter denselben Herrschern jeweils auch Münzen mit dem konventionellen Layout des Glaubensbekenntnisses im zentralen Textfeld geprägt. Während die erstmalige Platzierung dieses Verses im zentralen Textfeld des Avers eventuell mit der wiederholten öffentlichen Performanz von Reue durch Yaʿqūb in Verbindung gebracht werden kann, stellt die Fortführung dieses Arrangements durch seine Nachfolger eine (kleinere) Tradition dar, die sich klar auf Yaʿqūb bezieht. Von besonderer Bedeutung ist in dieser Hinsicht sicherlich die fortgeführte Nutzung von Vers 99,7 als Münzlegende durch Rustam und Murād, die im Gegensatz zu Bāysunġur nicht direkt von Yaʿqūb abstammten und dennoch in dieser Münzlegende sehr deutlich eine Kontinuität zu ihrem Vorgänger herstellten. Im Licht der Untersuchung Stephen Albums von 1976 zur Nutzung der Wendung mani ltaǧaʾa ilā l-ḥaqq naǧā, „wer sich Gott anvertraut, wird gerettet“, als Gegenstempel auf Münzen, die durch Iskandar Qaraquyunlu erbeutet wurden, wäre es sicherlich spannend über eine besondere Funktion dieser Münzen zu spekulieren. Allerdings ist keine spezifische Funktion für die Münzen mit Koranvers 99,7 auf dem Avers abzusehen.

Entsprechend begegnet uns in der Nutzung von Vers 99,7 eine sehr offene Bezogenheit der Münzlegende auf dem Avers. Gemäß der Glossierung im Korankommentar Tafsīr al-Ǧalālayn und der diplomatischen Belegstellen in al-Qalqašandīs Ṣubḥ al-Aʿšā wurde diesem Vers im 15. Jahrhundert allgemein keine direkte politische Bedeutung zugewiesen. Auch in der höfischen Repräsentation der Aqquyunlu in Historiographie, Diplomatik, Epigraphie und anderen Medien und Genres ist dieser Vers meines Wissens nicht in vergleichbarer Prominenz belegt. Auch eine spezifische numerologische Bedeutung des Buchstabenwerts der in diesem Vers geschriebenen arabischen Buchstaben ist nicht zu erkennen. Demnach ist die prominente Aneignung dieses Verses durch seine Verwendung als Münzlegende seit Yaʿqūb als Innovation zu werten, die den bislang nicht mit spezifischen Herrscherpersönlichkeiten oder Herrschaftsprogrammen verbundenen Vers in innovativer Weise als zentrales Herrschaftsversprechen in Umlauf bringt.

Vor dem Hintergrund der von Stephen Album rekonstruierten Praxis unter den Qaraquyunlu, Münzen nach Gewicht und nicht nach Nominale zu bewerten, mag das Wort miṯqāl, „Gewicht“, in Koran 99,7 eine gewisse Resonanz mit der Handhabung von Münzen bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs gehabt haben. Da dieses Wort jedoch auch an anderen Stellen im Koran verwendet wird, reicht diese inhaltliche Resonanz zwischen Münzlegende und Bezahlpraxis nicht hin, die spezifische Auswahl von 99,7 als Münzlegende zu motivieren. Stattdessen ist die prominente Platzierung von Vers 99,7 als zentraler Text auf dem Avers dieser Münzen als ein herrscherlich garantiertes Gerechtigkeitsversprechen zu verstehen. Während dieses Versprechen sicherlich unter korankundigen muslimischen Untertanen der Aqquyunlu eine besondere Resonanz erfuhr, zeigen verschiedene Episoden aus der performativen Herrschaftspraxis von Yaʿqūb, dass Gerechtigkeit in einer Weise garantiert wurde, die (teilweise durchaus zum Missfallen muslimischer Eliten) Nichtmuslime prominent einschloss. Gemäß der Nutzung der von Yaʿqūb und seinen Nachfolgern geprägten Münzen durch Muslime und Nichtmuslime ist daher davon auszugehen, dass das Versprechen herrscherlich garantierter Gerechtigkeit durch die Platzierung von Vers 99,7 auf Münzen potenziell auch für nichtmuslimische Untertanen der Aqquyunlu anschlussfähig war. Eine überzeitliche Relevanz dieses Verses schlägt schließlich Stephen Album in einer Fußnote seiner monumentalen Checklist (S. 271) vor:

„These six words represent the perfection of Islam. I am saddened by those who use the name of Islam to justify violence and hatred, contrary to the truth of their religion. And equally saddened by Christians, Jews, Hindus and others who misbehave similarly.“

Von einer einzelnen Münze in der Tübinger Sammlung kommen wir so über ein Netz von Bezügen innerhalb der Herrschaftslegitimation von Yaʿqūb und seinen unmittelbaren Nachfolgern zu überzeitlichen Vorstellungen von friedlich-inklusiver Gerechtigkeit: Es ist ein Privileg, als kritischer Kulturwissenschaftler durch Münzen die kleinen und großen Linien von Islam als diskursiver Tradition zu rekonstruieren und dabei von der einzigartigen Expertise der Forschungsstelle für Islamische Numismatik Tübingen zu profitieren.

 

MdM Januar 2022

 

Und wieder ist ein Jahr Geschichte. Das neue scheint in mancher Hinsicht wie das alte zu beginnen – noch immer liefern wir uns ein zähes Ringen mit dem Virus –, dabei ist der Januar nach Janus benannt, dem römischen Gott des Anfangs und des Endes, der Aus-, Ein- und Übergänge, welcher für Dualität steht und dementsprechend mit zwei Gesichtern dargestellt wird: einem, das zurückblickt, und einem, das nach vorne schaut. Tatsächlich kann die Welt von einem Januar zum anderen auch eine neue sein. Das (späte) 15. Jh. A.D. war bekanntlich so eine Zeit der Übergänge, eine Epochenscheide. 1492 wurde nicht nur Amerika entdeckt, im Südwesten Europas endete damals – nach über 780 Jahren – auch die Geschichte von al-Andalus, der islamisch beherrschten Iberischen Halbinsel (zur Umayyaden-Herrschaft s. MdM Jan. 2019). Es war der 2. Januar 1492, als der letzte Sultan von Granada, „Boabdil“ (< ’bū ʿAbdil < Abū ʿAbdi ’llāh) Muḥammad XII. aus der Dynastie der Naṣriden, dem siegreichen Königspaar Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragonien die Schlüssel zu seiner Stadt offiziell aushändigte und sich schweren Herzens auf einen ihm zugewiesenen Landsitz in den Alpujarras zurückzog – der Gebirgspass, von dem aus er einen allerletzten Blick auf das malerische, nun für immer verlorene Granada geworfen haben soll, wird el Suspiro del Moro genannt, „der Seufzer des Mauren“. Bereits in der Stille der vorausgegangenen Nacht war die Kontrolle über die naṣridische Kapitale mit der berühmten Alhambra vollständig an die christlichen Truppen übergeben worden, alles gemäß dem Kapitulationsvertrag, welchem Muḥammad XII. 1491 zugestimmt hatte. 1493 gab der letzte maurische Herrscher der letzten Bastion des Islams auf der Iberischen Halbinsel dann auch besagtes Refugium in der Sierra Nevada auf und ließ sich mit seiner Entourage in Marokko nieder.

Begonnen hatte die Endphase der Reconquista 1481/1482. Während es dem regierenden Naṣriden-Sultan Abu ’l-Ḥasan („Muley Hacén“) ʿAlī nach dem Verlust von Alhama (de Granada) damals noch gelang, Ferdinands Vorstoß gegen Loja abzuwehren, kam es in Granada zu einer Palastrevolte, die seinen Sohn auf den Thron brachte: ebenjenen Muḥammad XII. Schon im Jahr darauf (1483) geriet „Boabdil el Chico“ Muḥammad allerdings am Ende eines erfolglosen Feldzuges gegen das kastilische Städtchen Lucenda in christliche Gefangenschaft, womit seine erste Regierungszeit endete und das Sultanat von Granada noch einmal kurz unter Abu ’l-Ḥasan ʿAlī vereint wurde. Unsere Münze des Monats – ein fals aus der Münzstätte Granada – datiert nun ins Jahr 887 H., welches sich weitgehend mit dem christlichen Jahr 1482 deckt. Das 2,55 g schwere Æ-Stück mag also durchaus unter Boabdils Herrschaft geschlagen worden sein oder noch vor dem Sturz seines Vaters – die Inschrift nennt ja keinen Herrscher, sondern besteht nur aus der Angabe von Prägeort und -jahr. Ihr Beginn auf dem Avers lautet ṭubiʿa / bi-Ġarnāṭ[a] / ʿā[m] („Geprägt zu Granada im Jahre …“), die Fortsetzung auf dem Rev. sabʿa / wa-ṯamānīn wa-ṯam[ān]- / miya („… sieben und achtzig und achthundert“). Man beachte die Verwendung von ṭubiʿa („geprägt“) anstelle von ḍuriba („geschlagen“) sowie von ʿām statt sana, was – wie zu beobachten – die Femininform der Einerzahl nach sich zieht, an der sich auch gut der typisch maġribinische Schriftduktus feststellen lässt (Form des sīn oder auch der Zehnerzahlendung).

Es sind nur solche fulūs, die Jahresangaben tragen, alle anderen Münzen der Naṣriden (aus Gold und Silber, fast sämtliche Typen von einiger Seltenheit) tun dies nicht. Ihre Prägung begann auch erst unter Boabdils Vater, dem letzten bedeutenden Vertreter der (zunehmend zerstrittenen) Dynastie, dessen zweite Herrschaft bis 1485 währte. Dieses Mal war es sein jüngerer Bruder, der ihn stürzte: Muḥammad XIII. („az-Zaġall“). Um die letzte muslimische Dynastie von al-Andalus weiter zu schwächen, entließen und unterstützen Isabella und Ferdinand derweil Muḥammad XII., womit eine erneute Teilung des bedrängten Herrschaftsgebiets der Naṣriden erreicht wurde. Während seiner zweiten Regierungszeit herrschte Boabdil ab 1486 zwar wieder in Granada (nachdem sein Onkel von hier verdrängt worden war), doch beschleunigte sich die Reconquista in den folgenden Jahren, bis kaum mehr als das Hauptstadtterritorium übrig war: 1487 fiel Málaga, 1489 Almería; Muḥammad XIII. zog sich nach Marokko zurück und auch die Osmanen waren keine Hilfe. 1491 begann dann die Belagerung Granadas.

Das Ende der (1232 an die Macht gekommenen) Naṣriden-Dynastie und damit der (lange Zeit glanzvollen) islamischen Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel – noch im selben Jahr begann auch die Vertreibung der Juden aus Spanien – war also das eine Gesicht jenes Januars. Was das andere angeht, so hatte ein Mann, der der Übergabe Granadas am 2.1.1492 (= 897 H.) persönlich beiwohnte, bis dahin bereits lange warten und sich um Gunst bemühen müssen. Über die Jahre hatte er Königin Isabella (gest. 1504) und König Ferdinand (gest. 1516) schon wiederholt um Unterstützung für eine geplante Unternehmung ersucht, war jedoch, deren Hof folgend, immer wieder mit der Begründung abgewiesen worden, dass der Krieg gegen die Naṣriden Vorrang habe. Das heißt, solange noch Münzen wie unser fals geprägt wurden, hatte der Mann mit den großen Plänen sich wohl oder übel gedulden müssen – sein Name: Christoph Kolumbus. Erst nach Boabdils Kapitulation und Abzug hatten die Verhandlungen bezüglich einer Expedition über den Atlantischen Ozean doch noch Erfolg: Kolumbus (gest. 1506) konnte im Dienste der Krone Kastiliens endlich in See stechen und erreichte die Karibik („Westindien“). Es war im folgenden Januar, am 16.1.1493, als er seinen ersten Aufenthalt in der Neuen Welt beendete und sich auf den Rückweg nach Europa machte.

Sebastian Hanstein

MdM Dezember 2021

 

Zu den Aufgaben der FINT gehört von Anfang an auch das Anbieten von Lehrveranstaltungen. Diesen Winter widmet sich ein Seminar speziell der mittelalterlichen Topographie und Geschichte des Persischen Golfs (und Golfs von Oman) mit seinen historischen Hafenstädten und Handelsverbindungen, seinen Inselkönigreichen und Piratennestern. Aus Sicht der großen Machtzentren (der festländischen Kernprovinzen) waren die heißen, teils extrem unwirtlichen Küsten und Eilande dieser Region zumeist nur relativ unbedeutende Randgebiete (von denen einige auch erst spät zur islamischen Welt gezählt werden konnten). Dementsprechend wenig ist zu ihren inneren Verhältnissen, ihrer Entwicklung und politischen Organisation überliefert, sodass unsere Kenntnis von der Vergangenheit mancher Gegend, darunter das südiranische Küstengebiet von Ost-Fārs und Kirmān sowie das besonders periphere Makrān, leider sehr zu wünschen übriglässt. Umso wichtiger ist es, dass an einigen der maritimen Orte (v. a., wenn es sich um Handelszentren handelte) zumindest für einige Zeit – und klimatisch bedingt nicht selten mit rostigen Stempeln – Münzen geschlagen wurden. Mitunter begegnen hier rätselhafte Münzstättennamen, doch sind die meisten Orte bekannt: Im Norden des Golfs ist natürlich al-Baṣra eine sichere Größe und auch im Oman wurden immer wieder Münzen geprägt (s. MdM März 2021). Aus der Būyiden-Zeit gibt es Dirhams, die vom Boom der damaligen Welthafenstadt Sīrāf zeugen und in späteren Jahrhunderten war z. B. auch Hurmuz (in der gleichnamigen Meeresstraße) Prägeort. Regelmäßig belegen die Münzen, dass muslimische Herrscher von der iranischen Seite des Golfs ihre Macht auch auf das gegenüberliegende arabische Ufer ausdehnten, so wie schon die Sāsāniden beide Küsten beherrscht hatten.

In ʿabbāsidischer Zeit ist es zunächst eine der faktisch autonomen Regionaldynastien, deren Verhältnis zur Golfregion Beachtung verdient: die der Ṣaffāriden. Dieser gelang es in der 2. Hälfte des 9. Jh., praktisch die komplette südiranische Küste von Ḫūzistān im Westen bis Sind im Osten zu erobern. Dabei stammten die Ṣaffāriden zum einen aus Sīstān (Siǧistān), einem etwas abgelegenen Binnenland im Osten Irans (nördlich von Makrān), und zum anderen aus einfachsten Verhältnissen: Ihr erster Emir Yaʿqūb b. al-Laiṯ (reg. 861–879) war ursprünglich Kupferschmied (ṣaffār) und dann als Anführer sīstānischer „Vagabunden“-Banden (ayyārūn) aus jungen, militanten Männern aufgestiegen, welche außerhalb des Gesetzes standen und sich nicht zuletzt gegen die Fremdherrschaft der ʿAbbāsiden richteten. Im Gegensatz zu anderen Dynastien der Zeit gelangten die Ṣaffāriden also nicht als von Bagdad eingesetzte Gouverneure und/oder Vertreter einer vornehmen Familie an die Macht, sondern nahmen sie sich in einem Umsturz von unten, eben als lokale „Plebejer“ aus dem Milieu der städtischen Milizen. Militärisch begabt eroberte der Sīstāner Handwerker nun aber sowohl das heutige Afghanistan als auch (von ʿabbāsidentreuen Statthaltern) weitere Teile Ḫurāsāns, Kirmān und Fārs, sodass es bald nötig wurde, die Beziehung zum Kalifat zu klären. Im Prinzip erkannten die Ṣaffāriden die Oberhoheit der ʿAbbāsiden (als Rahmen für ihre Herrschaft) an, was bedeutete, dass sie sich vom Kalifen als dessen Provinzgouverneure einsetzen ließen und im Gegenzug pauschale Tributzahlungen versprachen – allerdings erfolgten solche formalen Bestallungen oft erst, als die entsprechenden Länder bereits militärisch eingenommen waren und dem Kalifen gar nicht viel mehr übrig blieb, als die neuen Verhältnisse nachträglich zu bestätigen. Nur gegen Ende von Yaʿqūbs Herrschaft kam es zu einer offenen Eskalation, in deren Verlauf der Ṣaffāride mit der Kalifatsanerkennung brach und in den Irak vorrückte, jedoch vom ʿabbāsidischen Regenten al-Muwaffaq – dem Bruder des schwachen Kalifen al-Muʿtamid – in einer Schlacht nahe Bagdad zurückgeschlagen wurde (876). Drei Jahre später starb Yaʿqūb und wurde von seinem Bruder ʿAmr beerbt, den der Kalifen wieder nolens volens die Statthalterschaft fast aller Ostprovinzen übertrug.

Auch ʿAmr hielt also (zum Ärger und Leidwesen der in Finanznöten schwebenden ʿAbbāsiden) die wichtige, reiche Provinz Fārs und es fällt auf, dass die hiesige Münzprägung unter den Ṣaffāriden einen Aufschwung erfuhr; nach Jahrzehnten der kalifisch zentralisierten Münz(stempel)produktion wurde mancher Prägeort wiederbelebt. Als Münzstätte, welche erst unter den Ṣaffāriden ganz neu in Betrieb gegangen sei, hebt Deborah Tor („A Numismatic History of the First Saffarid Dynasty“ in: NC 162, S. 300 und 307) Ǧannābā hervor und von hier stammt unsere Münze des Monats, geschlagen im Jahre 279 H. (892/93). Bereits aus dem Vorjahr sind ṣaffāridische Münzen – Dirhams wie Dinare! – aus dieser alten Stadt bekannt, doch waren es noch die ʿAbbāsiden selbst gewesen, unter denen hier 275 H. zum ersten Mal überhaupt geprägt wurde (u. a. im Namen al-Muwaffaqs; zudem kennen wir bereits aus diesem Jahr zusätzlich einen ṣaffāridischen Dinar-Typ!). Ǧannāba – das die Araber anno 23 H. (644) kampflos eingenommenen hatten und von wo der Gründer der baḥrainischen  Qarmaṭen-Dynastie (s. MdM Mai 2019) stammte – konnte nach Sīrāf wohl als wichtigste Hafenstadt an der Küste von Fārs gelten, genauer gesagt lag es an einem Meeresarm, über den Schiffe ein Stück landeinwärts bis in die Stadt fuhren. Deren Name soll so viel wie „Stinke-Wasser“ bedeuten und tatsächlich hatte Ǧannābā (wie so viele Orte am Persischen Golf) das Problem, dass Trinkwasser nur brackigen Brunnen sowie einigen Zisternen zu entnehmen war und einen die hiesige Hitze schier erschlug. Gleichwohl wird es v. a. im 10. Jh. als florierend beschrieben, mit bedeutenden Textilmanufakturen (Leinentücher für den Export) und exzellenten Marktgassen; eine lokale Spezialität war gebratener Sägefisch. Ǧannābās Hafen wurde nicht nur angelaufen, offenbar baute man hier auch Schiffe. Besagter Kalifenbruder al-Muwaffaq verlangte von Ǧannābā jedenfalls die Anfertigung von Barken für seinen Krieg gegen die aufständischen Zanǧ im Süd-Irak. Dies war um 880, also gut zehn Jahre, bevor unsere Münze des Monats unter ʿAmr (عمرو) b. al-Laiṯ geprägt wurde. Genannt ist der Ṣaffāriden in der letzten Av.-Zeile; im Rev.-Feld des 3,13 g schweren Dirhams lesen wir als einzigen Herrschernamen al-Muʿtaḍid bi-llāh (vorletzte Zeile). 278 H. fanden hingegen noch vier Machthaber Aufführung: ʿAmr und die ʿAbbāsiden al-Mufauwiḍ, al-Muʿtaḍid und al-Muʿtamid. Auf anderen Dirhams von 279 H. sind über dem Ṣaffāriden immerhin noch al-Muʿtaḍid und al-Muʿtamid genannt. Was war also passiert?

Ein Jahr bevor die Münze des Monats geprägt wurde, war in Bagdad der energische Kalifenbruder al-Muwaffaq verstorben. In seiner Position als übermächtiger Regent, Statthalter (des Ostens) und Zweitplatzierter in der Thronfolge beerbte ihn umgehend sein (bislang inhaftierter) Sohn Abu l-ʿAbbās Aḥmad mit dem Ehrennamen al-Muʿtaḍid bi-llāh („der Gott um Unterstützung Ersuchende“). Erster der Thronfolge (und Statthalter der Westprovinzen) war des Kalifen, also al-Muʿtamids, eigener Sohn al-Mufauwiḍ, doch konnte sich dieser nun nicht gegen seinen Cousin behaupten und wurde – nach einem kurzen Gastspiel auf Münzen östlicher Prägeorte wie Ǧannābā – von al-Muʿtaḍid ausgeschaltet. Ebenfalls noch 279 H. starb al-Muʿtamid, woraufhin al-Muʿtaḍid als dessen Nachfolger den Kalifenthron usurpierte. Bedenkt man, dass al-Muwaffaqs Sohn bereits vor diesem Zeitpunkt in anderer Funktion auf Münzen genannt worden war, wird verständlich, dass seine neue Position auf unserer Münze des Monats verdeutlicht wurde, indem man nach seinen Namen den Kalifentitel „Befehlshaber der Gläubigen“ (amīr al-muʾminīn, unterste Zeile) setzte, welcher in den folgenden Jahren dann wieder weggelassen wurde.

Nachdem Fārs in den 270er Jahren H. noch sehr zwischen ʿAbbāsiden und Ṣaffāriden umkämpft gewesen war – al-Muwaffaq hatte mehrfach versucht, die Provinz zurückzuerobern –, fanden ʿAmr und der neue Kalif al-Muʿtaḍid anscheinend einen Modus Vivendi. Abgesehen von den Millionen Dirhams, die gegen Bestallungsurkunden gezahlt wurden, erreichten den ʿAbbāsidenhof (auf dem Seeweg durch den Golf) sogar wiederholt juwelenbesetzte hinduistische/buddhistische Kultbilder, die der Ṣaffāride im Grenzgebiet zu Indien erbeutet hatte und Bagdad zum Geschenk machte. Al-Muʿtaḍid befürwortete ʿAmrs weiteren Machtausbau in Ḫurāsān und sprach ihm sogar Transoxanien zu – das Herrschaftsgebiet der Sāmāniden. Diese angreifend, überschritt der Ṣaffāride allerdings seinen Zenit, wurde im Jahre 900 besiegt und als Gefangener nach Bagdad überstellt, wo man ihn 902 hingerichtete. Im selben Jahr starb auch al-Muʿtaḍid.

ʿAmrs Ende bedeutete wohlgemerkt nicht den totalen Zusammenbruch des Ṣaffāriden-Reiches, wenngleich Ḫurāsān verloren ging. Der Dynastie blieben neben ihrem Kernland Sīstān vorerst immer noch Makrān, Kirmān sowie v. a. Fārs und wie wir einzig dank Münzen mit Nennung von ʿAmrs Enkel Ṭāhir b. Muḥammad (reg. 900–909) aus Oman wissen, wurde die ṣaffāridische Herrschaft sogar (noch) am anderen Golf-Ufer anerkannt! Ganz im Norden des Persischen Meerbusens, noch nördlich von Ǧannābā, lag nahe der Grenze zu Ḫūzistān (und ohne jemals ein Prägeort gewesen zu sein) die Hafenstadt Mahrūbān. Als hier Mitte des 11. Jh. der Reisende Nāṣir-i Ḫusrau weilte, stellte er mit Interesse fest, dass die Gebetskanzel der lokalen Freitagsmoschee eine Inschrift mit dem Namen Yaʿqūb b. al-Laiṯ trug. Auf die Frage, wie dies käme, erklärte man ihm, dass der Ṣaffāride seine Eroberungen bis hierhin ausgedehnt habe und seitdem kein anderer Emir Ḫurāsāns mächtig genug gewesen sei, es ihm gleichzutun. Heute ist Mahrūbān längst verschwunden; dafür gibt es in der modernen Provinz Būšehr ein „Neu-Ǧannābā“ unter der persischen Namensform Ganāve (unweit entsprechender Ruinen). Aktuell sind dort, am Strand, bei strahlendem Sonnenschein 27° C, was im deutschen Winter durchaus Sehnsucht zu wecken vermag. Immerhin lässt sich die Golfregion ausführlich in Gedanken bereisen, während ihre Geschichte aktuell für ein ganzes Semester Thema einer Lehrveranstaltung ist.

Sebastian Hanstein

MdM November 2021

 

The following guest contribution is authored by Arianna D’Ottone Rambach, professor of Arabic language and literature at the Sapienza University of Rome, Department of Oriental Studies. Her main fields of research are Arabic manuscripts (incl. papyrology) and Islamic numismatics. In 2018 she was awarded with the Samir Shamma Prize of the Royal Numismatic Society for her catalogue of the Arabic coins collected by the Italian king Victor Emmanuel III. She is not only a specialist in palaeography, but also versed in combining different types of historical sources such as coins and chronicles. A country she has focused on for quite some time is Yemen, whose prosperity and stability under the Rasūlid dynasty in the late Middle Ages can only be dreamed of by the long-suffering Yemenites today...

 

On Saturday 19th Rabīʿ I 803 AH/7th November 1400 AD in Taʿizz (southwestern Yemen), the Rasūlid ruler al-Malik al-Ashraf Ismāʿīl b. al-ʿAbbās (r. 778–803 AH/1376–1400) had just died and was about to be buried in the madrasa bearing his name. That very day his son and successor al-Malik al-Nāṣir Aḥmad came to power (tawallā), paid the army two months’ salary (anfaqa ʿalā al-ʿaskar al-manṣūr shahrayn) and distributed goods and garments amongst the generals (ṣarrafa al-amwāl wa-l-kiswāt li-sāʾir al-umarāʾ al-muqaddamīn).

These events are recorded in the chronicle written by al-Ḥāsib al-Miṣrī (d. 840 AH/1436–37), an astrologer at the Rasūlid court, and known by the title Al-Kitāb al-Ẓāhir fī taʾrīkh al-dawla al-rasūliyya bi-l-Yaman (for bibliographical references, see A. D’Ottone Rambach, “The Mints of Taʿizz and Thaʿbāt in Rasulid Times: Literary Sources and Numismatic Evidence”, in: Rivista Italiana di Numismatica e Scienze affini CXXI (2020), pp. 213–268). The chronicle contains a number of numismatic references, particularly, but not exclusively, regarding the period between 803 AH/1400 and 840 AH/1436, that is, from after the death of al-Ashraf Ismāʿīl to almost the end of the reign of al-Ẓāhir Yaḥyā (r. 831–842 AH/1428–1439). Al-Ḥāsib al-Miṣrī appears to have compiled this work in 840 AH/1436–37. 

Some passages of this chronicle are important for understanding how the Taʿizz mint functioned, since they provide insight, for example, into the links between a new sultan assuming power and the beginning of coin production in his name, not to mention the roles of the mint (dār al-ḍarb) and the “House of Justice” (dār al-ʿadl) in the process of minting coins. According to al-Ḥāsib al-Miṣrī’s chronicle, al-Nāṣir’s accession to power reads as follows:

،ابتداء دولة مولانا السلطان الملك الناصر أحمد بن إسمعيل بن العباس بن علي بن داود بن يوسف بن عمر بن رسول قدّس الله في الجنة يوم السبت ١٩ من شهر ربيع الأول سنة ٨٠٣

الأحد من شهر ربيع الآخر سنة ٨٠٣رُفعت السِكّة السعيدة الناصرية من دار الضرب إلى دار العدل في يوم 

“The beginning of the reign of our Lord, the sultan, the king al-Nāṣir Aḥmad b. Ismāʿīl b. al-ʿAbbās b. ʿAlī b. Dāʾūd b. Yūsuf b. ʿUmar b. Rasūl – God bless their souls in Paradise – is on Saturday 19 Rabīʿ al-Awwal 803 [AH = 7th November 1400].   On Sunday 4 Rabīʿ al-Āḫir 803 [AH = 22nd November 1400], al-Nāṣir’s productive dies were carried from the mint to the House of Justice.”

From this excerpt it seems clear that the fresh dies produced for al-Nāṣir (al-sikka al-nāṣiriyya) were created in the mint (dār al-ḍarb) and carried to the “House of Justice” (dār al-ʿadl) to be examined. The “House of Justice” was one of the central places in Rasūlid Taʿizz, and its links to the activities of the mint are interesting. Contact between the “House of Justice” and the mint was not unusual, however, especially if one recalls the presence and the functions of the witnesses/notaries (shāhid, pl. shuhūd) in the mint of the Marīnid sultan Abū Fāris ʿAbd al-ʿAzīz (r. 768–774 AH/1366–1372): they each had a key to the safe in which the dies were kept after being counted.

The coin illustrated this month (silver, 1.72 g) is one of the dirhams struck by Sultan al-Nāṣir in the city of Taʿizz. It is dated 811 AH/1408–09, that is, a few years after he had come to power and a decade before his first contact with seafaring China (cf. Coin of the Month Oct. 2019). The reverse field inscription reads as-sulṭān / al-malik al-Nāṣir / Ṣalāḥ al-Dunyā wa-l-Dīn / Aḥmad [ibn] Ismāʿīl. In the marginal inscription on the same side, the deceased ʿAbbāsid caliph al-Mu[sta]ʿṣim (d. 1258!) is cited, followed by the mint name and the date. The marginal inscription on the obverse contains the names of the first four, “rightly guided” caliphs; the basmala and the shahāda can be found in the obverse field.

Interestingly, not only the coinage, but also al-Nāṣir’s banners (al-rāyāt) were transported to the “House of Justice”. They were thus invested with symbolic meanings linked to authority, power and legitimation. Apart from their respective use in commerce and war, flags and coins are cultural signifiers. Indeed, they are public symbols that catalyse, compound and convey a whole range of values, ideas and feelings such as allegiance, common religious beliefs and a common identity. Moreover, it is worth noting that once in charge, the new sultans in Rasūlid Yemen carried out what can be defined as a donativum, which involved offering two months’ salary and goods to the army. (The Latin term donativum indicates the gifts of money given to soldiers by Roman emperors. The concept, applied to medieval Yemen, indicates the gifts of money given to military men, among others, by the Rasūlid sultans.) In particular, in passages regarding other sultans, the above-mentioned chronicle mentions silver in the form of coins (darāhim) and gold as a metal. This is actually consistent with what is known of Rasūlid coinage, which had relatively few dinars since gold (dhahab) was generally used in a non-moneyed form.

 

MdM Oktober 2021

 

Inzwischen kommen wir bereits auf über 35 MdM-Beiträge – doch gibt es auch islamische (Umlauf-)Münzen, die über 35 g wiegen? Die Antwort hierauf und weitere interessante Hintergrundinformationen zu einem in mehr als einer Hinsicht bemerkenswerten Münztyp aus dem nördlichen Zweistromland liefert im Folgenden einmal mehr Lutz Ilisch.

 

Die Numismatik der islamischen Welt ist in ihrer ausführlichen Schriftlichkeit mehr von Daten geprägt, als es bei der Beschäftigung mit antiken oder mittel- und ostasiatischen Münzen der Fall ist – seien es die auf islamischen Münzen regelmäßig genannten Prägedaten, Herrschaftsdaten oder auch Messdaten. An der Münze des Monats Oktober, einer Kupferprägung, muss zunächst ein rekordverdächtiges Gewicht auffallen. Bevor dieses eingeordnet werden soll, sind aber die Bestimmungsdaten zu klären: Geprägt wurde das vorzustellende Stück im runden Jahr 600 H. (= 1203/1204 A.D.) in der Stadt Cizre, heute in der Türkei an der irakischen Grenze liegend und überwiegend von Kurden bewohnt, damals noch mit dem arabischen Namen al-Ǧazīra oder Ǧazīrat Ibn ʿUmar und einer arabisch- und aramäischsprachigen Bevölkerung. Als Herrscher werden zwei Personen genannt. Einerseits, als Münzherr, der örtliche Zangiden-Fürst Muʿizz ad-Dīn Sanǧaršāh (reg. 1180–1208), und zwar in der Rev.-Inschrift rings um das ornamental eingefasste tamga, also Brand- und Besitzzeichen, seiner türkischen Dynastie. Zum anderen wird fast das gesamte Av.-Feld von den Titeln und Namen des Bagdader Kalifen an-Nāṣir li-Dīni ’llāh ausgefüllt. Einige Inschriftteile wie die Angabe Prägeort und -jahr (auf dem Av. ganz oben ist noch bi-’l-Ǧazīra sana auszumachen) ist sind auf dem ausgewählten Exemplar schlecht zu lesen, lassen sich aber sicher rekonstruieren. So lautet die Rev.-Umschrift: al-malik al-muẓaffar Sanǧaršāh ibn Ġāzī an-Nāṣirī. Die Welt des Nahen Ostens, in der Sanǧaršāh lebte, sah für einen Fürsten (malik) seines Ranges im Normalfall eigentlich keine „Reichsunmittelbarkeit“ vor, da sie in zwei große „Clanblöcke“ geteilt war: den der türkischen Zangiden und den der kurdisch-arabischen Ayyūbiden. In beiden Familien gab es allerdings Abweichler, die in innerfamiliären Streitfällen mit der Gegenseite paktierten oder bei dieser Rettung suchten. Während der Erfolg der Ayyūbiden in der Dominanz eines Clanchefs für die gesamte Familie bestand, war die Zangiden-Familie ein loserer Verbund.

Wer genau war nun der Zangide, der den Namen jenes letzten Großselǧuqen (Sanǧar ibn Malikšāh, reg. 1097–1157, s. MdM Nov. 2018) trug, dessen Herrschaft in der verklärenden Rückschau für ein halbes Jahrhundert der Kontinuität und Prosperität stand? (Wohlgemerkt war auch der nicht auf die Münze gesetzte Ehrenname Muʿizz ad-Dīn von jenem Selǧuqensultan übernommen.) Sanǧaršāh war von seinem Vater, dem Herrscher von Mosul Saif ad-Dīn Ġāzī II. (reg. 1169–1180) als Thronerbe vorgesehen gewesen. Als Ġāzī starb, war Sanǧaršāh jedoch erst 12 Jahre alt und Minister und Familie hatten sich gegen den Jungen entschieden, der dafür mit Cizre abgefunden wurde, während seinem Onkel Masʿūd (I.) als Ġāzīs Nachfolger die schwierige Aufgabe zufiel, den Ayyūbiden Saladin in Schach zu halten. Sanǧaršāh soll dies klaglos hingenommen haben, aber spätestens mit 21 Jahren findet er sich im Lager Saladins und nahm auch an Feldzügen gegen Mosul teil. Bei der gemeinsamen Belagerung von Akkon entzweite er sich mit den Ayyūbiden (Herbst 1190), woraufhin Masʿūd (der Saladin ebenfalls mit Truppen unterstützt hatte) gegen Cizre zog. Dieser Kriegszug endete 1191 in einem Friedensschluss zwischen beiden Zangiden mit erheblichen Gebietsabtretungen Sanǧaršāhs zugunsten Mosuls. Die Allianz hielt auch nach Masʿūds Tod (1193), als Saladins Bruder al-ʿĀdil I. im Jahre 1198 die mächtige Festung von Mardin unter Führung seines Sohnes belagern ließ. Die in Mardin herrschenden Artuqiden wandten sich damals nach Mosul um Hilfe und der Zangide Arslanšāh (I. ibn Masʿūd) kam zusammen mit Sanǧaršāh zum Entsatz, sodass der Ayyūbidenprinz mit seinen Truppen weichen musste. Während der Artuqide den Zangiden Arslanšāh in seiner folgenden Mardiner Münzprägung durch Namensnennung als Oberherrn anerkannte, blieb Sanǧaršāh selbständig. Auch auf dem im Jahre 600 H. eingeführten, ungewöhnlich gewichtigen Kupfermünzen wird kein anderer, übergeordneter Zangide oder Ayyūbide genannt. Lediglich das tamga der Zangiden als zentrales und den Münztyp bestimmendes Gestaltungsmerkmal weist auf die Einbettung in einen größeren Herrschaftsverbund. Etwa zur gleichen Zeit findet sich ebendieses Familienzeichen auf Münzen der Zangiden von Sinǧār und der Artuqiden, nicht aber auf Mosuler Prägungen.

Besagter ʿAbbāsiden-Kalif wird auf unserem Münztyp aus Cizre mit dem auf nahöstlichen Münzen sonst nicht vorkommenden Titel eines „großmächtigen Imams“ (al-imām al-aʿẓam) bezeichnet, welcher einige Jahrzehnte später auf den Münzen zentralasiatischer Mongolenherrscher für denselben Kalifen gebraucht wird (s. MdM Juli 2021). In der bisherigen Forschung scheint diese Besonderheit des Kalifentitels nicht umfassend in Betracht gezogen worden zu sein. Dabei könnte diese Beobachtung aufgrund einer weiteren Besonderheit in der Titulatur unseres Münzherrn für die Mongolengeschichte bedeutsam sein. Denn Sanǧaršāh fügt als letzten Bestandteil seines Herrschaftsprotokolls (in der Umschrift, s. o.) die Bezeichnung an-Nāṣirī an. Obwohl in der numismatischen Literatur vielfach die Frage aufgeworfen wurde, ob sich diese nisba eher auf Saladin (gest. 1193) bezieht, welcher ja den Königstitel al-Malik an-Nāṣir führte, oder hier alternativ ein Bezug auf den Kalifen an-Nāṣir li-Dīni ’llāh gegeben ist. (Spätere Sultansmamlūken führten regelmäßig eine Herkunftsbezeichnung dieser Art am Ende ihrer Titulatur.) Zumindest zwei von drei Numismatiker(inne)n neigten erster Interpretation zu, während Estelle Whelan (The Public Figure, London 2006, S. 297) vorsichtig und ohne sich zu entscheiden die Möglichkeit ins Spiel brachte, dass Sanǧaršāh die nisba trug, weil er in den vom Kalifen geleiteten Männerbund der Futuwwa aufgenommen worden sein könnte. Wenn dem so wäre, könnte auch an-Nāṣirs ungewöhnlicher Titel dem Gebrauch der Futuwwa entstammen, was im Falle einer Bestätigung wiederum Fragen zur Rolle des Männerbundes im Kontext der mongolischen Eroberung aufwerfen würde.

Das Gewicht unserer Münze des Monats – stolze 35,9 g – ist innerhalb der islamischen Münzprägung des Mittelalters jedenfalls ein ungewöhnlich hohes. Es lässt sich in der Metrik des Nahen Ostens allerdings leicht einer der Unze entsprechenden Gewichtsstufe zuordnen (arabisch: ūqiya). Normalerweise waren islamische Kupfer- und Bronzemünzen nur Geldzeichen mit zeitlich und örtlich begrenzter Gültigkeit, deren Umlaufwert höher als ihr Materialwert war und welche in begrenzten Mengen dem Handel dienen konnten, aus Sicht des islamischen Rechts aber keine Entsprechungen zum Edelmetallgeld darstellten. Ein solcher Rohstoffverbrauch, wie er im Falle der Münze des Monats vorliegt, wäre daher eigentlich unsinnig, es sei denn derartige Kupfermünzen wurden aufgrund ihres Materialwertes im Umlauf den Edelmetallmünzen gleichgestellt. Diese Interpretation liegt hier schon deshalb nahe, weil die einzige andere mittelalterliche Entsprechung von unzengewichtigen Münzen im mamlūkischen Ägypten des Jahres 783 H. (1381) die Folge einer inflationären Ausgabe von Kupfermünzen war, durch die der Wert der meist nur 2–4 g schweren Münzen bereits gegen den Kupferwert abgesunken war, sodass auch Kupfer nur noch nach dem Wert seines Gewichts in Zahlung gegeben wurde (Jere Bacharach, „Circassian Monetary Policy: Copper“, in: JESHO, Bd. XIX, S. 36). Kupfer konnte nunmehr also abgezählt werden, doch die Bevölkerung Ägyptens akzeptierte die Neuerung nicht und das Experiment wurde nach wenigen Monaten eingestellt, wie bei dem Chronisten al-Maqrīzī zu lesen ist (Sulūk, ed. M. Ziyāda, Bd. III, S. 453). Die wenigen aus diesem Experiment des Jahres 783 H. erhalten gebliebenen Großkupferstücke (SNAT, Bd. III, Nr. 778) wiegen ebenso wie die hier behandelte Münze aus Cizre um 35 g.

Um Missverständnissen vorzubeugen, sei klargestellt, dass die Zahlung mit dem Wertstoff Kupfer anstelle von Edelmetall für die damit im Handel umgehenden Menschen zwar etwas kräfteraubend sein konnte, aber keinen Geldverlust bedeutete, wie er mit Inflationen verbunden war. In den historischen Kupferförderländern Schweden und Russland hat sich der Staat bei Gold- und Silberknappheit verstärkter Ausgaben von Großkupfermünzen und Kupferplatten bedient – bis hin zu einem Gewicht für höhere Werte, bei dem zwei Personen zur Handhabung eines Geldstücks nötig waren. Die Reaktion der Bevölkerung des Fürstentums Cizre auf die schweren Münzen ist uns nicht überliefert. Wir können aber auf den Münzen ablesen, dass solche Prägungen bis zum Jahre 604 H., und damit bis kurz vor Sanǧaršāhs gewaltsamen Tod (durch die Hand eines seiner Söhne) im Jahre 605 H. fortgesetzt wurden. Danach wurden keine weiteren Kupferstücke vom ūqiya-Gewicht ausgegeben, was vielleicht als ein indirekter Hinweis auf mangelnde Beliebtheit gewertet werden kann.

Mit der Stadt Cizre unter Sanǧaršāh und einem besonderen Kupferreichtum in dieser Gegend verbindet sich im Übrigen das Werk eines der genialsten Techniker des islamischen Mittelalters: Ibn ar-Razzaq al-Ǧazarī. Bekannt ist über diesen nur, dass er im Jahr 577 H. (1181/82) an den Hof der Artuqiden im heutigen Diyarbakır kam, wo er neben musizierenden Automaten, Wasserspielen und sich bewegenden Tierfiguren für die höfische Tafel auch Moscheetüren aus unterschiedlichen Bronzen mit ansprechenden Farbwirkungen konstruierte. Gleichartige Türen sind auch aus Cizre selbst erhalten, angefertigt im Auftrag von Sanǧaršāhs Sohn und Nachfolger Maḥmūd. Der Grund für al-Ǧazarīs Weggang aus seiner Heimatstadt – und vielleicht auch für die Rückkehr seiner Werkstatt dorthin nach 605 H. (1208) – mag in Sanǧaršāhs Charakter gelegen haben, über dessen Schlechtigkeit in sämtlichen Quellen, bei Freund wie Feind, absolute Einigkeit herrscht. Von Saladin ist die Aussage überliefert, er habe in seinem Leben noch nie einen negativen Bericht über jemanden erhalten ohne später herauszufinden, dass die Person doch gar nicht so übel sei, wie man sagt – einzig bei Sanǧaršāh sei es so gewesen, dass er, als er ihn persönlich kennenlernte, die abscheulichen Berichte über diesen Zangiden für nichts im Vergleich zur Realität befand.

 

MdM September 2021

 

Noch immer warten in Afghanistan Tausende Menschen, darunter insbesondere unsere ehemaligen Ortskräfte, auf Schutz vor den (neuerdings karussellfahrenden und softeisschleckenden) Taliban, doch ohne die USA sehen wir Europäer uns eben nicht einmal imstande, einen Flughafen zu halten. Wegen dieser abhängigkeitsbedingten Handlungsunfähigkeit, wurde der deutsche Luftbrücken-Evakuierungseinsatz nun genauso wenig zu einem ordentlichen Ende gebracht wie die NATO-Mission in Afghanistan insgesamt. Wenngleich inzwischen 20 Kriegsjahre vergangen sind, war der Abzug der internationalen Truppen offensichtlich verfrüht und geriet somit zum Desaster.

Dabei ließen die Umstände – insbesondere der evident misslungene Staatsaufbau und das Fortbestehen der traditionellen lokalen Machtstrukturen – eigentlich absehen, dass es die Taliban (Ṭālibān) leicht haben würden. Selbst mit ihrem zügigen, kampflosen Einzug und der vollständigen Machtübernahme in Kabul war zu rechnen, schlugen die Herrschaftsverhältnisse in Afghanistan doch immer wieder in gleicher Weise erschreckend schnell um. Schon nach dem sowjetischen Truppenabzug 1989 war rasch klar gewesen, dass sich die kommunistische Regierung in Kabul nicht würde behaupten können. Von der Mehrheit der Bevölkerung nicht akzeptiert, hatte sie den Großteil Afghanistans nicht unter ihrer Kontrolle und so musste die Hauptstadt über eine sowjetische Luftbrücke versorgt werden. Mit dem Zusammenbruch der SU fiel dann jede Unterstützung für die Regierung unter Präsident Naǧībullāh weg, woraufhin die Mudschahedin (Muǧāhidīn) – also jene muslimischen Guerillakämpfer, deren Widerstand die sowjetische Armee nicht hatte brechen können – bis 1992 ganz Afghanistan eroberten. Auch in Kabul wurden die „Gotteskrieger“ von der Bevölkerung damals euphorisch willkommen geheißen, während Naǧībullāh (daran gehindert, dass Land zu verlassen) im Kabuler UN-Hauptquartier Schutz suchte. Da die Mudschahedin untereinander zerstritten waren und sich die diversen Gruppen in einem Bürgerkrieg erbittert bekämpften, kam es im Folgenden allerdings zu keinerlei Beruhigung, Ordnung und Stabilisierung der Verhältnisse. Es regierten im Gegenteil Chaos und Elend, der Staat war kollabiert und Kabul schien von der Welt verlassen und vergessen. 1994 traten dann erstmals die Taliban auf den Plan und wieder sollte die – mittlerweile in Schutt und Asche liegende – Hauptstadt am Ende überraschend schnell fallen. Im September 1996 zogen die pakistanisch gestützten Taliban von der leidenden Bevölkerung voller Hoffnung als Retter begrüßt in Kabul ein und gründeten ihr Islamisches Emirat. Bekanntlich ging damit nun aber die Errichtung einer Barbarenherrschaft einher; quasi über Nacht wurden z. B. Musik und Fernsehen verboten, Schulen geschlossen und Frauen aus der Öffentlichkeit verbannt. Der (längst) gestürzte Präsident Naǧībullāh wurde von den Taliban grausam ermordet und die Mudschahedin-Kommandeure mussten sich zurückziehen, auch nachdem viele ihrer Soldaten nicht bereit gewesen waren, gegen die Taliban zu kämpfen…

Die Münze des Monats – ein 4,63 g schweres Silberstück aus Kabul – soll uns jedoch noch einige Jahrzehnte weiter zurückdenken lassen, bis in die Zeit der (1747 begründeten) Durrānī-Monarchie, genauer: bis in die der Moḥammadzī-Dynastie aus dem Bārakzī-Stamm, welche in der ersten Hälfte des 19. Jh. die Sadōzī-Dynastie aus dem Pōpalzī-Stamm abgelöst hatte, jedoch wie diese zur paschtunischen Durrānī-Stammeskonföderation gehörte. (Letztere dominiert Afghanistan noch immer: Beispielsweise ist auch der ehemalige Präsident Ḥāmid Karzai ein Pōpalzai – ebenso wie der Taliban-Führer ʿAbdu-l-Ġanī Barādar.) Es war der Moḥammadzai/Bārakzai-Herrscher Amānullāh, nach dessen Thronbesteigung im Jahre 1919 die Briten Afghanistans Souveränität anerkennen mussten. Amānullāh ging daraufhin (ähnlich wie Kemal Atatürk) zahlreiche Reformen zur Modernisierung seines Landes an, das er dem Westen nicht nur wirtschaftlich öffnete. Insbesondere mit Deutschland wurden betont freundschaftliche Beziehungen aufgenommen; 1924 kam es beispielsweise zur Gründung der deutschen Amānī-Oberschule in Kabul und mit dem afghanisch-deutschen Schulabkommen sollte die Kabuler Reifeprüfung zum Studium an allen preußischen Universitäten berechtigen. Während der afghanische König 1928 zusammen mit seiner emanzipierten Gemahlin denn auch Deutschland bereiste (die Berliner verballhornten Amānullāh zu „Ullemulle“), geriet die Lage daheim am Hindukusch jedoch außer Kontrolle: Die konservative, tribal geprägte Landbevölkerung verweigerte sich vehement dem säkularistischen Modernisierungsprogramm ihres für „ungläubig“ befundenen Königspaares und lehnte dessen innenpolitischen Reformen ab, was zunehmend in Aufständen zum Ausdruck kam. Nördlich von Kabul wurde die Rebellion von einem berüchtigten Räuberhauptmann angeführt, welcher aus einfachsten Verhältnissen stammte, weshalb für ihn die Bezeichnung „Kind des Wasserträgers“, Bačča-yi Saqqā(o), aufkam; der Beiname, welcher auf seinen Heimatort Bezug nimmt, lautet Kalakānī. Noch Ende 1928 unternahm dieser Herr einen ersten Angriff auf Kabul, wobei nicht nur viele Soldaten des Königs einen engagierten Kampf gegen die Rebellen verweigerten…

Anfang 1929 – dem Prägejahr unserer Münze – sah sich König Amānullāh angesichts der „Saqqāwisten“-Erhebung zur Abdankung und Flucht gezwungen. Er überließ den Thron seinem Bruder ʿInāyatullāh, doch wurde auch dieser schon wenige Tage später von Kalakānī gestürzt, dessen siegreiche Truppen endgültig in Kabul eindrangen. Der Sohn des Wasserträgers machte sich nun selbst zum Herrscher Afghanistans und als solcher ließ er auch neue Münzen wie unser Qirān-Stück (1 Qirān = ½ Rupie) prägen. Er erscheint darauf – im Unterschied zu Amānullāh, der den Königstitel (šāh) angenommen hatte – als Emir (amīr, 1. Wort der 2. Rev.-Zl.) und mit dem Namen Ḥabībullāh („Gottesliebling“, wobei Ḥabīb als 2. Wort in der 2. Zl. steht und Allāh in Zl. 1 – die ganze Inschrift ist von unten nach oben zu lesen). So hieß bereits Amānullāhs Vater und Vorgänger, weshalb Kalakānī manchmal als Ḥabībullāh II. gezählt wird. Von großer Bedeutung ist jedoch, dass letzterer nicht nur keiner Dynastie angehörte, sondern vor allem kein Durrānī war, ja nicht einmal Paschtune. Als bislang einziger Herrscher (des modernen) Afghanistans gehörte der „Banditen-König“ stattdessen zur Volksgruppe der (persischsprachigen) Tadschiken. Worauf er seine Herrschaft aber in erster Linie bezog, war der Islam, als dessen Verteidiger er sich sah. Auf der Münze (4. und 3. Rev.-Zl.) lesen wir dazu passend einen bemerkenswerten Titel, den Kalakānī bei seiner Krönung durch einen Naqšbandī-Ṣūfī-Scheich angenommen hatte: ḫādim(-i) dīn(-i) / rasūlu ’llāh, „Diener der Religion des Gottgesandten“. Was Kalakānī hierunter verstand, zeigte sich umgehend: Er machte Amānullāhs Reformen rückgängig und führte die Scharia ein. Schiiten wurden für ungläubig erklärt; Frauen mussten sich wieder verschleiern und zuhause bleiben, Männer Vollbart und Turban tragen. Nicht nur Mädchenschulen wurden verboten, sondern auch solche, an denen Fremdsprachen gelehrt wurden – die deutsche Amānī-Schule etwa diente nun als Viehstall und ihr Mobiliar als Heizmaterial. Weil er sie für überflüssig hielt, schaffte Kalakānī sowohl das Bildungs- als auch das Justizministerium ab; Bibliotheken und Museen mussten schließen. Der Emir und seine Saqqawisten – deren Herrschaft sich also durchaus als islamistisch charakterisieren lässt – waren wohlgemerkt auch selbst maximal ungebildet. Im Kabuler Palast eingezogen, schliefen sie angeblich auf dem Billardtisch, weil sie ihn für das königliche Bett hielten, und aßen aus der königlichen Toilettenschüssel, weil sie sich statt im Sanitär- im Speisebereich wähnten. Kalakānī war Analphabet und stolz darauf.

An einem modernen Staatwesen hatte der Sohn des Wasserträgers kein Interesse und so blieb es 1929 auch bei der (international nicht anerkannten) Herrschaft eines in Kabul eingefallenen Räuberhauptmanns – einer Schreckensherrschaft. Die von Ausländern verlassene Hauptstadt litt unter permanenten Plünderungen, zumal sich der neue Emir alsbald in ernsten Finanznöten sah. Er versuchte zur Bezahlung seiner Soldaten deshalb sogar, Leder-Münzen einzuführen, welche aber nicht akzeptiert wurden. Wir wissen nicht, wie diese aussahen (haben sich welche erhalten?), zur Gestaltung des Metall-Geldes lässt sich aber festhalten, dass es keineswegs als revolutionär auffällt: Wie unter den vorangegangenen Moḥammadzī-Herrschern zeigt der Avers unterhalb des Nominals qirān das Emblem Afghanistans wie es im Wesentlichen zumindest noch bis zur jüngsten Machtübernahme durch die Taliban, d. h. für die Republik, in Gebrauch war. Dargestellt ist eine Moschee innerhalb eines Kreises mit einem Strahlenkranz, dessen Umriss der eines achtzackigen Sterns ist. Der Moscheebau besitzt eine Kuppel, zwei Türme und ein von zwei Fahnen flankiertes Portal, durch dessen Bogen man links die Gebetsnische und rechts daneben die Gebetskanzel sieht. Doch soll es sich hier um ein bestimmtes Monument handeln? Die symbolträchtige ʿĪd-Gāh-Moschee in Kabul oder die „Blaue Moschee“ (ʿAlī-Mausoleum) von Mazār-i Šarīf? Zumindest ursprünglich mag mit der Darstellung wohl jener Ort in Kandahar gemeint gewesen sein, an dem bis heute (angeblich) der Mantel (ḫirqa) des Propheten Muḥammad verwahrt wird (Schrein + Moschee) und in einem Kuppelbau zudem der als „Vater des modernen Afghanistan“ verehrte Begründer der Durrānī-Herrschaft begraben liegt, welcher die Reliquie im 18. Jh. hierhergebracht hatte. Umgeben sind die Moschee-Darstellung und der Strahlenkranz jedenfalls ebenso wie die Inschrift auf dem Rev. von einem Lorbeerkranz, wobei die beiden Zweige an ihren unteren Enden von einer Schleife zusammengehalten werden. Mit diesem Motiv soll wohl auch darauf Bezug genommen werden, dass der erste Durrānī-Monarch mit einem Blätterkranz gekrönt wurde.

Auf dem Revers ist oben noch ein kleiner Stern zu sehen und unter der Inschrift das Prägejahr in Ziffern, wohlgemerkt wieder nach dem Mondkalender (welchen Amānullāh durch den Sonnenkalender ersetzt hatte): ١٣۴٧ = 1347 H. = 1929. Wie man sieht, handelt es sich zu dieser Zeit schon um maschinengeprägte Münzen; die Technik war in Kabul 1891 eingeführt worden. Dazu, dass noch ein anderes Jahr auf die Münzen Ḥabībullāh Kalakānīs geprägt wurde, sollte es nicht mehr kommen – der Spuk der Saqqāwisten-Herrschaft in Kabul endete nach neun Monaten: Amānullāhs ehemaliger Kriegsminister Moḥammad Nādir und dessen Brüder aus der Muṣāḥibān-Linie der Moḥammadzī-Dynastie hatten zuvor mit britischer Unterstützung den Kampf gegen den tadschikischen Banditen-Emir aufgenommen und rückten nun aus Richtung Indien erfolgreich auf Kabul vor. Nachdem die Stadt erobert war, ließ sich Moḥammad Nādir zum König krönen und den gefangengenommenen Wasserträger-Sohn gemeinsam mit dessen Anhängern hinrichten. Die Durrānī-Herrschaft war nun wiederhergestellt, doch genießt Kalakānī bei einigen frommen Tadschiken bis heute Verehrung (Streit um sein Grab 2016). Tadschike ist im Übrigen auch Aḥmad Masʿūd (der Sohn des charismatischen Mudschahedin-Volkshelden Aḥmad Šāh Masʿūd), welcher zusammen mit Amrullāh Sāliḥ (bislang Vizepräsident) aktuell den Widerstand gegen die Taliban im Panǧšīr-Tal organisiert – wenig aussichtsreich, aber wer weiß…

Sebastian Hanstein

MdM August 2021

 

Vor 950 Jahren – im August 1071 – errangen die Seldschuken in der berühmten Schlacht von Manzikert einen entscheidenden Sieg über das Byzantinische Reich, welches daraufhin Kleinasien an die Türken verlor. Eine zu dieser Wende passende Münze wird im Folgenden von dem Juristen und Numismatiker Dr. Wolfgang Schulze aus Essen vorgestellt, welcher seit den 1970er Jahren gemeinsam mit seiner Frau Ingrid zu unterschiedlichen Themen forscht und publiziert, wobei ab ca. 2000 die Münzprägung der Umayyaden als Spezialgebiet gelten darf. In den letzten Jahren haben beide an den archäologischen Ausgrabungen im Rahmen des Danish-German Jerash Northwest Quarter Project teilgenommen und mehrere Aufsätze zu den dabei gefundenen islamischen Münzen veröffentlicht.

 

Die Münze des Monats August ist eine nicht sonderlich attraktive, aber bislang unbekannte Prägung der Dānišmandiden. Die Dānišmandiden waren eine turkmenische Dynastie islamischer Glaubensrichtung, die im Nordosten Anatoliens in der Zeit von ca. 1075 bis 1178 herrschte. Ihr Gründer war ein gewisser Dānišmand, dessen Name von einem persischen Titel abgeleitet ist und so viel wie „Lehrer“ oder „Weiser“ bedeutet. Dieser war an der Schlacht von Manzikert beteiligt, an deren Ende die Rūm-Seldschuken die Byzantiner weitgehend aus Anatolien zurückdrängten. Dieser Dānišmand Aḥmad Ġāzī erhielt möglicherweise in den Jahren nach 1071 in Nordostanatolien ein iqṭāʿ, eine Art Militärlehen, das er und seine Nachfolger kontinuierlich zu einer eigenen Herrschaft ausbauten. So viel zum Dynastiegründer Dānišmand, um den es zahllose Geschichten späterer Historiker oder auch Heldenepen gibt, deren Informationswert allerdings mit äußerster Vorsicht zu behandeln ist. Dānišmand wird zum ersten Mal in den Berichten aus dem ersten Kreuzzug erwähnt. Deshalb halten wir es am besten mit Irène Mélikoff, der Herausgeberin eines der erwähnten Heldenepen, die kurz und bündig schreibt: „Er war damals schon Herr eines ziemlich großen Territoriums“.

Nach Dānišmands Tod 1104 (das Datum ist nicht unbestritten) konnten seine Abkommen ihr Herrschaftsgebiet mit dem Zentrum in Sivas allmählich vergrößern und gelangten zu beachtlichem überregionalem Einfluss, indem sie wechselnd mit den Rūm-Seldschuken, den Kreuzfahrern, den Armeniern oder den Byzantinern koalierten oder gegen sie kämpften. Aufgrund von Erbstreitigkeiten wurde das Dānišmandiden-Reich 1142 in drei Teile aufgespalten. So haben wir es von diesem Zeitpunkt an mit den Dānišmandiden von Sivas, Kayseri und Malaṭya zu tun und es dauerte nicht mehr lange, bis alle drei Dānišmandiden-Herrschaften 1178 von Qilič-Arslān II. (reg. 1156–1192) dem Seldschuken-Reich einverleibt wurden. Mehr zur Geschichte und zur Münzprägung der Dānišmandiden ist in Lutz Ilischs Beitrag zur Münze des Monats Juli 2020 zu finden.

Die hier besprochene Münze des Monats (3,31 g, ∅ 20 mm, ohne Datierung und Münzstättenangabe) wurde unter der Herrschaft von Dānišmands Nachfolger Amīr Ġāzī Gümüš-Tegin (reg. 1104–1134) geprägt. Der Typ ist erst seit wenigen Jahren bekannt und findet sich weder in den einschlägigen Monographien noch in Sammlungskatalogen. Dies ist insoweit erstaunlich, als die numismatische Forschung zu den Münzen der Dānišmandiden bis weit in das 19. Jahrhundert zurückreicht. Die beidseitig griechischen Aufschriften sind lange nicht eindeutig identifiziert worden. Der Grund hierfür dürfte die äußerst schlechte Prägequalität sein. Auf keiner der bisher bekannten rund ein Dutzend Münzen ist eine vollständige Lesung möglich. Erst ein Vergleich aller Münzen ergibt folgende Lesung (Av. // Rev.), wie sie erstmalig von Ali Miynat 2020 publiziert worden ist:

KVPIE / BꞶHϴH / ΑΜHP  //  ΓΑΖH / TO TAN / CMAN

(„Herr, hilf Amīr Ġāzī, dem Sohn von Dānišmand“)

Offenbar sind für solche Prägungen mindestens zwei Stempelpaare benutzt worden. Die bekannten Gewichte schwanken zwischen 2,65 und 3,89 g. Ein Exemplar mit 4,56 g ist insofern ein Ausreißer, als es sich um eine Überprägung auf einen anonymen byzantinischen follis der Klasse I handelt (Zeno 198144).

Die Dānišmandiden prägten bildhafte Kupfermünzen, aber teilweise auch bildlose Münzen mit griechischen Texten. Beide Münztypen gibt es auch mit gemischt griechisch/arabischen Aufschriften. Der Grund hierfür war sicherlich das Bestreben, die Textinhalte der Münzen auch dem nicht unerheblichen griechisch-orthodoxen Bevölkerungsanteil nahezubringen.

Es ist reizvoll der Frage nachzugehen, welche Botschaft mit der hier besprochenen Münze der Bevölkerung mitgeteilt werden sollte. Zunächst könnte man an eine religiöse Formel, ein Ersuchen um göttlichen Segen, denken. Auffällig ist allerdings, dass eine frappant ähnliche Formel des Öfteren auf Münzen des Kreuzfahrerfürstentums Antiochia verwandt wurde, dem die Dānišmandiden feindlich gegenüberstanden. Bereits der Dynastiegründer Dānišmand Ġāzī hatte von 1100 bis 1103 Bohémond I. von Tarent, einen der Führer des 1. Kreuzzuges, gefangen gehalten. In dieser Zeit und später, während der Abwesenheit Bohémonds I. in Europa, herrschte dessen Neffe Tancred als Regent (1001–1103, 1004–1112) und edierte Münzen mit den Aufschriften „Gott, hilf deinem Diener Tancred“ oder „Gott, segne Tancred“. Dieselben Formeln benutzte dann auch dessen Nachfolger Roger von Salerno (reg. 1112–1119). Der nächste Fürst von Antiochia, Bohémond II. (reg. 1126–1130), wurde während einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Amīr Ġāzī 1130 getötet. Für dieses „Verdienst“ im Kampf gegen die „Ungläubigen“ bekam der Dānišmandide vom ʿAbbāsidenkalifen al-Mustaršid den Titel malik (König) verliehen. Doch zurück zur Ausgangsfrage: Welche Botschaft wurde mit „Herr, hilf Amīr Ġāzī, dem Sohn von Dānišmand“ angesichts der deutlichen Ähnlichkeit zu den Kreuzfahrermünzen transportiert? Ist es mehr als eine religiöse Formel, vielleicht eine antichristliche Parole? Eine solche Interpretation dürfte allerdings zu weit gehen, denn die Hilfe Gottes auf Münzen zu erbitten, hatte im Byzantinischen Reich eine lange Tradition. Bereits auf einem Hexagramm von Heraclius (reg. 610–641) gibt es die Legende deus adiuta Romanis („Gott, hilf den Römern“). Solche Invokationen sind auf zahlreichen byzantinischen Münzen des 10. und 11. Jahrhunderts zu finden, deren Legenden üblicherweise mit KVPIE / BꞶHϴH … beginnen, also ebenso wie auf unserer Dānišmandiden-Münze; hier wurde offenbar der Text von den noch umlaufenden byzantinischen Münzen übernommen. Von einem religiös-politischen Inhalt dieses Textes kann also keine Rede sein, zumal eine solche Interpretation bei den christlichen Bevölkerungsanteilen des Dānišmandiden-Reiches kaum auf Gegenliebe gestoßen wäre. Es handelt sich also um eine für die Dānišmandiden typische Adaption christlicher Elemente, ein Phänomen, das Prof. Rustam Shukurov einmal zusammenfassend so interpretiert hat: „The Anatolian Turkmen mentality, during the earliest stage of their installation in the former Byzantine lands, represented quite a complex and even internally contradictionary phenomenon, comprising both Arabo-Persian and Byzantine, Muslim and Christian elements. Adopting Christian imagery in their self-representation, the Turkmens emphasised their right to the Christian Byzantine heritage remaining at the same time true Muslims.”

 

Weiterführende Literatur:

⦁ Behzad Butak: XI. XII. ve XIII. yüzyillarda resimli Türk Paraları, Istanbul 1947.

⦁ Paul Casanova: Numismatique des Danichmendites. Extrait de la Revue Numismatique 1894, 1895 et 1896, Paris 1896.

⦁ Irène Mélikoff (Hrsg. und Übers.): La geste de Melik Dānişmend: étude critique du Dānişmendnāme (Bibliothèque Archéologique et Historique de l’lnstitut Français d’Archéologie d’lstanbul, x–xi.), 2 Bde., 460 und 352 S., 6 Tafeln, Paris 1960.

⦁ Ali Miynat: „Yeni Bulgular Işığında İlk Danişmendli Sikkeleri ve Danisşmendli Malatya Melikleri Tarafından Bastırılan Sikkeler“ in: S. Cöhce/M. Zengin/R. Özman (Hrsg.), Uluslararası Malatya'nın Fethi ve Danişmendliler Sempozyumu, İnönü Üniversitesi Yayınları 78, Nisan 2020, S. 138–162.

⦁ Nicolas Oikonomidès: „Les Danishmendides, entre Byzance, Bagdad et le Sultanat Iconium“ in: Revue numismatique 1983, S. 189–207.

⦁ Rustam Shukurov: „Christian Elements in the Identity of the Anatolian Turkmens (12th-13th centuries)“ in: Cristianità d’Occidente e Cristianità d’Oriente (Secoli VI-XI), Settimane di Studio della Fondazione Centro Italiano di Studi sull’Alto Medioevo LI., Spoleto 2004, S. 707–764.

⦁ Estelle J. Whelan: „A Contribution to Dānishmendid History: The Figured Copper Coins“ in: The American Numismatic Society Museum Notes 25 (1980), S. 133–166.

⦁ Estelle J. Whelan: The public figure. Political iconography in medieval Mesopotamia, London 2006.

MdM Juli 2021

 

Ringen, Reiten, Bogenschießen: Wie jedes Jahr feiern die Mongolen im Juli ihr farbenfrohes Nationalfest Eriin Gurwan Naadam („die drei männlichen Spiele“). Dabei messen sich die Teilnehmer(innen) nicht nur in den drei traditionellen Sportarten (im großen Pferderennen über 30 km treten Kinderjockeys gegeneinander an), sondern gedenken auch voller Stolz ihrer Geschichte, insbesondere der Gründung des Mongolen-Reiches zu Beginn des 13. Jh. Nicht nur bei der Flaggen- und Militärparade zu Beginn von Naadam (dessen Ursprung der mittelalterliche Kurultai sein dürfte) werden historische (Krieger-)Kostüme getragen. Die Ringkampfsieger führen einen Vogeltanz um die weißen Rossschweif-Standarten Dschingis-Khans auf, an dessen großer Statue in Ulan-Bator eine Ehrungszeremonie stattfindet, bei der sich auch Minister vor dem Reichsgründer verbeugen. Nicht nur der große Platz im Zentrum der Hauptstadt, sondern auch deren Flughafen war zeitweilig nach Dschingis-Khan benannt. Östlich von Ulan-Bator wurde ein Dschingis-Khan zeigendes Reiterstandbild errichtet, welches als das höchste der Welt gilt. Ähnlich überdimensioniert: Die Statue des Reichgründers bei H(u)olin-Gol in der Inneren Mongolei.

Nun war Dschingis-Khan bekanntlich kein Muslim, doch entstanden auch unter seiner Herrschaft islamische Münzen – der „Welteroberer“ und seine ersten Nachfolger beließen es nämlich bei jenen Währungen, die in den unterworfenen Ländern auch schon zuvor geprägt wurden. Zuvor meint vor allem zur Zeit des anūšteginidischenvārazmšāhs Muḥammad ibn Tekiš (reg. ab 1200), dessen Reich – im frühen 13. Jh. das größte der islamischen Welt – sich am Vorabend des „Mongolensturms“ vom heutigen Pakistan bis nach Transkaukasien erstreckte und die Küste des Omans ebenso umfasste wie die Ufer des Syrdarja im heutigen Kasachstan. Auch Muḥammad hatte keine neue Reichwährung eingeführt, sondern die diversen Lokal- und Regionalwährungen adaptiert. Münzen aus der Zeit Dschingis-Khans sind daher vielfältig, wobei es auch alles andere als selbstverständlich ist, dass der mongolische Reichsgründer darauf überhaupt namentlich, d. h. mit seinem 1206 angenommenen Ehrennamen Činggis-Ḫān („ozeangleicher Herrscher“), in Erscheinung tritt. Vielmehr tragen die meisten frühmongolischen Typen (aus dem Osten der islamischen Welt) lediglich den unpersönlichen Titel Großkhan (ḫāqān), oft attributiv ergänzt, oder aber der neue, nichtmuslimische Machthaber findet in der sikka gar keine Erwähnung, sodass nur die traditionelle Nennung des Kalifen bleibt. Letzterer hieß von 1180 bis 1225 (!) an-Nāṣir li-Dīn ’llāh. Unter diesem ʿAbbāsiden war das Bagdader Kalifat so machtvoll wie schon lange nicht mehr: An-Nāṣir herrschte völlig souverän über den gesamten Irak sowie Ḫūzistān und betrieb, diplomatisch wie militärisch, eine energische Außenpolitik. Sein Hauptgegenspieler war besagter Ḫvārazmšāh Muḥammad, welcher die Nennung seines Namens in der Bagdader ḫuṭba verlangte. Der Streit zwischen beiden Herrschern ging schließlich so weit, dass der Anūšteginide den ʿAbbāsiden absetzen wollte und 1217 auf Bagdad marschierte. Was an-Nāṣir damals rettete, war ein Blizzard, der eine Zagros-Überquerung für Muḥammads Heer unmöglich machte und den Ḫvārazmšāh zur Umkehr zwang. Es war auf dem Rückweg nach Ḫurāsān, als Muḥammad von der Nordostgrenze seines Imperiums die Nachricht vom Auftauchen einer großen mongolischen Handelskarawane erreichte.

Über die Chronologie und die genauen Umstände der ersten Kontakte zwischen Muḥammad und den unter Dschingis-Khan geeinten Mongolen herrscht einige Unklarheit. Jedoch waren wohl bereits um 1215 Gesandtschaften ausgetauscht worden. Dschingis-Khan empfing die ḫvārazmischen Emissäre wohlwollend und beauftragte sie, ihrem Herrn neben wertvollen Geschenken (darunter ein riesiger Goldklumpen) die Nachricht zu überbringen, dass er, der „Beherrscher des Ostens“, ihn als „Beherrscher des Westens“ respektiere und einen Freundschaftsvertrag sowie freie Handelsbeziehungen zwischen beiden Reichen wünsche. Zwar zeigte sich der Ḫvārazmšāh – dem es v. a. um Informationen über die militärische Stärke der Mongolen ging – irritiert über die Formulierung, der Großkhan stelle ihn „auf eine Stufe mit seinen liebsten Söhnen“ – schließlich ließ sich Sohn als Umschreibung für Vasall verstehen –, doch hatte der Mongole damals wohl tatsächlich (noch) nicht vor, den mächtigen Anūšteginiden herauszufordern; wahrscheinlich sollten seine Gesandtschaften und Karawanen wirklich primär der Aufnahme von Handelsbeziehungen dienen (nachdem Muḥammad in Transoxanien ja die Handelsrouten in Richtung Osten schließen lassen hatte). Die große Karawane, welche 1218 in Uṭrār (am Syrdarja) eintraf, wurde nun allerdings vom Gouverneur der Grenzstadt festgesetzt, weil dieser die 450 Kaufleute der Spionage verdächtigte. Im Folgenden befahl, erlaubte oder tolerierte Muḥammad, dass sein Gouverneur die Händler hinrichten ließ und deren Luxuswaren beschlagnahmte. Lediglich ein einzelner Kameltreiber soll entkommen und zu Dschingis-Khan geflüchtet sein, woraufhin dieser die Auslieferung des Gouverneurs verlangte. Selbst wenn die „Katastrophe von Uṭrār“ noch damit zu entschuldigen wäre, dass Muḥammad in einigen Teilen seines Reiches nicht wirklich das Sagen hatte (sondern seine übermächtige Mutter, deren Neffe der habgierige Gouverneur war) – seine unangemessene, fatale Reaktion auf Dschingis-Khans Versuch, die Angelegenheit auf diplomatischem Weg zu klären, ist es nicht: Weit davon entfernt, den Gouverneur zu bestrafen, ließ Muḥammad die Überbringer der Forderung töten und gab dem Großkhan somit allen Grund, ihm den Krieg zu erklären.

Als Dschingis-Khan im Jahre 1219 mit seiner gesamten Streitmacht vor Uṭrār erschien, ließ er einen Heeresteil zur Belagerung der Stadt zurück und zog selbst gegen die (nach Samarqand) zweitgrößte Metropole Transoxaniens: Buḫārā, den Prägeort unserer Münze des Monats. Die Stadt wurde 1220 belagert und alsbald vom Großteil ihrer Garnisontruppen verlassen, woraufhin sich die Bewohner ergaben und die Mongolen einzogen. Nur die Festung wurde von ihrer Besatzung noch 12 Tage länger gehalten, ehe Dschingis-Khan alle Verteidiger hinrichten ließ. Auch einige Notabeln verloren ihr Leben, anderen und den reichen Händlern nahm man ihr Vermögen. Angeblich ritt der Großkhan damals in die Freitagsmoschee ein und nutzte deren Hof als Stall sowie für ein Gelage. Es wurden Korane zertrampelt und der Mongolenherrscher soll von einer Kanzel aus erklärt haben, Gottes Strafe für begangene Sünden zu sein. Schließlich wurde die gesamte Bevölkerung aus der Stadt getrieben und Buḫārā ausführlich geplündert, bis es fast vollständig niederbrannte. Was übrigblieb, unterstellte Dschingis-Khan – der als nächstes auf Samarqand vorrückte – später einem mongolischen Gouverneur; zahlreiche Menschen wurden als Sklaven abgeführt, andere zerstreuten sich über die Dörfer im Umland.

Es dürften ein paar Jahre vergangen sein, bevor in Buḫārā, während des Wiederaufbaus und der Wiederbesiedelung der Stadt, unsere Münze des Monats geschlagen wurde – wie üblich ist vom Prägejahr (in der Rev.-Umschrift) nichts zu lesen. Ebenso wie andere Goldmünzen aus den Großstädten Transoxaniens und Ost-Ḫurāsāns (v. a. Ġazna, Prägejahr 618 H.), die bekannten (guthaltigen) Silber-Dirhams aus Ġazna und die selteneren Æ-Dirhams aus Marv (ebenfalls von 618 H.) repräsentiert unser 4,38 g schwerer Dinar einen der Typen, auf denen Dschingis-Khan namentlich genannt ist; im Rev.-Feld steht: Ǧingiz-Ḫān / al-ʿādil / al-aʿẓam, also „Dschingis-Khan, der gerechte, der großmächtige“. Diese beiden Attribute finden sich auf allen Münzen des „Welteroberers“, oft aber kombiniert mit dem eigentlichen Titel ḫāqān, ehe Ǧingiz-Ḫān als persönlicher Ehrenname folgt. Auf ḫānī-Dinaren aus Samarqand ist zusätzlich sogar auf Persisch šāh-i ǧahān-gīr zu lesen, „der die Welt packende König“. Im Av.-Feld unserer Münze (Av.-Umschrift wohl Koran 9:33) steht in drei Zeilen die šahāda und darüber der Prägeort [Buḫ]ārā. Wie auch auf dem Rev. wurden einige Buchstaben so geformt, dass die Zeilen möglichst gleichmäßig gefüllt sind und keine auffälligen Leerräume bleiben. So knickt das alif in ḫān oben im 90°-Winkel nach rechts weg und das zweite lām in Allāh nach links. Dieser Stil hat seinen Ursprung wahrscheinlich in den Inschriftbändern der Ziegelarchitektur. Dass die Münze dennoch spärlich beschriftet wirkt, liegt auch daran, dass der Großkhan der einzige darauf genannte Herrscher ist. Der Kalif an-Nāṣir findet keine Erwähnung, wohingegen er auf Dschingis-Khans Münzen aus Ġazna stets genannt wird, auf anderen Prägungen der frühen Mongolenherrschaft wohl sogar noch längere Zeit posthum und manchmal (analog zu as-sulṭān al-aʿẓam und al-ḫāqān al-aʿẓam) als al-imām al-aʿẓam. Der Name des letzten Kalifen in Bagdad, der von an-Nāṣirs Urenkel al-Mustaʿṣim, stand auf jemenitischen Münzen sogar noch fast 200 Jahre lang, nachdem dieser ʿAbbāside von Dschingis-Khans Enkel 1258 hingerichtet worden war.

Dass auf die Vernichtung des Anūšteginiden-Reiches – der Ḫvārazmšāh wurde von den Mongolen gejagt und verstarb Ende 1220 auf einer Insel im Kaspischen Meer – auch noch die des Bagdader Kalifats folgen sollte, konnte an-Nāṣir damals nicht ahnen. Vielmehr kam bald die Vermutung auf, er sei es gewesen, der Dschingis-Khan zu einem Vorgehen gegen seinen Erzfeind ermutigt habe – so wie er schon wiederholt eine Macht im Rücken seines Gegners um Hilfe gebeten hatte: erst den Ḫvārazmšāh Tekiš gegen den letzten Selǧuqen-Sultan Irans, dann die Ġūriden gegen Tekiš). In einigen Quellen ist gar explizit von einer entsprechenden Gesandtschaft des bedrängten Kalifen zu lesen und einem Chronisten lag ein Brief des letzten Anūšteginiden an einen Ayyūbiden-König vor, in dem für einen gemeinsamen Angriff auf Bagdad mit dem Argument geworben wird, dass an-Nāṣir ja die Schuld am Mongolen-Einfall trage.

Nachdem Dschingis-Khan Transoxanien erobert hatte, griffen seine Krieger 1221 Ḫvārazm und Ḫurāsān an. Hierbei zeigte sich, dass Buḫārā – welches sich zumindest halbwegs erholen sollte – noch vergleichsweise moderat behandelt worden war. In Metropolen wie Marv und Nīšāpūr sortierten die Invasoren lediglich Künstler und Handwerker zur Deportation aus und metzelten alle übrigen Einwohner (Kapitulation hin oder her) nieder. Beide Städte und noch eine Reihe anderer wurden in einem Ausmaß zerstört und entvölkert, von dem sie sich nie wieder erholen sollten. Insgesamt brachten die mongolischen Horden vor 800 Jahren so Millionen von Menschen gewaltsam ums Leben – eine Leid und Trümmer hinterlassende Massenvernichtung, wie man sie bis dahin nicht gekannt hatte. Wenn dem „ozeangleichen Khan“ diesen Monat in der Mongolei wieder voller Stolz gehuldigt wird, darf dies im restlichen Eurasien also ruhig ein wenig befremden.

Sebastian Hanstein

MdM Juni 2021

 

Noch kein SNAT-Band hat so lange auf sich warten lassen wie der inzwischen zehnte, jener zu Aleppo in mamlūkischer und osmanischer Zeit, doch steht sein Erscheinen (im neuen Wasmuth-&-Zohlen-Verlag) nun unmittelbar bevor, weshalb der Bearbeiter des neuen Bandes im Folgenden schon einmal Appetit macht, indem er ein Glanzstück daraus als MdM vorstellt. Dr. Alaa al-Din al-Chomari ist bereits seit 2016 in verschiedenen Projekten, vor allem als Stipendiat der Gerda-Henkel-Stiftung, an der FINT tätig; zuvor hatte er, nach seiner Promotion in Paris, bis 2015 eine Archäologie-Professur an der Universität Aleppo inne.

 

In der Geschichte des muslimischen Nahen Ostens spielen die Mamlūken, also türkischsprachige Kriegersklaven, seit dem 12. Jahrhundert eine zunehmende Rolle. Gab es daneben zunächst auch noch kurdische Söldner und beduinische Hilfstruppen, konnten die meist aus dem Wolgagebiet stammenden und als Jugendliche zu Kriegern ausgebildeten Sklaventruppen 648 H. (1250) in Ägypten die Herrschaft über den von Saladin gegründeten Ayyūbiden-Staat übernehmen. In der Führung dieser mamlūkischen Herrschaft lösten sich verschiedene Familien ab, einen bedeutenderen Wechsel gab es, nachdem ein lange andauernder Bürgerkrieg in der mongolischen Goldenen Horde (s. MdM Dez. 2020) den Nachwuchs an jugendlichen Mamlūken vom Wolgagebiet in den Nordkaukasus verlagert hatte und die instabil gewordenen Machtstrukturen der Qalāʾuniden-Familie in Ägypten von den Neuankömmlingen, den sogenannten tscherkessischen Mamlūken, nicht mehr anerkannt wurden. Der Übergang verlief nicht reibungslos. Der als Jugendlicher in das Sultanat eingesetzte Qalāʾunide aṣ-Ṣāliḥ Ḥāǧǧī (II.) ibn Šaʿbān – s. zu Ḥāǧǧī I. MdM Aug. 2020 – wurde 784 H. (1382) zunächst abgesetzt, durfte aber weiterhin in der Zitadelle in Kairo leben, und der Tscherkesse aẓ-Ẓāhir Saif ad-Dīn Barqūq wurde neuer Sultan der Mamlūken.

Das Mamlūken-Sultanat war kein Zentralstaat, sondern eine Agglomeration mehrerer Vizekönigreiche, die politisch relativ selbständig agierten. Insbesondere im Norden, wo nomadisierende Turkmenenstämme in Konföderationen einzubinden waren oder es den Ansprüchen des Mongolen Tīmūr auf Wiedererrichtung des Mongolenreiches entgegenzutreten galt, gab es grundlegend andere Probleme und Bedürfnisse als im Süden. Der Mangel an Unterstützung bei diesen Herausforderungen trieb zuerst den Vizekönig von Malatya (heute in der Türkei), Minṭāš, und später, 791 H. (1389), auch den abgesetzten Vizekönig von Aleppo, Yalbuġā an-Nāṣirī, trotz voraufgegangener Feindschaft in eine Allianz gegen Sultan Barqūq. Der Norden wurde daraufhin zu einem Sammelbecken der mit dem neuen, tscherkessischen Sultan unzufriedenen Anhänger des alten Herrscherhauses.

Die Münze des Monats Juni, ein Dinar, ist nun in ebendieser Situation im Norden des geteilten Mamlūken-Sultanats entstanden. Es ist das bis heute einzige bekannte Goldstück dieses Aufstandes und wurde 2004 vom FINT-Förderer Claus Pelling gestiftet. Der Prägeort Ḥalab findet sich auf dem Revers über dem dreizeiligen Herrschaftsprotokoll ganz oben und die Datierung ins Jahr 791 H. darunter. Wie führen die Aufständischen nun ihren Sultanatskandidaten auf? Zuerst wird der abgesetzte Sultan als „der gerechte König“ (al-malik al-ʿādil) vorgestellt, bevor mit dem Ehrennamen Ṣalāḥ ad-Dunyā wa-d-Dīn jener junge Mann benannt wird, der sich in Barqūqs Gewahrsam befand. Es folgt der bis dahin innerhalb der mamlūkischen Münzprägung ungebräuchliche Titel „König des Islams und der Muslime“ (malik al-Islām wa-l-muslimīn) – offenbar eine Anspielung auf den zweihundert Jahre zuvor vom Bagdader ʿAbbāsidenkalifen an Saladin nach der Eroberung Jerusalems verliehenen Titel „Sultan des Islams und der Muslime“. Der Avers mit den konventionellen religiösen Aufschriften mamlūkischer Münzen der zweiten Hälfte des 8./14. Jahrhunderts unterscheidet sich nicht von voraufgegangenen und nachfolgenden Goldprägungen. Der einleitende Satz „es gibt keine Hilfe/keinen Sieg außer durch Gott“ präsentiert die Herrschaft der Mamlūken als Werkzeug Gottes. Mit einem Gewicht von 7,13 g in feinem Gold stellt die Münze des Monats keinen Mehrfachdinar dar, sondern reiht sich in die grundsätzlich nach variablem Gewicht geprägten Edelmetallmünzen der Mamlūken des 14. Jahrhunderts ein, welche bei jeder Zahlung zu wiegen waren.

Doch zurück zur politischen Situation, deren Zeugnis die Münze ist: Wie zu erwarten, schickte Sultan Barqūq von Ägypten aus ein Heer nach Syrien, doch hatte Yalbuġā an-Nāṣirī Damaskus bereits eingenommen und leitete nun gemeinsam mit Minṭāš den Gegenangriff auf das nur schwach verteidigte Nilland. Während Barqūq im Folgenden gefangen genommen werden konnte und in die Festung von al-Karak (heutiges Jordanien) gesetzt wurde, hatte der auf unserer Münze angesprochene Ṣalāḥ ad-Dīn Ḥāǧǧī das Glück, den Umsturz zu seinen Gunsten lebend zu überstehen und mit der neuen Titulatur al-Malik al-Manṣūr („der siegreiche König“, statt wie zuvor al-Malik aṣ-Ṣāliḥ) Nāṣir ad-Dīn in sein altes Amt eingesetzt zu werden. Yalbuġā an-Nāṣirī leitete nun die Staatsverwaltung und hielt zugleich eine schützende Hand über den Häftling in al-Karak, was ihn mit Minṭāš entzweite. Weniger als ein Jahr später (Ǧumādā al-Āḫira 791 H. bis Ṣafar 792 H.) war der Erfolg der Wiederherstellung der alten Ordnung jedoch vorüber: Mit Hilfe der lokalen Bevölkerung aus dem Gefängnis entwichen, konnte Barqūq (1390) in das Sultanat zurückkehren, wobei dem wendigen Yalbuġā an-Nāṣirī wieder die Rolle des Vizekönigs von Damaskus zufiel.

Das Tübinger Unikum, welches 2003 – damals noch in Privatbesitz – erstmals in einem Aufsatz Lorenz Korns im Numismatic Chronicle („A Dirham Hoard from the Time of the Miṭāsh Revolt“ in Bd. CLXIII, S. 287–312) veröffentlich wurde, gehört zu den wichtigsten Stücken der außerordentlich dichten Prägereihen, welche nun in Kürze im SNAT-Band Aleppo II publiziert sein werden; es trägt darin die Nr. 360.

 

MdM Mai 2021

 

Januar, Februar, März, April – und schon ist wieder ein Drittel des Jahres rum. Das arabische Wort für „Drittel“ lautet ṯulṯ (ثلث) und findet sich so auf unserer Münze des Monats Mai, weil es sich dabei um einen umayyadischen ⅓-Dinar handelt, also um ein Dinar-Teilstück. Dementsprechend bringt die kleine Goldmünze nur 1,39 g auf die Waage und hat einen maximalen Durchmesser von 15 mm (gegenüber 20 mm beim vollen Dinar mit dem Ideal-Gewicht von ca. 4,25 g). Dem folglich verknappten Platz auf so einem ṯulṯ galt es beim Stempelschnitt Rechnung zu tragen und so sind die Inschriften, welche wir von den vollen Dinaren der Umayyaden-Zeit kennen, hier deutlich verkürzt. Von den neun Wörtern des Glaubensbekenntnisses, welche im Av.-Feld der ganzen Dinare (über drei Zeilen) zu lesen sind, stehen an derselben Stelle auf dem Drittel (in zwei Zeilen) lediglich die ersten vier: lā ilāha illa ’llāh, „Es gibt keinen Gott außer Gott“. Bemerkenswert ist dabei die Besonderheit, dass die (Anzahl der) Buchstaben gleichmäßig über beide Zeilen aufgeteilt wurde, indem für das alif, das dem Wort Allāh (2. Zl.) gegenüber ilāh (1. Zl.) einen hohen Buchstaben mehr gibt, das initiale alif von illā noch am Ende der ersten Zeile steht (sodass beide Zeilen mit einer lām-alif-Ligatur beginnen). Die Av.-Umschrift beginnt wie gewohnt mit Muḥammadun rasūlu ’llāh, doch wird der Koran-Vers 9:33 im Anschluss nur bis al-ḥaqq zitiert (worauf auf den ganzen Dinaren ja immerhin noch li-yuẓhirahū ʿala ’d-dīni kullihī folgt). Die religiösen Aussagen wurden also in nachvollziehbarer Weise auf das Allerwichtigste eingedampft.

Auf dem Rev. enthält die Umschrift wie gewohnt die Angabe, wann die Münze geprägt wurde; zu lesen ist: „... dieses Drittel wurde geschlagen im Jahre Sechsundneunzig“. Die Münze ist also einfach als aṯ-ṯulṯ bezeichnet, ohne dass noch das Wort dīnār nötig wäre. Im Laufe des Jahres 96 H. (= 714/715) fand an der Spitze des islamischen Reiches – dessen Ausdehnung damals ihr Maximum erreicht hatte – ein Herrscherwechsel statt, weshalb zum Prägezeitpunkt unserer Münze entweder noch al-Walīd I. Kalif war oder schon sein Bruder Sulaimān.

Was genau wie bei den vollen Dinaren nicht angegeben ist, ist der Prägeort. Für die ganzen Dinare darf bekanntlich die Reichshauptstadt Damaskus als zentrale Münzstätte angenommen werden – bei den Teilstücken, zu denen neben den Dritteln auch halbe (niṣf) Dinare gehören, fällt eine derartige Festlegung jedoch schwerer. Wichtig ist die Beobachtung, dass die Inschriften auf den Teilstücken nicht alle einfach nur verkürzt sind, sondern sich an einer Stelle auch klar von denen der vollen Dinare ohne Angabe der Münzstätte unterscheiden. Das Rev.-Feld des ⅓-Stücks enthält schließlich keinen Vers aus der 112. Sure, sondern die vollständige (!) Basmala als Einleitung für die Angabe des Prägejahres, welche in der Umschrift fortgesetzt ist. Zu lesen ist also: bi-smi ’llāhi / ’r-raḥmāni / ’r-raḥīm …, „im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen …“. Nicht uninteressant sind zudem die Mini-Graffiti, welche sich an gleich mehreren Stellen sowohl auf dem Av. als auch auf dem Rev. finden (Rev.: unter sowie rechts neben ar-raḥīm und jeweils über dem ث ,ب und ت von ḍuriba, ṯulṯ und sitt).

Die auf der Münze des Monats zu sehenden Abweichungen gegenüber den Inschriften der vollen Dinare aus der zentralen Münzstätte finden sich wohlgemerkt auch auf einigen sehr seltenen Goldmünzen der Umayyadenzeit mit Angabe des Prägeortes – Ifrīqiya (für Qairawān) und al-Andalus (für Córdoba) –, wobei dies neben ganzen Dinaren (ab 100 H.) im Jahre 102 H. ebenfalls halbe und Drittel-Stücke sind... Verwunderlich ist dies nicht, da ebensolche Teilstücke bereits vor der arabischen Machtübernahme für den westlichen Mittelmeerraum typisch waren: Die gängigen Goldmünzen hießen Semissis und Tremissis und entsprachen der Hälfte bzw. einem Drittel des byzantinischen Solidus. Beachtung verdient, dass schon auf arabisch-byzantinischen Semissis- und Tremissis-Typen auf Latein die (abgekürzte) Formel IN NOMINE DOMINI MISERICORDIS zu lesen ist (Bsp.), also ein Äquivalent zu vollständigen Basmala...

Es spricht also einiges für die Annahme, dass alle umayyadischen Halb- und Drittel-Dinare, auch die ohne Münzstättenangabe, in den Westen (Maghreb, al-Andalus) gehören, zumal der Gebrauch solcher Teilstücke in der Levante eben nicht üblich war und nicht üblich wurde. Die Iberische Halbinsel war im Prägejahr unserer Münze erst frisch erobert worden und Mūsā ibn Nuṣair, der zuständige Gouverneur des Maghreb (698–715), gerade mit immenser Beute nach Ifrīqiya zurückgekehrt.

Bereits John Walker hatte auf Grund der Unterscheidung zwischen einer, wie er es nannte, Eastern und einer Western Legend darauf geschlossen, dass sämtliche Teilstücke in Ifrīqiya und/oder Spanien geprägt wurden (A Catalogue of the Arab-Byzantine and Post-Reform Umaiyad Coins, London 1956, S. lvii–lix), und auch Lutz Ilisch schloss sich dieser Meinung an, weshalb man im Tübinger Sylloge-Band zu Damaskus (I, 2015) nach unserer Münze des Monats vergebens suchen würde (vgl. darin S. 6). Michael Bates hingegen hatte sich zuvor erstaunlich vehement gegen Walkers Schluss ausgesprochen, weil dessen Verortung ja bedeuten würde, dass die Reform-niṣf- und -ṯulṯ-Stücke im Westen über ein paar Jahre hin parallel zu (ebenfalls datierten) Goldmünzen vorreformatorischen Typs geprägt worden wären (Bates, „History, Geography and Numismatics in the First Century of Islamic Coinage“ in: SNR, Bd. 65, S. 259). Dass diese zeitliche Überschneidung der beiden Serien aber keineswegs so problematisch ist, wie Bates (folglich für die Münzstätte Damaskus plädierend) meinte, zeigte zuletzt Trent Jonson (A Numismatic History of the Early Islamic Precious Metal Coinage of North Africa and the Iberian Peninsula, Univ. Oxford, 2014, S. 251–53) und überhaupt sind derartige Übergangsphasen mit einem Nebeneinander (oder gar Hin und Her) von neuen Reformmünzen und letzten vorreformatorischen Prägungen auch aus anderen Regionen bekannt; möglicherweise sollten die unterschiedlichen Münzen zunächst auch unterschiedlichen Zwecken dienen.

Nicht auszuschließen wäre, dass die Reform-niṣf- und -ṯulṯ-Stücke zwar in oder bei Damaskus, aber für den Westen geschlagen wurden. Jedoch hätte eine solche Belieferung aus Syrien dann nicht die (im Sinne einer Zentralisierung intendierte) Einstellung der regionalen Gold-Prägetätigkeit zur Folge gehabt, denn so man den Münzlegenden glauben darf, wurden spätestens ab 100 H. ja tatsächlich Reform-Goldmünzen in Ifrīqiya und al-Andalus geschlagen. Waren also vielleicht nur die Stempel zentral, d. h. in Damaskus, gefertigt? Eine gewisse Abhängigkeit von der zentralen Münzstätte wäre ja auch im Falle einer Prägung im Westen anzunehmen (bedenkt man den Inhalt sowie den Stil der Inschriften). Die letzten ⅓-Dinare ohne Münzstättenangabe stammen jedenfalls aus dem Jahre 103 H. Damals wurden in Ifrīqiya und al-Andalus bereits Reform-Silbermünzen geprägt (ab 97 H.), welche an die Stelle der Gold-Teilstücke treten sollten. Ins Jahr 103 H. datiert auch jenes ṯulṯ-Stück, welches in William Marsdens Numismata Orientalia Illustrata (Teil I, London 1823) als Nr. VII beschrieben und abgebildet (Tafel I) ist und damit das erste publizierte Münzchen seiner Art sein dürfte.

Dass ein Drittel des Jahres vorbei ist, bedeutet im Übrigen auch, dass wieder die Tübinger ONS-Tagung ansteht. Dieses Mal wird sie in digitaler Form stattfinden, mittels Zoom, am 8. Mai 10–18 Uhr. Das durch zwei Pausen gedrittelte Programm finden Sie unter Aktuelles.

Sebastian Hanstein

MdM April 2021

 

Fitting for Easter the following guest contribution takes us to Armenia, the first nation to adopt Christianity as a state religion. It comes from Aram Vardanyan, a specialist in Islamic numismatics at the Institute of Oriental Studies of the National Academy of Sciences of the Republic of Armenia. Between 2016 and 2018, he curated, moreover, the Islamic coin collection in the History Museum of Armenia and it was the University of Tübingen, where he had obtained his doctorate in 2013 after publishing his thesis “The Coins as Evidence for the History of Armenia and Adharbayjan in the Xth Century AD” (= Arbeiten zur islamischen Numismatik II).

 

The death of the powerful Afshārid ruler Nādir Shāh (r. 1736–1747) marked the beginning of the process of disintegration of the Iranian Empire, which at a certain point of time included vast territories in Iraq, Afghanistan, modern Pakistan, the Caucasus, Central Asia and even the Arabian Peninsula. As a result of the collapse of the Afshārid state in the second half of the 18th century more than a dozen semi-independent khānates rose in the Caucasus and Central Asia. These principalities were ruled by representatives of the local tribal aristocracy, which continued accepting the Iranian shāhs as overlords, even if sometimes in name only. This kind of relationship existed until early 19th century, and can clearly be seen through contemporary coinage as well. In order to achieve the necessary legitimization in the eyes of their subjects, the local rulers used to mention the Iranian shāhs on their gold and silver coins. In fact, coins struck during the late 18th and early 19th centuries at Caucasian mints – the main ones were Darband, Ganja, Shīrwān, Qarābākh/Panāhābād, and Chukhūr Saʿd/Īrawān – still strongly resemble in style the Iranian imperial coinage. In addition, the weights of these provincial issues remained unchanged for decades, being conformed to the standards accepted previously for the imperial coins.

In the late medieval epoch, the Iranian coinage was based on a large number of various denominations struck in gold and silver, however the main gold unit in circulation was the gold toman or tūmān (from Mongolian tüman, meaning “ten thousand”). Iran’s first Qājār ruler Āghā Muḥammad Khān (r. 1779–1797) introduced a gold toman in 1204 AH (1789 AD). Initially, it had been equivalent to a gold mohur ashrafī of some 11 g, the main currency used for the external trade in the 17th–18th centuries. However, under Fatḥ-ʿAlī (r. 1797–1834) the weight of the toman was reduced to the Persian mithqāl of 4.6 g. The principal mints were located in either the Qājār capital Tabrīz or provincial centers such as Khūy, Qazwīn, Rasht, Yazd, Mashhad, Shīrāz, Iṣfahān, Māzandarān, Kirmān, Shamākhī etc. Following the Zand tradition, the names of the cities were often transferred on coins with their epithets. More than a dozen epithets are known for both largest cities of Iran and provincial centers. For instance, Dār al-Khilāfa stood for Tehran and Shāhjahānābād, Dār al-Salṭana for Tabrīz, Dār al-Āmān for Kirmān and Multān, Dār al-Mulk for Ṭabaristān and Kābul, Dār al-Marz for Rasht, Dār al-ʿIlm for Shīrāz, Dār al-ʿIbāda for Yazd etc. In this period, coins were also struck at military camps. Such sporadic issues aimed at providing the royal court or army with money.

The coin of the month, a gold toman (weight: 4.58 g) was struck in the city of Īrawān (Yerevan), the political and economic center of the Chukhūr Saʿd province during the 16th–19th centuries and modern capital of the Republic of Armenia. According to late medieval authors, Chukhūr(-i) Saʿd – literally meaning “valley of Saʿd” – received its name from the powerful Turkmen tribal confederation Saʿdlu (after the Qara Qoyunlu chieftain Amīr Saʿd) that settled in Armenia in the late 14th century. Although Armenian historiography keeps silence on the name Chukhūr Saʿd, we know from other sources that it had been in use since Tīmūrid times. Particularly, Chukhūr Saʿd is mentioned in a Persian trade document dated 1428 AD, but then also in some Ottoman geographical works. From the Ṣafavid period onwards, Chukhūr Saʿd might be identical with the so-called Īrawān Khānate. In the very late 18th and then during the first three decades of the 19th century and, in fact, until the absorption of the entire region by the Russian Empire in 1828, Chukhūr Saʿd was mentioned on both gold and silver coins struck in the area.

In the Qājār period, gold tomans were struck on the occasion of Nowruz (see MdM March 2020). These coins were intended to be used as gifts to special court guests at ceremonies and other purposes. While being located on the periphery of the Iranian Empire, the Khān of Īrawān had to dispatch yearly to Tabrīz and Iṣfahān, as well as to the Georgian court a certain amount of gifts including gold coins. The earliest tomans struck in Armenia and going back to Fatḥ ʿAlī’s earlier rule (1213–1219 AH/1798–1805) had a reference to the provincial center Īrawān, but still lacked the name of the province. At the same time, coins struck prior to 1217 AH (1802/3) bore Naskh script, while those minted thereafter had the inscriptions in Nastaʿlīq. The royal protocol on our coin of the month is not very rich: The legend on the obverse reads: Shāh Qājār / Fatḥ-ʿAlī / al-sulṭān ibn al-sulṭān. On the reverse we read:  Īrawān / ḍarb-i Chukhūr Saʿd / ١٢٣٣. Thus the coin was minted in the year 1233 AH = 1817/18 AD.

The gold toman under discussion is interesting enough since it may have witnessed the turbulent political events that occurred in the Caucasian region some two hundred years ago. By the end of the 18th century, the central parts of Iran passed to the aforementioned Āghā Muḥammad Khān, who took the way of both industrial and agricultural modernization of Iran. During his reign, the city of Tehran turned into an important social-administrative and economic center. However, the development and prosperity under the Qājār dynasty was soon interrupted by the involvement of the country into a chain of conflicts with the Russian Empire. As a result, between 1801 and 1828 Fatḥ-ʿAlī lost all the Caucasian Khānates located to the West from Caspian Sea. It seems that the most painful for Fatḥ-ʿAlī was the Treaty of Turkmanchay (1828) according to which Iran lost the strategically important Īrawān Khanate/Chukhūr Saʿd and had to pay a huge military tribute to Nicholas I of Russia. Modern calculations have shown that this tribute was so heavy that Iran would not finish with the payment during the next fifty years. It is therefore not surprising that Fatḥ-ʿAlī ordered to pick out all the available gold coins in circulation as well as to collect throughout the whole country golden objects, bars and even jewelry pieces. It is very likely that the large number of tomans struck in Armenia in the 1220s–1240s AH have been transported to Russia as part of the aforementioned tribute. This might explain the total lack of such tomans in the History Museum of Armenia in Yerevan. One must admit that gold coins of this period are extremely rare for Armenia, the core land where tomans were initially struck.

As far as the further destiny of the huge amount of gold coins sent from Persia to the Russian court is concerned, it had a dramatic end indeed. Christian Martin Frähn (d. 1851), a numismatist with German roots and the founder of Islamic numismatics in Russia, left an important note on this matter in one of his publications. He recorded that the bulk of gold coins that arrived in St. Petersburg as part of the tribute was then melted down. However, Frähn managed to pick out the best preserved two specimens from each year for the collection of the State Hermitage. Today, a lovely and rare series of gold tomans of Īrawān/Chukhūr Saʿd saved by Frähn is an important historical source and material evidence reflecting the results of the Second Russo-Persian War (1826–1828).

MdM März 2021

 

Die 2019 vereinbarte Beteiligung der FINT am Forschungs- und Digitalisierungsverbund NUMiD („Netzwerk universitärer Münzsammlungen in Deutschland“) hat inzwischen ein eigenes „digitales Münzkabinett“ der Forschungsstelle gezeitigt, das diesen März online geht (Link)! Die verwendete Datenbanklösung ist die des Münzkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin (IKMK, „Interaktiver Katalog des Münzkabinetts“), wo auch der im Verbundprojekt gemeinsam verwendete Normdaten-Pool verwaltet wird. Bislang war im NUMiD-Verbund noch keine Orient-Sammlung vertreten und das IKMK-System wurde auch nicht mit Blick auf die speziellen Anforderungen der islamischen Numismatik entwickelt. Dennoch dürfte es in den vergangenen Monaten gelungen sein, unsere Grunddaten sowie weitere interessante Informationen so aufzubereiten und in einer Weise zu präsentieren, dass sich mit dem IKMK der FINT nun für viele die willkommene Möglichkeit bietet, zumindest einige Schätze aus der Tübinger Islam-Sammlung auch online zu erkunden und auf diesem Wege in Recherchen einzubeziehen. Wohlgemerkt wurde für diese digitale Präsentation nur ein Teilbestand ausgewählt: In unserem IKMK zu finden sind (fast) nur die Prägungen einer Dynastie – jene der Būyiden.

Wer den vorletzten MdM-Beitrag gelesen hat, wird sich vielleicht erinnern, dass der Ziyāride Mardāwīǧ auf dem Höhepunkt seiner Macht im Jahre 935 plötzlich ermordet worden war. Es waren die zuvor in seinen Diensten aufgestiegenen Būyiden, welche damals den Großteil seines Reiches übernahmen. Genauer gesagt handelte es sich zunächst um drei Brüder, welche nicht nur Fārs, die Ǧibāl, Ḫūzistān und Kirmān beherrschten, sondern ihre Macht vor allem auch auf das Zweistromland ausdehnten (Eroberung Bagdads 945). Jeder der Brüder regierte dabei sein eigenes Gebiet, wenngleich dem ältesten als Dynastieoberhaupt eine übergeordnete Stellung zukam. Auch später war das „Būyiden-Reich“ immer unter mehreren, nicht selten rivalisierenden Familienmitgliedern aufgeteilt, von denen mindestens eines beanspruchte, an der Spitze dieses dynastischen Herrschaftsverbands zu stehen. Unter ʿAḍud ad-Daula, dem bedeutendsten Vertreter der Dynastie, erstreckte sich die Macht der Būyiden auch auf die arabische Küste des Persischen Golfs (welche im Laufe der Geschichte vorher wie nachher ja immer wieder vom Iran aus kontrolliert worden war). Von hier, nämlich aus dem Oman, stammt auch unsere Münze des Monats, ein Dirham des Būyiden Ṣamṣām ad-Daula. Dessen Name ist auf der Rückseite der 4,68 g schweren Silbermünze zu lesen, wo zuunterst im Feld die kunya Abū Kālīǧār („Vater der Schlacht“) steht und in den beiden Zeilen darüber: Ṣamṣām ad-Daula / wa-Šams al-Milla. Letzterer laqab (vgl. MdM Okt. 2018) bedeutet „Sonne der Glaubensgemeinschaft“, ersterer nimmt Bezug auf die Regierung (daula) des ʿAbbāsiden-Kalifats, wobei ṣamṣam eine bestimmte Art Schwert mit sehr guter, scharfer und nicht biegsamer Klinge meint – ein berühmtes Schwert namens aṣ-Ṣamṣām(a) mit altsüdarabischer Provenienz war einst in den Besitz der Kalifen gelangt, doch ist unklar, ob es auch im 10. Jh. noch zu den Schätzen der ʿAbbāsiden zählte. Wie schon sein Vater ʿAḍud ad-Daula trägt Ṣamṣām ad-Daula in der Zeile unter li-llāh / Muḥammad rasūl Allāh noch den Titel al-malik al-ʿadl, „der gerechte König“. Die Rev.-Umschrift enthält den Koran-Vers 9:33 und auch sonst handelt es sich um eine Münze, die ganz dem Standard-Design der Zeit entspricht. So dient der Perlkreis auf dem Rev. als Feldbegrenzung und auf dem Av. als Randzier rund um die übliche Formel mit der Angabe, dass dieser Dirham in ʿUmān – d. h. in der (nord)omanischen Haupt-, Hafen- und Handelsstadt Ṣuḥār – geschlagen wurde, und zwar im Jahre 382 (H. = 992/993 A.D.).

353 H. (964) ist das Geburtsjahr Ṣamṣām ad-Daulas. Sein Geburtsname al-Marzubān erscheint schon ab 362 H. auf Münzen aus Oman und ein paar Jahre später auch auf solchen aus Ḫūzistān, was darin begründet liegt, dass er in diesen Provinzen von seinem (anfangs ebenfalls genannten) Vater als untergeordneter Teilherrscher eingesetzt worden war. Als ʿAḍud ad-Daula dann im März 983 (372 H.) starb, war Ṣamṣām ad-Daula bei ihm in Bagdad. Die Thronfolge scheint damals nicht eindeutig geregelt gewesen zu sein; jedenfalls trat nun nicht nur Abū Kālīǧār al-Marzubān mit dem laqab Ṣamṣām ad-Daula das väterliche Erbe an – auch sein älterer Halbbruder Šīrzīl, der Teilherrscher von Kirmān, betrachtete sich als rechtmäßigen Nachfolger und war somit nicht bereit, Ṣamṣām ad-Daula als übergeordnet anzuerkennen. Im folgenden Krieg gelang es Šīrzīl, zunächst Fārs und bald auch Ḫūzistān und Baṣra zu erobern. Ein Vertrag, den beide Seiten schlossen (und welcher vorsah, dass Ṣamṣām ad-Daula sich unterordnen sollte), bewirkte nur, dass Šīrzīl bei erster Gelegenheit (987) in Bagdad einrückte, auch hier die Herrschaft als unabhängiger König übernahm und seinen von ihm abgesetzten Halbbruder in einer Festung bei Sīrāf (Fārs) wegsperren ließ. Nachdem Ṣamṣām ad-Daula zuvor für wenige Jahre der einzige Būyide gewesen war, dessen Namen Münzen aus Bagdad oder Oman trugen, wurde seine Münzprägung nun überall beendet.

Šīrzīl blieb nicht viel Zeit, seinen Triumph auszukosten. Nachdem er im Irak erkrankt war, stimmte er zu, den inhaftierten Ṣamṣām ad-Daula blenden zu lassen (vgl. MdM Jan. 2021). Noch bevor der hiermit Betraute in Sīrāf ankam, wurde bekannt, dass Šīrzīl, also der Auftraggeber, verstorben war (989). Gleichwohl führte man die Blendung (mittels Gift) wie geplant durch und so verlor Ṣamṣām ad-Daula sein Augenlicht – nur kurz bevor ihn der Kastellan jener Burg, auf der er inhaftiert war, freiließ. Bemerkenswerterweise gelangte Ṣamṣām ad-Daula nun trotzdem ein zweites Mal an die Herrschaft. Während Šīrzīl im Irak ein weiterer Sohn ʿAḍud ad-Daulas namens Bahāʾ ad-Daula auf den Thron gefolgt war, gebot Ṣamṣām ad-Daula als dessen Konkurrent über Fārs, Kirmān und Oman. Ein Feldzug Bahāʾ ad-Daulas gegen Fārs änderte hieran nichts, sondern bewirkte, dass die beiden Būyiden ihre Gleichrangigkeit anerkannten, bevor sie sich wieder in Kämpfte um Ḫūzistān und Baṣra verwickelten. Aus dieser Situation heraus erklärt sich, warum im Av.-Feld unserer zu ebendieser Zeit entstandenen Münze unterhalb des Glaubensbekenntnisses und der Nennung des ʿAbbāsidenkalifen al-Qādir bi-llāh noch der Name eines weiteren Būyiden zu lesen ist (vorletzte und letzte Zeile): Faḫr ad-Daula / wa-Falak al-Umma („Stolz der Regierung und Firmament der Gemeinde“). Faḫr ad-Daula herrschte seit 984 als unabhängiger König in den Ǧibāl und beanspruchte neben Bahāʾ ad-Daula und Ṣamṣām ad-Daula als dritter Vertreter der Dynastie eine Führungsposition wie sie sein Bruder ʿAḍud ad-Daula innegehabt hatte. Um nun nicht von zwei Seiten Gefahr fürchten zu müssen und weil es für einen Sieg vereinte Kräfte brauchte, entschied sich Ṣamṣām ad-Daula im Konflikt mit Bahāʾ ad-Daula dazu, Faḫr ad-Daulas Oberhoheit anzuerkennen. Dies zeigen uns unter Ṣamṣām ad-Daulas zweiter Herrschaft geprägten Münzen, auf denen der ältere und mächtigere Būyide mit Sitz in Rayy (heute: Teheran) konsequent aufgeführt ist – was eben selbst für Dirhams (sowie Dinare) der fernen Münzstätte Ṣuḥār gilt. Erst nach Faḫr ad-Daulas Tod 997 regierte Ṣamṣām ad-Daula noch einmal kurze Zeit unabhängig, ehe er selbst nur ein Jahr später ermordet wurde und seine Länder (inkl. Oman) an Bahāʾ ad-Daula fielen.

Es ist im Übrigen keine Selbstverständlichkeit, dass auf unserer Münze des Jahres 382 H. der Kalif al-Qādir genannt ist, noch dazu zusammen mit Faḫr ad-Daula. Erst 381 H. hatte nämlich Bahāʾ ad-Daula den bisherigen Kalifen aṭ-Ṭāʾiʿ in Bagdad zur Abdankung gezwungen und veranlasst, dass an dessen Stelle al-Qādir trat. Letzterer ʿAbbāside konnte also als Geschöpf und Instrument des Feindes gelten, weshalb ihm Faḫr ad-Daula, wie Münzen belegen, bis zuletzt die Anerkennung verweigerte und in dem von ihm direkt kontrollierten Gebiet weiterhin aṭ-Ṭāʾiʿ nennen ließ. Obwohl er ein Vasall Faḫr ad-Daulas war, hatte Ṣamṣām ad-Daula offenbar keine Verpflichtung, sich in diesem Punkt der Politik seines Onkels anzuschließen, und vielleicht auch kein größeres Problem mit besagtem Kalifenwechsel. Jedenfalls wurde selbiger nicht nur im Oman, sondern im gesamten Herrschaftsbereich des blinden Būyiden sogleich anstandslos auf den Münzen angezeigt.

Derartige Zusammenhänge sind auch Gegenstand eines neuen Forschungsprojekts an der FINT, an dessen Ende ein Online-Portal zur būyidischen Münzprägung innovative Anwendungen zur Analyse und Visualisierung der numismatischen Datenfülle bieten wird. Fürs Erste freuen wir uns aber auf und dann über den Start unseres digitalen Münzkabinetts, in dem der hier vorgestellte Dirham (Link) und noch viele weitere Prägungen diverser Münzstätten in wenigen Tagen zu finden sein werden. Allen Beteiligten, an der Uni Tübingen wie auf NUMiD-Seite und in Berlin, sei an dieser Stelle herzlich gedankt!

Sebastian Hanstein

MdM Februar 2021

 

Unter den islamischen Münzen, welche die Pelling-Zarnitz-Stiftung der Uni Tübingen jüngst als (inzwischen dritte) Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt hat, befindet sich eine wahre Sensation. Vorgestellt wird diese bedeutende Neuentdeckung im Folgenden von Dr. Lutz Ilisch in einem Beitrag, mit dem zugleich an eine bedeutende, großzügige und engagierte Förderin (nicht nur) der FINT erinnert werden soll: Frau Dr. Dr. h.c. Marie Luise Zarnitz († 2020), die von dieser Münze sicher ebenso begeistert gewesen wäre, wie wir es sind.

 

Zu den Glaubensvorstellungen, welche Juden, Christen und Muslime teilen, gehören die jeweils an ihren Rändern gepflegten Endzeiterwartungen mit dem Glauben an die Errichtung eines idealen Endreichs. Die heilsgeschichtliche Siegesgewissheit führte oft zu Massenmobilisierungen mit rücksichtsloser Grausamkeit, welche wiederum Ähnliches auf der Gegenseite hervorrief. Das Phänomen gehört aber nicht allein der Geschichte an und so waren noch vor wenigen Jahren sowohl die Krieger des sog. islamischen Staates in Syrien und im Irak als auch die ihnen entgegentretenden iranischen Revolutionsgardisten von vergleichbaren Ideen motiviert, einem endzeitlichen Plan zu folgen. Im Islam ist es das Erscheinen eines zuvor verborgen lebenden Mahdī, welcher durch die Schaffung eines Endreichs den Willen Gottes erfüllen soll. Die Zugehörigkeit zur Prophetenfamilie erhöhte die Akzeptanz, war und ist aber nicht absolut notwendig.

Da sich die Schaffung von Herrschaft nach einer im Laufe des 9. Jh. entwickelten Vorstellung in den Münzaufschriften zu erweisen hat, verwaltet die Numismatik fast lückenlos auch die monetären Nachweise für das Aufleben von Endzeiterwartungen. Prominente Beispiele für lang andauernde Reichsbildungen liegen hier von den Anfängen des ʿAbbāsidenkalifats, aus dem Fāṭimidenkalifat sowie dem nordafrikanisch-spanischen Almohadenreich vor; regional und zeitlich stärker begrenzt waren hingegen der Aufstand der schwarzen Sklaven in den südirakischen Marschen während des späten 9. Jh., das nachmongolische Fürstentum der Afrāsiyābiden von Sārī (Nordiran), die sozialrevolutionäre Mušaʿšaʿ-Herrschaft ebenfalls im Südirak und das Mahdī-Reich im Sudan gegen Ende des 19. Jh. Im Münzbild wie im staatlichen Zeremoniell konnte die Vorführung eines gesattelten Pferdes ohne Reiter die Mahdī-Erwartung ausdrücken. Erst der IS-Staat unserer Tage brach durch seine Bevorzugung des US-Dollars die Tradition, auch wenn in diesem Fall von Trittbrettfahrern Sammelobjekte für den Handel produziert werden sollten.

Den Fall, dass sich nicht nur ein erfolgreicher Mahdī besonders lange verbarg, sondern auch noch die erste ihm gewidmete Münzprägung tausend Jahre im Verborgenen blieb, soll hier als FINT-Münze des Monats ans Licht der Öffentlichkeit gebracht werden. Es geht um die erste Münzprägung der fāṭimidischen Bewegung, welche einem sehr kleinen Kreis von Spezialisten seit 1996 bekannt war, aber nun erst mit dem Eingang eines Exemplars der Pelling-Zarnitz-Stiftung für die Tübinger Sammlung öffentlich gemacht werden soll. Diese Prägung, welche sechs Jahre vor die Konsolidierung des Fāṭimidenkalifats in Nordafrika datiert, wurde bereits gegen Ende des 10. Jh. in dem heute verloren gegangenen Geschichtswerk des Aḫū-Muḥsin beschrieben, aus dem in der ägyptischen Historiographie der Mamlūkenzeit Teile übernommen und so bewahrt wurden. Der Tübinger Islamkundler Heinz Halm, ein hervorragender Kenner der Fāṭimidengeschichte, untersuchte dieses erste fāṭimidische Staatsdokument in seiner Studie Das Reich des Mahdi (München 1991, s. insb. S. 81 f.) in aller Ausführlichkeit. Obwohl Münzen prinzipiell Massenartikel waren, konnte damals noch kein Originalexemplar nachgewiesen werden. Auch als im Jahr 2006 erstmals von einem Numismatiker, dem Amerikaner Norman D. Nicol, eine vollständige Übersicht aller in öffentlichem Besitz und in der Münzliteratur nachweisbaren Fāṭimidenmünzen vorgelegt wurde, fehlte das, was Aḫū-Muḥsin tausend Jahre zuvor erstmals beschrieben hatte.

Doch worum geht es genau? Innerhalb der Familie der Prophetentochter Fāṭima, der Ehefrau des Kalifen ʿAlī, gab es auch jenseits der Zweige der Ḥasaniden und Ḥusainiden Anwärter auf das Kalifenamt mit eigenen Vorstellungen zur Ausgestaltung des Islams. Sie unterhielten genauso wie andere ʿAliden-Zweige eine überwiegend geheim agierende Unterstützerorganisation, welche ihre über die ganze islamische Welt verteilten Propagandisten koordinierte. Zur besseren Überwachung konzentrierten die ʿAbbasiden ihre potenziell gefährlich werdenden Verwandten mit direkterer Prophetenabkunft in Orten wie al-Kūfa im Irak und Salamīya in Syrien, wo sie bei gegenseitiger Bespitzelung Pensionen erhielten und Grundbesitz ansammeln konnten. Das Propagandanetzwerk des schließlich in Nordafrika erfolgreichen Fāṭimiden ʿAbdallāh al-Mahdī hatte selbiger von seinem Adoptivvater geerbt, wobei Salamīya die Zentrale war. Im Verlauf der 280er Jahre H. waren die verschiedenen Missionszentren im Nordjemen, in al-Aḥsāʾ am Persischen Golf und im Irak personell und militärisch so stark, dass die Übernahme von Staatlichkeit und öffentliche Auftritte des Imams notwendig erschienen, als sich die Bewegung durch die Abspaltung der Qarmaṭen schwächte. Dafür hatten in Ostsyrien zwei Söhne eines irakischen Propagandisten Zakarōye Werbeerfolge unter den Beduinen. Diese im ʿAbbāsidenkalifat systematisch benachteiligten, doch militärisch noch schlagkräftigen Beduinen führten zu einer schnellen Konfrontation mit der Staatsmacht des Irak, wie auch mit deren ägyptischen Vasallen aus der Ṭūlūniden-Familie, welche den größten Teil Syriens beherrschte. Die Beduinen griffen im Namen des erwarteten Fāṭimiden-Imams unter der Führung des Yaḥyā ibn Zakarōye Damaskus an, das sie vom Dez. 902 bis Juli 903 (= erstes Halbjahr 290 H.) sieben Monate lang belagern konnten. Ibn Zakarōye zeigte sich dabei auf einer ungezügelten Kamelstute, die man als von Gott geleitet ansah. Als das Tier bei einem Ausfall der Belagerten zu spät in Bewegung kam, wurde der Reiter durch einen Pfeilschuss getötet und seine Anhänger flüchteten nach Norden, wo ein anderer Propagandist inzwischen die Städte Mittelsyriens besetzt hatte.

Die Münze, welche hier vorzustellen ist, wurde bei ihrer ersten Besprechung im Mittelalter dem Wirken des Yaḥyā ibn Zakarōye zugeschrieben. Sie trägt die üblichen Glaubenssätze islamischer Münzen der ʿAbbāsidenzeit, doch folgt dem Prophetennamen auf der Rückseite die zweizeilige Aufschrift al-Mahdī / al-Manṣūr bi-llāh („der durch Gott siegreiche Mahdī“), während in der Umschrift anstelle der Formel mit Münzstätte und Jahreszahl 290 H. eine Formel steht, in der die Münzstätte nicht genannt wird. Den so gewonnenen Raum nehmen die Worte fī ʿaṣr al-Mahdī („im Zeitalter des Mahdis“) unmittelbar vor dem Datum ein. Eine solche epochale Einordnung für den Beginn der Endzeit ist einmalig auf islamischen Münzlegenden. Auf der Vorderseite finden sich zwei koranische Randschriften, die beide auch von anderen Münzherren aus der Prophetenfamilie benutz wurden: einerseits der Vers „Sprich: Ich verlange von Euch keinen anderen Lohn als die unter Verwandten übliche Freundschaft“ (Koran 42:23; schon in der ʿabbāsidischen Revolution gegen die Umayyaden benutzt), andererseits darum herum der sich gegen den unterstellten ʿabbāsidischen Missbrauch wendende Koranvers 17:81: „Die Wahrheit ist gekommen und Lug und Trug sind verschwunden“. In seiner Analyse der sich genau bewahrheitenden Textüberlieferung kam Heinz Halm zu dem Ergebnis, dass solche Münzen nicht von Ibn Zakarōye geprägt wurden, da dieser über keine etablierte Münzstätte verfügte, sondern die Prägung dem zweiten in Syrien erfolgreichen Propagandisten Ṣāhib aš-Šāma, „dem Mann mit dem Muttermal“, zuzuschreiben sei, welcher mit Ḥimṣ eine Stadt eingenommen hatte, in der es bereits eine Münzstätte gab. Dieser Argumentation kann man als Numismatiker durchaus folgen, wenngleich die Hürden zur Ausführung von Münzprägung bei einem Feldzug nicht allzu hoch einzuschätzen sind. Vielleicht wird eine jetzt möglich gewordene Zuordnung der „Handschrift“ des Stempelschneiders hier noch eine Bestätigung oder sonstige Klärung bringen.

In jedem Fall hätten wir mit dem Ṣāhib aš-Šāma einen Münzherrn, der Salamīya, Ḥamāh und Ḥimṣ unter seine Kontrolle brachte, während sich der Mahdī in Palästina in Sicherheit brachte. Der Mann mit dem Muttermal ist in die Geschichte vor allem wegen seines extrem brutalen Vorgehens eingegangen. Zum einen deshalb, zum anderen wegen der letzten Endes verweigerten Unterstützung durch den Mahdī gilt er in der Überlieferung der fāṭimidischen, heute: ismāʿīlitischen, Glaubensrichtung als inakzeptabel und ausgestoßen, auch wenn er im Namen des Mahdī vorging. Er hatte zuerst die anderen ʿAliden von Salamīya als potenzielle Verräter umbringen lassen. Als dann der Mahdī beim Anrücken einer kalifischen Armee nicht persönlich auftrat, obwohl er das in später gefundenen Briefen versprochen hatte, stellte sich der Ṣāhib aš-Šāma gegen seinen Meister und plünderte dessen Palast, wie er auch schon zuvor an der Bergung aller Schätze interessiert war, was gut zur von ihm initiierten Münzprägung passen würde. Die kalifische Armee, die nicht nur zur Bekämpfung des Fāṭimiden ausgerückt war, sondern um bei dieser Gelegenheit auch den Rest Syriens den Ṭūlūniden abzunehmen, hatte mit den in Salamīya befindlichen Beduinentruppen am Beginn des Jahres 291 H. (= 29.11. 903) ein leichtes Spiel und konnten den flüchtenden Propagandisten und viele andere Unterstützer des Mahdīs gefangen nehmen, um sie in einem fürchterlichen Hinrichtungsspektakel im Februar 904 in Bagdad abschreckend enden zu lassen.

Auf die historisch überlieferte Münzprägung hatte mich Heinz Halm mehrfach hingewiesen, bevor mir Mitte der 1990er Jahre ein Londoner Kollege das Foto eines noch unbekannten Dirhams schickte, dessen Besitzer anonym bleiben wollte. Halm, dem ich das Bild zeigte, bestätigte erfreut, dass dieses Stück genau den historischen Berichten entspricht. Er hätte es gerne gesehen, wenn dieses damals schon veröffentlicht worden wäre. Dazu hatte ich aber weder seitens des Besitzers eine Berechtigung noch die Neigung, solange kein solches Stück in die Tübinger Sammlung gelangt war. Münzen sind naturgemäß Massenprodukte, die erwarten lassen, dass früher oder später weitere Exemplare bekannt werden. Hinzu kommt, dass Münzen, deren Bestimmung mangels Münzstättenangabe und wegen ungewöhnlicher Aufschriften erschwert ist, oft für Generationen in den früher sog. Incertencabinetten (englisch meist mystery trays genannt) liegen, bevor sie in den Handel kommen. Insofern sollte ein verantwortungsvoller Sammlungskustos gewisse Wissensvorsprünge ansammeln, um diese bei sich bietenden Gelegenheiten nutzen zu können. Der Kollege in London erhielt damals also nur eine Bestätigung, dass es sich m. E. um eine Münze des fāṭimidischen Mahdī handele. Es dauerte daraufhin rund 25 Jahre, bis tatsächlich ein weiteres Exemplar in einer Auktion auftauchte. Dieses wurde etwas weniger perfekt mit dem inzwischen Nutzungsspuren zeigenden identischen Stempelpaar geschlagen und wiegt 2,79 g. In der Auktion eines Sotheby's-Ablegers für den Münzhandel konnte man keine Schnäppchen erwarten. Bei der Bearbeitung für das Angebot hatte der Sachbearbeiter den Namen al-Mahdī zwar richtig auf den Fāṭimiden bezogen, aber das darunter stehende al-Manṣūr bi-llāh fälschlich auf den Propagandisten Manṣūr al-Yaman (Ibn Ḥaušab). Die historischen Umstände blieben dabei ungewiss. Die Herstellung einer Verbindung zwischen dem Wort manṣūr und dem ersten Fāṭimiden erlaubt ein von ʿabbāsidischen Truppen aufgefundener Brief aus der Korrespondenz des Mahdī, dessen Text in ʿabbāsidischen Annalen überliefert ist und der auch von Halm (in anderem Zusammenhang) als Quelle herangezogen wurde. Durch die teils falsche Bestimmung im Auktionskatalog blieben die regionale Herkunft und auch die Dramatik der Entstehung unerkannt, sodass eine Chance zur Erwerbung bestand. Dennoch war nicht nur Glück, sondern, wie so oft bei Münzen, auch immer noch eine ordentliche Summe vonnöten, um das Stück nach Tübingen zu holen. Die Summe überstieg den Rahmen von Universitätsmitteln, zumal es nie einen Ankaufsetat für die Sammlung gab. Die sich bietende Chance konnte dennoch genutzt werden: Den Erwerb ermöglichte Dr. Claus Pelling in Erinnerung an seine Frau Marie Luise Zarnitz, welche schon als Abteilungsleiterin bei der Volkswagen Stiftung an der Gründung der FINT persönlich beteiligt gewesen war und die deren Sammlungsaufbau über drei Jahrzehnte hinweg mit großer Anteilnahme unterstützt hatte. Schon das erste (unerreichbare) Exemplar in den 90er Jahren hatte sie als kleine Sensation miterlebt. So mag das zweite nun einen Ehrenplatz in der Tübinger Sammlung zu ihrem Andenken einnehmen.

MdM Januar 2021

 

Das alte Jahr ist vorbei, der Winter leider noch nicht… Außerdem beklagenswert: In vielen Fällen dürften Weihnachten und Silvester 2020 nicht in dem Ausmaß gefeiert worden sein, wie man es eigentlich gern getan hätte, sondern – wohl oder übel – nur in reduzierter Form. Es galt, sich mit dem zu begnügen, was unter den Gegebenheiten eben möglich ist, irgendwie das Beste daraus zu machen und trotz unerfüllter Hoffnungen keine Frustration aufkommen zu lassen. Aber auch in normal(er)en Jahren ist es ja nicht selten so, dass wir die winterliche Festsaison, „die schönste Zeit des Jahres“, krampfhaft mit (zu) hohen Erwartungen aufladen, die dann – wenn doch wieder alles weniger perfekt, besonders und harmonisch ausfällt als gewünscht – enttäuscht werden.

Mit Großartigem im Sinn und von entsprechenden Erwartungen getragen war auch jenes Fest aufwändig vorbereitet worden, das der gīlānische Fürst Abu ’l-Ḥaǧǧāǧ Mardāvīǧ ibn Ziyār – der Begründer der Ziyāriden-Dynastie – an einem Abend des Winters 934/35 in Iṣfahān feiern ließ. Es handelte sich um das betont altiranische Sada-Fest (auch: Saḏaq), welches man im 10. bis 12. Jh., von Būḫāra bis Bagdad, ebenso an den Höfen der Sāmāniden und Būyiden, der Ġaznaviden wie der Selǧuqen beging, und zwar ungefähr zu der Zeit im Jahr, wenn die Kälte am größten war, es also nicht mehr lange dauern konnte, bis der Winter erste Anzeichen von Schwäche zeigen würde. Nach einer der traditionellen Erklärungen fand dieses (an sich unislamische) Fest am 100. Tag der kalten Jahreszeit statt, nach einer anderen zählte man die Tage bis zum Frühlingsfest Naurūz (s. MdM März 2020). Auf jeden Fall pflegte man die froststarre Natur inmitten des langen Winters mit großen Feuern zu unterstützen, welche nach Einbruch der Dunkelheit in Gewässernähe entzündet wurden und der Grund für die Bezeichnung des Sada-Festes als „Brandnacht“ (lailat al-wuqūd) sind. In einigen arabischen Quellen findet sich zudem eine Gleichsetzung mit der „Nacht der Geburt“ (lailat al-milād), also mit Weihnachten, wohingegen sonst der 10. Tag des iranischen Monats Bahman als Datum für Sada begegnet, was dem Ende unseres Januars entspricht. Von diesen zwei Traditionen – der westlichen (vermutlich gewollter Zusammenfall mit Weihnachten/Epiphanias) und der östlichen (10. Bahman = 50 Tage vor Naurūz) – ist letztere wahrscheinlich erst durch Verschiebungen infolge mittelalterlicher Kalenderreformen entstanden (s. Simone Cristoforetti, Il natale della luce in Iran – una festa del fuoco nel cuore di ogni inverno, Mailand 2002) und erstere wohl die ursprünglichere, deren Datum es rechtfertigt, Sada als eine Art Julfest zur Wintersonnenwende zu verstehen. Auch Jesu Geburt scheint im 4. Jh. ja nur deshalb in den Dezember gelegt worden zu sein, weil man am 25.12., dem traditionellen kalendarischen Tag der Wintersonnenwende, die Geburt des römischen Sonnengottes, Sol Invictus (Mithras), feierte…

Es mag also um Weihnachten 934 (jedenfalls: Anfang 323 H.) gewesen sein, als Mardāvīǧ es kaum noch abwarten konnte, sein großes Feuerspektakel beginnen zu lassen. Von nah und fern hatte er Brennholz sammeln und an den Zarrīn-Rūḏ (Iṣfahāns „Gold-Fluss“, heute: Zāyande-Rūd) bringen lassen. Auf jeder Anhöhe um Iṣfahān wurden daraus Stapel errichtet und zum Teil ganze Baumstämme zu Burgen verbaut, deren Inneres mit Gestrüpp gefüllt war. Des Weiteren hatte man überdimensionale Kerzen hergerichtet und Naphta samt geübten Naphta-Werfern mit Naphta-Spritzen kommen lassen. In Mardāvīǧs Palast konnte man gewaltige Wachssäulen und -figuren bestaunen, welche – als der Sada-Abend endlich gekommen war – effektvollerweise zugleich mit all den Feuern auf den Bergen, Hügeln und in der Flussebene entflammt wurden. Zum selben Zeitpunkt ließ man obendrein Vögel in den dunklen Himmel auffliegen, nachdem ihnen zuvor mit Werg und Naphta gefüllte Nüsse an Füße und Schnäbel gebunden und diese Mini-Brandsätze angezündet worden waren. Ein Einzelfall war diese Quälerei wohlgemerkt nicht; auch sonst pflegte man zu Sada in die lodernden Flammen wilde Tiere zu treiben. An den Fürstenhöfen trugen die Dichter spezielle saḏaqiyya-Kassiden vor (vgl. MdM Juni 2020) und auf den Märkten wurden tönerne Trompeten verkauft. Außerdem kamen die Feiernden natürlich am Feuer zusammen, um hier in ausgelassener Stimmung zu essen und zu trinken – für Mardavīǧs Bankett wurden u. a. tausende Schafe und Ochsen geschlachtet.

Die Münze des Monats, ein 4,28 g schwerer Dinar, welcher Anfang 2020 als Geschenk Lutz Ilischs in die Tübinger Sammlung kam, wurde rund ein Jahr vor diesem berühmt gewordenen Sada-Fest geprägt – anno 322 H. (933/34). Tatsächlich datieren fast alle bekannten Münzen Mardavīǧs in dieses Jahr, in welchem sich der erste Ziyāride auf dem Höhepunkt seiner Macht befand. Nachdem er als Condottiere zuletzt einem anderen Militärführer aus Gīlān (im Südwesten des Kaspischen Meeres) gedient, sich dann von selbigem unabhängig gemacht und ihn getötet hatte, verloren die ʿAbbāsiden in den 930er Jahren nahezu das gesamte nord- und westiranische Bergland (Ǧibāl) sowie Ḫūzistān an ihn. Die Anzahl der Orte, von denen in Mardāvīǧs Namen geprägte Münzen (zumeist aus Gold) bekannt sind, ist jedoch überschaubar: Iṣfahān kommt nicht vor, dafür Hamadān, al-Karaǧ, Qumm und – vor allem – Māh al-Baṣra, von wo auch unser Stück stammt. Solche Münzen waren vor gar nicht langer Zeit noch äußerst selten, bis 2005 und 2009 zwei große Schatzfunde in den Handel gelangten, in denen Mardāvīǧ gut vertreten war.

Māh al-Baṣra („das Medien von Baṣra“) war eine arabische Bezeichnung jener Stadt (südlich von Hamadān), bei der die Muslime 642 in einer großen Schlacht über die Sāsāniden gesiegt hatten und deren Steuereinnahmen anschließen Baṣra im Irak zuflossen: Nihāvand. Auf dem Avers ist auch der Name des Münzherrn zu lesen, und zwar in der fünften Zeile: Mardāvīǧ ibn Ziyār. Das erste rāʾ und das nūn sind dabei unterhalb der Zeile in gleicher Weise floral verziert; den Platz zwischen den beiden Blattranken nimmt ein weiteres Ornament oder Symbol ein. In Zeile 1 und 2 ist das islamische Glaubensbekenntnis zu lesen, in Zeile 3 und 4 der Sohn des regierenden ʿAbbāsidenkalifen (als dessen designierter Thronfolger) genannt: Abu ’l-Qāsim ibn / amīr al-muʾminīn. Für den Vater selbst muss man sich dem Revers zuwenden, wo er unter dem Propheten Muḥammad in der letzten Zeile aufgeführt wird: al-Qāhir bi-llāh (auf unserem Stück etwas unleserlich). Obwohl er gleich zweimal Kalif war, herrschte al-Qāhir nur kurz: einmal im Jahre 317 H. und dann von 320 bis 322 H. Skrupellos und herrisch soll er gewesen sein, mit der Folge, dass ein Komplott nicht lange auf sich warten ließ: Im Prägejahr unserer Münze wurde al-Qāhir festgenommen; weil er sich jedoch weigerte, abzudanken, ließ man ihn als ersten Kalifen blenden, woraufhin er bis zu seinem Tod noch 16 Jahre lang ein unwürdiges Dasein fristete, zuletzt als Bettler.

Nicht nur die Kalifennennung macht Mardāvīǧs Dinar aus Nihāvand zu einer ziemlich normalen islamischen Münze ihrer Zeit, auch die restlichen Umschriften (Koran 30:4–5 auf dem Av. und Koran 9:33 auf dem Rev.) sind die üblichen. Dabei war es mit dem Islam des ersten Ziyāriden nicht weit her: Offenbar träumte er – ohne dass seine Münzen derlei erahnen lassen – von der Wiederherstellung des alten, zoroastrischen Perserreiches, wozu er plante, dem der Araber ein Ende zu setzen, d. h. die ʿAbbāsiden in Bagdad zu stürzen und selbst von Ktesiphon aus als Großkönig zu herrschen – die passende Krone nach sāsānidischem Vorbild trug er bereits. In diesem Zusammenhang ist vermutlich auch sein großes Mittwinter-Feuer-Fest in Iṣfahān zu sehen; womöglich wurde Sada sogar erst von ihm wiedereingeführt. Tatsächlich stand außer Frage, dass Mardāvīǧs Julfest ein denkwürdiges Event sondergleichen war – ein jeder zeigte sich begeistert, nur einer nicht: der megalomane Veranstalter. Als dieser sich die Feuer und die Vorbereitungen für das unmittelbar anstehende Bankett beschaute, fand er alles dürftig und war derart enttäuscht und ärgerlich, dass er sich (anstatt bei seinen Gästen Platz zu nehmen) schmollend in sein Zelt verkroch. Dort wickelte er sich in seinen Mantel, legte sich mit dem Gesicht zur Wand und sprach kein Wort mehr. Erst nach drei Tagen der Niedergeschlagenheit und Selbstisolation ließ sich Mardāvīǧ wieder blicken. Er wollte von seinem Sada-Lager in den Iṣfahāner Stadtpalast zurückkehren und wurde von großem Lärm geweckt. Wie er feststellte, stammte dieser von seinen türkischen Militärsklaven, welche ihre Pferde gesattelt hatten und seitdem auf ihn mit dem Aufsitzen warteten, wobei im Gedränge ein Tumult entstanden war: Die unruhigen Tiere wieherten und die Männer schrien durcheinander. Zur Strafe für diesen Krach ließ der Ziyāride seine Türken die Sättel nun auf ihren eigenen Rücken tragen und die Pferde zu Fuß führen. Zurück im Palast, genauer gesagt: im Badehaus, wurde er dann von einigen der derart Gedemütigten überfallen und (anders als im Jahr davor al-Qāhir) direkt umgebracht, woraufhin sein Reich umgehend zerfiel. Das Sada-Fest hingegen hat mehr oder weniger überlebt: In einigen zoroastrischen Gemeinden Irans wird es als immaterielles Kulturerbe bis heute gefeiert (hauptsächlich am 10. Bahman, also im Januar).

Sebastian Hanstein

MdM Dezember 2020

 

Im Dezember kommt die Goldene Horde nach Tübingen! Genauer gesagt, wird eine sehr bedeutende Sammlung von Münzen dieses spätmittelalterlichen Mongolen-Ḫānats den Tübinger Bestand ergänzen – als willkommenes Vermächtnis des Sammlers und Naturschutzbiologen James Farr (1948–2018, aus Tallahassee), welcher zunehmend auf solche Prägungen spezialisiert war und in dessen Testament die FINT bedacht wurde.

Das „Steppenreich“ der sog. Goldenen Horde war eines von vier großen Teil-Ḫānaten, die aus dem von Činggis-Ḫān (Dschingis Khan) gegründeten Weltreich hervorgingen und letztlich unabhängig voneinander bestanden. Es erstreckte sich im Norden des Schwarzen und des Kaspischen Meeres sowie rund um den Aralsee bis nach Westsibirien – die benachbarten Fürstentümer der Rus lange Zeit in Abhängigkeit haltend und so eine wichtige Rolle in Russlands Geschichte spielend. Das Reich geht zurück auf jenes Territorium, welches Činggis-Ḫān einst seinem ältesten Sohn Ǧöči (sprich: Dschötschi, gest. 1227) übertragen hatte – daher auch die Bezeichnung als Ulus Ǧöči („Volk/Teilreich Ǧöčis“). Der Name Goldene Horde ist hingegen eine (späte) russische Fremdbezeichnung (Zolotaja Orda), wobei sich auch unser deutsches Wort Horde vom mongolischen ordu ableitet, was „Feldlager“ oder „Heeresverband“ bedeutet.

Eigentlich gingen aus dem Ulus Ǧöči zwei (mehr oder weniger zusammenhängende) „Horden“ hervor. Zum einen war dies im Westen, d. h. vor allem im heutigen Südrussland, mit dem neu gegründeten Zentrum Sarāi („Palast“; wohl an einem Seitenarm der Wolga, rund 120 km flussaufwärts vom heutigen Astrachan) das Herrschaftsgebiet von Ǧöčis Sohn Batu – die sog. Weiße Horde. Batu eroberte u. a. das Ḫānat der Wolgabulgaren, unterwarf die Rus (Eroberung Kiews 1240) und griff Polen an. 1241 schlugen seine Mongolen in der Schlacht bei Liegnitz ein polnisch-deutsches Ritterheer unter Herzog Heinrich II. von Schlesien; parallel siegte Batu über den ungarischen König Béla IV. und verfolgte ihn bis an die Adria. Zu einem weiteren Vordringen der Mongolen nach Mitteleuropa kam es nur deshalb nicht, weil im selben Jahr der mongolische Großḫān Ögedei (mit Sitz in Karakorum) starb und Batu daraufhin nach Osten eilte, um sich an der Wahl eines Nachfolgers zu beteiligen. Damals waren die Ǧöčiden (bei faktischer Autonomie) noch untergeordnete Teilherrscher, die die Oberhoheit des fernen Großḫāns anerkannten. Dies zeigen auch einige der ersten Münzen der Weißen/Goldenen Horde, deren Prägung ihren Anfang in Bulġār (an der Wolga südlich von Kazan) nahm, doch weisen viele Typen gar keine Namensnennung auf (auch weil stattdessen nicht selten tamġas zum Einsatz kamen). Gegen das benachbarte Mongolen-Teilreich der Ilḫāne (im Iran) unterhielt die Goldene Horde enge Beziehungen mit dem ägyptischen Mamlūken-Sultanat. Dessen ständiger Bedarf nach türkischen Militärsklaven (also Mamlūken) wurde mit Qipčaqen/Kumanen und Tscherkessen aus dem ǧöčidischen Herrschaftsgebiet bedient, wobei genuesische Kaufleute die Verschiffung besorgten (s. MdM April 2020) und auf der Krim eine Handelskolonie gründen durften.

Obwohl die Weiße Horde (der Batuiden) der dominantere Reichsteil war und als solcher den Nukleus der Goldenen Horde bildete, war Batu nicht der älteste Sohn Ǧöčis gewesen. Dieser hieß Orda, hatte von seinem Vater weite Teile der östlichen Qipčaqen-Steppe sowie Westsibiriens übernommen und wurde auf diesem Gebiet, also im Ostteil des Ulus Ǧöči (v. a. heutiges Kasachstan), zum Begründer der sog. Blauen Horde, über deren Geschichte allerdings wenig bekannt ist. Offenbar hatte sich Orda seinem energischen Bruder Batu de facto untergeordnet und auch die folgenden Herrscher der Blauen Horde (Ordaiden) akzeptierten wohl in der Regel, dass die Vorherrschaft auf Seiten der Weißen Horde lag. Jedenfalls fand diese Vorherrschaft wieder stärkere Beachtung, seit im Westteil des Ǧöčiden-Reiches unter Toqta (reg. 1291–1313) eine Phase beendet wurde, in der die Macht vorübergehend nicht mehr beim Ḫān aus der Linie der Batuiden gelegen hatte, sondern bei einem Prinzregenten namens Nogai („Nogaier Horde“). An diese Phase schloss sich so etwas wie eine Blütezeit an, in der der Ḫān der Weißen Horde Öz-Beg (anders als die meisten seiner Vorgänger) zum Islam übertrat. Seitdem waren alle Herrscher (und überhaupt eine wachsende Zahl von Mongolen/Tataren) der Goldenen Horde Muslime, was aber nichts daran änderte, dass es sich bei einem Großteil der Untertanen um Christen handelte (und etwa auch Öz-Begs Schwester als Gemahlin Juris I. von Moskau Christin war). Trotz der großen Pest-Pandemie jener Jahre (s. MdM April 2020) erreichte der neuerliche Machtausbau der Horde unter Öz-Begs Sohn Ǧānī-Beg (reg. 1342–1357) seinen Höhepunkt: Den Untergang des Ilḫānats (s. MdM März 2019) ausnutzend, besetzte Ǧānī-Beg Aserbaidschan – woraufhin sein Name sogar auf Prägungen iranischer und mesopotamischer Münzstätten erscheint –, doch starb er noch im selben Jahr auf dem Rückweg an die Wolga. Sein Sohn und Nachfolger Berdi-Beg, welcher als Statthalter in Tabrīz installiert worden war, eilte daraufhin ebenfalls zurück nach Norden und ließ zur Herrschaftssicherung angeblich 12 seiner Brüder töten, ehe er selbst schon 1359 von einem der überlebenden beseitigt wurde. In der Folge ging es nach ebendiesem Muster weiter: Ein Ḫān wurde vom nächsten aus dem Weg geschafft und da jede Herrschaft nur kurz währte, macht eine Fülle von Namen diese Phase der blutigen Machtkämpfe und der Instabilität ziemlich unübersichtlich. Zum Glück helfen dem Historiker hier Münzen, deren Prägung durch die chaotischen Verhältnisse offenbar weder quantitativ noch qualitativ beeinträchtigt wurde.

Anders als es die Bezeichnung „Goldene Horde“ vermuten ließe, prägte man im Ulus Ǧöči kein Gold, sondern nur Kupfergeld oder kleine Silberstücke wie unsere Münze des Monats, welche vom Beginn besagter Thronwirren-Phase stammt, nämlich aus dem Jahre 760 H. = 1359. Die entsprechenden Ziffern (٧٦o – man beachte, dass die ٦ eher wie unsere handschriftliche, offene 4 aussieht und statt eines Punktes ein an unsere 0 erinnernder Kreis verwendet wurde) finden sich im sechsblättrigen Rev.-Feld. unten über dem geschwungenen Wort sana („Jahr“), zu dessen mittlerem Buchstaben auch der einzelne Punkt gehört. Die Angabe des Prägeortes erfolgt in den oberen Rev.-Zeilen: ḍarb(-i) Sarāy / al-Ǧadīd, wobei das bāʾ, das mit diesem verbundene punktierte yāʾ von Sarāi und auch das alif desselben Wortes hochgestellt sind. Das 1,5 g schwere Silberstück stammt also nicht aus der alten Hauptstadt Sarāi (al-Maḥrūsa), sondern aus dem ca. 1330 erbauten „Neu-Sarāi“, wohin die führende Münzstätte unter Ǧānī-Beg verlegt worden war. Über die Identifizierung beider Städte mit Ruinenfeldern des Wolgagebiets wurde bereits viel diskutiert; möglicherweise lässt sich (as-)Sarāi al-Ǧadīd beim heutigen Kolobowka östlich von Wolgograd lokalisieren, also etwa 180 km flussaufwärts von Alt-Sarāi; vielleicht lag es aber auch viel näher an der von Batu gegründeten, ersten Hauptstadt.

Der Name des Münzherrn steht auf dem Av. und gehört jenem Batuiden, welcher seinen Bruder Berdi-Beg getötet hatte. In den russischen Chroniken heißt er Kulpa, doch ist auf allen Münzen eindeutig قولنا Qulna (mit n) zu lesen und da die Punktierung sonst stimmt – außer dem Punkt über dem nūn ist auch der Doppelpunkt des qāf gegeben –, dürfte dieser Form wohl Vertrauen zu schenken sein. Auf den Eigennamen folgt in derselben Zeile noch der türkisch-mongolische Titel ḫān (mit hochgestelltem nūn), während in der Zeile darüber die arabische Titulatur as-sulṭān al-ʿādil, „der gerechte Sultan“, zu lesen ist (mit hochgestelltem nūn und dāl). In der untersten Av.-Zeile ist noch ein Teil der üblichen Formel ḫalada mulkuhū, „Möge seine Herrschaft (lange) fortdauern“, zu sehen, doch herrschte auch Qulna-Ḫān nur wenige Monate: 1360 wurden er und seine beiden christlichen Söhne Michael and Iwan von Muḥammad Naurūz-Beg-Ḫān erschlagen, der zumindest vorgab, ein weiterer Sohn Ǧānī-Begs zu sein.

Prägungen im Namen Sultan Qulna-Ḫāns sind außer aus Neu-Sarāi noch aus den Münzstätten Ḫvārazm (südlich des Aralsees; hier: قلىه), Gulistān (Lage unklar) und Azāq (Asow) bekannt. Überall folgte 761 H. erst Naurūz-Ḫān und sodann (d. h. noch im selben Jahr!) Ḫiżr-Ḫān, woraufhin es in verschiedenen Reichsteilen konkurrierende Ḫāne gegeben zu haben scheint. Von Münzen der Jahre 762–763 H. ist Kildi-Beg-Ḫān bekannt, den H. H. Howorth (History of the Mongols) mit Kulpa/Qulna gleichsetzen wollte, doch spricht der numismatische Befund eigentlich klar für zwei verschiedene Herrscher. Jedenfalls starb die Linie der Batuiden damals infolge all der Morde (mit Naurūz?) aus. Gleichzeitig begannen sich die russischen Fürsten den Mongolen gegenüber zu emanzipieren und die Blaue Horde trat aus dem Schatten der Weißen (wobei es kein Zufall ist, dass nun auch erstmals Münzen im Namen eines Ḫāns der Blauen Horde geprägt wurden, und zwar in Si̊ġnaq am Syrdarja). Nach einer weiteren Phase, in der im Westen ein Regent die Macht innehatte und den Thron mit Marionetten-Ḫānen zu besetzen pflegte, war es denn auch ein Ḫān der Blauen Horde, der dem ein Ende setzte, 1380 beide Reichshälften unter seiner Herrschaft vereinte (!) und die Goldene Horde noch einmal zu alter Macht und Größe führte (u. a. Plünderung Moskaus 1382). Sein Name: Toqtami̊š, der seines größten Problems: Tīmūr (Temür, „Tamerlan“). Der berüchtigte Begründer des Tīmūriden-Reiches hatte Toqtami̊š anfangs unterstützt, doch gerieten beide Eroberer alsbald in Konflikt und bekriegten sich. Toqtami̊š (reg. 1378–1395) wurde infolge mehrerer Niederlagen verdrängt, woraufhin die Macht wieder in den Händen eines starken Regenten lag, bevor schließlich der endgültige Zerfall des Reiches (bis 1502) einsetzte. Sarāi und weitere Städte wurden von Tīmūr zerstört und mit ihnen Archivmaterial, Chroniken und andere Dokumente, deren Verlust uns heute leider auf Fremdüberlieferungen wie die russischen Berichte angewiesen sein lässt. Immerhin wird der Wissenschaft zur Geschichte der Goldenen Horde nunmehr an der FINT ein herausragender Quellenfundus numismatischer Art zur Verfügung stehen – dank der lebenslangen Sammelleidenschaft und Großzügigkeit Jim Farrs.

Sebastian Hanstein

MdM November 2020

 

Unlängst besuchte Lorenz Korn die Forschungsstelle. Heute Professor für islamische Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Bamberg, war er einst Hilfskraft und Projektmitarbeiter an der FINT, wo er 1998 den SNAT-Band zur Münzstätte Ḥamāh vorlegte. „Auf den Spuren der Mongolen in Iran“ gilt sein aktuelles Interesse unter anderem der iranisch-aserbaidschanischen Stadt Täbris (Tabrīz), wobei die Recherchen in der Tübinger Münzsammlung Gelegenheit zu folgendem MdM-Gastbeitrag boten:

 

Unter den mongolischen Īlḫānen (1256–1335) wurde der Iran zum Zentrum eines Reiches, das von Anatolien bis an den Oxus (Ǧaiḥūn, Amudarja) reichte. Wenn die Zeit der Īlḫāne im heutigen Iran überwiegend als eine Zeit der Fremdherrschaft und blutigen Unterdrückung gesehen wird, so muss dieses Bild zumindest teilweise revidiert werden. Ja, man kann sogar behaupten, dass in dieser Zeit nach längerer Unterbrechung wieder Grundlagen für ein iranisches Staatsbewusstsein gelegt wurden. Nachdem der Iran über mehrere Jahrhunderten Teil des weitaus größeren Kalifats gewesen war, entstand nun ein Reich, in dem er den geographischen Schwerpunkt und die Hauptmasse der Länder bildete. Noch bedeutender erscheint es, dass erstmals seit langer Zeit überhaupt wieder der Name Īrān verwendet wurde, um die Länder zwischen dem Zagrosgebirge und dem Oxus zu beschreiben (die älteren Geographen hatten den Namen überhaupt nicht verwendet und diese Region in zwei Provinzen eingeteilt: Ǧibāl, die Gebirgsregion, auch ʿIrāq al-ʿAǧam, der „persische Irak“, genannt im Westen und Ḫurāsān im Osten, beide getrennt durch die große Wüste im Innern des iranischen Hochlandes). Das politische Zentrum des Īlḫānats lag im Nordwesten Irans, in der Region Aserbaidschan. Die Hauptstadt Täbris wurde mit großartigen Bauwerken ausgestattet. Jedoch bewegten sich Herrscher und Hofstaat auch häufig außerhalb der Stadt, in den Sommer- und Winterlagern des mongolischen Heeres.

Während die Īlḫāne und ihre mongolischen Heere noch an ihrem nomadischen Lebensstil festhielten und auf diese Weise ihre Herkunft aus Mittelasien betonten, hatten einheimische Iraner wichtige Positionen in der Zivilverwaltung inne. Eine Gestalt ragt unter den Wesiren der Īlḫāne besonders heraus: Rašīd ad-Dīn Faḍlallāh aus Hamadān (1247–1318). Er hatte im Dienst des Īlḫāns Ġāzān Maḥmūd bedeutende Reichtümer in Geld und Grundbesitz angesammelt. Daraus richtete er im Jahr 709 H./1309 eine wohltätige Stiftung ein, um sich, in Birgitt Hoffmanns Worten, „Nachruhm und Seelenheil“ zu sichern (B. Hoffmann: Waqf im mongolischen Iran, Stuttgart 2000). Die im Original erhaltene Stiftungsurkunde dokumentiert, welche Funktionen das außerhalb der Hauptstadt Täbris gelegene Stiftungsareal beherbergen sollte: Das „Stadtviertel des Rašīd“ (Rabʿ-i Rašīdī) wurde als Studienzentrum für islamische Religion, Wissenschaft und Medizin geplant, das auch vornehme Gäste beherbergte und in seiner Mitte die Grabstätte Rašīd ad-Dīns einschloss. In der Buchwerkstatt wurden nicht nur aufwendig illuminierte Koranexemplare angefertigt, sondern auch Kopien von Rašīd ad-Dīns eigenen Werken, darunter die berühmte Universalgeschichte Ǧāmiʿ at-Tawārīḫ (ein Exemplar dieses Buches, das 714 H./1314 in der Buchwerkstatt des Rabʿ-i Rašīdī kopiert wurde, ist für seine lebendigen und aufschlussreichen Illustrationen bekannt; Teile davon befinden sich in der Universitätsbibliothek von Edinburgh und in der Khalili Collection). Um den Kernbereich des Stiftungsgeländes wurde eine Vorstadt errichtet, der Šahristān-i Rašīdī, in dem sich Märkte, Werkstätten und Wohnviertel für die Bediensteten der Stiftung befanden. Rašīd ad-Dīn kümmerte sich intensiv um seine Stiftung, stockte ihr Kapital auf und erhöhte die Bezüge der Begünstigten. Nach seinem Tod bestand die Stiftung noch mindestens zwei Jahrzehnte fort, doch muss sie nach der Hinrichtung seines Sohnes Ġiyāṯ ad-Dīn im Jahre 736 H./1336 schwer unter Enteignung und Plünderung gelitten haben. In der Ṣafavidenzeit wurde auf dem inneren Bereich des Stiftungsgeländes eine Festungsanlage errichtet. Die archäologische Erkundung des Rabʿ-i Rashidi wird derzeit in einem iranisch-deutschen Gemeinschaftsprojekt vorangetrieben, an dem das Deutsche Archäologische Institut und die Universität Bamberg beteiligt sind.

Die FINT-Münze des Monats ist ein zierlicher Doppeldirham des Īlḫāns Abū Saʿīd (zu dessen Nachfolge und Schwester: MdM März 2019). Sie trägt die Münzstättenbezeichnung Šahristān-i / Rašīdī, wurde also gerade in jener Vorstadt von Täbris geprägt, die im Zusammenhang mit der Stiftung Rašīd ad-Dīns angelegt worden war. Münzprägung auf dem Gelände der Stiftung soll, nach schriftlichen Quellen, bereits zu Lebzeiten des Stifters stattgefunden haben, doch sind keine entsprechenden Münzen bezeugt. In seiner Gestaltung ordnet sich das Silberstück sehr getreu in die allgemeine Entwicklung der īlḫānidischen Münzprägung ein. Diese war durch die Reformen unter Ġāzān, womöglich unter Beteiligung Rašīd ad-Dīns, neu geordnet worden. Ein neuer Gewichtsstandard (zunächst 4,27 g für den Doppeldirham) und neue Gestaltung der Münzen gingen damit einher, dass der mongolische Großḫān (mit Sitz in China) als Oberherr nicht mehr in der sikka genannt wurde. Die Münzprägung stellte also den eigenständigen Charakter des Īlḫānats heraus. Unter den nachfolgenden Herrschern Ölǧeitü und Abū Saʿīd folgten verschiedene Münztypen aufeinander, die sich in der Gestaltung durch unterschiedlich geformte Kartuschen auf dem Avers deutlich unterscheiden lassen. Die Münzstätten des Reiches verwendeten dabei grundsätzlich die Typen, die von der Zentrale in Täbris vorgegeben wurden.

Die Münze des Monats kann als „Typ H“ Abū Saʿīds klassifiziert werden. Dieser ist leicht an der Form erkennbar, in der das islamische Glaubensbekenntnis auf dem Avers gestaltet wurde, nunmehr ohne umschließende Kartusche, jedoch in charakteristischer Typografie. Das sogenannte „Quadrat-Kūfī“ wurde, entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil, nicht erst unter den Mongolenherrschern unter dem Einfluss chinesischer Stempelsiegel im Vorderen Orient eingeführt. Frühere Zeugnisse existieren etwa an einem Minarett in Ġaznī aus dem frühen 12. Jh. und im Backsteindekor der Großen Moschee von Gulpāygān (Iran), datiert 508 H. (1114/15). Die Anordnung der winklig geformten Buchstaben in einem geometrischen Raster mag zuerst im Ziegelmauerwerk erfunden worden sein, verbreitete sich dann jedoch bald in anderen Materialien. Auf der Münze des Monats wird das Glaubensbekenntnis von den Namen der vier „rechtgeleiteten Kalifen“ in den Zwickeln umgeben, die hier jeweils von zwei kleinen Sternchen begleitet werden. Diese Nennung von Abū Bakr, ʿUmar, Uṯmān und ʿAlī zeigt das sunnitische Bekenntnis des Münzherrn an. Die Zugehörigkeit zur sunnitischen Partei war im Īlḫānāt keine Selbstverständlichkeit: Ölǧeitü hatte in seiner religiösen Biographie eine Hinwendung zur Schia vollzogen, die gleichfalls in der Münzprägung ausgedrückt worden war.

Auf dem Revers der Münze nimmt der Name des Herrschers in großer Schrift die mittlere Zeile ein. Oben und unten stehen die Herrschertitel und (zwischen vier Zierknoten) der Name der Münzstätte. Die auf Arabisch geschriebenen Titel Abū Saʿīds (oben: as-sulṭān al-ʿālim al-ʿādil, „der kluge und gerechte Sultan“, unten: bahādur-ḫān …), zusammen mit dem Wunsch nach langer Herrschaft (… ḫalada mulkuhū), weisen keine Besonderheit auf. Jedoch ist der Herrschername nicht in arabischer, sondern in uigurischer Schrift wiedergegeben. Dieses unter den Mongolen gebräuchliche Alphabet stellt die ethnische Identität des Herrschers und den Charakter seines mongolischen Ḫānats heraus, auch wenn nicht explizit auf Činggis-Ḫān (Dschingis Khan) als Vorfahr verwiesen wird. Die uigurische Schrift sollte noch einhundert Jahre später in prachtvollen Manuskripten verwendet werden, die am Hof von Herāt unter den Herrschern der Timuriden-Dynastie entstanden. Es wird vermutet, dass auch dort der Gebrauch dieser Schrift die mongolische Abstammung der Dynastie unterstreichen sollte. Auch in der Jahresangabe zeigt sich der mongolische Charakter des Reiches. Sie ist in den Zwickeln des Revers untergebracht (oben: ḍuriba fī) und lautet auf die Zahl 33 mit dem Zusatz al-ḫānīya (vertikal rechts im Feld). Dieses Datum nach der unter Ġāzān eingeführten īlḫānidischen Ära entspricht den Jahren 734 H./1334.

Mit 2,84 g entspricht die Münze in etwa dem Durchschnittsgewicht der Doppeldirhams dieser Zeit. Sheila Blair hat gezeigt, wie systematisch das Gewicht der Silbermünzen unter den Īlḫānen schrittweise vermindert wurde. Als Erklärung werden politische Krisen herangezogen, in denen vor allem zur Bezahlung der Armee immer mehr Dirhams aus den naturgemäß begrenzten Silbervorräten geschlagen werden mussten. Selbstverständlich konnten solche Gewichtsveränderungen bei Händlern und Käufern auf den Märkten nicht unbemerkt bleiben. Die Folgerung liegt nahe, dass die Verwendung der Gewichtsstandards jeweils per Dekret durchgesetzt wurde und dass in der Folge die schwereren früheren Münzen vom Markt verschwanden. Das zentralisierte Münzwesen im Īlḫānat mit seinen klar unterscheidbaren Typen machte es der staatlichen Obrigkeit ebenso wie den Nutzern der Währung leicht, solche Veränderungen zu vollziehen.

Die Zentralisierung des Münzwesens zeigt sich auch im feinen Stempelschnitt der Münze aus dem Šahristān-i Rašīdī. Im Stil gleicht sie den gleichzeitigen Prägungen der Münzstätte Tabrīz so genau, dass man von ein und demselben Stempelschneider ausgehen muss. Das ist bei der geringen geographischen Entfernung auch nicht verwunderlich, liegt doch die Vorstadt Rašīd ad-Dīns nur gut drei Kilometer vom Täbriser Stadtzentrum entfernt. Die Tatsache, dass bis in die Regierungszeit Abū Saʿīds hier eine eigene Münzstätte aktiv war, zeigt die Bedeutung der Vorstadt an, die ausreichte, um diese hoheitliche Funktion in ihr anzusiedeln.

MdM Oktober 2020

 

Zur Abwechslung soll diesen Monat mal eine moderne Münze der arabischen Welt vorgestellt werden; Anlass hierzu bietet der irakische Unabhängigkeits- und Nationalfeiertag am 3. Oktober. Nachdem das Zweistromland jahrhundertelang Teil des Osmanischen Reiches gewesen war, wurden die drei Provinzen von Baṣra, Bagdad und Mosul im Laufe des Ersten Weltkriegs von den Briten besetzt, welche sich anschließend vom Völkerbund das Mandat über den Irak erteilen ließen. Der Aufstand, der gegen diese (zunächst direkte) Herrschaft ausbrach, fand dadurch ein Ende, dass der britische Hochkommissar den Irakern die Bildung einer „nationalen Regierung“ anbot, welche am 27. Okt. 1920 proklamiert wurde. Die Briten begnügten sich nun also mit einer indirekten Herrschaft, zu deren Sicherung ein von ihnen abhängiger Monarch dienen sollte. Hierfür empfahl sich die Ersatzverwendung desjenigen, der zuvor schon in Damaskus als arabischer König installiert, kurz darauf jedoch (gemäß Sykes-Picot-Abkommen) von den Franzosen aus Syrien vertrieben worden war und sich seitdem im italienischen Exil befand. Die Rede ist von Faiṣal ibn Huṣain aus der hāšimitischen Scherifen-Dynastie von Mekka. Dem Weltkriegsverbündeten war im Kampf an der Seite von T. E. Lawrence gegen die Osmanen zwar eigentlich mehr versprochen worden, doch ließ sich Faiṣal nun nach Mesopotamien locken, wo die Briten dafür sorgten, dass ihm die „nationale Regierung“ nach einem Plebiszit die Königswürde antrug. Die Krönung Faiṣals I. im Jahre 1921 begründete das Königreich Irak, welches bis zur Ausrufung der Republik im Zuge des Militärputschs von 1958 Bestand haben sollte. Dabei blieb es zunächst aber beim britischen Mandatsregime: Im Bündnisvertrag vom 10. Okt. 1922 wurde festgelegt, dass die Briten bis zu 20 Jahre Zeit hatten, um eine Aufnahme des Iraks in den Völkerbund zu erwirken und auf diese Weise ihre Herrschaft über das Land zu beenden. In einem weiteren Vertrag von 1930 wurde sogar geregelt, dass Großbritannien auch nach einer Entlassung des Iraks in die Unabhängigkeit dauerhaft bedeutende Privilegien und Einflussmöglichkeiten behalten würde. Es änderte sich daher de facto nicht viel, als das Königreich schließlich am 3. Oktober 1932 in den Völkerbund aufgenommen wurde und das britische Mandat formal erlosch.

Die Unabhängigkeit mag damals zwar nur auf dem Papier eingetreten sein, doch verdient Beachtung, dass es von 1931 an (endlich) eigene Münzen des Königreiches Irak gab: fulūs- und riyāl-Stücke aus Bronze, Nickel und Silber. Auf diesen ist, wie auf europäischen Münzen, ein Portrait des regierenden Monarchen zu sehen, das natürlich nicht mehr händisch mit dem Hammer (und handgeschnittenen Stempeln) aufgeprägt wurde, sondern maschinell – zumal die Produktion der Münzen nur für den Irak erfolgte, aber nicht im Irak … Modern ist auch, dass man nach Inschriften religiösen Inhalts vergeblich sucht; ganz ohne das traditionelle Glaubensbekenntnis und Koran-Zitate lässt sich streng genommen gar nicht mehr von islamischen Münzen sprechen.

Faiṣal I. verstarb bereits 1933, sodass sich der Start in die formale Unabhängigkeit auch mit der Thronbesteigung eines neuen Königs verband: jener von Faiṣals 1912 in Mekka geborenem Sohn Ġāzī. Dieser Hāšimit ist es, den wir im Profil abgebildet auf der FINT-Münze des Monats sehen, mit pomadiertem Haar und dezentem Oberlippenbart. Links vor seinem Gesicht findet sich in punktierter und mit Vokal- sowie weiteren Hilfszeichen versehener Nasḫī-Schrift der Titel malik al-ʿIrāq (mit kleinem ihmāl-ʿain unter dem lām des bestimmten Artikels), während auf der rechten Seite der Name des Dargestellten steht: Ġāzī al-auwal (u. a. mit perpendikulärem alif über dem ersten Buchstaben). Zu lesen ist also (modern kurzgefasst): „Ġāzī der Erste / König des Iraks“. Merkwürdig erscheint hierbei die Nummerierung, ist diese doch eigentlich unsinnig, da man ja noch gar nicht wissen konnte, ob es einmal (mindestens) einen zweiten König namens Ġāzī geben würde. Das gleiche Phänomen ist schon auf den Münzen Faiṣals I. zu beobachten. Sollte man für die Zukunft fest von einem zweiten Ġāzī ausgegangen sein, ging diese Rechnung jedenfalls nicht (mehr) auf – anders als im Falle der Zangiden-Dynastie, welche Teile des heutigen Iraks im 12. und 13 Jh. beherrschte, gab es keinen. (Allerdings hieß der 2004–2005 amtierende Präsident der Republik Ġāzī al-Yāwar.)

Die Büste des Königs Ġāzī ibn Faiṣal ist auf allen Münzen nach links gerichtet, wohingegen sein Vorgänger und sein Nachfolger immer nach rechts dargestellt sind. Unterhalb von Ġāzīs Hals ist ein Punkt zu sehen, der wohl als Münzzeichen gelten darf. Auf anderen Prägungen ohne Punkt steht am Rand ein I, welches eine Herkunft aus der Münzstätte von Bombay anzeigt. Unsere Münze stammt also nicht aus Indien, sondern aus Großbritannien (Royal Mint). Dort arbeitete auch jener talentierte Brite, welcher die irakischen Könige für deren Münzen portraitierte. Auf Prägungen Faiṣals I. finden sich an der Stelle, wo auf unserem Stück der Punkt gesetzt ist, sogar die Initialen des Künstlers: PM für Percy Metcalfe. War dieser 1895 geborene und mit seinen Entwürfen für die ersten Münzen des Irischen Freistaats bekannt geworden Medailleur womöglich nicht ausreichend zufrieden gewesen mit seinem Ġāzī-Portrait, um es zu signieren? Im Falle der Könige von Ägypten finden sich seine Initialen auf Münzen Fuʾāds I. ebenso wie auf solchen Fārūqs.

Metcalfes moderner Stil lässt sich dem Art déco zuordnen, was in Verbindung mit arabischer Schrift besonders interessant ist. Verantwortlich war der britische Künstler nämlich nicht nur für die Herrscherdarstellungen, sondern für die gesamte Gestaltung der Münzen. Wer auch immer ihm mit dem Arabischen half – auf den reizvollen Prägungen finden sich außer dem normalen Nasḫī-Duktus sogar noch weitere Schriftarten: Nachdem auf Faiṣals Münzen schon Ruqʿa zum Einsatz gekommen war, entschied man sich in Ġāzīs Fall für Kūfī. Konkret wurde diese altertümliche Schriftart für das verwendet, was auf der Rückseite oben und unten steht: al-mamlaka / al-ʿirāqīya, „das irakische Königreich“. Hundertprozentig stimmig mag die Kūfī-Kalligraphie vielleicht nicht sein – insb. wenn man sich die beiden mīm betrachtet –, doch wurde mit interessanten Ornamentierungen gearbeitet, wobei vor allem die Unterbögen nach lām (dreimal) und yāʾ ins Auge fallen. Diese sind an sich ein sehr altes, bekanntes Zierelement. Das Bemerkenswerte hier sind die kleinen floralen Lappungen, mit denen quasi der (von indischen Anna-Münzen übernommene) wellenförmige Münzrand (12 Bögen) aufgegriffen wurde. Passend zu den je fünf kleinen Bögen an den vier Unterbögen sind die Schaftenden der hohen Buchstaben als Halbpalmetten ausgeführt und auch andere Buchstaben zeigen florale Spaltungen (insb. das rāʾ). Klassisch ist auch die schöne Blütenform des ʿain; aus dem eckigen kāf treibt eine Ranke aus. Die Punkte über tāʾ marbūṭa wurden vertikal angeordnet und abgesehen davon, dass das Kūfī punktiert ist, wurde es ebenfalls mit Hilfszeichen versehen: Das perpendikulärem alif ist dabei ähnlich floral gestaltet wie sein Trägerbuchstabe rāʾ und unter das große kāf wurde noch einmal ein kleines gesetzt.

Das runde Revers-Zentrum (wo die Schrift wieder die normale Kursive ist) enthält die Information, dass es sich um ein 10-fils-Stück handelt. Derartige Münzen wurden nicht nur in Nickel geprägt, sondern auch in Bronze. Dasselbe gilt für die Stücke zu 4 fils; daneben gab es noch 1-, 20- und 50-fils-Münzen (50 fils = 1 Dirham). Vom Zentrum strahlen nach links und rechts zwei Felder aus, in denen die Prägungen doppelt datiert sind, nach islamischer und nach christlicher Rechnung. In unserem Fall sind die Jahre 1357 (rechts) und 1938 (links) angeben; passend zum Kūfī und Art-déco-Stil haben die Ziffern eine eckige Form. Tatsächlich wurden Münzen König Ġāzīs nicht vor 1355/1936 geprägt.

Ġāzī I., welcher am Vorabend des Zweiten Weltkriegs Sympathien für Deutschland gehegt hatte, erlag 1939 den Folgen eines Autounfalls. Vermutungen, dass die Briten ihre Finger im Spiel hatten, ließen nicht lange auf sich warten. Sein Sohn und Nachfolger Faiṣal II. wurde während des Staatsstreiches von 1958 erschossen und mit ihm fast seine gesamte Familie; ein Verwandter aus der Nachkommenschaft des Mekkanischen Großscherifen regiert heute nur noch in Jordanien. Das ansprechende Münzdesign mit der Zier-Kūfī-Schrift wurde auch nach Ġāzīs Tod bis zum Sturz der Monarchie beibehalten; Percy Metcalfe, der verantwortliche Künstler, starb vor genau 50 Jahren am 9. Okt. 1970.

Sebastian Hanstein

MdM September 2020

 

In diesem September empfängt die (nach wie vor wachsende) Münzsammlung der Eberhard-Karls-Universität eine Dauerleihgabe der Tübinger Pelling-Zarnitz-Stiftung (PZS), bestehend aus 20 sehr interessanten und besonders kostbaren Prägungen der islamischen Welt, von denen ein Stück in die Zeit des berühmten 1000-und-eine-Nacht-Kalifen Hārūn ar-Rašīd (reg. 786–809) datiert. Es handelt sich um einen 2,84 g schweren Dirham aus dem Ostteil des ʿAbbāsidenreiches, den Hārūn seit einer entsprechenden Regelung von seinem Sohn al-Maʾmūn regieren ließ, während dessen Halbbruder al-Amīn Statthalter im Westen und dazu bestimmt war, der nächste Kalif zu werden. So ist Prinz al-Maʾmūn auf Prägungen östlicher Münzstätten auch über mehrere Jahre hin regulär als Emir sowie Zweitplatzierter in der Thronfolge genannt, d. h. als designierter Nachfolger des ersten Thronfolgers al-Amīn.

Die Namensnennung ist es auch, die diese Münze des Monats besonders macht, wobei in erster Linie das Revers-Feld interessiert. Die restlichen Inschriften sind die üblichen: Wie einst vom Kalifen ʿAbd al-Malik Ende des 7. Jh. eingeführt, enthält die Umschrift der Rückseite Vers 33 aus Sure 9 und die Vorderseite zeigt im Feld traditionellerweise den ersten Teil des Glaubensbekenntnisses (in 3 Zeilen) sowie darum herum die gewohnte Münzstätte-Datum-Formel. Aus letzterer geht im konkreten Fall hervor, dass „dieser Dirham in der Stadt (madīnat) Balḫ im Jahre 190 geschlagen wurde“ – also in jener Metropole der Großprovinz Ḫurāsān, die in der Antike Baktra hieß und unweit des Oxus/Amudarja liegt, im Norden des heutigen Afghanistan. Umgerechnet entstand der Dirham im Jahre 805 oder 806 und wie damals üblich, sind darauf einige der kantigen Kūfī-Buchstaben auffallend in die Länge gezogen, vertikal, aber vor allem horizontal. Dies betrifft etwa das d in Muḥammad rasūl Allāh, womit die Rev.-Feldinschrift unterhalb eines dicken Punktes erwartungsgemäß beginnt. Über dem Münzzeichen ﻋ (der arabische Buchstabe ʿain oder ġain) ist in der 2. und 3. Zeile sodann zu lesen: „Von dem was der Emir ʿAlī ibn ʿĪsā, der Klient des Befehlshabers der Gläubigen, (zu prägen) befahl“ (mimmā amara bihī al-amīr ʿAlī b. ʿĪsā / maulā amīr al-muʾminīn). Was ist hieran nun besonders?

Das Besondere an der Benennung eines Prägeverantwortlichen auf dieser Münze ist nicht die dabei „fehlende“ Aufführung des Kalifen. Das sog. sikka-Recht war zur Zeit Hārūn ar-Rašīds noch nicht entwickelt; eine Prägung ohne den Namen des obersten Herrschers bedeutete damals nicht, dass diesem die Anerkennung verweigert wurde. Es ist daher auch ganz normal, wenn auf Münzen der Prinzen al-Maʾmūn und al-Amīn deren Vater keine gesonderte Aufführung findet, und selbst die alleinige Tatsache, dass gar kein ʿAbbāside benannt ist, muss nicht zwingend irritieren – unter Hārūn wurden ebenso völlig anonyme Münzen geschlagen. Die Nennung des (nicht zur ʿabbāsidischen Familie gehörigen) Gouverneurs ʿAlī b. ʿĪsā an sich muss ebenfalls nicht verwundern; Gouverneursnamen kennen wir von vielen Münze dieser Zeit und ʿAlī sogar von Prägungen mehrerer Orte und Jahre. In Sīstān etwa ist er von 181 bis 192 H. belegt. Beachtung verdient jedoch, auf welche Art und Weise, in welcher Form, ʿAlī einzig auf Dirhams aus Balḫ von 190 H. genannt ist und wie dies in Kombination mit einer nicht gegebenen ʿAbbāsiden-Nennung wirkt.

Auf anderen Prägungen desselben Gouverneurs erscheint einzig dessen „Vorname“ ʿAlī klein oben im Feld – also dort, wo in unserem Fall der Punkt prangt –, während auf die Formel mimmā amara bihī al-amīr … (s. o.) der Name des ʿAbbāsiden-Prinzen folgt oder alternativ zu dieser Formel der Kalif selbst genannt ist. Auch in Balḫ war es noch 189 H. al-Maʾmūn, welcher als Emir zu schlagen befahl – ehe sich auf einmal ʿAlī ibn ʿĪsā genau so nennt, wie es normalerweise ein ʿAbbāsidenprinz als Statthalter tut, in der Mitte des Feldes und noch dazu allein. Wer war dieser ʿAlī also, dass er sich auf seinen Münzen derart selbstbewusst präsentierte? Bereits ʿAlīs Vater ʿĪsā ibn Māhān, ein Ḫurāsānier, hatte wie vieler seiner Landsleute für die ʿAbbāsiden gestritten, was seine Nachkommen zu einer Elite gehören ließ (den sog. abnāʾ ad-daula – das ʿAbbāsidenkalifat hatte sich ja zu Beginn primär auf Ḫurāsānier gestützt, welche das Rückgrat des Militärs bildeten, bis sie später durch türkische Militärsklaven ersetzt wurden). ʿAlīs Aufstieg hatte unter dem Kalifen al-Mahdī begonnen; er wurde Garde-Kommandeur und unter al-Hādī zusätzlich mit der Heeresverwaltung betraut. Hārūn ar-Rašīd ernannte ihn schließlich (180 H. = 796/97) zum Gouverneur von Ḫurāsān, obwohl sein einflussreicher Wesir ihm davon abgeraten hatte. Wie sich bald zeigte, waren die Vorbehalte des Wesirs aber sehr berechtigt gewesen: Zwar schickte ʿAlī dem Kalifen regelmäßig kostbare Geschenke, doch regierte er den Osten des Reiches angeblich äußerst schlecht: Er unterdrückte und tyrannisierte die Menschen, schreckte in seiner Respektlosigkeit selbst vor der Verfolgung (und Hinrichtung) angesehenen Führungspersönlichkeiten nicht zurück und bereicherte sich hemmungslos, indem er Vermögen einzog und Geld erpresste. Zusammen mit entsprechenden Beschwerden über den Gouverneur erreichten Hārūn irgendwann auch Berichte, ʿAlī ziehe eine Rebellion in Erwägung – was natürlich an unsere Münze denken lässt, doch trafen besagte Berichte schon vor 190 H. ein. Bereits im Jahre 189 H. reagierte der Kalif darauf mit einer Expedition nach Rayy, wohin er den verdächtigen Gouverneur einbestellte. Geplant war, ʿAlī abzusetzen, doch brachte dieser aus Ḫurāsān derart reiche Präsente mit – für Hārūn, aber auch für dessen gesamte Entourage –, dass der Kalif ihn ehrenvoll im Amt bestätigte.

ʿAlī ibn ʿĪsā konnte im Prägejahr der Münze des Monats also das Gefühl haben, sich alles erlauben zu können, und so war es womöglich die neuerliche Bestätigung durch den Kalifen, die ihn nach seiner Rückkehr nach Balḫ die Münzinschrift (sikka) in der beschriebenen Weise anpassen ließ, wobei er seinen direkten „Draht“ zu Hārūn, d. h. den Rückhalt, den er (trotz allem) am „Befehlshaber der Gläubigen“ hatte, durch den Titel maulā amīr al-muʾminīn (s. o.) herausstellte. Nun führte ʿAlīs unpopuläre Regierung im selben Jahr aber zur Rebellion des Rāfiʿ ibn al-Laiṯ, welcher ʿAlīs Subgouverneur in Samarkand tötete. Als einer von ʿAlīs Söhnen daraufhin von Balḫ aus gegen Rāfiʿ zu Felde zog, wurde er geschlagen und später (191 H. = 807) getötet. ʿAlī forderte nun Hilfe vom Kalifen – angebend, durch den Krieg auch in finanziellen Nöten zu sein – und zog sich aus Angst, der Rebell würde auf Balḫ vorrücken, nach Marv zurück. Dummerweise hatte sein (inzwischen toter) Sohn im Garten der Balḫer Familienresidenz einen 30-Millionen-(Dirham-)Schatz vergraben, ohne das ʿAlī hierüber im Bilde war. Über den Schatz machten sich in der Folge Andere her und als der Kalif hiervon erfuhr, empörte er sich darüber, wie ʿAlī bei seinem unerlaubten (!) Rückzug aus Balḫ nur einen solch gewaltigen Schatz zurücklassen konnte, dann aber jammere, kaum noch Geld zu haben… Hārūn beschloss nun definitiv die Absetzung des unfähigen, ungehorsamen Gouverneurs und ernannte an dessen Stelle den ḫurāsānischen General Harṯama ibn Aʿyan. Dieser erhielt den Auftrag, ʿAlī zu entmachten, festzusetzten und dessen unrechtmäßig zustande gekommenes Super-Vermögen zu konfiszieren, welches auf mindestens 80 Mio. Dirham geschätzt wurde. Öffentlich gemacht wurde allerdings ein anderer Zweck von Harṯamas Ḫurāsān-Feldzug: Es hieß, er bringe die von ʿAlī erbetene Hilfe gegen Rāfiʿ. In ebendiesem Glauben bereitete ihm ʿAlī in Marv auch einen prächtigen Empfang; die gute Stimmung kippte erst, als der Gastgeber in dem ihm überreichten Brief des Kalifen von seiner Amtsenthebung sowie der Beschlagnahmung seines gesamten Familienvermögens las. Die anschließende Festnahme ʿAlīs, seiner Söhne, Sekretäre und Finanzbeamten gab im Volk Anlass zu großer Freude. Tatsächlich gelang es Harṯama, fast alle Depots und Vertrauenspersonen, über die ʿAlīs Geld und Wertsachen verteilt waren, ausfindig zu machen; nachdem endlich alles sichergestellt war, konnten durch ʿAlīs Tyrannei Geschädigte Ansprüche geltend machen.

Im Jahre 192 H. wurde ʿAlī nach Bagdad überstellt und dort inhaftiert, während Hārūn ar-Rašīd zusammen mit al-Maʾmūn in Richtung Osten zog, um selbst gegen den Rebellen Rāfiʿ vorzugehen. Als er 193 H. (808) in Ǧurǧān (südöstlich des Kaspischen Meeres) Station machte, erreichten ihn die ʿAlī abgenommenen Schätze – angeblich transportiert auf dem Rücken von 1500 Kamelen. Kurz darauf (809) verstarb Hārūn in Ṭūs und es folgte ihm in Bagdad wie vorgesehen al-Amīn auf den Kalifenthron. Im nun aufkeimenden Konflikt zwischen al-Amīn und al-Maʾmūn stellte sich Harṯama auf die Seite des letzteren ʿAbbāsiden. ʿAlīs Nachfolger als Gouverneur von Ḫurāsān hatte mittlerweile erfolgreich in Transoxanien gegen Rāfiʿ gekämpft, welcher sich al-Maʾmūn 194 H. ergab. In die diversen Städte hatte Harṯama seine eigenen Leute als Subgouverneure geschickt und vielleicht gehörte zu dieser Gruppe auch Naṣr ibn Saʿd, welcher auf Münzen aus Balḫ und anderen Städten des Ostens neu ab 192 H. genannt ist – dem Jahr, in welchem ʿAlīs Nennung überall endet. Wohlgemerkt steht Naṣrs Name immer an normaler Stelle ganz unten im Rev.-Feld, ohne mimmā-Formel und Titel. Dasselbe gilt für Harṯama, dessen Name auf Dirhams aus Zaranǧ (von 192 und 193 H.) begegnet sowie auf solchen aus Taschkent (195 H.). Eine weitere Person, die nach ʿAlīs Sturz numismatisch in Erscheinung tritt (ohne dabei einen auffälligen Platz zu beanspruchen) und in all diesen Entwicklungen eine wichtige Rolle gespielt haben muss, ist der Eunuch Ḥamūya. Sein Name steht 193 H. auf Prägungen aus Samarkand und Buchara, Balḫ, Nīšāpūr und Herāt, womöglich weil ihm in der kritischen Zeit um Hārūns Tod eine Art Übergangsfunktion zukam. Bekannt ist er jedenfalls als ṣāḥib al-barīd, d. h. er leitete den kalifalen Post- und Nachrichtendienst... In Ḫurāsān tat er dies seit 191 H., was wohl in Zusammenhang mit Hārūns damals umgeschlagener Haltung gegenüber ʿAlī zu sehen ist.

Für östliche Prägungen aus der die Mitte der 190er Jahre H. lässt sich fast ausnahmslos die Nennung al-Maʾmūns konstatieren. Stabilisiert hatte dessen Position insbesondere eine denkwürdige Schlacht, zu der es im Jahre 195 H. (811) bei Rayy kam. Al-Maʾmūns General Ṭāhir stand hier einem großen Heer unter der Führung eines alten Bekannten gegenüber: Aus dem Gefängnis entlassen und erneut als bestallter Gouverneur nach Osten entsandt hatte al-Amīn niemand anderen als ʿAlī b. ʿĪsā! Die Furcht, die dies in Ḫurāsān auslöste, bewirkte, dass man sich umso stärker um al-Maʾmūn scharte und tatsächlich gelang es, ʿAlī auf dem Schlachtfeld zu schlagen und ebenda zu töten; im Lager des Besiegten fand man unter anderem 700 Taschen mit je 1000 Dirham darin. Die silberne Fessel, welche ʿAlī zur Gefangennahme al-Maʾmūns mitgeführt hatte, blieb al-Amīns Bruder somit erspart – letztlich sollte sich al-Maʾmūn sogar als Kalif durchsetzen (s. MdM Febr. 2019). Zu Welt gekommen war er vor genau 1234 Jahren in der sog. „Nacht der drei Kalifen“ vom 13. auf den 14. September 786, in der al-Hādī starb und ar-Rašīd Kalif wurde.

Sebastian Hanstein

MdM August 2020

 

In normaleren Zeiten würde sich jetzt, am Ende des ḥaǧǧ (Haddsch) – also der großen Mekka-Wallfahrt, welche jeder Muslim und jede Muslima nach Möglichkeit wenigstens einmal im Leben unternommen haben sollte –, weit über eine Million Pilgerinnen und Pilger wieder auf den Rückweg in ihre zahlreichen Heimatländer machen. Dieses Jahr hingegen ist das pandemiebedingt anders: Zwar wurde der (für die Legitimation des saudischen Königshauses nicht unwichtige) ḥaǧǧ nicht komplett abgesagt, doch gelten zum einen strenge Abstands- und Hygiene-Regeln (z. B. dürfen für die rituelle Steinigung des Teufels in Minā nur sterilisierte Kiesel verwendet werden) und ist die Teilnahme zum anderen nur 1000 Gläubigen gestattet, die entweder als Saudis oder Ausländer in Saudi-Arabien leben. Einreisen ins Land, zum Beispiel aus Syrien oder Ägypten, sind somit (erstmals in der Geschichte des Königreiches) nicht erlaubt, was insbesondere vor genau 700 Jahren bedeutet hätte, dass den Mekkanern so einiges entgangen wäre. Damals, anno 719 H. (1319/1320) war der ḥaǧǧ im (außer Ägypten und Syrien auch den Hedschas umfassenden) Mamlūken-Reich bereits sehr aufwendig vorbereitet worden: Zunächst hatten die diversen Provinzstatthalter ein Geschenk nach dem anderen geschickt, darunter Pferde mit goldbeschlagenen Sätteln und goldenem Zaumzeug. Aus Gold war auch ein Teil des Kochgeschirrs, das man einpackte, zusammen mit 3000 Hühnern und 100 Gänsen. Hinzu kamen 180 Kamelladungen mit Granatäpfeln und Mandeln sowie 500 Ladungen mit weiteren Früchten und vor allem Süßigkeiten, welche zunächst aus Damaskus nach Kairo gebracht wurden und dazu bestimmt waren, sie untern den Mekkanern und Mekka-Pilgern zu verteilen. Viele der Kamele trugen große Pflanzkübel, in denen von Ägyptens Gärtnern vorbereitete Kräuter wuchsen, die so auf der Reise bewässert und bei Bedarf frisch geerntet werden konnten.

Die besondere Ausstattung der ägyptischen ḥaǧǧ-Karawane hing damit zusammen, dass in diesem Jahr der Mamlūken-Sultan, an-Nāṣir Muḥammad, höchstselbst unter den Pilgern war – und nicht nur er: Mit ihm kamen nach Mekka etwa 50 Emire, seine höchsten Würdenträger sowie der ayyūbidische Fürst Abū l-Fidāʾ von Ḥamāh (welcher ein Vasall des Mamlūken-Sultans war, s. MdM Sept. 2019). Die persönliche Anwesenheit der Herrscher ist durchaus etwas Besonderes, denn die meisten muslimischen Machthaber absolvierten selbst nie den ḥaǧǧ. So war der letzte Kalif, welcher die beiden heiligsten Stätten des Islams besucht hatte, Hārūn ar-Rašīd gewesen, am Ende des 8. und zu Beginn des 9. Jahrhunderts! Weder von seinen Nachfolgern in Bagdad noch von den Kalifen aus der Dynastie der Fāṭimiden hatte seitdem auch nur einer je die Wallfahrt unternommen, was so auch für fast alle anderen großen Monarchen der islamischen Geschichte gilt (s. dazu H. Möhring „Mekkawallfahrten orientalischer und afrikanischer Herrscher im Mittelalter“ in: Oriens, Bd. 34). Abgesehen davon, dass die lange Reise natürlich nie ganz ungefährlich war (Stichwort: Räuber), liegt die Ursache dafür offenbar in dem grundsätzlichen Risiko, welches eine längere Abwesenheit des Herrschers in den meisten Fällen für dessen Throninhaberschaft bedeutet hätte: Viele Tagesreisen vom eigenen, (halbwegs) sicheren Machtzentrum entfernt war zu befürchten, dass daheim ein anderer die Macht an sich reißt, eine Rebellion ausbricht oder die Gelegenheit für einen Angriff von außen genutzt wird. Es waren deshalb oft die Frauen, Schwestern und Mütter der Herrscher, welche (an deren Stelle) denkwürdige Mekka-Wallfahrten unternahmen. Eine der pompösesten aller Zeiten war jene der Prinzessin Ǧamīla, der Schwester des Ḥamdāniden-Emirs Abū Taġlib von Mosul, im Jahre 977 (366 H.). Weil alle 400 Kamelsänften in ihrer Karawane in gleicher Art satinbezogen waren, wusste man nicht, in welcher die Ḥamdānidin reiste. Abgesehen von Leckereien hatte sie als Geschenke unter anderem 50.000 feine Gewänder dabei. In Mekka anstehende Hochzeiten unter ʿAliden wurden kurzerhand von ihr finanziert, 500 Sklaven von ihr freigekauft. Insgesamt gab sie auf dieser berühmt gewordenen Pilgerfahrt nicht weniger als 150.000 Dinare aus, von denen sie schon bei Ankunft in Mekka 10.000 im Volk verstreuen ließ.

Übertroffen wurde Ǧamīla später wohl nur von Mansa Mūsā, dem König von Mali, welcher den ḥaǧǧ via Kairo 1324–1325 vollzog – begleitet von angeblich 60.000 Menschen, darunter 12.000 Sklaven, sowie 80 mit je 300 Pfund Gold beladenen Kamelen. Sultan der Mamlūken in Ägypten war damals an-Nāṣir Muḥammad. Letzterer und der gelehrte Ayyūbide Abū l-Fidāʾ stechen in Sachen ḥaǧǧ noch dadurch hervor, dass es jeder von ihnen sogar dreimal (!) nach Mekka schaffte (an-Nāṣir: 1313, 1320 und 1332), was als Zeichen politischer Stabilität gesehen werden kann. An-Nāṣir regierte bis zu seinem Tod 1341 (mit zwei Unterbrechungen) rund 50 Jahre lang, wohingegen sich jener Baḥrī-Mamlūken-Sultan, unter welchem die Münze des Monats geprägt wurde, 1346–1347 kaum 15 Monate auf dem Thron hielt – sein Name: Ḥāǧǧī oder, wie auf Dirhams aus Ḥamāh zu lesen (s. SNAT-Bd. IVc, S. 42 f., Nr. 467–569), Amīr-Ḥāǧǧ. Auf dem 4,94 g schweren Goldstück ist er als Münzherr auf dem Rev. genannt, mit der Titulatur as-sulṭān al-malik al-Muẓaffar / Saif (darüber ein Zierknoten) ad-Dunyā wa-’d-Dīn; sein sich auf die Wallfahrt beziehender Eigenname (حاجي) beschließt die dritte Zeile. Direkt darunter ist der Prägemonat (s. MdM Juni 2020) al-Muḥarram zu lesen, dem die Präposition vorausgeht, während sich im unteren Teil des Feldes die Jahresangabe 748 (H. = 1347) findet, dazu ein weiterer Zierknoten über dem Wort sana. Ganz oben steht die Münzstättenangabe [ḍuriba bi-Dima]šq, „geschlagen zu Damaskus“.

In jenem Muḥarram veranstaltete al-Muẓaffar Ḥāǧǧī mit seinen vertrautesten Emiren ein großes Polo-Turnier und anschließend ein Bankett. Der Pilgermonat (Ḏū ’l-Ḥiǧǧa) war da erst seit Stunden vorbei und als in Ägypten das nächste Mal der Aufruf zum ḥaǧǧ erklang, war Ḥāǧǧī schon nicht mehr unter den Lebenden (und sein kleiner Bruder Ḥasan Sultan). Entsprechend selten ist so ein Dinar wie unsere Münze des Monats, welche die Tübinger Sammlung wie so viele Glanzstücke dem Mäzenatentum von Dr. Claus Pelling verdankt. In P. Balogs The Coinage of the Mamluk Sultans of Egypt and Syria (New York 1964) sind lediglich Dinare aus dem Jahr 747 H. erfasst, sowohl aus Damaskus als auch aus Kairo. Die ägyptischen Stücke zeigen dabei ein äußerst dürftiges, kunstloses Schriftbild (s. SNAT, Bd. III, S. 54 f., Nr. 702); der Text ist aber fast derselbe: Auf dem Av. steht immer das Koran-Zitat (Sure 3, Vers 126) wa-mā ’n-naṣr illā min ʿindi ’llāh, d. h. „der Sieg kommt von Gott allein“, gefolgt von der šahāda und dem traditionellen Vers 33 aus Sure 9 (bis kullihī).

In Damaskus regierte zum Prägezeitpunkt als Ḥāǧǧīs Statthalter (nāʾib) der Emir Saif ad-Dīn Yel-Buġa (oder Yol-Buġa) al-Yaḥyāwī. Dieser war der (für seine Schönheit bekannte) Favorit Sultan an-Nāṣir Muḥammads gewesen und einer jener Emire, deren Anwesen später dem Bau der Sultan-Ḥasan-Madrasa weichen mussten (s. MdM Apr. 2020). Die Ermordung von Ḥāǧǧīs Vorgänger (1346) hatte er mehr als begrüßt, war er doch selbst in Rebellion gegen diesen gewesen. Als die Nachricht vom Herrscherwechsel in Damaskus eintraf, leistete Yel-Buġa Ḥāǧǧī freudig den Treueeid und ließ umgehend neue Münzen mit dessen Namen prägen, Dinare und Dirhams, die er dem Sultan zusammen mit Glückwünschen nach Kairo schickte. Es dauerte allerdings nicht lange, bis auch (der erst 15jährige) Ḥāǧǧī – dessen Interesse in erster Linie dem Brieftaubensport galt – mit den führenden Emiren in Konflikt geriet. Er drohte ihnen und nahm Absetzungen vor und im August 1347 verlor auch Yel-Buġa sein Leben, woraufhin der Kopf des Emirs von Qaqūn nach Kairo übersandt wurde. Schließlich brach erneut eine offene Revolte der Emire aus, an deren Ende Ḥāǧǧī selbst hingerichtet wurde.

Bleibt noch die Frage, warum der sportliche Taubenliebhaber, von dessen kurzem Sultanat die Münze des Monats zeugt, eigentlich den Namen Ḥāǧǧī trug. Wie auf dem Dinar in der vierten Rev.-Zeile zu lesen, war er ein Sohn des Sultans al-malik an-Nāṣir. Als solcher hatte er 1332 (732 H.) just zu der Zeit das Licht der Welt erblickt, als seine Eltern und die anderen Pilger (ḥāǧǧ) gerade auf dem Weg von ihrer großen Mekka-Wallfahrt zurück nach Kairo waren.

Sebastian Hanstein

MdM Juli 2020

 

Wie schon im Juli 2019 konnte für einen sommerlichen – und dieses Mal besonders umfangreichen – MdM-Gastbeitrag Dr. Lutz Ilisch gewonnen werden. Der Kustos emeritus wird diesen Monat 70 Jahre alt, wozu ihm die Abteilung für Orient- und Islamwissenschaft herzlich gratuliert! Eine Festschrift ist in Vorbereitung.

 

Die Münze des Monats Juli 2020 (5,86 g; ⌀ 26,5 mm) berührt schlaglichthaft das nicht nur aktuell spannungsbeladene türkisch-griechische Verhältnis und zeigt, wie zeitweilig entspannt türkische Herrschaft in der dritten Generation mit griechischer Kultur umgehen konnte. Zwei Sprachen, Griechisch und Arabisch, bestimmen die Aufschriften dieser Kupfermünzprägung des turkmenischen Fürstentums der Dānišmandiden (von pers. dānišmand „Lehrer“, offenbar nach einer Hoffunktion des Dynastiegründers) am Oberlauf des Euphrats, deren größeres Herrschaftsgebiet in Zentralanatolien um Sivas und Kayseri lag. Diese Herrschaft gehörte bald nach 1100 zu den ersten, welche die byzantinischen Kupfermünzen durch eigene Prägungen ersetzten und dabei durchaus Eigenständigkeit zeigten. Aus byzantinischer Sicht waren sie lehnsabhängig und die Fürsten gingen auch immer wieder Verträge mit dem Kaiser ein und schlossen Bündnisse mit muslimischen wie griechischen, armenischen und fränkischen Nachbarn, während die noch nomadischen Turkmenen, die diesen Fürsten folgten, oftmals eigene Ziele mit Gewalt verfolgten. Bis unmittelbar nach 1150, also noch nach der den zweiten Kreuzzug auslösenden Eroberung Edessas (heute Urfa), war der Kaiser in der Lage, effizient in das politische und militärische Geschehen in Kilikien und am oberen Euphrat einzugreifen.

Die auf das Kupfer beschränkte Münzprägung diente der Besteuerung der städtischen und bäuerlichen Bevölkerung, und weniger der neu eingewanderten nomadischen. Die Kupfermünzen wurden wahrscheinlich nicht kontinuierlich ausgegeben, sondern mit mehrjährigen Unterbrechungen bei Herrschaftswechseln. Die einzige Kupfermünzemission des Dynastiegründers Gümüš-Tegin Ġāzī in Zentralanatolien folgte noch vollständig byzantinischen Vorstellungen mit einer Christusbüste und der griechischen Benennung des Fürsten. Sein Sohn Muḥammad wich davon ab, indem er nach islamischem Vorbild Münzen ausschließlich mit Schrift (griechisch) ohne Bilder, aber auch ohne religiöse Texte, dafür mit dem gewaltigen Titel eines Großemirs von ganz Rūm und Anatolien neben dem Namen Machamatis prägen ließ. Hieran änderte sich nach der 1142 erfolgten Gründung der dānišmandidischen Seitenlinie von Malatya unter dem nur zehn Jahre regierenden ʿAin ad-Daula Ismāʿīl nichts, auch wenn dieser sich mit dem großväterlichen Titel megas ameras (Großemir) begnügte. Ismāʿīls 1152 zur Herrschaft gekommener Sohn, um dessen seltene zweisprachig gegengestempelte Münze es im Folgenden gehen soll, trug den für Türken ungewöhnlichen arabischen Namen Ḏū l-Qarnain, „der Zweigehörnte“. Jedermann wusste, dass dieser Name auf Alexander den Großen zu beziehen war, welcher nicht nur eine Beziehung zum Griechentum hatte, sondern im 12. Jh. auch mit persischen Neufassungen des Alexanderromans im Bewusstsein der internationalen Adelsgesellschaft des Ostens gehalten wurde. Die mit den Dānišmandiden rivalisierenden Rūm-Selǧuqen wählten zur Namenspatenschaft hingegen nur selten griechische Bezüge, sondern bevorzugten stattdessen die Helden des persischen Šāhnāma-Epos.

Zwei Neuerungen bringt nun der Münztyp Ḏū l-Qarnains: Zum einen wird die Bildlosigkeit unter Ḏū l-Qarnain wieder aufgegeben zugunsten eines spitzbärtigen, antikisierenden Kopfbildes, das keine Bezüge zu byzantinischen Münzen zeigt. Auf der Münze des Monats ist das Gesicht des Bartträgers durch eine Gegenstempelung unkenntlich geworden, um die es gleich noch gehen soll. Zum anderen trägt die Münze nun Inschriften in zwei Sprachen: Griechisch und Arabisch, den beiden Weltsprachen der Staatsverwaltung, die im Umlaufgebiet der Münzen, wo zu dieser Zeit eher Aramäisch, Armenisch und Türkisch gesprochen wurde, selbst kaum beheimatet waren.  Der Name des Prägeherrn findet sich in einer arabischen Version mit dem Vatersnamen und der einleitenden Bezeichnung al-Wāṯiq („der Vertrauende“) im Mittelfeld auf der einen Seite, die griechische Version als Umschrift auf der anderen, wobei der eigentliche Name nicht mit „Alexander“ übersetzt, sondern als Doulcharnai in griechischer Schrift transskribiert wurde. Man könnte versucht sein, das Wort al-Wāthiq auf das muslimische Bekenntnis des Fürsten zu beziehen. Aber schon in der ersten umfassenden Übersicht über die Münzen der Dānišmandiden hat Paul Casanova zutreffend darauf hingewiesen, dass dies aus der Einleitungsformel der byzantinischen Bleisiegel „Kyrie boetai“ übernommen worden ist. Auch die griechische Umschrift um das arabische Feld weist keinen Islambezug auf, sondern eine willkommene administrative Ergänzung, eine Datierung. Diese folgt nicht der Hiǧra-Datierung, sondern benennt ein 2. Jahr des im Mittelalter verbreiteten, auf Münzen aber so gut wie nie vorkommenden fünfzehnjährigen Indiktionszyklus. Nach griechischer Rechnung in Konstantinopel wäre das einzige 2. Indiktionsjahr in der Regierungszeit Ḏū l-Qarnains (1152–1161 A.D./547–556 H.) das Jahr vom 1. Sept. 1158 bis Ende Aug. 1159, wofür sich Estelle Whelan in einer Übersicht von 1980 entschieden hatte. Eindeutig ist, dass die nachfolgende Neuemission mit rein arabischen Aufschriften und dafür wiederum einer Bildentlehnung von byzantinischen Goldmünzen nach H.-Jahren erfolgte (558 H. = 1162/63).

Malatya war erst kurz vor ca. 1140 den noch wenig begüterten Rūm-Selǧuqen abgejagt worden, welche erst später zur Großmacht an der byzantinischen Grenze aufsteigen sollten. Unter dem Rūm-Selǧuqen Masʿūd wurde die Stadt aber keineswegs aufgegeben, sondern von Ḏū l-Qarnain eingefordert, was im Jahr 1154 zu einer Belagerung führte, die mit der Anerkennung rūmselǧuqischer Lehnshoheit durch Ḏū l-Qarnain endete. Das bedeutete aber nicht, dass dies auch die byzantinische Abhängigkeit beendet hätte. Masʿūd blieb offenbar zeitlebens unter dem Rang des Kaisers, was erst sein Sohn Qilič-Arslan änderte und u. a. mit der Ausgabe von Edelmetallmünzen zum Ausdruck brachte. Da die Rūm-Selǧuqen nie Münzen mit griechischen Aufschriften produziert zu haben scheinen, ist die Frage der Datierung der zweisprachigen Münzausgabe Ḏū l-Qarnains vor oder nach der bestätigten innerislamischen Abhängigkeit von Interesse. Nun hatte Paul Casanova 1896 die 2. Indiktion nach Tabellenvergleich mit 1154 datiert, ohne dass sich Whelan mit dieser fünf Jahre früheren Datierung auseinandergesetzt hätte. Aber auch ein Blick in Grotefends Tabellen mittelalterlicher Datierungen bestätigt das Jahr 1154, sodass die Spanne des 2. Indiktionsjahres von der Mitte des islamischen Jahres 548 bis Mitte 549 H. reichte. Damit kommen wir zu einer etwaigen Zeitgleichheit zu einer Kupfermünzausgabe des benachbarten Artuqiden-Fürstentums von Mardin mit ebenfalls antiker Bildgestaltung (Kopf des Seleukiden Antiochos VII.) am Regierungsende des 548 H. verstorbenen Fürsten Temür-Taš, die genauso wie die Münze des Monats mit dem Namen des Nachfolgers gegengestempelt wurde (Spengler/Sayles Typ 26). Auch die Fürsten von Ḥiṣn-Kayfā haben ein einziges Mal – das ebenfalls in die Zeit um 550 H. zu datieren wäre – die umlaufenden Kupfermünzen mit thronendem Christus mit einem Gegenstempel versehen, welcher zwei verschlungene Basilisken zeigt.

Ein Gegenstempel, genauer: ein zweiseitig eingeschlagenes Gegenstempelpaar, ist nun eine weitere Besonderheit der Münze des Monats, da die große Mehrzahl solcher Prägungen keine Gegenstempel zeigt und bislang nicht mehr als drei Exemplare mit dem Gegenstempelpaar bekannt geworden sind. Eine Stempelseite zeigt den Namen Muḥammad auf Arabisch im Kreis, die andere das griechische Äquivalent [M]AXAM[A]T in drei Zeilen im Kreis. Dies kann sich nur auf Muḥammad b. Ḏū l-Qarnain beziehen, welcher sich 556 H. in Kämpfen mit seinen Brüdern als Nachfolger positionierte. Whelan hatte angenommen, dass es zu dieser Zeit nur noch arabische Aufschriften auf den Münzen der Dānišmandiden beider Linien gab, was sich nunmehr als falsch herausstellt. Zugleich sind zweiseitige Gegenstempel eine technische Herausforderung und auch nur eine überaus selten angewandte Form der Gegenstempelung, die auf islamischen Münzen erstmals auf Kupfer des Großselǧuqen Malik-Šāh (480er Jahre H.) in der Tübinger Sammlung nachzuweisen ist und späterhin gelegentlich auf aserbaidschanischem Kupfer des Ilḫans Ölǧäitü vorkommt. Das technische Problem ist eigentlich nur mit Hilfe einer typisch byzantinischen Einrichtung, nämlich des Bulloterions, eines zangenartigen Prägegeräts zur Beisiegelherstellung, zu lösen. Seine Anwendung in Malatya im Grenzbereich der byzantinischen und islamischen Kulturen weist auf die Herkunft, auch wenn der ältere und bislang noch unpublizierte großselǧuqische Nachweis vermutlich aus Iṣfahān oder Umgebung kommt, was aber mit dem Aufenthalt von Malik-Šāhs Hofstaat in Aleppo zusammenhängen mag, wo Bulloterien sicher gebräuchlich waren.

Es bleibt noch der reizvollen Frage nachzugehen, wie sich unser Münztyp ohne und mit Gegenstempel hinsichtlich Erkenntnisgewinn und -verlust durch die numismatische Literatur der letzten 150 Jahre verfolgen lässt. Eine erste von einer Münze ausgehende historische Übersicht lieferte der Hamburger Konsul in Konstantinopel A. D. Mordtmann in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft von 1876. 1879 ließen die beiden Numismatiker des Berliner Münzkabinetts Alfred v. Sallet und Adolf Erman eine Zusammenstellung der verschiedenen griechischen Münztypen der Dānišmandiden folgen, die aber nur Prägungen der Hauptlinie in Kayseri und Sivas enthielt. Im selben Jahr konnte Stanley Lane Poole ein erstes Exemplar des hier thematisierten Typs aus einer britischen Privatsammlung vorstellen, allerdings ohne vollständige Lesung der Aufschriften. 1887 publizierte der Byzantinist Gustave Schlumberger weitere Exemplare in der Revue Numismatique mit vollständiger Lesung und Deutung, was nochmals 1894–96 von P. Casanova in den größeren Zusammenhang einer Übersicht aller Münzen der beiden Dānišmandiden-Linien gestellt wurde. Dies war nun die Zeit, in der auch im Osmanischen Reich insbesondere von der hochgebildeten Wesirsfamilie des Hamdi Bey Edhem das Osmanische Museum in Konstantinopel eingerichtet und die islamische Numismatik auf internationalem Niveau gepflegt wurde. Der spätere Bürgermeister von Konstantinopel Halil Edhem ging 1331 H./1913 in seinem Katalog der arabischen Bleisiegel des Osmanischen Museums auf eine interessante Beobachtung Schlumbergers und Casanovas ein, die nicht nur die Münzen Ḏū l-Qarnains veröffentlicht, sondern dazu noch ein Bleisiegel mit der Büste des hl. Basilios und einem arabischen Namen, den sie wohlbegründet Ḏū l-Qarnain lasen und daher auch diesem Dānišmandiden zugeschrieben hatten. Von diesem Bleisiegel konnte Halil Edhem zwei weitere Exemplare vorweisen, welche die Namenslesung leider nicht bestätigten. Haben wir für ein erstes halbes Jahrhundert einen kontinuierlichen Aufstieg und Verbesserung der Übersicht festzustellen, so sollte sich dies in dem Jahrhundert, das auf den türkisch-griechischen Krieg (1919–23) folgte, umkehren. Der kunstbeflissene Istanbuler Theatermann Behzad Butak führte in seinem Typenkatalog turkmenischer Bildmünzen für Münzsammler von 1947 den Münztyp Ḏū l-Qarnains mit Spitzbart unter genauer Wiedergabe der griechischen Umschriften auf, spricht ihn aber als undatiert an, wodurch deutlich wird, dass er die Inschrift nicht verstanden hatte. Auch der 1970 vom gelehrten Ehepaar Artuk veröffentlichte Ausstellungskatalog der islamischen Münzen des Arkeoloji Müze in Istanbul folgt hierin Butak und verwechselt zusätzlich die Zuordnungen der griechischen Aufschriften zu Vorder- und Rückseiten. Auf amerikanischer Seite brachte die Arbeit von Whelan 1980 zwar erhebliche Forstschritte hinsichtlich der Ikonographie der Dānišmandiden-Münzen, doch stellt ihre falsche Datierung des Indiktionsdatums einen Rückschritt dar. Hinzu kommt, dass sie eigentlich als Entdeckerin des Muḥammad-Gegenstempels gelten könnte, da sie auf ein solches Stück in der Sammlung der American Numismatic Society hinweist, ohne es abzubilden oder die griechisch-arabische Zweiseitigkeit des Gegenstempels und der sich hieraus ergebenden Chronologiefolgen zu erkennen. In diesem Sinne war auch die Erstpublikation des hier vorgestellten Stücks 2003 im Bülten der Türkischen Numismatischen Gesellschaft durch die bewährten türkischen Numismatiker Hüsnü Öztürk und Halûk Perk ein Fehlschlag: Unter der Angabe, an einem Gesamtwerk zur Numismatik der Dānišmandiden zu arbeiten, konnten sie Aufnahmen der (eigentlich für eine eigene Publikation vorbehaltenen) Tübinger Münze machen, doch erschien dann ein Aufsatz von 29 Zeilen, in dem nicht nur die griechischen Aufschriften und die Datierung weitgehend ignoriert wurden, sondern (wie zuvor von Whelan) auch die griechische Gegenstempelseite nicht angesprochen wurde. Einen Lichtblick stellen dagegen die Forschungen des aus Tadschikistan stammenden Byzantinisten R. Shukurov dar, welcher die Bildinhalte der dānišmandidischen Münzen in einem geistesgeschichtlichen Kontext neu interpretiert hat und dabei die Schwierigkeit der hybriden Selbstverortung turkmenischer Herrscher im Anatolien des 12. Jh. deutlich machte.

 

weiterführende Literatur:

⦁ Behzad Butak: XI. XII. ve XIII. yüzyillarda resimli Türk Paraları, Istanbul 1947.

⦁ Paul Casanova: Numismatique des Danichmendites, Extrait de la Revue Numismatique 1894, 1895 et 1896, Paris 1896.

⦁ Halil Edhem: Qurshûn muhur qatâloghu, Konstantinopel 1321, speziell S. 49.

⦁ Hüsnü Öztürk/Halûk Perk: „Danişmendliler'den Zülkarneyn'e ait bir sikke ve üzerinde ilk kez görülen bir damga“ in: Türk Nümismatik Derneği Bülten, Nr. 39/40, Istanbul 2003, S. 38–39.

⦁ Rustam Shukurov: „Christian Elements in the Identity of the Anatolian Turkmens (12th-13th centuries)“ in: Cristianità d’Occidente e Cristianiotà d’Oriente (Secoli VI-XI), Settimane di Studio della Fondazione Centro Italiano di Studi sull’Alto Medievo LI, Spoleto 2004, S. 707–764.

⦁ Estelle J. Whelan: „A Contribution to Dânishendid History: The Figured Copper Coins“ in: American Numismatic Society Museum Notes, Nr. 25 (1980), S. 133–166.

MdM Juni 2020

 

Während mit dem Juni der 6. Monat beginnt, ist nach dem islamischen Mondkalender aktuell bereits der 10. im Gange – sein Name: Šawwāl. Zwar gehört er nicht zu den vier „heiligen Monaten“ (in denen kriegerische Handlungen verboten sind), doch kann er – auf den Ramaḍān folgend – gleich zu Beginn mit dem zweithöchsten islamischen Fest punkten, dem des Fastenbrechens (ʿĪd al-Fiṭr). Auch wenn besonders fromme Muslime im Šawwāl sogar noch ein paar Tage der Enthaltsamkeit anhängen, wird das Ende des Pflichtfastens von der Mehrheit mit großer Freude und Erleichterung begrüßt. Entsprechend haben persische und arabische Dichter das Neulicht, dessen bezeugte Sichtung ja für den Monatswechsel entscheidend ist, kreativ besungen, etwa unter dem Gesichtspunkt, dass es – obwohl „dünn und bleich wie ein Asket“ – die Freude des Weintrinkers zurückbringt (vgl. Annemarie Schimmel, Stern und Blume, Wiesbaden 1984, S. 79): In der noch ganz schmalen Mondsichel erkannte man gar den „Schlüssel zur Weinstube“, die im Šawwāl endlich wieder öffnen durfte.

Natürlich wurde das Fastenbrechen auch an mittelalterlichen Fürstenhöfen aufwendig gefeiert, wobei Panegyriker speziell zu diesem Anlass Kassiden verfassten, beispielsweise im Dienste der Ġaznaviden-Dynastie. Diese herrschte über ein Reich, das auf seinem Machthöhepunkt in den 1030er Jahren den Großteil des islamischen Ostens sowie erst neu eroberte Teile Nordindiens umfasste und dessen namensgebende Hauptstadt Ġazna (im heutigen Afghanistan) sich rasch zu einem Zentrum der Kunst und Kultur entwickelte. Zu den zahlreichen Dichtern, die hier Mäzene suchten und fanden, gehörte auch Farruḫī aus Sīstān. Das von ihm hinterlassene Werk besteht aus rund 9000 Versen, von denen so mancher meisterhafte Hintersinnigkeiten enthält, verblümte Kritik und indirekte Warnungen. So etwa Farruḫīs Kasside zum ʿĪd al-Fiṭr des Jahres 421 H. (1030), in welcher der Monat Ramaḍān einleitend als alter Mann personifiziert wird, als Gast, den man zwar ehrt, aber nicht zuletzt dafür schätzt, dass er von selbst merkt, wann er lang genug geblieben und es zur allgemeinen Erleichterung an der Zeit ist, wieder abzureisen.

Sehr schätzenswert an islamischen Münzen ist ja bekanntlich, dass auf Ihnen in aller Regel eine Jahresangabe steht. Manchmal geht die Genauigkeit sogar noch weiter, indem die Inschriften zudem einen Monat nennen, entweder als Teil der üblichen Prägeort-Datum-Formel oder auch separat (im Münzfeld). Als erstes lässt sich die Angabe eines Prägemonats wohl auf Münzen des Fāṭimiden al-Manṣūr beobachten, genauer gesagt macht hier (soweit bekannt) ein Dinar des Jahres 336 H. aus al-Mahdīya (Tunesien) den Anfang, welcher im Šawwāl (Apr. 948) geschlagen wurde. Auch auf al-Manṣūrs sizilianischen Viertel-Dinaren finden sich wenig später Monatsnamen; auf ägyptischen Prägungen begegnen sie unter dem Kalifen al-Muʿizz und unter aẓ-Ẓāhir erneut auf Münzen aus Palermo. Beispiele für weitere Herrscherhäuser, von denen es einzelne Münztypen mit Monatsangaben gibt, wären die Rūm-Selǧuqen und die ägyptischen Mamlūken, die Šaddādiden und Ġūriden, die Miḥrabāniden und Mongolen. Die Dynastie, welche einem zu diesem Phänomen aber vielleicht als erstes einfällt und unter welcher auch unsere Münze des Monats entstand, sind die Ġaznaviden. Bei ihnen ist es das Jahr 420 H. (1029), in dem auf Dinaren und Dirhams aus Ġazna, Herāt und Balḫ der Monat hinzugefügt wird, und zwar ab Ḏu l-Qaʿda, dem Monat, welcher auf den Šawwāl folgt (und in Indien „der Leere“ heißt, weil er keine allgemein gültigen Feiertage enthält). Die Reihe setzt sich 421 H. wenigstens bis in den 7. Monat lückenlos fort und auch sonst lässt sich konstatieren, dass jeder der zwölf Monate numismatisch belegt ist, was die Frage verneint, ob womöglich nur ganz bestimmte Monate eine Rolle spielten (d. h. beispielsweise anlässlich eines Monats geprägt wurde). Bestand also einfach ein Bedürfnis nach einer feineren Datierung, einer genaueren Nachvollziehbarkeit der Prägeverantwortung und besseren Abrechenbarkeit seitens der Münzstätte (hinsichtlich der Metalleinlieferungen)? Fortlaufende Reihen, wie sie sich ebenso im Falle der fāṭimidischen Dinare und Tifliser Dirhams des Großḫāns Möngke ergeben, vermitteln jedenfalls den Eindruck monatlicher Emissionen. Jedoch sind dies immer nur relativ kurze Phasen; die Monatsangabe wurde nie dauerhaft eingeführt oder in sämtlichen Münzstätten.

Auch unter den Ġaznaviden blieb es bei vereinzelten Jahren, in denen (nach Bedarf oder Belieben) Münzen mit Monatsnamen – oder speziellen Monatsepitheta – geprägt wurden, und zwar noch bis in die Regierungszeiten Farruḫzāds und Ibrāhīms (2. Hälfte 11. Jh.). Welchem Herrscher die FINT-Münze des Monats zuzuordnen ist, steht auf der Rückseite des 3,73 g schweren Silberstücks nach li-llāh fatḥ li-llāh / Muḥammad rasūl Allāh: Während die beiden Ehrennamen Šihāb ad-Daula / wa-Quṭb al-Milla – d. h. „Flamme der Herrschaft und Pol der Glaubensgemeinschaft“ – hier noch in normalem Kūfī geschrieben sind, wurde für den folgenden Namen Maudūd eine Kursive gewählt, wie sich insbesondere am dāl erkennen lässt. Dieses Spiel mit verschiedenen Schriftarten ist für ġaznavidische Münzen nicht untypisch und schon der erste Einsatz eines kursiven Duktus auf Münzen (der Banīǧūriden) hatte der Hervorhebung eines bestimmten Herrschernamens gedient. Die Rev.-Umschrift zitiert aus Sure 30, Vers 4–5; halbwegs lesbar davon ist al-muʾminūn. Von der Inschrift, die das Av.-Feld mit dem ersten Teil der šahāda und der Nennung des Kalifen al-Qāʾim bi-Amr Allāh (unterste Zl.) umläuft, ist gerade genug zu erkennen, um das Prägejahr 433 H. zu rekonstruieren; Prägeort ist Ġazna. Rechts und links im Av.-Feld finden sich als Münzzeichen die Buchstaben س und ع, direkt über ilāh das Wörtchen ʿadl („Gerechtigkeit“) und, ganz oben, der Monatsname Šawwāl. So wie im Jahre 2020 deckte sich damals, anno 1042, der Großteil dieses Monats mit unserem Juni.

Als der Dirham geprägt wurde, war der Ġaznavide Maudūd erst seit etwa einem Jahr an der Macht. Den Thron hielt zuvor noch sein Onkel Muḥammad besetzt, als Marionette jener Rebellen, die Maudūds Vater Masʿūd 1040 gestürzt und wenig später getötet hatten. Muḥammad war bis dahin ein Gefangener seines Bruders Masʿūd gewesen, was daran lag, dass man ihn 1030 (421 H.) schon einmal für wenige Monate inthronisiert hatte, in direkter Nachfolge des berühmten Maḥmūd von Ġazna. Dabei war damals für die meisten klar gewesen, dass sich Masʿūd (als Maḥmūds ursprünglicher Kronprinz, fähiger Heerführer und Statthalter wichtiger Provinzen) viel mehr zur Herrschaft eignete als der primär an kulturellen Vergnügungen, Luxus und Genuss interessierte Muḥammad. Als letzterer in Ġazna den Thron bestieg, operierte Masʿūd mit seinen Truppen zunächst auch noch im fernen Westiran, zog dann aber bis nach Herāt, wobei deutlich wurde, dass er sich seinem jüngeren Bruder nicht unterzuordnen gedachte (zumal seinen Anspruch inzwischen auch der Kalif stützte). Während sich die Lage dementsprechend zuspitzte, ging der Fastenmonat ins Land und es war das folgende ʿĪd al-Fiṭr, zu dem Farruḫī besagte Kasside an Muḥammad richtete. Das doppeldeutige Gedicht steckt voller Anspielungen auf Muḥammads drohende Verdrängung durch Masʿūd (s. Julie Scott Meisami, „Ghaznavid Panegyrics: Some Political Implications“ in: IRAN, Bd. XXVIII, S. 37 f.) und tatsächlich dauerte es nach dem Fest wohl nur noch Stunden, bis die führenden Persönlichkeiten des Hofes und der Armee Muḥammad unter Arrest stellten und seinen Bruder als Herrscher anerkannten, wie sie diesem in einem Brief vom 3. Šawwāl mitteilten. Auch Masʿūd hatte da das Ramaḍān-Ende 421 H. in Herāt mit Pomp begangen. Nachdem er, wie es heißt, schon seit fünf oder sechs Monaten kein Trinkgelage mehr veranstaltet hatte, floss der Wein damals in Strömen und 422 H. war er es, an den Farruḫī seine ʿĪd-al-Fiṭr-Kasside adressierte. Muḥammad soll bei seiner Absetzung in Trübsal verfallen sein und erst nach einigen Tagen wieder seufzend zum Weinbecher gegriffen haben. Seine 2. Herrschaft im Anschluss an Masʿūds Ermordung endete 1041 genau wie sein Leben in einer Schlacht gegen Maudūd; sie hatte wieder nur einige Monate gedauert – in einer Zeit, in der es sozusagen auch schon „Münzen des Monats“ gab.

Sebastian Hanstein

MdM Mai 2020

 

Normally, the beginning of May is the lively time when the FINT hosts the annual Tübingen meeting of the Oriental Numismatic Society (ONS), but this year (many) things are different – regrettably, our international conference had to be cancelled. One of the scholars who would have participated is associate professor for archaeology in one of the countries worst affected by the current coronavirus pandemic: Alberto Canto García from the Autonomous University of Madrid (Departamento de Prehistoria y Arqueología). A well-known expert for the coinage of the Iberian Peninsula under Islamic rule, he has chosen a remarkable type from al-Andalus in order to present another MdM guest contribution.


Coin production in the Umayyad Caliphate of Córdoba seems to be governed by a careful administrative control that is reflected in the epigraphic distribution of the coins’ design. Within the classic distribution of the obverse, containing a religious legend, and the reverse, containing the name and titles of the caliph, in one of them (which may vary according to the caliphs) always appears another personal name that, for more than a century, had been linked to the master of the mint, the ṣāḥib al-sikka.

F. Codera (1878) published a first list of these names in which he proposed possible assignments to characters cited in Arabic sources; more than half a century later, G. C. Miles returned to the subject and identified some characters (Miles 1950, pp. 55–86). Around 1980, a source of enormous interest for the reign of ʿAbd al-Raḥmān III, the first caliph of Córdoba (r. 912–961), was published: the 5th volume of the chronicle al-Muqtabis composed by the historian Ibn Ḥayyān (d. 1076). Although it does not cover the caliph’s entire reign, one of the paragraphs provides a list, more or less complete, with the names of the aṣḥāb al-sikka during his reign, sorted by chronological order. It was the first time their data could be contrasted with that of coins (Canto 1987).

The result was threefold. Firstly, the sequence contained in the Muqtabis perfectly matched the sequence of names and dates on the known coins. Therefore, it has to be concluded that the source information is first hand and absolutely reliable. Secondly, a large part of the names did not match at all with what had been proposed by Codera or Miles, another example of the complexity of the monetary administration of the caliphate – more complex than we thought. Thirdly, there is a name on the coins of the years 334–335 H. / 945–946 that does not appear on Ibn Ḥayyān’s list: هشام Hishām.

With that we arrive at this month’s coin, a 335/946 dirham from al-Andalus mint, of remarkable size (⌀ 2.8 cm) and heavy weight (4.02 g), issued just one year before the mint moved from the capital city of Córdoba (= al-Andalus) to the new palace city of Madīnat al-Zahrāʾ, the official residence of the caliph ʿAbd al-Raḥmān III (see MdM Jan. 2019).

The series of coins with the name Hishām was reviewed many years ago (Canto 1986), when their stylistic, formal and metrological aspects were structured: both dinars and dirhams were issued. As has been said, a person called Hishām is not included in Ibn Ḥayyān’s aṣḥāb al-sikka account. Two series of dirhams were coined: one of greater size (large planchets) and weight and the other of smaller weight and size.

Although it has been proposed that this series is “normal” (Frochoso 1996) and that it falls between the two sequences of coins whose names we know (334/944, signed by Muḥammad, and 335/945, by ʿAbd Allāh), the formal data prevents us from accepting it. My proposal is that these coins are parallel to normal issues, and were issued due to some exceptional reason that justifies their variations in weight and modulus and their different epigraphic distribution. If we look at the information of the hoards, the one of Haza del Carmen, the largest hoard containing Spanish Umayyad caliphal silver coins ever studied, contained 58 dirhams minted in 334/945, 42 of which with the name Muḥammad and 16 with the name Hishām (5 of large module and 11 small), that is 27% of the total. From the year 335/946 it contained 50 coins: 30 with ʿAbd Allāh and 10 with Hishām (all of large module), that is 20% of the total (Canto 2006).

All coins issued by ʿAbd al-Raḥmān III, dinars as well as dirhams, always show the ṣaḥib al-sikka name on the obverse and under the central legend (except for one or two very rare cases), but in the case of Hishām the name appears on the reverse of the dirham (on gold coins, it appears in its usual place: the obverse). The fact that the name Hishām is given on the same side as the name and titles of the caliph (al-imām / al-Nāṣir li-Dīn / Allāh ʿAbd al-Raḥmān / amīr al-muʾminīn, cf. MdM Jan. 2019) is completely novel. Therefore, these coins differ in their metrological aspects, organization and distribution of legends, size ... – all of which leads us to consider them as the first ceremonial coins issued in al-Andalus.

There are only two events that we can link, with a certain logic, as the raison d'être of these coinages: One would be the transfer of the court to Madīnat al-Zahrāʾ, something that was done in stages and does not seem to be definitive until 336/947, when the mint finally goes to al-Zahrāʾ; the second would be the Byzantine embassy of the years 334–336/945–947. In my opinion, and despite doubts about the exact date of this embassy, it seems clear that in 335/946 there were Byzantine representatives in Córdoba (Signes 2004). Could these coinages have been intended to commemorate this event? It seems the most plausible explanation at the moment. Still, the enigmatic Hishām remains to be identified ...

 

⦁  CANTO GARCÍA, Alberto: “An extraordinary issue of Abd al-Rahman III” in: Proceedings of the 10th International Congress of Numismatics, London 1986, pp. 401–407.

⦁  ———  “Los Ashab al-Sikka de 'Abd al-Rahman III, según ibn Hayyân y el testimonio de las Monedas” in: Cuadernos de Prehistoria y Arqueología, vol. 13–14, 1987, pp. 271–276.

⦁  ———  Hallazgo de monedas califales de Haza del Carmen (Córdoba), Córdoba 2006. 

⦁  CODERA Y ZAIDÍN, Francisco: Títulos honoríficos y nombres propios en las monedas arábigo-españolas, Revista Universidad de Madrid, vol. VI, No. 4, 1878, pp. 373–390.

⦁  FROCHOSO SÁNCHEZ, Rafael: Las monedas califales. De ceca Al-Andalus y Madinat al-Zahra 316-403H, 928-1013 JC, Córdoba 1996.     

⦁  IBN ḤAYYĀN, Abū Marwān Ḥayyān ibn Khalaf al-Qurṭubī: Al-Muqtabis fī taʾrīkh rijāl al-Andalus, ed. Pedro Chalmeta / Federico Corriente / Mahmud Sobh, Madrid 1979;  tr. María Jesús Viguera / Federico Corriente: Crónica del Califa ʿAbddarraaḥmān III An-Nāṣir entre los años 912 y 942, Zaragoza.

⦁  MILES, George C.: The Coinage of the Umayyads of Spain, part one, New York, New York 1950.

⦁  SIGNES CODOÑER, Juan: “Bizancio y al-Ándalus en los siglos IX y X” in: Bizancio y la Península Ibérica. De la Antiüedad Tardía a la Edad Moderna, ed. Inmaculada Pérez Martín / Pedro Bádenas de la Peña, Madrid 2004, pp. 117–245.

MdM April 2020

 

Nach Berichten von schlimmen Infektionskrankheiten, die sich rasch und unaufhaltsam über mehrere Länder ausbreiteten, muss man auch in mittelalterlichen Chroniken der islamischen Welt nicht lange suchen, wobei überhaupt nur die wirklich großen Seuchen eine Erwähnung wert waren. In der Regel erfährt man zumindest, wann eine Epidemie wo grassierte und wie viele Tausend Menschen ihr (an diesem oder jenem Ort) zum Opfer fielen. Was oft unklar bleibt, ist die Art der Massenerkrankung, da meist einfach der allgemeine arabische Begriff wabāʾ verwendet wird, welcher sich am besten mit „Seuche“ übersetzen lässt und z. B. Typhus ebenso wie die Influenza oder Cholera meinen kann. Zu differenzieren pflegte man, wenn es sich um die Pocken (ǧudarī) handelte oder aber um die Pest (ṭāʿūn).

Die erste belegbare Pest-Epidemie ist die sog. Justinianische Pest im spätantiken Mittelmeerraum und weiteren Regionen Europas und Vorderasiens. Diese hatte zwar unter dem oströmischen Kaiser Justinian zu wüten begonnen, trat aber auch lange nach dessen Tod (565) noch in etlichen Wellen auf – bis in die Mitte des 8. Jahrhunderts. So ist schon die früheste Geschichte des Kalifenreiches auch eine Geschichte großer Seuchen-Ausbrüche, vor denen sich die Umayyaden vorzugsweise in ihre Wüstenschlösser zurückzogen. Tatsächlich fiel das Ende jener Pestwellen-Zeit mit der gewaltsamen Ablösung der Umayyaden durch die ʿAbbāsiden (s. MdM Jan. 2019) zusammen, was die Sieger selbstverständlich in ihre Propaganda aufnahmen. Ein Vertreter der neuen Dynastie erklärte den Damaszenern in einer Rede, welch göttliche Gnade es doch sei, dass die Pest mit der Machtübernahme der ʿAbbāsiden aufgehört habe, worauf ein schlagfertiger Zuhörer erwiderte, dass Gott eben zu gnädig sei, um die Menschen mit zwei solchen Plagen wie der Pest und den ʿAbbāsiden gleichzeitig zu geißeln.

Die größte ṭāʿūn-Pandemie – der sog. „Schwarze Tod“, dem unsere Münze des Monats selbst „begegnet“ sein dürfte – brach bekanntlich im 14. Jh. aus. Zuerst trat die verheerende Seuche irgendwo in (Ost-)Zentralasien auf, von wo aus sie bald den Weg westwärts an die Wolga fand, in das Mongolen-Reich der Goldenen Horde. Dessen Herrscher Ǧānī-Beg belagerte damals, 1346, gerade die Stadt Kaffa, bei der es sich um die Hauptkolonie der Seerepublik Genua auf der Krim handelte. Im Laufe dieser Belagerung soll der Mongole Pest-Leichen über die Stadtmauer katapultiert haben; einnehmen konnte er Kaffa aber auch bei diesem Versuch nicht – dafür verbreitete sich die Seuche nun über das genuesische Handelsnetz im gesamten Mittelmeerraum. 1347 erreichte sie nicht nur Byzanz und Sizilien, sondern auch Ägypten, wo die Baḥrī-Mamlūken-Dynastie der Qalāʾuniden regierte. Als qipčaqische Militärsklaven selbst aus dem Machtbereich der Goldene Horde stammend, unterhielten die Baḥrī-Mamlūken dorthin freundschaftliche Beziehungen und importierten aus den Steppen östlich des Schwarzen Meeres in aller erster Linie und großem Umfang frischen Nachschub an türkischen Sklaven. Diesen intensiven Handel (als dessen Zentrum Kaffa galt) dominierten mit ihren Flotten und Niederlassungen Venedig und Genua und so war es wahrscheinlich ein italienisches Sklavenschiff, zu dem in einer ägyptischen Quelle exemplarisch die folgende Beobachtung überliefert ist: Von insgesamt 332 Mann an Bord waren bei Ankunft in Alexandria noch ca. 45 am Leben und selbst diese verstarben noch im Hafen – an der Pest. Ob mit Schiffen wie diesem eher infizierte Ratten einreisten oder Flöhe, die vielleicht auch in den ebenfalls gehandelten Pelzen saßen – fest steht, dass bis 1349 selbst Oberägypten betroffen war und die Epidemie von Alexandria aus zudem via Gaza nach Palästina und Syrien vordrang, das ebenfalls zum Mamlūken-Reich gehörte.

Damaskus erreichte der „Schwarze Tod“ 1348 und von dort und aus genau diesem Jahr stammt die Münze des Monats, ein 2,79 g schwerer fals. Die Münzstättenangabe (ḍarb Dimašq) findet sich auf dem Avers unten in Zeile drei, während die beiden anderen (durch Linien getrennten) Zeilen die Herrschernennung enthalten: al-malik an-Nāṣir Ḥasan (mittlere Zl.) / ibn Muḥammad (obere Zl). Anders als sein Vater Muḥammad b. Qalāʾun war Sultan Ḥasan ein eher schwacher Herrscher, eine zwischenzeitlich ab- und dann wieder eingesetzte Marionette in den Händen mächtiger Emire, was aber auch daran lag, dass er den Mamlūken-Thron als Minderjähriger bestieg – nur wenige Monate bevor die große Pest auch Kairo heimsuchte. Immerhin überlebte Ḥasan die Seuche, zu deren Höhepunkt im Herbst/Winter 1348 er aus der ägyptischen Hauptstadt in die einige Kilometer nördlich davon gelegene Palastanalage Siryāqūs gewichen war. In Damaskus starben damals täglich 1000–2000 Menschen. Schon im Juli hatte der Gouverneur der Stadt die Abschaffung der Gebühren für Leichenbahren, -waschungen und -transporte angeordnet, weil die Kosten für ein normales Begräbnis kaum noch zu bezahlen waren. Die Toten wurden teils auf Kamelen zu ihren Gräbern geschafft; viele kamen erst mit großer Verspätung unter die Erde oder überhaupt nicht. Die Begräbniszeremonien gerieten zur Massenabfertigung, wobei im Oktober selbst die Umayyaden-Moschee nicht mehr genügend Platz für alle Leichen bot. Um bei Gott eine Erlösung von der Plage zu erwirken (als deren Ursache ja eine Verderbung der Luft angesehen wurde), hatte man schon im Sommer spezielle Koransuren und Bittgebete erklingen lassen und insbesondere die ḥadīṯ-Sammlung Ṣaḥīḥ al-Buḫārī rezitiert. Nachdem man im Juli drei Tage lang streng gefastet hatte, fand sogar eine bislang ungekannte Massen-Bittprozession statt, zu der die gesamte Bevölkerung aufgerufen war. Alle flehten gemeinsam um Erlösung, legten Gelübde ab und lobpreisten Gott; Muslime, Christen und Juden trugen ihre jeweilige heilige Schrift voran. Selbst hohe Würdenträger zogen barfuß von der Umayyaden- zur al-Qadam-Moschee, wie uns der berühmte Reisende Ibn Baṭṭūṭa als Augenzeuge berichtet.

Ibn Baṭṭūṭa registrierte auch, wie in Damaskus die Preise explodierten, v. a. wegen der gestiegenen Arbeitskosten. In Kairo verlor der Dinar gegenüber dem Dirham deutlich an Wert, vielleicht weil notgedrungen mehr Gold in Umlauf kam. Der Wert von Kupferkleingeld wie der Münze des Monats war ohnehin nur staatlich dekretiert. Nach dem Prägeort ist darauf am Ende der dritten Av.-Zeile noch das Wort sanata, „im Jahre“, zu lesen. Auf dem Revers ist nicht etwa ein Corona-Virus abgebildet, im Zentrum des Kranzes steht (als Fortsetzung der Av.-Inschrift) die Jahreszahl tisʿ wa-arbaʿīn = [7]49 H. = 1348/49.

1351 wurde an-Nāṣir Ḥasan unter Hausarrest gestellt, 1355 auf den Thron zurückgeholt. Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet von diesem Sultan und aus dieser Krisenzeit eines der großartigsten Bauwerke der islamischen Kultur stammt: der monumentale Sultan-Ḥasan-Madrasa-Moschee-Komplex (Video) nahe der Kairoer Zitadelle. Die Errichtung – an der Architekten und Handwerker aus Syrien, dem Irak und Iran beteiligt waren – dauerte von 1356/57 bis 1363. Doch wie konnte Ḥasan (welcher bereits 1361 ermordet wurde) dieses ehrgeizige Großprojekt finanzieren? Immerhin kostete der Bau täglich 20.000 Dirham, zumindest während der ersten drei Jahre, in denen ohne Unterbrechung daran gearbeitet wurde. Angeblich half ein großer Schatzfund, der auf der Baustelle gemacht wurde. Genauer gesagt, soll es sich um yūsufī-Gold gehandelt haben, womit wohl Dinare des Almohaden Abū Yaʿqūb Yūsuf I. (reg. 1163–84) gemeint sind, die wegen ihres hohen Feingehaltes weit verbreitet waren und tatsächlich in ägyptischen Schatzfunden vorkommen. Zu bedenken ist auch, dass auf dem Baugrund zuvor die Palastanlagen zweier Emire standen, welche Ḥasan abreißen ließ. Die Haupterklärung für die Baufinanzierung ist wohl aber eine andere: Abgesehen davon, dass Epidemien (wenngleich Kriege eine noch größere Rolle spielten) zu den schlussfolgerbaren Gründen gehören, aus denen besonders viele Menschen von ihnen verborgene Münzen nie mehr bargen, forderte der „Schwarze Tod“ so viele Opfer, dass deren Besitz oft mangels Erben an den Staat überging.

Sebastian Hanstein

MdM März 2020

 

The following guest contribution comes from Alexander Akopyan, a numismatist specialized in the history of the Caucasus region, whose constant output of papers (including articles regarding Ṣafavid Iran) is quite remarkable. After having successfully defended his PhD thesis (about “Coins and Hoards of the Khanates of Ganja, Shushi, Yerevan, and Nakhichevan”) at the Kazan Federal University in 2019, he has become a member of the Department of Oriental Written Sources at the Institute of Oriental Studies of the Russian Academy of Sciences in Moscow.

 

One of the oldest dates for New Year in agricultural societies is associated with the awakening of the nature’s forces in early spring. Going back to the Achaemenid era, the peoples of the Iranian world celebrate it on the day of the vernal equinox, 2020: March 20. It is called Nowruz, which means ‘new day’. A very typical Nowruz custom is the haft-sīn – an arrangement of seven symbolic items beginning with the letter s (in Persian): wheat (sabze), sweet pudding (samanū), Persian olive (senjed), vinegar (serke), apple (sīb), garlic (sīr) and sumac spice (sumāq). Quite often, coins (sekke) were also added to the Nowruz table, and it has been since ancient times that coins do not only play an economic role in human life, but also fulfill other cultural functions, one of which is apotropaic. Until recently, or perhaps even still today, people have carried e. g. an old coin “for good luck” or specially bought two-dollar bills to “attract wealth” in their wallets. Coins charged with such non-economic meanings are used significantly longer than typical, and when they are hoarded, it critically biases the age structure of the hoard. Oriental hoards are no exception, and the separation of “non-economic coins” in them can be very important to a hoard’s correct interpretation. In this respect, it is interesting to look at one very famous and widespread mediaeval Persian coin type, which played a special role among various Shiite groups and was used from the sixteenth to twentieth century due to people’s piety for it.

The history connected to this month’s coin goes back to the time after the proclamation of Twelver Shiite Islam as the state religion in Persia under Ismāʿīl Ṣafavī (r. 1501–1524) – a move reflected in Ṣafavid coinage: From this time onward, the characteristic feature of the obverse became the mandatory adding of the phrase ʿAlī walī Allāh (“ʿAlī is the friend of God”), devoted to the fourth caliph ʿAlī ibn Abī Ṭālib (r. 656–661), at the end of the shahāda, the Islamic creed of faith lā ilāha illā llāh Muḥammad rasūl Allāh (“There is no god but God, and Muḥammad is the messenger of God”). During the reign of Shah ʿAbbās the Great (1587–1629), which was marked by significant changes in monetary policy and coinage, some coin types began to show only the phrase ʿAlī walī Allāh within the central field, the rest of the shahāda was moved to the circular marginal inscription. This change was anchored on the silver 100-dinar coins – known in Persia as muḥammadī or maḥmūdī – minted in the 17th–18th centuries mainly in Ḥuwayza (Ḥoveyzeh). The city of Ḥuwayza was the capital of Khuzistān (or ʿArabistān), then a semi-autonomous vassal kingdom (wilāyat) bordering the Ottoman Empire and the Persian Gulf, and ruled by the local extreme Shiite Mushaʿshaʿ dynasty.

The FINT coin of this month is such a muḥammadī 2-shāhī-coin, weighting 3.79 g. On its obverse the Shiite shahāda was placed, with ʿAlī walī Allāh in the central circle. After lā ilāha illā llāh Muḥammad rasūl Allāh in the marginal legend the names of two Imams are legible: Muḥammad and Jaʿfar (al-Bāqir and al-Sādiq). The script of all legends is upright naskhī. On the reverse the mintname is given: żarb-i Ḥuwayza (“struck in Ḥuwayza”), written in three parts from bottom to top and starting with żar (at 4 o'clock) outside the central cartouche, while the rest appears within. The date is not given or not preserved, but around the centre the Persian inscription [ʿAbbās] banda-yi shāh-i vilāyat (“ʿAbbās is the servant of the king of holiness”, i.e. of ʿAlī ibn Abī Ṭālib) is at least partly visible. From the outer marginal legend only the name ʿAbbās can be read, and so this coin doesn’t clearly indicate whether it was ʿAbbās I or ʿAbbās II (r. 1642–1666) under whom it was struck – further research is needed.

Written sources indicate high confidence in the Khuzistān muḥammadīs. Thus Engelbert Kaempfer (1651–1716), a German naturalist, physician, and writer known for his journey to Russia, Persia, South-East and East Asia, reports that when Shah Sulaymān I (r. 1666–1694) checked his treasury, only Khuzistān muḥammadīs were found to be of good quality, while the rest of the coins were rejected. Indeed, numismatic data indicates the geographically wide-spread use of muḥammadīs from Transcaucasia to India as well as the circulation of their earliest issues until the middle of the 19th century, and even perhaps their coinage outside of Khuzistān. On the other hand, the poor quality of other Persian coins of the 17th century does not find any confirmation, whereas a good number of precisely the Khuzistān muḥammadīs are known for poor quality and light weight, which forced the search for an explanation of their popularity in non-economic reasons.

The confessional situation in Persia was complex, and orthodox Twelver Shiism was not the only form of Shiite Islam common in Persia. At the end of the 19th century the number of ghulāt Shiites – “radical” sects like the Ahl-i Ḥaqq, Mushaʿshaʿ and others, who deified ʿAlī and believed in his subsequent incarnations etc. – was estimated at no less than two-fifths of the Persian population (even taken into account taqiyya, the practice of permitted concealment of sectarians’ true religion). Groups of ghulāt mostly inhabited the western regions of Persia along the border with the Ottoman Empire (where they had come from), from Mākū to the Persian Gulf. The famous Russian orientalist V. A. Gordlevsky (1876–1956) recorded at the beginning of the 20th century among the Ahl-i Ḥaqq of the north-western Iranian city of Mākū the legend about the journey of “Shah Mehmed” (as they called one of the incarnations of ʿAlī, i.e. the deity in their belief, who lived in the 17th century) to Ḥuwayza, where “coins in his name were minted: the word Havize was struck on the one side, and the Muslim creed on the other” (Gordlevsky, “Kara-koyunlu” in: Izvestiya Obščestva Obsledovaniya i Izučeniya Azerbaydžana, no. 4, Baku, 1927, p. 14). This legend is a key to the understanding why Khuzistān muḥammadīs with the central legend ʿAlī walī Allāh were so popular in the Persianate world during the 17th to 19th centuries and why they were regularly added to hoards (sometimes their proportion is 1%, but they are almost always contained, even if they are separated from the other coins by a gap of several decades). Another mention of muḥammadīs in a sectarian environment is fixed in the Kitāb Burhān al-Ḥaqq, compiled in 1962: For the initiation ceremony “there should be a muḥammadī coin on which to cut the nutmeg, but if one cannot be found, then any coin will do. The pīr should look after this coin before the ceremony so that it is ready”.

Apparently, the transposition of emphasis in the shahāda to ʿAlī, which was fixed among ghulāt-inhabited Khuzistān, later fell under a double interpretation in Persia. First, among the ghulāt themselves, the text of the Khuzistān coins was interpreted as the coinage of a deity, “Shah Mehmed”, which apparently became the reason for their being named muḥammadīs (or maḥmūdīs). Secondly, the Persian authorities created a legend about the exceptional quality of these coins, which should be interpreted as an attempt to rationally explain their special popularity with the population for several centuries. Thus, a combination of numismatic and narrative data shows that Khuzistān muḥammadīs were used as a kind of baraka, as a special coin that “blessed” savings, which makes us take a somewhat different look at the process of saving in the medieval Persian society.

 

MdM Februar 2020

 

Am 3. Februar des Jahres 1094 fiel die situationsgemäße Entscheidung, dem Text auf den Bagdader Münzen (sikka) einen neuen Herrschernamen hinzuzufügen, was dem betroffenen Namensträger (welcher schon seit ein paar Wochen in der Stadt weilte) Anlass zu großer Freude geben musste (war damit doch ein wichtiger Etappensieg im Machtkampf mit familieninternen Rivalen errungen). Nur wenige Stunden später wurde den ersten klar, dass außerdem ganz unerwartet noch der Name eines anderen Herrschers auf den Münzen geändert werden musste, woraufhin in der Tigris-Metropole bald öffentliche Trauerfeierlichkeiten abgehalten wurden. Nach islamischer Zeitrechnung schrieb man da seit kurzem das Jahr 487, das Prägejahr unserer Münze des Monats.

Bagdader Dinare der Jahre 485 und 486 weisen eine entscheidende Besonderheit gegenüber fast allen Münzen auf, die sonst während der Zeit der Großselǧuqen in Bagdad geprägt wurden: Auf ihnen ist nur der (seit langem weitgehend entmachtete) ʿAbbāsiden-Kalif mit seinem designierten Thronfolger genannt – und kein Selǧuqe! Das hatte es schon einmal im Jahre 455 (1063) nach dem Ableben des ersten Selǧuqensultans Toġrı̊l-Beg gegeben und auch 485 (1092) war es der Tod des Sultans (Malik-Šāh), welcher es den (hierdurch geretteten, weil von Malik-Šāh zuletzt massiv bedrohten) Kalifen al-Muqtadī bi-Amr Allāh wagen ließ, die Selǧuqenherrschaft nicht länger auf den Münzen sowie in der Freitagspredigt anzuzeigen. Der seit 1075 regierende ʿAbbāside nutzte also jene schwere Krise des Sultanats, welche die umgehend ausbrechenden Nachfolgekämpfe innerhalb der Selǧuqendynastie bedeuteten, für einen weiteren Schritt aus, (wenigstens in Bagdad) wieder mehr Autonomie zu gewinnen und die drückende „Schutzherrschaft“ der Selǧuqen über das Kalifat irgendwann ganz abzuschütteln. Zu den Erfolgen, welche die ʿAbbāsiden auf diesem Weg bereits verbuchen konnten, gehörte die Rückgewinnung der Zuständigkeit für die Bagdader Münze im Jahre 1069/70.

Anno 486 H. (1093) kamen u. a. zwei wichtige Personen nach Bagdad. Der erste war ein Mekka-Pilger und Prediger aus Marv namens Ardašīr al-ʿAbbādī, welcher als großer Gelehrter Anerkennung fand und Massen von Zuhörern anzog. Zu den Dingen, die er öffentlich kritisierte, zählte der (erst im Vorjahr – offenbar erfolglos – untersagte) Verkauf von Dinar-Fragmenten gegen ganze Dinare, weil zwischen den Bruchstücken und den vollständigen Münzen ein Wertunterschied gemacht wurde, man von beiden folglich nicht gleiche Goldmengen austauschte und sich daraus ein im Islam verbotener, da ungerechtfertigter Gewinn ergibt (arab. Fachterminus: ribā). Interessanterweise war es genau diese Kritik, derentwegen al-ʿAbbādī (von Kalif oder Sultan?) ein Auftrittsverbot erhielt und der Stadt verwiesen wurde. Der zweite Mann, der neu nach Bagdad kam, hieß Berkyaruq und war der älteste Sohn des unlängst verstorbenen Malik-Šāh. Nachdem al-Muqtadī bereits die Anfragen zweier anderer rivalisierender Selǧuqen-Sultane auf Anerkennung in der Bagdader Freitagspredigt (ḫuṭba) abgelehnt hatte, suchte nun auch Berkyaruq diese offizielle Bestätigung seiner Herrschaft durch den Kalifen. Da der junge Sultan mit seinen Truppen persönlich zugegen war und man sich auch auf eine Geldzahlung in Zusammenhang mit dem obligatorischen Treueeid (baiʿa) geeinigt hatte, blieb dem ʿAbbāsiden wohl kaum eine andere Wahl, als dem Ersuchen dieses Mal stattzugeben. Er beauftragte jedenfalls seinen Kanzleischreiber mit dem Aufsetzen einer Ernennungsurkunde (ʿahd) und ließ Berkyaruq von seinem Wesir Ehrengewänder überbringen. Als dem Kalifen al-Muqtadī dann die fertige Ernennungsurkunde vorgelegt wurde und er sie geprüft hatte, setzte er seine Unterschrift darauf und anscheinend erklang noch am selben Freitag, dem 3. Februar 1094, erstmals Berkyaruqs Name in der Bagdader ḫuṭba.

Im Anschluss an die Urkundenunterzeichnung nahm al-Muqtadī eine Mahlzeit ein und wusch sich die Hände. Plötzlich fragte er seine Haushälterin: „Wer sind diese Personen, die ohne Erlaubnis vor Uns getreten sind?“ Die Haushälterin schaute sich um, doch war niemand zu sehen. Als der Kalif daraufhin zu Boden sank, konnte sie nur noch seinen Tod feststellen und informierte umgehend den Wesir. Im Folgenden begann man damit, al-Muqtadīs Sohn und designiertem Thronerben Abū ’l-ʿAbbās Aḥmad die Treue zu schwören – sein Thronname lautete al-Mustaẓhir bi-’llāh. Auch Berkyaruq wurde die baiʿa für den neuen (und ebenfalls noch jungen) Kalifen abgenommen, als man ihn über al-Muqtadīs Tod benachrichtigte. Die Öffentlichkeit erfuhr davon erst am 7. Februar – seit dem Tod des ʿAbbāsiden waren da schon drei Tage vergangen –, und auch die Prägung neuer Münzen konnte nicht mehr ewig warten. Für Dinare mit Berkyaruqs und al-Muqtadīs Namen hatte es natürlich keine Zeit gegeben, sodass auf den ersten Prägungen aus Bagdad mit dem Namen des gerade noch so vom alten Kalifen bestätigten Selǧuqensultans auch gleich der neue Kalif erscheint. Um genau solch einen „Debüt-Dinar“ handelt es sich bei der Münze des Monats; das Prägejahr 487 und der Prägeort Madīnat as-Salām, „Stadt des Heils“, also Bagdad, sind in der inneren Umschrift auf der Vorderseite angegeben (äußere Umschrift: Koran, 30:4–5). Der Name al-Mustaẓhir bi-’llāh findet sich in der vorletzten Zeile des Avers-Feldes, der Kalifentitel „Befehlshaber der Gläubigen“ in der untersten und der Imam-Titel ganz oben.

Für die (486 H., wie gesagt, noch ausgesetzte) Sultansnennung muss man sich der Rückseite des 4,19 g schweren Goldstücks zuwenden. Unter li-’llāh / Muḥammad rasūl Allāh / ṣallā ’llāh ʿalaihi  (vgl. MdM Mai 2019) ist hier Muʿizz ad-Daula / al-Qāhira / Berkyāruq zu lesen; der Selǧuqe erscheint also (nur) mit seinem türkischen Eigennamen sowie dem ihm vom Kalifen verliehenen Ehrennamen „der die bezwingende Regierung [der ʿAbbāsidenkalifen] Stärkende“. Ausgerechnet der Sultanstitel und Berkyaruqs höchstrangiger Ehrenname Rukn ad-Dīn („Stützpfeiler der Religion“) sind hingegen auf Bagdader Münzen nie aufgeführt – während sie auf Dinaren aller anderen Münzstätten stehen. Hierin zeigt sich deutlich, dass die Münze, wie gesagt, unter ʿabbāsidischer Kontrolle stand und die Kalifen bemüht waren, die Macht ihrer selǧuqischen „Schutzherren“ nicht noch unnötig zu betonen. Die Kontrolle über die Bagdader Münze nutzten die Kalifen zudem, um (wieder selbstbestimmt) ihre Thronfolger festzulegen. So ließ al-Muqtadī seinen Sohn, den späteren al-Mustaẓhir, bereits kurz nach dessen Geburt in die sikka aufnehmen (471 H.) und al-Mustaẓhir selbst nannte seinen Sohn ab 488 H. auf den Dinaren; die Münze des Monats gehört also zu den wenigen Prägungen dieses (bis 512 H. = 1118 amtierenden) Kalifen, auf denen noch kein Kronprinz erscheint (sonst: vertikal rechts und links im Rev.-Feld), weil dessen Proklamation 487 H. noch nicht erfolgt war.

Noch 487 H. (1094) verlor Sultan Berkyaruq in Nordwest-Iran eine Schlacht gegen seinen Onkel Tutuš, woraufhin dieser (wie Münzen belegen) in Bagdad anerkannt wurde – jedoch nur für kurze Zeit. Obwohl die Dinge zwischenzeitlich äußerst schlecht für Berkyaruq standen – auf Niederlage und Flucht folgten Gefangenschaft und schwere Krankheit –, wandelte sich die Lage innerhalb weniger Monate wieder zu seinen Gunsten, sodass er sich zunächst von allen Rivalen um das Sultanat befreit sah und ab 488 H. auch erneut Anerkennung in Bagdad genoss, wenngleich die ʿAbbāsiden weiterhin nur darauf warteten, selǧuqische Thronstreitigkeiten zu ihrem Vorteil zu nutzen. Man darf im Übrigen durchaus fragen, ob es Zufall war, dass der nach Unabhängigkeit strebende al-Muqtadī just in dem Moment verstarb, als seine Unterschrift auf der Ernennungsurkunde für Berkyaruq gerade getrocknet war. Hatte der junge Sultan etwas mit dem merkwürdigen Todesfall zu tun? Al-Muqtadī selbst steht seinerseits ja im Verdacht, hinter dem Tod Sultan Malik-Šāhs zu stecken. Jedenfalls war auf al-Muqtadīs Beerdigung und Trauerfeier in jenem Februar 1094 alles zugegen, was Rang und Namen hatte – der einzige, der sich nicht blicken ließ, war (obwohl noch immer in Bagdad) Sultan Berkyaruq…

Sebastian Hanstein

MdM Januar 2020

 

Auch wenn damit noch kein neues Jahrzehnt angebrochen ist, haben vor wenigen Tagen die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts begonnen. Ob sie so „golden“ werden wie die des letzten? Oder besser gefragt: Ob sie später einmal als ähnlich golden angesehen werden wie Teile der 1920er? Zumindest im Deutschen Reich wurden die Schatten jener Zeit ja auch nur zwischen 1924 und 1929 überstrahlt, wobei 1924 das Jahr war, in dem als sog. Goldkernwährung die Reichsmark eingeführt wurde. Auch andere Staaten kehrten um 1925 mehr oder weniger zum Goldstandard zurück, welcher bei Beginn des Ersten Weltkriegs ausgesetzt worden war. Im Rahmen der neuen Reichsmark wurden nun aber nicht etwa wieder goldene Kurantmünzen geprägt. Dafür ließ man laut Münzgesetz von 1924 ganz ausdrücklich die alten, 1871 eingeführten Goldmünzen des Kaiserreichs wieder als gesetzliches Zahlungsmittel zu. Die restlichen 5-, 10- und 20-„Goldmark“-Stücke ließen sich dadurch jedoch nicht wieder in Zirkulation bringen (und so staatlich einziehen) – sie blieben im Volk thesauriert, seit die Reichsbank 1914 den zuvor garantierten Umtausch von Papiergeld und Scheidemünzen gegen Gold eingestellt hatte.

Das neue Jahr bietet natürlich auch Gelegenheit, noch viel weiter zurückzublicken und zu fragen, wie golden eigentlich in numismatischer Hinsicht die islamische Welt vor genau 1000 Jahren war. Nach islamischer Zeitrechnung stand anno 1020 auf neuen Münzen das Prägejahr 410. In Gold wurde damals unter verschiedenen Dynastien an einer überschaubaren Anzahl von Orten geprägt: Weit im Osten, auf dem Gebiet des heutigen Afghanistan, war es der Ġaznavide Maḥmūd, welcher sowohl in seiner Hauptstadt Ġazna als auch in Herāt Dinare schlagen ließ, deren Material allerdings zunehmend in Richtung Blassgold tendierte. Guthaltige Goldmünzen desselben Herrschers wurden in Nīšāpūr geprägt, von wo aus sie auch überregional in Umlauf kamen (s. zum nīšāpūrī-Dinar MdM Nov. 2018). Im westlichen Iran und Irak wurden unter den ġaznavidisch bedrängten Būyiden-Königen Maǧd ad-Daula und Sulṭān ad-Daula (s. MdM Okt. 2018) ebenfalls Dinare geprägt, doch sind uns solche Münzen nur in geringem Umfang aus vereinzelten Jahren bekannt (was auch für die Münzprägung der Dynastie im 5. Jh. H. allgemein gelten kann). So ließe sich speziell für 410 H. lediglich eine būyidische Goldprägung vermuten, wobei im Machtbereich Maǧd ad-Daulas vor allem dessen Residenz Rayy infrage käme (belegtes Jahr: 403 H.) und in jenem Sulṭān ad-Daulas vielleicht Sūq al-Ahwāz (in Ḫūzistān, belegtes Jahr: 402 H.) sowie Bagdad (belegtes Jahr: 409 H., Inschrift: ibrīz = „Feingold“). Möglicherweise ließ auch schon Maǧd ad-Daulas Vasall in Iṣfahān, der Kakūyide ʿAlāʾ ad-Daula, 410 H. eigene Dinare prägen (belegt: al-Karaǧ, 412 H.). Gesichert ist dies immerhin für jenen Dynasten, welcher für Sulṭān ad-Daula derweil im Oman regierte: den Mukramiden Ḥasan (Münzstätte Ṣuḥār). Ansonsten wurden auf der Arabischen Halbinsel zu dieser Zeit noch Goldmünzen des Ziyādiden al-Muẓaffar im jemenitischen Zabīd geschlagen (belegt: 408 H.), während es auf der Iberischen Halbinsel, also ganz im Westen, die Ḥammūdiden (von Ceuta und Málaga) waren, welche von der untergehenden Umayyaden-Dynastie in Córdoba nicht nur das Kalifat übernommen hatten, sondern auch eine eigene Dinar-Prägung.

Während das Kalifat des (zunächst 408–412 H. herrschenden) Ḥammūdiden al-Maʾmūn auf al-Andalus beschränkt blieb, erkannten die meisten Dynastien des Ostens, darunter Ġaznaviden und Būyiden, den Bagdader ʿAbbāsiden-Kalifen al-Qādir an, nach dem sogar eine Dinar-Sorte benannt war. Der wohl berühmteste Herrscher jener Zeit war jedoch der seit 996 amtierende fāṭimidische Imam-Kalif al-Ḥākim. Er ist es, welcher in der Reihe muslimischer Machthaber, die vor 1000 Jahren in ihrem Namen Goldmünzen prägen ließen, natürlich noch fehlt und von dem unsere Münze des Monats – selbstverständlich ein Dinar – stammt. Das 4,31 g schwere Stück wurde 410 H. in Ägyptens alter Kapitale al-Fusṭāṭ (südlich der fāṭimidischen Palaststadt al-Qāhira = Kairo) geschlagen, wie die Münzstättenbezeichnung Miṣr verrät. Prägeort und -jahr finden sich in der Umschrift auf der Rückseite, welche ebenso wie jene auf der Vorderseite durch zwei Ringe mit relativ breitem, freiem Zwischenraum vom Feld abgegrenzt ist. Die übliche Formel weist ein paar diakritische Punkte auf: über dem in ḍuriba, dem in hāḏā und dem n in sana. Die Avers-Inschriften sind vollständig religiöser Natur: Umgeben vom Koranvers 9:33 steht im Feld das islamische Glaubensbekenntnis mit dem wichtigen Zusatz ʿAlī walī Allāh, d. h. „ʿAlī ist der Freund Gottes“ (letzte Zeile). Hierin kommt die schiitische Gesinnung der Fāṭimiden zum Ausdruck, welche ja mit den sunnitischen ʿAbbāsiden konkurrierten und für sich beanspruchten, vom vierten Kalifen ʿAlī b. Abī Tālib und seiner Frau, der Propheten-Tochter Fāṭima, abzustammen. An diesem Anspruch sowie dem, ein Nachkomme der Fāṭimiden zu sein, hält bis heute der IV. Aga Khan als Oberhaupt der Nizāriten fest.

Al-Ḥākim, unter dessen Herrschaft die Blütezeit des fāṭimidischen Imperiums andauerte, mag exzentrisch gewesen sein und sich zeitweise als frommer Volkserzieher verstiegen haben, doch war er sicherlich nicht der verrückte Tyrann, als der er in einem Teil der Überlieferungen dargestellt wird. Zu seinen besonders rätselhaften Maßnahmen gehört ein Traditionsbruch, welcher im Revers-Feld der Münze des Monats dokumentiert ist. Dieses enthält wieder einen markanten Mittelpunkt und vier Zeilen, in deren erster sich der Münzherr als „Gottes Knecht und Freund“ (ʿabd Allāh wa-walīhi) vorstellt. In der zweiten stehen sein Titel al-imām und der vollständige Thronname al-Ḥākim bi-Amr Allāh – „der auf Gottes Geheiß Herrschende“ –, woraufhin in der dritten Zeile zunächst noch der Kalifen-Titel „Befehlshaber der Gläubigen“ folgt. Anschließend lesen wir den Namen ʿAbd ar-Raḥīm, welcher nicht al-Ḥākim gehört (der Kalif hieß al-Manṣūr). Wer hier aus welchem Grund stattdessen aufgeführt ist, geht aus der vierten Zeile hervor, in der sich abschließend der Titel walī ʿahd al-muslimīn findet. Genannt ist also, wie auf allen fāṭimidischen Dinaren seit 404 H. (1013), der damals öffentlich und per Dekret designierte Thronfolger „der Muslime“, dessen Proklamation auch von allen Kanzeln des Reiches verlesen worden war. Al-Ḥākim hatte ʿAbd ar-Raḥīm unter anderem einen eigenen Palastbezirk zugewiesen und ihm bereits einige repräsentative Herrscheraufgaben überlassen, doch handeltet es sich bei dem erwählten Thronfolger – und das ist die erste Merkwürdigkeit – mitnichten um al-Ḥākims Sohn. Letzterer, Prinz ʿAlī, wurde vielmehr von der Nachfolge ausgeschlossen, die eigentlich fest als Vater-Sohn-Abfolge etabliert war.

Immerhin war ʿAbd ar-Raḥīm ein entfernter Verwandter, genauer gesagt ein Urenkel des ersten Fāṭimiden-Kalifen al-Mahdī und somit wohl al-Ḥākims Großonkel 3. Grades. Die zweite Merkwürdigkeit hinsichtlich der Thronfolgeregelung bestand darin, dass es gleichzeitig offenbar noch einen anderen, zweiten Thronfolger mit dem abweichenden Titel walī ʿahd al-muʾminīn gab, was in den Quellen nicht erklärt wird. Heinz Halm (Die Kalifen von Kairo, S. 280) vermutet, dass so eine Art Trennung zwischen dem (quasi gesamtmuslimischen) Kalifat als „weltlicher“ Herrschaft auf der einen und dem Imamat der – sich als muʾminūn, d. h. als „Gläubige“, bezeichnenden – Ismāʿīliten auf der anderen Seite intendiert war. Dass wir lediglich mutmaßen können, wohin diese höchst ungewöhnliche Regelung praktisch führen sollte, liegt auch darin, dass nach al-Ḥākims mysteriösem Verschwinden im Februar 1021 nichts davon realisiert wurde: Als neuer Imam-Kalif bestieg al-Ḥākims junger Sohn ʿAlī den Thron. Der walī ʿahd al-muʾminīn, welcher gleichfalls ein Urenkel al-Mahdīs war und al-ʿAbbās hieß, fand sich dagegen zunächst im Kerker wieder, bevor er nur wenige Jahre später verstarb, und auch der walī ʿahd al-muslimīn wurde aus Damaskus, wo er Statthalter war, in Ketten nach Kairo verbracht, um alsbald mit einem Messer im Bauch den Tod zu finden.

Dass ʿAbd ar-Raḥīm – anders als Prinz al-ʿAbbās – von al-Ḥākim sogar ins Münzprotokoll aufgenommen worden war, hatte am Ende also nichts genützt, rechtfertigt es bei der Beschreibung des Dinar-Typs jedoch, den Thronfolger als weitere genannte Person zu erfassen. Es darf daher etwas verwundern, dass im SNAT-Band Egypt, wo die Münze des Monats auf S. 34 f. als Nr. 348 nebst mehreren anderen Exemplaren aus der Zeit nach 404 H. publiziert ist, die dazugehörige Zwischenüberschrift (auf S. 32) nur die Angabe des Kalifen enthält, obgleich aufgeführte Thronfolger sonst auch immer (als „heir“) Berücksichtigung finden (s. etwa S. 28).

Zwar wurden unter den Fāṭimiden auch Dirhams geprägt, doch waren es die Feingold-Dinare dieser Dynastie, denen vor 1000 Jahren – auch außerhalb des Fāṭimidenreiches – größte Bedeutung zukam und welche im Osten als maġribinische Dinare bekannt waren. Nāṣir-i Ḫusrau, ein Reisender des 11. Jahrhunderts, rühmt die Herrschaft der Kairoer Kalifen nicht nur als wahrhaft glanzvolle Epoche, sondern konnte seinen Kameltreiber im irakischen Basra auch ohne Probleme mit maġribinischen Dinaren bezahlen. Als Herrscher des Nillandes hatten die Fāṭimiden Zugang zu den Goldvorkommen Westafrikas und Nubiens (Mine im Wādī al-ʿAllāqī); 2015 fanden Taucher über 2600 fāṭimidische Goldmünzen im Hafen von Caesarea (Israel), darunter auch Dinare wie die Münze des Monats aus dem Jahre 1020.

Sebastian Hanstein

MdM Dezember 2019

 

Diese Woche ist schon Nikolaustag und so kurz vor Jahresende soll noch einmal Platz für einen weiteren MdM-Gastbeitrag sein. Verantwortlich für die weihnachtlich erhellenden Ausführungen zu einem Stück seiner Wahl ist dieses Mal Priv.-Doz. Dr. Nikolaus Schindel vom Institut für Kulturgeschichte der Antike (der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) in Wien. Dass zu seinen Forschungsschwerpunkten unter anderem die sasanidische Numismatik gehört (Projekt: Sylloge Nummorum Sasanidarum) trifft sich mit dem Umstand, dass die FINT-Sammlung auch nicht wenige Münzen aus dem vorislamischen, antiken Orient umfasst.

 

Wie bereits im Dezember 2018 wird hier eine Münze mit christlichem Bezug vorgestellt, mag der Bezug diesmal auch eher indirekter Natur sein. Abgebildet ist nämlich eine 4,08 g schwere Silberdrachme des sasanidischen Großkönigs Khusro II., der zweimal regierte, nämlich zunächst einmal kurz nach einem Putsch gegen seinen Vater Ohrmazd IV. (reg. 578–590) im Jahre 590. Er wurde jedoch durch den aufständischen General Wahram Cobin vom Thron verjagt, der als Wahram VI. 590/591 herrschte, bis er seinerseits von Khusro mit byzantinischer Hilfe besiegt wurde. Dessen zweite Regierung währte dann von 591 bis 628; auch Khusro II. wurde durch die Rebellion eines Sohnes, nämlich des Shiroe (unter dem Thronnamen Kawad II., reg. 628) um Herrschaft und Leben gebracht.

Die Münze des Monats zeigt auf der Vorderseite das Bildnis des Khusro II. nach rechts mit einer Krone, die die Mauerzinnen als Symbol des obersten zoroastrischen Gottes Ahura Mazda mit den Flügeln des Siegesgottes Verethragna verbindet. Die Rückseite zeigt einen Feueraltar mit zwei frontal stehenden Figuren, die beide eine stilisierte Form von Khusros königlicher Krone tragen und ihn somit beide meinen. Der doppelte bzw. dreifache Bildrand sowie die Astralsymbole (Stern und Mondsichel) sind Charakteristika der spätsasanidischen Silberprägung, die noch auf die umayyadischen und ʿabbāsidischen Dirhams Einfluss ausüben sollten. Auf 3 Uhr stehen die beiden Pehlevi-Buchstaben M und Y, die die Region Meshan (in Pehlevi: myš`n) meinen, welche im heutigen Südirak liegt (Gouvernement Maisān). Auf 9 Uhr ist das Regierungsjahr Khusros II. angegeben, in dem diese Drachme geprägt wurde, nämlich ch`lwysty, „24“. Die Zählung begann mit seiner ursprünglichen, ersten Thronbesteigung im Sommer 590 (wohl nach dem persischen Neujahr, 27.6.590). Konkret entspricht das angegebene Regierungsjahr somit der zweiten Hälfte des christlichen Jahres 613 und den ersten sechs bis sieben Monaten des Folgejahres, da persisches und christliches Neujahr nicht übereinstimmen.

Was hat nun eine sasanidische Münze, die 613/614 im südlichen Zweistromland geschlagen wurde, mit dem christlichen Weihnachtsfest zu tun? Als Einzelstück nichts; aber das historische Umfeld dieser Prägung weist eine interessante Verbindung zur Weihnachtsgeschichte und ihrem geographischen Zentrum Betlehem auf. Wie oben erwähnt, war byzantinische Hilfe entscheidend dafür, dass Khusro II. im Jahre 591 seinen Konkurrenten Wahram VI. – nebenbei den ersten Großkönig der sasanidischen Geschichte, der nicht dieser Dynastie entstammte – besiegen konnte. Sein Wohltäter in Ostrom war Kaiser Mauricius Tiberius (reg. 582–602), der seinerseits einer Militärrevolte zum Opfer fiel, die einen Soldaten namens Phokas (reg. 602–610) auf den Thron brachte. Der Sasanidenkönig erklärte dem Usurpator daraufhin den Krieg und gab vor, die Ansprüche des Theodosius zu vertreten, des ältesten Sohnes und Thronfolgers des toten Mauricius, der zu ihm geflohen sei (was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine sasanidische Propagandalüge war). Im Jahr 608 brach dann in Byzanz auch noch ein Bürgerkrieg aus, den 610 der Sohn des Exarchen von Africa, Heraclius (reg. 610–641), für sich entscheiden konnte; auch er trat als Rächer des Mauricius auf. Doch auch die Ermordung des Phokas konnte Khusro II. nicht von seinem Krieg gegen Byzanz abbringen, den seine Feldherren anfangs mit großen Erfolgen durchfochten. Aufgrund der schlechten Quellenlage sind wir über den Verlauf dieses letzten und schwersten Konflikts zwischen Ostrom und Sasanidenreich nur unzureichend informiert. Es scheint aber, dass Heraclius im Jahre 613 eine wichtige Schlacht nahe Antiochia am Orontes (heute Antakya) gegen die Sasaniden verlor, die die byzantinische Machtposition im gesamten Nahen Osten zusammenbrechen ließ. Eine sasanidische Armee unter dem Feldherrn Farrukhan (meist unter seinem Titel Shahr-Baraz, „Eber des Reiches“, bekannt) marschierte in Syrien ein und nahm 613 Damaskus, 614 dann Jerusalem ein. Obwohl sich die Stadt den Persern zunächst kampflos ergeben hatte, kam es im Spätfrühling 614 zu einem Aufstand der christlichen Bevölkerung gegen die sasanidischen Besatzer, der zur Belagerung und Eroberung der heiligen Stadt führte. Wie nicht nur byzantinische Autoren, sondern inzwischen auch archäologische Funde belegen, wurden anlässlich der Erstürmung Jerusalems offenbar erhebliche Teile der christlichen Bevölkerung massakriert. Ähnlich Unerquickliches – wenn auch unter anderen Vorzeichen, was die Identität der Opfer betrifft – sollte sich im Jahre 1099 abspielen, als die Kreuzfahrer Jerusalem einnahmen. Und genau wie damals streiften auch 614 sasanidische Heeresabteilungen durch das Heilige Land und verursachten weitere Verwüstungen, wobei sie laut den schriftlichen Quellen gezielt christliche Kultstätten zerstörten.

Eine Ausnahme stellte dabei allein Betlehem dar, der Schauplatz der Weihnachtsgeschichte: Denn nach einer Überlieferung verschonten die Perser, die sonst die Kirchen im Heiligen Land verwüsteten, die Geburtskirche in Bethlehem, weil auf einem Mosaik über dem Eingang zur Kirche die „Drei Weisen aus dem Morgenland“ (Mt 2, 1–12) in persischer Tracht dargestellt gewesen sein sollen.J. R. Russell, EIr-Artikel „CHRISTIANITY i. In Pre-Islamic Persia: Literary Sources“ Tatsächlich ist diese Darstellungskonvention für Männer, die ja laut dem Evangelium aus dem (damals parthischen) Osten kamen, durchaus üblich (s. Basilika Sant’Apollinare Nuovo in Ravenna!). Das Matthäus-Evangelium spricht dezidiert von Magoi, womit zoroastrische Priester, aber auch allgemeiner Astrologen und „Magier“ im heutigen Wortsinn gemeint sein können. Die sasanidischen Soldaten hätten somit mit ihrer Bildauslegung gar nicht Unrecht gehabt. Die FINT-Münze des Monats datiert also in das Jahr, in dem dieses kleine Wunder in Betlehem geschah, und stammt dazu aus einer Region im heutigen Südirak, welche man mit dem antiken babylonischen Chaldäa gleichsetzen kann und die in der klassischen Antike für ihre Astrologen bekannt war.

 

MdM November 2019

 

Die islamische Numismatik an der Universität Tübingen fußt stark auf einem Lehrgebäude, das heute oft als Hävernick/Berghaus-Schule bezeichnet wird und etwa zwischen 1920 und 1970 eine Perspektive entwickelte, welche Münzen im Kontext der Geldgeschichte anspricht und neben ihrer Funktion als Bild- und Textträger ebenso ihren in Fundzusammenhängen dokumentierten Umlauf sowie Textzeugnisse (etwa Urkunden mit Kaufpreisen) in den Mittelpunkt der Forschung rückt. Am 20. November 2019 jährt sich nun zum 100. Mal der Geburtstag von Peter Berghaus (gest. 2012), weshalb im Folgenden an ihn und, mit der FINT-Münze dieses Monats, an eines seiner frühen numismatischen Verdienste erinnert sein soll – die Erhaltung eines damals zweifelsohne für wenig beachtenswert gehaltenen Schatzfundes unscheinbarer osmanischer Silbermünzen aus der ersten Hälfte des 17. Jh.

Der in Hamburg aufgewachsene Peter Berghaus hatte bereits seit frühester Jugendzeit Münzen gesammelt, doch war es eher sein Interesse an alten Drucken, welches ihn als Gymnasiasten auf den Gedanken brachte, sich beruflich dem alten Orient zuzuwenden. Von solchen Träumen bald wieder abrücken ließ ihn dann aber die grundsätzliche Benachteiligung im Vergleich zu den kolonialen Möglichkeiten britischer und französischer Wissenschaftler auf diesem Gebiet. Als Abiturient stand schließlich sein Berufswunsch fest, die Geschichtswissenschaft mit all den verschiedenen Quellen voranzubringen, welche die Numismatik zu bieten hat. Zunächst behinderte allerdings der Zweite Weltkrieg die weitere Ausbildung und lehrte ihn, wie Tod und Zerstörung in Polen von der heimischen Propaganda als Sieg und Erfolg schöngeredet wurden. Als Berghaus 1942 als Soldat nach Belgrad gelangte, wollte es der Zufall, dass bei einem lokalen Uhrmacher ein Schüsselchen mit kleinen Silbermünzen angeboten wurde, und Berghaus erfuhr, dass diese auf der Zitadelle der Stadt gefunden worden waren, jenem geschichtsträchtigen Ort, den damals jeder gebildete Deutsche unvermeidlich mit dem Sieg des savoyischen Prinzen Eugen (1663–1736) verband. Aber auch unabhängig davon war Berghaus überzeugt, dass jeder Münzfund ein wertvolles historisches Zeugnis darstellen konnte, auch wenn er aus solch unscheinbaren und nur ein Viertel Gramm wiegenden Münzen bestand (bei denen man froh sein kann, wenn immerhin noch ein halbes Münzbild ausgeprägt ist). Nach kurzer Verhandlung mit dem Uhrmacher stand fest, dass die Münzen weder eingeschmolzen noch zu Schmuck verarbeitet werden sollten, sondern im Tausch gegen eine – man kann es sich fast denken – Armbanduhr als Füllung einer Zigarettenschachtel in die Tasche des deutschen Soldaten gingen. Ein genaues Nachzählen ergab immerhin 554 osmanische aqče (akçe) und einen ungarischen Denar, was bei der Verbergung des Schatzes etwa dem Betrag von fünf niederländischen Löwentalern oder drei Dukaten entsprochen haben dürfte, die in den levantinischen Teilen des Osmanischen Reiches in großer Zahl umliefen, in Belgrad aber möglicherweise nicht erreichbar waren. Sicher wird Berghaus zunächst davon ausgegangen sein, diesen Fund selbst einmal zu bearbeiten. Bald dürfte er jedoch festgestellt haben, dass diese Münzen überhaupt keinen Zusammenhang mit Prinz Eugen hatten, sondern in jene teuer erkaufte Friedensperiode zwischen Habsburgern und Osmanen fielen, in der Mitteleuropa durch den Dreißigjährigen Krieg verwüstet wurde. Darüber hinaus dürfte jeder Bearbeitungsversuch mit damaligen Hilfsmitteln für Nichtorientalisten kaum zu leisten gewesen sein.

Zu einem der Typen, wie sie vorübergehend in Berghaus’ Zigarettenschachtel Aufnahme fanden, gehört unsere Münze des Monats. Während solche Stücke von den Türken „Weißling“ (aqče) genannt wurden, benutzten die Griechen und andere Bevölkerungsgruppen des Osmanischen Reichs weiterhin den vortürkischen Namen asper mit der gleichen Bedeutung. Trotz fortgesetzter Abwertungen seit dem 15. Jh. (s. MdM April 2019) blieb dieses Nominal vom 14. bis zum 18. Jh. die Hauptrechnungseinheit der osmanischen Verwaltungen, was erklärt, warum der genannte Fund (fast) ausschließlich aus solch kleinen und leichten Silbermünzen bestand. Das FINT-Exemplar wiegt immerhin 0,3 g und trägt auf der Rückseite die Jahreszahl 1032 H. = 1623 A.D. Es handelt sich hierbei um ein Regierungsanfangsjahr: Den osmanischen Thron hatte damals – infolge der Absetzung (und endgültigen Verwahrung im „Prinzenkäfig“) seines wohl geistig zurückgebliebenen Onkels – der noch junge Murād IV. bestiegen. Sein Titel und Name finden sich (samt Vatersname) auf der Vorderseite der Münze: [sulṭān] / Murād ibn / Aḥmad ḫān. Fortgesetzt wird die Inschrift rückseitig mit einem zur Herrschernennung gehörigen formelhaften Segenswunsch (s. MdM April 2019) und der Angabe des Prägeortes Belġrād (über dem genannten Jahr in Ziffern: ١٠٣٢‎‎). Die Aufschriften sind also sehr funktional und entbehren jedweder religiösen Texte, wie sie auf älteren islamischen Münzen oder zu dieser Zeit auch noch in den islamischen Nachbarstaaten Marokko und Iran sowie im Mogulreich selbstverständlich waren. Wie eine spätere Untersuchung des Schatzfunds von Belgrad zeigte, machten Prägungen Murāds IV. darin gut die Hälfte aus, weshalb anzunehmen ist, dass die Münzen irgendwann zwischen 1623 und Murāds Todesjahr 1640 verborgen wurden. Wegen der oft mangelhaften Ausprägung blieb 1959 jedoch auch mehr als ein Viertel der Münzen unbestimmt, was im Falle einer heutigen Bearbeitung ganz anders aussehen würde, da sich das Wissen über die osmanische aqče-Prägung des 17. Jh. inzwischen vervielfacht hat (vor allem seit in einem Projekt der Österreichischen Akademie der Wissenschaften der große Schatz von Beçin in Westanatolien erforscht wurde).

Der ehemalige Fundbesitzer Berghaus konnte seit 1943 studieren und den Krieg mit einigem Glück überleben. 1949 wurde er promoviert, woraufhin er ab 1950 von einer Museumsanstellung in Münster aus und seinen Neigungen zum frühen Hochmittelalter entsprechend neue Kontakte in Schweden knüpfte, insbesondere am Königlichen Münzkabinett. Für deutsche Münzen des 10. und 11. Jh. war der Ostseeraum und eben speziell Schweden (Insel Gotland!) mit damals schon über 100.000 gefundenen Pfennigen das fundreichste Gebiet überhaupt, sodass man lange Zeit glaubte, die diversen deutschen Pfennigarten seien überhaupt nur zum Zwecke der Ausfuhr und für den Fernhandel geprägt worden. Auch wenn es ausschließlich um Silber ging, war hier also das Eldorado der westdeutschen Mittelalternumismatik, die vom damals nach Leningrad ausgelagerten Berliner Münzkabinett abgeschnitten war. Schnell schloss Berghaus enge Freundschaften und da im wikingerzeitlichen Schweden vor den deutschen Pfennigen im 9. und 10. Jh. islamische Dirhams umgelaufen und bis zur Mitte des 20. Jh. annähernd 70.000 solcher Stücke in Schätzen geborgen worden waren, gab es hier auch ein institutionelles Interesse an Münzen der islamischen Welt. Was lag also näher, als die Weitergabe des kleinen Belgrader Schatzes 1954 als Geschenk an das Königliche Münzkabinett (damals im Historischen Museum) in Stockholm zum Zeichen tief empfundener Dankbarkeit für die gastliche Aufnahme – sowie in Erfüllung der im Krieg übernommenen Verpflichtung, für die Veröffentlichung des Fundes zu sorgen. Letzteres geschah dann fünf Jahre später durch G. Olof Matsson, und zwar an prominenter Stelle: im Numismatic Chronicle der Royal Numismatic Society, Bd. XIX (1959), S. 165–174. Es war sogar der erste frühneuzeitliche aqče-Fund aus dem Gebiet des Osmanischen Reiches überhaupt, welcher veröffentlicht wurde. Erst eine weitere Generation musste vergehen, bis insbesondere Funde aus Rumänien und Bulgarien publiziert wurden, während sich in Belgrad selbst der Numismatiker Slobodan Srećković seit den 1970er Jahren an die systematische Aufzeichnung von aqče-Funden in Jugoslawien machte, um daraus grundlegende Erkenntnisse für die Chronologie der verschiedenen Typen einer Sultansherrschaft zu ziehen. Hier wiederholte sich in den Kriegen der 90er Jahre übrigens die Notwendigkeit, das mittlerweile wissenschaftlich beachtete und geschätzte Forschungsmaterial zu ertauschen: gegen Säcke voller Weizen.

Lutz Ilisch (zusammen mit Sebastian Hanstein)

MdM Oktober 2019

 

In China hat die „goldene Woche“ anlässlich des Nationalfeiertags am 1. Oktober begonnen; zelebriert wird die Gründung der Volksrepublik vor genau 70 Jahren und natürlich bietet die traditionelle Militärparade Gelegenheit, sich als selbstbewusste Großmacht zu präsentieren. Hierzulande freut man sich indes über zwei neugeborenen Panda-Babys im Berliner Zoo, auch wenn der seltene Nachwuchs ebenso wenig dem Hauptstadt-Zoo oder Deutschland gehört wie die Elterntiere Meng Meng („Träumchen“) und Jiao Qing („Schätzchen“) – alle vier sind und verbleiben im Besitz der chinesischen Regierung. Diese verleiht die Tiere nämlich nur noch, wofür eine Jahresgebühr von 1 Mio. Euro zu zahlen ist. Hinzu kommt, dass das kostspielige Privileg der Panda-Haltung auch nur wenigen – strategisch ausgewählten – Staaten überhaupt gewährt wird; man spricht von Chinas „Panda-Diplomatie“. Als Präsente für befreundete Machthaber dienten die schwarz-weißen Bären bereits zur Zeit der Tang-Dynastie und auch Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte das Panda-Paar Tjen Tjen und Bao Bao 1979 noch geschenkt bekommen. Inzwischen ist man nicht nur zum Leasing-Modell übergegangen, sondern verknüpft mit der Vergabe der Tiere auch die Erwartung einer zuverlässigen Partnerschaft, z. B. wenn es um Rohstoffe und Technologie geht; konkret lässt sich ein Zusammenhang mit der Höhe des Handelsvolumens zwischen China und dem jeweiligen Panda-Empfänger-Land feststellen. Nach Bao Baos Tod 2012 stand Deutschland unbefriedigenderweise ganz ohne Großen Panda da und es bedurfte im Rahmen langwieriger Verhandlungen u. a. der Einschaltung Angela Merkels (während ihres China-Besuchs im Okt. 2015), ehe die Eltern des aktuellen Nachwuchses 2017 in einer Sondermaschine nach Berlin geflogen wurden.

Eine wahre Großoffensive in Sachen (Geschenk-)Diplomatie, Handelspolitik und Machtdemonstration – zu sehen vor dem Hintergrund von Chinas sog. Tributsystem – war die Reihe gewaltiger Flottenexpeditionen unter dem muslimischen (!) Eunuchen-Admiral Zheng He im Auftrag des Ming-Kaisers Yongle. Nachdem die imperiale „Schatzflotte“ bereits Indien und – auf Reise Nr. 4 (1413–1415) – Hormuz erreicht hatte, liefen einige der imposanten Schiffe im Rahmen der 5. Reise erstmals auch Aden an, die damals rasūlidisch beherrschte, boomende Haupthafenstadt des Jemens. Eine Datierung für dieses Ereignis findet sich nur in der arabischen Historiographie: Es war, wie ein Chronist der Rasūliden-Dynastie vermerkt, Ende 821 H., als Sultan an-Nāṣir Aḥmad (reg. seit 1401) über das Eintreffen von „Dschunken“ (الزنك) mit einem Abgesandten des „Herrn von China“ an Bord informiert wurde und sich daraufhin bereitmachte, die Fremden zu empfangen. Er tat dies Anfang 822 H., also 1419, was bedeutet, dass sich die Begegnung dieses Jahr zum 600. Mal jährte. Im Namen des Ming-Kaisers wurden dem Rasūliden damals allerlei exotische Kostbarkeiten im Wert von 20.000 miṯqāl / lakkā Gold zum Geschenk gemacht, darunter golddurchwirkte Seidengewänder, Porzellan, Moschus sowie Adlerholz (für das man auch heute noch bis zu 250.000 € / kg zahlt).

Wie ein anderer jemenitischer Chronist namens Ibn ad-Daibaʿ (gest. 1537) berichtet, wurde an-Nāṣir aber nicht einfach nur beschenkt. Der Botschafter aus dem Reich der Mitte soll dem Sultan auch – „ohne (vor ihm) den Boden zu küssen!“ – gesagt haben: „Dein Herr, der Herrscher von China, lässt dich grüßen und rät dir, deine Untertanen gerecht zu behandeln!“. An-Nāṣir habe darauf freundlich reagiert und dem Kaiser schriftlich geantwortet: „Der Befehl und das Land sind dein!“ Überbewerten darf man diese bereitwillige Anerkennung von Yongles Weltherrschaftsanspruch sicherlich nicht. Greifbarer ist, dass der Rasūlide im Folgenden von Aden aus seinerseits Botschafter und Präsente nach China schicken ließ, wobei neben Gold, Edelsteinen und Koralle insbesondere lebendige Tiere als Tribut entrichtet wurden: zahme Löwen und Geparde, Wildesel und Oryx, der chinesischen Auflistung zufolge auch weiße Tauben, Strauße, Zebras und – am spektakulärsten – eine Giraffe. (Die erste Giraffe, welche China erreichte, dort für großes Aufsehen sorgte und auch gemalt wurde, war allerdings schon 1414 als Geschenk des Sultans von Bengalen eingetroffen.)

Unsere Münze des Monats ist ein Dirham Sultan an-Nāṣir Aḥmads aus dem Jahre 824 H. = 1421, in welchem Zheng He von Nanjing aus ein 6. Mal in See stach. Wieder lief damals ein Teil der Flotte (nebst anderen Häfen der Arabischen Halbinsel) Aden an – wo die Chinesen 626 H. = 1423 empfangen wurden – und auch im Rahmen der 7. Expedition erhielten die Rasūliden 635 H. = 1432 noch einmal offiziellen Besuch aus dem Reich der Mitte, bevor das Schatzflotten-Programm anschließend endgültig eingestellt wurde. Der chinesisch-jemenitische Austausch von Gesandten und Geschenken – 1423 erhielt der Sultan sogar Moschustiere (wenn auch keine Pandas) – zog sich also über mehrere Jahre hin, wobei 1424 sowohl Yongle verstarb als auch an-Nāṣir, der letzte bedeutende Vertreter seiner Dynastie. Auf dem Dirham – der wie chinesische Münzen mittig ein großes Loch aufweist – beginnt die Herrschernennung im Rev.-Feld mit as-sulṭān / al-mali[k an-N]āṣir / Ṣalāḥ und setzt sich dann über 4 der 6 Randkartuschen im Uhrzeigersinn fort (beginnend in jener zwischen 5 und 7 Uhr): ad-Du[nyā] / wa-d-Dīn / Aḥmad ibn / [Is]māʿīl. Auf den Vatersnamen folgend ist in den beiden letzten Kartuschen neben dem Prägejahr in Ziffern (٨٢۴) die Münzstätte angegeben: ʿAdan (also Aden; Kartusche zw. 1 und 3 Uhr).

Leider findet sich auch auf der Vorderseite des (gelocht noch) 1,68 g schweren Dirhams nicht etwa irgendein China-Bezug. An-Nāṣir nennt keinen Oberherrn. Die rein religiöse Feldinschrift beginnt mit der basmala „Im Namen / Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen“, auf welche in Zl. 3–4 das Glaubensbekenntnis folgt. Über dem Wort Allāh am Ende von Zl. 4 steht sodann Abā und innerhalb der Sternzacke auf 6 Uhr [Bak]r. Aufgeführt ist hier also der erste Nachfolger des Propheten Muḥammad, woraufhin sich die Reihe der „rechtgeleiteten“ Kalifen – die Zugehörigkeit der Rasūliden zum Sunnitentum anzeigend – in den 6 Zwischenräumen rund um den Stern (beginnen bei 6 Uhr) fortsetzt: ʿUmar / ʿU[ṯmān] / [ʿAlī]; dazu (ab 12 Uhr) die entsprechende Eulogie „Gott / habe Wohlgefallen / an ihnen!“. Alle Inschriften sind kursiv, teils mit ihmāl-Zeichen versehen, jedoch gänzlich unpunktiert.

Wie die meisten Prägungen der Rasūliden ist die Zheng-He-zeitliche Münze des Monats aus Silber. In dem chinesischen Reisebericht über A-tan, also Aden, heißt es jedoch, der (übrigens gelb gewandete) Rasūliden-Sultan produziere zum einen Kupfer-Kleingeld namens fu-lu-su – worin unschwer das arabische fulūs zu erkennen ist – und zum anderen Rotgold-Münzen namens fu-lu-li. Letztere sollen ein qián (also etwa so viel wie eine chinesische Käsch-Münze) gewogen und rückseitig Zeichen getragen haben. Fu-lu-li gibt wahrscheinlich das persische fulūri wieder, das auf den Namen einer bekannten europäischen Goldmünze zurückgehen dürfte: Florin. Als Florin und fulūri wurden wiederum auch die venezianischen Dukaten bezeichnet, von denen nun bekannt ist, dass sie Anfang des 15. Jh. auch in Ägypten, Syrien sowie dem Jemen kursierten (und ein Gewicht wie viele Käsch-Münzen besaßen)… Dass Silbergeld in dem chinesischen Bericht gar keine Erwähnung finden, darf verwundern. Dabei hätte dem Besuch aus Fernost sogar ein Dirham-Motiv sehr bekannt vorkommen können, nämlich die zwei im Kreis schwimmenden Fische, wie man sie auf chinesischer Keramik und eben auf Münzen mehrerer Rasūliden findet. Überhaupt zeichnet sich die Münzprägung dieser Dynastie durch reizvolle Tierdarstellungen aus, wobei ein Löwe oft Dirhams aus al-Maḥǧam ziert, ein Vogel für solche aus Zabīd typisch ist und besagte Fische (passend zur Küstenlage) auf Münzen aus Aden erscheinen.

Exotische Tiere waren im Übrigen auch unter den – teils aus Indien oder China stammenden und dann weiterverteilten – Kostbarkeiten, welche die Rasūliden regelmäßig den ägyptischen Mamlūken-Sultanen zum Geschenk machten. So kam nebst Jade und Ming-Porzellan z. B. einmal ein Tiger ins Nilland, ein anderes Mal eine Art „Pferd ohne Genitalien, das durch ein Loch in seinem Bauch urinierte“, und einmal traf aus dem Jemen sogar ein asiatischer Schwarzbär ein. Von einem Panda jedoch kann man in Ägypten (wie im Rest der arabischen Welt) auch heute noch nur träumen. 2018 war die Not im Kairoer Zoo gar so groß, dass man entsprechend angemalte Esel als Zebras präsentierte – und sich international blamierte, als der Schwindel rasch aufflog. Ähnliches wurde wohlgemerkt auch aus chinesischen Zoos bekannt: In Luohe etwa wurde den Besuchern 2013 eine Tibetanische Dogge als afrikanischer Löwe verkauft.

Sebastian Hanstein

MdM September 2019

 

Es gibt militärische Auseinandersetzungen, die stellen sich (in aller Regel erst) im Rückblick – mit genügend zeitlichem Abstand – als Entscheidungsschlachten von historischer Tragweite heraus. Eine solche Auseinandersetzung mit Bedeutung für die Geschichte des Nahen Ostens ereignete sich am 3. September 1260 und ging für Ägypten – anders als die berühmte Schlacht bei Actium am 2. September 31 v. Chr. – glücklich aus: Die drohende Einverleibung des Nillandes sowie seiner levantinischen Einflussgebiete in ein aggressiv expandierendes Weltreich wurde damals erfolgreich abgewehrt. Gemeint ist das Weltreich der Mongolen, dessen berüchtigter Gründer Dschingis Khan im September 1219 (also vor 800 Jahren) mit seinen Heerscharen in Richtung Westen aufgebrochen war, um das iranisch-zentralasiatische Großreich der muslimischen Ḫvārazmšāhs zu zerschlagen. Nicht nur dieses Ziel wurde – unter Zerstörung blühender Metropolen und verbunden mit Millionen von Todesopfern – schnell erreicht: Während Dschingis Khans Herrschaft und der seiner ersten Nachfolger unterwarfen die Mongolen u. a. auch das Kaukasusgebiet sowie Anatolien, drangen (1241 ein deutsch-polnisches Ritterheer besiegend) bis nach Europa vor, nahmen die „Assassinen“-Zentrale Alamūt ein (1256) und vernichteten sogar das ʿAbbāsiden-Kalifat von Bagdad (1258). Der Eroberer des Iraks war dabei ein Enkel Dschingis Khans namens Hülegü, welcher seinen großen Westfeldzug im Auftrag des Reichsoberhaupts Möngke unternahm. Über Nordmesopotamien erreichte dieser Feldzug 1260 auch Syrien, wo damals diverse Fürstentümer der Ayyūbiden bestanden – unfähig, der aufziehenden Gefahr in einer breiten Koalition entgegenzutreten. In Ägypten waren die Ayyūbiden derweil (um 1250) von ihren türkischen Militärsklaven gestürzt worden – den Mamlūken, bei denen die Herrschaft fortan lag und deren dritter Sultan Qutuz 1259 durch einen Staatsstreich auf den Thron gelangte. Er war es, an den Hülegü alsbald eine Aufforderung zur Unterwerfung übermitteln ließ und der ebendiese Aufforderung mit der Enthauptung ihrer Überbringer unmissverständlich beantwortete.

Unterstützt von seinen christlichen Vasallen (z. B. Antiochia und Kleinarmenien) nahm Hülegü, der Gründer des Ilḫanats, Anfang 1260 zunächst gewaltsam Aleppo ein. Seine Hauptstadt Damaskus schutzlos zurücklassend zog sich der oberste Ayyūbiden-König an-Nāṣir Yūsuf daraufhin unentschlossen nach Südpalästina zurück, während der seit 1244 regierende Ayyūbiden-Fürst von Ḥamāh, al-Manṣūr Muḥammad, ganz bis nach Ägypten floh. Die Ayyūbiden-Herrscher von Ḥimṣ, Bāniyās und Kerak wiederum unterwarfen sich den Mongolen, welche eine Stadt nach der anderen unter ihre Kontrolle brachten, Ḥamāh ebenso wie Damaskus (Karte). Dies dokumentieren auch Münzen. So trugen etwa die Dirhams aus Ḥamāh – das jetzt einem Gouverneur Hülegüs namens Ḫusrau-Šāh unterstellt war – im Frühjahr 1260 (658 H.) nicht länger den Namen an-Nāṣir Yūsufs, sondern stattdessen die Inschrift „der Großḫan Möngke und sein Bruder, der vom Glück begünstigte Eroberer des Weltkreises Hülegü, möge beider Majestät anwachsen!“ (s. SNAT, Bd. IVc, Nr. 148 ff.). Nun war Möngke allerdings schon 1259 in China verstorben. Als die Nachricht hiervon in Aleppo eintraf, war dies wohl der Grund dafür, dass sich Hülegü – um besser auf innermongolische Machtkämpfe reagieren zu können – mit seinem Hauptheer wieder nach Aserbaidschan begab; angeblich spielte auch ein Mangel an Weideland eine Rolle. Jedenfalls ließ er bei seinem Abzug aus Syrien noch mindestens 10 000 Mann (ein tümen) unter dem Oberkommando seines bewährten nestorianischen Generals Kitbuġa zurück, welcher die Eroberungen vollenden sollte.

Nach seinem Einzug in Damaskus hatte Kitbuġa zunächst Baalbek eingenommen und war dann gemeinsam mit seinen Verbündeten (darunter die Georgier) nach Palästina vorgedrungen. Als er nun von Osten her den Jordan überquerte, war Sultan Qutuz mit dem Heer der Mamlūken bereits von Kairo bis auf das Territorium dessen gezogen, was vom Kreuzfahrer-Königreich Jerusalem damals noch übrig war: Er lagerte vor Akko(n), dessen fränkische Herren sich angesichts des Mongolensturms neutral verhielten. Im Folgenden – es war der 25. Ramaḍān/3. September – trafen die beiden etwa gleich starken Armeen der Mamlūken und Mongolen bei der sog. Goliathsquelle, auf Arabisch: ʿAin Ǧālūt (Hebräisch: ʿEn Ḥarod), aufeinander, und zwar so, wie es Qutuz und sein ortskundiger General Baibars wollten: In Unkenntnis der gegnerischen Stärke gerieten Kitbuġa und seine Krieger in einen Hinterhalt – und wurden vernichtend geschlagen, zum ersten Mal überhaupt! Der mongolische Vormarsch war damit gestoppt.

Die inzwischen 12. FINT-Münze des Monats, ein Dirham aus Ḥamāh, ist ein Produkt dieses richtungsweisenden Sieges der Mamlūken bei ʿAin Ǧālūt; sie steht für die politische Neuordnung Syriens durch Qutuz in jenem Herbst 1260. An der Seite des Sultans war nämlich u. a. der Ayyūbide al-Manṣūr Muḥammad mit in die Schlacht gezogen und wurde dafür nun belohnt, indem er Ḥamāh zurückbekam und die wichtige Stadt, ergänzt durch weitere Besitzungen, fortan als Vasall der Mamlūken regieren durfte. Das Gleiche gilt für die Herren von Ḥimṣ und Kerak – von denen ersterer noch in letzter Minute zu Qutuz übergelaufen war –, wohingegen jene Ayyūbiden, die für Kitbuġa gekämpft hatten, zusammen mit diesem hingerichtet wurden. Auch an-Nāṣir Yūsuf verlor damals sein Leben, allerdings auf Befehl Hülegüs in Aserbaidschan, wohin er nach seiner Aufgreifung geschickt worden war. Während in Damaskus wie in Aleppo nun Emir-Gouverneure des Mamlūkensultans eingesetzt wurden, sollte also der Dynastiezweig, dem al-Manṣūr Muḥammad entstammte, als eine von drei syrischen Ayyūbiden-Linien Bestand haben. Begründet worden war die Linie von Ḥamāh einst im Sept./Okt. 1178, als Saladin einen seiner Neffen (Muḥammads Urgroßvater) mit der bis zu ihrer Eroberung 1174 zangidisch beherrschten Stadt belehnt hatte. Das Recht der Namensnennung auf den in Ḥamāh geprägten Edelmetallmünzen blieb jedoch dem jeweiligen Oberhaupt des Ayyūbidenreiches vorbehalten, weshalb vor der mongolischen Besetzung auch nur an-Nāṣir Yūsuf aufgeführt war (s. o.), und nicht auch al-Manṣūr Muḥammad. Dies änderte sich nun im Anschluss an die Schlacht von ʿAin Ǧālūt, wie unsere Münze des Monats offenbart – im Avers-Feld steht: al-Malik al-Manṣūr / Nāṣir ad-Dunyā / wa-d-Dīn Muḥammad; am Rand noch Spuren der šahāda. Mit der Gewährung des sikka-Rechts wurde das Fürstentum von Ḥamāh also aufgewertet, auch wenn es nicht etwa unabhängig wurde, wie die Rückseite des 2,16 g schweren Dirhams dokumentiert. In einem ebenfalls quadratischen Feld ist darauf al-Malik al-Muẓaffar / Saif ad-Dunyā / wa-d-Dīn Qutuz zu lesen. Wer entgegen der Tradition wohlgemerkt nicht genannt wird, ist der Kalif – die ʿAbbāsiden waren in Bagdad ja zwei Jahre zuvor von Hülegü beseitigt worden! Bemerkenswert ist zudem, dass al-Manṣūr Muḥammad bislang eigentlich den Ehrennamen Saif ad-Dunyā wa-d-Dīn („Schwert der Welt und der Religion“) geführt hatte. Da so aber auch Qutuz hieß, musste der Klarheit wegen offenbar eine Anpassung erfolgen und Muḥammad wurde von seinem neuen, mamlūkischen Oberherrn in Nāṣir ad-Dunyā wa-d-Dīn („Helfer der Welt und Religion“) umbenannt.

Die Angabe, dass die Silbermünze noch 658 H. – im Herbst 1260 – zu Ḥamāh geschlagen wurde, ist auf unserem Exemplar (Revers-Ränder) zwar so gut wie nicht mehr erhalten, doch ergibt sich das Prägejahr aus dem Fortgang der Ereignisse. Denn nach nur einem Jahr als Herrscher und keine zwei Monate nach seinem Sieg wurde Qutuz auf dem Rückweg nach Ägypten ermordet, und zwar von Baibars, der sich bei der Postenverteilung in Syrien offenbar übergangen gefühlt hatte und wenig später als vierter Mamlūken-Sultan den Thron bestieg. Al-Malik al-Manṣūr Muḥammad regierte noch bis 1284, seine Nachfolger – darunter der Historio- und Geograph Abū l-Fidāʾ – sogar noch bis ca. 1340. Allerdings wurde den Ayyūbiden von Ḥamāh das sikka-Recht noch unter Baibars wieder entzogen, nachdem dieser auf den Dirhams zunächst Qutuz’ Platz eingenommen hatte (s. SNAT, Bd. IVc, Nr. 157). Für Baibars und seine Nachfolger bedeutete der Sieg bei ʿAin Ǧālūt einen großen Prestigegewinn. Die Mamlūken konnten sich als „Verteidiger des Islams“ legitimieren und ihre junge Herrschaft nicht nur festigen, sondern auch ausdehnen. Zwar versuchten Hülegü und seine Nachfolger noch ein paar Mal, nach Syrien überzugreifen, doch blieben diese Feldzüge ohne dauerhaften Erfolg und der Euphrat die Grenze zwischen dem ilḫanischen und dem mamlūkischen Machtbereich (Karte). Als etwa Aleppo noch Ende 1260 abermals von den Mongolen okkupiert wurde, taten sich al-Manṣūr Muḥammad und der Ayyūbide von Ḥimṣ zusammen und stellten sich den Eindringlingen erfolgreich entgegen – die Entscheidungsschlacht an der Goliathsquelle hatte ja gezeigt, dass die Mongolen doch nicht unbesiegbar und ihre Expansion doch nicht unaufhaltbar war.

Sebastian Hanstein

MdM August 2019

 

At the beginning of August, the FINT hosts a visitor who has been using our collection of Islamic coins for his research regularly since the late 1990s: Thomas Alexander Sinclair. Until his retirement in 2017, he was Associate Professor in the Department of Turkish and Middle Eastern Studies of the University of Cyprus. Mainly interested in the Turkish history of Armenia and Anatolia, he has chosen a coin from that very region in order to present and explain it here as our second MdM guest contribution.

 

This month’s coin is a double dirham (weight 1.54 g.) minted in the name of ʿAlāʾ al-Dīn ʿAlī (767–82/1365–80), grandson of Eretna, a Mongol officer who took over the Il-Khanid-administered territories in Asia Minor and Armenia. Eretna (ruled 736–53/1335–52) controlled, among other places, Sivas and Kayseri, Erzincan, Erzurum and Bayburt and territories further south towards the Taurus mountains (map). Eretna was succeeded by his son Muḥammad (756–67/1355–65), who in turn was succeeded by ʿAlāʾ al-Dīn ʿAlī (767–82/1365–80). Meanwhile, however, Erzincan, Erzurum and Bayburt had been seized by a local figure, the Akhī Ayna, c. 749/1348. Ayna was succeeded by Pīr Ḥusayn c. 763/1361. Ultimately the same territories fell into the hands of the better-known Mutahharten in 781/1379.

Our coin, minted at Arzinjān/Erzincan probably at the beginning of ʿAlī’s reign (somewhere in the years 767, 768, 769: see next paragraph), was therefore minted by a local amīr, presumably Pīr Ḥusayn, but in the name of ʿAlāʾ al-Dīn ʿAlī. This should perhaps be taken to mean that Pīr Ḥusayn acknowledged in some sense the overlordship of ʿAlī, but does not indicate any real control over Erzincan or over Pīr Ḥusayn on ʿAlī’s part.

Our coin bears a fake date, 728 – fake because it falls well before ʿAlī’s reign. To judge by the real dates of the coins belonging to the type (called EA1 by Album) of ʿAlī’s coins – dates which are plausible precisely because they do fall within his reign – the coin was minted in 767, 768 or 769, at the beginning of ʿAlī’s reign. The type, however, was not minted at Sivas, which ʿAlī actually controlled, whereas those struck at Sivas fall after the years 767–79. The only exception is a double dirham of the year 768 struck at Sivas: it belongs to a different type, dubbed SA. On the other hand at Erzincan none of the types, chronologically posterior to EA1, which were minted at Sivas, appears at Erzincan, nor is any other type of coin struck there during the remainder of ʿAlī’s reign. The sudden cessation of minting at Erzincan is hard to interpret in the political sphere, but from an economic point of view suggests an inability or an unwillingness to strike coinage, perhaps due to a shortage of silver.

The design of obverse and reverse of type EA1’s coins (I prefer the designation EA) might be called “square and octalobe”. The design does not represent a continuation in any sense of the coins of ʿAlī’s father and immediate predecessor Muḥammad. On the latter’s obverse, taken to be the side where the Islamic profession of faith, the kalima, is inscribed, a circular “signet” is placed in the centre, from which three pointed leaves reach out to the coin’s edge. On the reverse there is no geometrical motif beyond the implied square formed by the ruler’s name, title etc.

In type EA of ʿAlī the basis of the obverse’s design is a square containing the kalima. In lobes attached to each side of the square are inscribed the names of the Rāshidūn, the four ‘rightly-guided’ caliphs who succeeded the prophet Muḥammad. On the reverse is a flower-shaped design, eight semicircles joined so as to form an octalobe. The latter contains the ruler’s title and name (written al-sulṭān al-aʿẓam / ʿAlāʾ al-Dunyā wa-’l-Dīn), and the formulaic prayer. The date is placed in the lowest (“southerly”) lobe.

Possibly the EA type throws back to two types of Abū Saʿīd, the last Il-Khan to rule over a functional and substantially united empire, as opposed to the minor figures who followed him (for a coin of one of these minor figures, see MdM März 2019). Abū Saʿīd’s type F (called the ‘plain-square’ type) was minted over the years 723–28. The defining feature of its obverse is a square containing the kalima; the names of the Rāshidūn are inscribed in lunettes attached to each of the square’s four sides. Such a design may be the basis for the obverse of our coin.  Abū Saʿīd’s type G, the so-called ‘two-octagons’ type, was minted over the years 729–34. In the obverse is an octalobe in which is inscribed the kalima and, in the lobes on the points of the compass, the names of the Rāshidūn. On the reverse is an octalobe shape formed of intersecting arcs; inside this are inscribed the Il-Khan’s title, name etc. From the design of this reverse, perhaps with limited inspiration from the obverse, may be derived the reverse of ʿAlāʾ al-Dīn ʿAlī’s type EA. The “fake” date of 728 on the latter type would then be explained by the attempt to present the coin as an Il-Khanid type; the purpose would be to persuade the trading public that Il-Khanid coins were still in circulation.

Our coin, however, is struck with a “fake countermark”; it must be observed that certain other coins minted in ῾Alī’s name in Sivas are stamped with a genuine countermark (Perk/Öztürk, no. 283, p. 355; nos. 288–89, pp. 357–58; no. 325, p. 382; no. 327, p. 383). On our coin of Erzincan the countermark is part of the die and so is “fake”. Its eye-shape is traced out in dots; within are the letters llāh. The initial alif of the word Allāh is cut in the main text, before the fake countermark. But the fake countermark is placed, as it were, over the position where the same letters would have been if there were no countermark. Such coins are dubbed EA+: the only difference with EA is precisely the fake countermark. The fake countermark appears to complement the deceit purposed by the fake date: it is meant to fool the trader into supposing that Abū Saʿīd’s coins are in circulation to a greater degree than they actually were; the fake countermark then deceives the user into thinking that the purported Abū Saʿīd issues are being validated for current circulation by the ruler of the time.

The explanation for the fake date, imitation design and “fake countermark” seems to be a shortage of silver derived from trade with Europe. In the late 7th/13th century and the first decades of the 8th/14th century the Cilician port of Ayas had sent silver, in the form of coins and ingots, up the road to Sivas and so to Erzincan and Tabriz, in exchange for precious goods of Chinese and Indian origin such as silk and spices. But after the acquisition of Ayas by the Mamlūk sultanate in 1337 that avenue of trade, and source of silver, was closed. Goods continued to travel to Europe via Trebizond, the Black Sea and the Aegean. This pattern of transport continued until the end of the century: at that time silk trading and manufacture started at Bursa, fed by an overland route through Armenia and Asia Minor. Trebizond was deprived of its international trade, and goods were once more brought through Erzincan and Sivas, though Tokat replaced Sivas after Timur’s devastation of the latter city.

 

- Stephen Album, Sylloge of Islamic Coins in the Ashmolean, vol. 9: Iran after the Mongol Invasion, Oxford 2001.

- Halûk Perk/Hüsnü Öztürk, Eretna Kadı Burhanettin ve Erzincan (Mutahharten) Emirliği Sikkeleri / Eretnid Burhanid and Emirate of Arzincan (Mutahharten) Coins, Istanbul 2008.

MdM Juli 2019

 

Mit der inzwischen zehnten Münze des Monats wird es Zeit für einen ersten Gastbeitrag. Dieser gebührt dem (von 1990 bis 2017) ersten FINT-Kustos Dr. Lutz Ilisch, welcher im Juli seinen Geburtstag feiert und im Folgenden ein Stück seiner Wahl vorstellt.

 

Die Münze dieses Monats ist eine frühmittelalterliche Massenprägung in Kupfer (arab. fals), welche in vielen hundert, wenn nicht sogar in die Tausende gehenden Exemplaren nachweisbar wäre. Dennoch gibt die offenbar als Wüstenspringmaus oder Pferdespringer (Allactaga euphratica?) gedachte Darstellung Rätsel auf, die bis heute keineswegs vollständig gelöst werden konnten, und der kleine Hüpfer verkörpert damit die islamische Numismatik auf geradezu ideale Weise. Der eigentliche Anlass darüber zu schreiben besteht darin, dass dieses merkwürdige Wesen dem Schreiber dieser Zeilen seit nunmehr deutlich über 50 Jahren so oft und in so vielen Exemplaren den Weg kreuzte, dass er schon mehrfach Anlass sah, sich mit ihrer Bestimmung auseinanderzusetzen, darüber zu schreiben, erneut nachzudenken und Verbesserungen zu suchen.

Zunächst einmal stellen sich bei jeder mittelalterlichen Münze die beiden Kernfragen, wo und wann sie entstanden ist, dann folgen die Fragen nach der Münzherrschaft und nach der geldgeschichtlichen Einordnung. Nur die erste dieser Fragen, die nach dem Entstehungsort, kann durch eine einfache Lesung der Aufschriften mit Ḥomṣ (kl. arab. Ḥimṣ), beantwortet werden, alles andere steht zur Diskussion. Vor allen Dingen kommen wir auch bei dem Bild der Wüstenspringmaus, mal nach rechts, mal nach links dargestellt, so wendig diese Tierchen eben sind, mit dem numismatisch-ikonographischen Werkzeugkasten von Religion und Herrschaft schwerlich zurecht.

Das seinen Rücken stark krümmende Tier zeigt lange, angewinkelte Hinterbeine und kurze Vorderbeine, an deren Enden ausgeprägte Krallen sichtbar sind. Der Kopf in geduckter Stellung mit seinen dreieckigen Ohren schaut normalerweise aufwärts. Nur bei zeitgenössischen Imitationen gibt es hier Variationen in Fressstellung. Offenbar war der Pariser Numismatiker und Opernkritiker Henri Lavoix der erste, der 1887 auf der Basis von drei solcher Kupfermünzen eine Bestimmung als gerboise (Wüstenspringmaus) vornahm, während sein Kollege Stanley Lane-Poole vermutlich ohne Kenntnis der Pariser Publikation auf der Basis nur eines Exemplars glaubte, einen Hasen zu sehen. Berlin kannte dann 1898 bereits die Varianten nach rechts und nach links und entschied sich auch für die Springmaus, woran dann seither auch kein Zweifel mehr geäußert wurde.

Infolge der schon bemerkten großen Häufigkeit dieses eigentümlichen Münztyps kann es nicht verwundern, dass seine erste Publikation bereits in die Anfänge der Orientnumismatik fiel, und zwar durch reine Abbildung ohne Beschreibung und ohne ansatzweise Bestimmung erschien eine Abbildung im Tafelwerk der großen venezianischen Antikenmünzsammlung des Honorius Arigoni im Jahr 1743 (Digitalisat, s. Scan 124). Für die nächsten hundert Jahre dürften weitere Exemplare in europäischen Sammlungen ein Schattendasein in Incertenkabinetten geführt haben, denn publiziert wurde nur das, was als bestimmbar erachtet wurde. In Waldemar von Tiesenhausens Übersicht über die kalifische Münzprägung von 1873 finden wir die Springmausmünzen nur beschrieben und eingeordnet als unbekannte umayyadische oder ʿabbāsidische Kupfermünzen, allerdings mit identifizierter Münzstätte Ḥimṣ. In den folgenden großen Materialpräsentationen der nationalen Münzkabinette in London, Paris und Berlin 1887-1898 entschieden sich die Bearbeiter übereinstimmend für eine Zuordnung in die Umayyadenzeit. Das entsprach dem bis heute verbreiteten Glauben, islamische Münzen seien vor allen Dingen bilderfrei und der Kalif ʿAbd al-Malik habe mit seiner Münzreform in den letzten Jahren des 7. Jh. in erster Linie die Bilder beseitigen wollen. Die Einführung rein schriftlicher Münzen wird heute besser verstanden als positiver Ausdruck einer Buchreligion, welcher mit Befürwortung oder Ablehnung von Bildern gar nichts zu tun hat. Für die Numismatiker des 19. Jh. schien aber klar zu sein, dass alle bildtragenden Münzen früh einzuordnen wären. Diese Haltung wurde scheinbar dadurch unterstützt, dass in der Datierung die Münzprägung nicht konsequent in eine chronologische Reihe gesetzt wurde, sondern zunächst einmal die Klassen „datierte Münzen“ und „undatierte Münzen“ gebildet wurden, wobei die undatierten nochmals unterscheidbar wurden in solche, die durch Namensnennungen datiert werden konnten, und den Rest, dem auch dieses Qualifizierungsmerkmal fehlte. Diese letzte, anonyme und undatierte Gruppe fiel dann aus der Betrachtung heraus und die Münzen erhielten ihren festen Endplatz hinter den datierten Stücken. John Walker hatte in seinem 1956 erschienenen Katalog umayyadischer Münzen des British Museum bereits die Abfolge von datiert und undatiert umgedreht, womit er der Erfahrung entsprach, dass die frühumayyadischen Kupfermünzen durchweg undatiert waren, wogegen die nachumayyadischen Prägungen häufiger datiert als undatiert erscheinen. Das blieb aber ein unhistorisches Ordnungssystem, das primär der Verwaltung, aber nicht dem Verständnis von Münzen diente. So etwas gab es auch in der kaiserlich-römischen Numismatik mit der alphabetischen Ordnung der Rückseitenaufschriften durch Henry Cohen seit 1876, welche aber schon im frühen 20. Jh. am British Museum durch eine konsequent angewendete chronologische Anordnung ersetzt worden war. Auch die Arbeiten der Wiener Schule von Pinck bis Göbl hatten den Erfolg der stringent chronologischen Ordnung aller Prägungen gezeigt. In der Münsteraner Schule von Peter Berghaus, zu der sich der Autor zählen darf, wurden diese verschiedenen Ansätze selbstverständlich gelehrt.

Aus der Betrachtung der datierten frühislamischen Kupfermünzen war eindeutig, dass alle Münztypen ihre jeweilige begrenzte Ausgabezeit hatten. Dies musste sich auch auf die undatierten Kupfermünztypen übertragen lassen, und das war der Ausgangspunkt für einen kleinen Versuch, den ich 1980 hinsichtlich der Kupfermünzprägung von Ḥimṣ wagte. Unter den Ḥimṣer Kupfermünzen war mit Ausnahme einer von 116-118 H. andauernden Ausgabe alles undatiert. Wohin also mit dem kleinen Springtier, dem zunächst einmal ein Platz kurz nach der angeblich bildabschaffenden Reform ʿAbd al-Maliks von 77/79 H. sicher zu sein schien? Als wichtigstes Hilfsmittel der chronologischen Ordnung boten sich die gelegentlich vorkommenden Überprägungen an, welche in jedem Fall eine relativ-chronologische Aussage machten, indem der überprägte Münztyp entweder älter oder gleichzeitig, keinesfalls aber jünger als der zur Überprägung verwendete Münztyp sein konnte. Ich hatte miterleben dürfen, wie Simon Bendall in London die byzantinische Kupfermünzprägung Constans II. oder der Palaiologenzeit auf der Basis der Beobachtungen von Überprägungen neu ordnen konnte. Es zeigte sich, dass die Ausgabe 116-118 H. etwa in die Mitte der Ḥimṣer Kupfermünzreihe zu setzen war mit schwereren Stücken zu Beginn und leichteren Stücken nach der trennenden datierten Ausgabe (Münze des Monats: 3,09 g). Die leichteren Stücke, die mir in großer Zahl vorlagen, zeigten sehr häufig Überprägungen, jedoch nie solche auf den Springmaustyp. Auf der anderen Seite kam der Springmaustyp etwas seltener als Überprägung auf ältere Münztypen vor, die ich jedoch nicht genau zuordnen konnte. Daraus ergab sich fast zwangsläufig eine späte Datierung, bei der sich allerdings durch die Macht der Gewohnheit eine Denkblockade über das Ende der Umayyadenzeit hinaus auswirkte. Ich schlug also als absolutchronologischen Ansatz das Jahr 132 H./750 AD vor, in dem die Umayyadenherrschaft in Syrien von den ʿAbbāsiden abgelöst wurde (s. MdM Jan. 2018). Dieser Übergang der Herrscherfamilie wurde vielfach in der Geschichte, vor allem aber in der Kunstgeschichte als Katastrophe für Syrien angesprochen, zumal ein tatsächlich katastrophales Erdbeben im Vorjahr 749 zahlreiche Städte in der Dekapolis im Grenzbereich zwischen Palästina und dem Jordangebiet vollkommen zerstört hatte. Numismatiker erwarteten einen schlagartigen Wandel von der etwas wurstig-behäbig wirkenden Schrift umayyadischer Kupfermünzen in den syrischen Landen, welcher der feineren und kantigeren Ausformung der Kūfī-Schrift des islamischen Ostens Platz gemacht hätte. Mit Hinblick auf die jüngere deutsche Münzgeschichte hätte man eigentlich wissen können, dass es 1945 keinen Typenwechsel beim Kleingeld gab und lediglich das Hakenkreuz unter dem Adler verschwand, wogegen die charakteristische Schrift, Bildaufbau und Prägetechnik noch zwei Jahre unverändert blieben. Dass die dahinter stehende Gesellschaft und Staatsstrukturen sich vor allem im Westen weitaus langsamer veränderten, muss hier nicht kommentiert werden. Heute wissen wir, dass sich im Nahen Osten der „ʿabbāsidische Stil“ erst über die 140er und 150er Jahre hinweg in Ägypten und Syrien durchsetzen konnte, dass es also ähnlich wie im Nachkriegsdeutschland eines Generationswechsels bedurfte, um Veränderungen sichtbar werden zu lassen. Für die absolute Datierung der monetären Springmaus ist also Zeit gewonnen. Schon in den 1980er Jahren konnte ich auf neu auftauchenden Ḥimṣer Überprägungen Untertypen identifizieren, welche mir 1980 noch unbekannt waren, nämlich einen Aleppiner Kupfermünztyp, der 133-135 H. geprägt wurde. Eine solche Überprägung zeigt sich auch deutlich auf der Münze des Monats, und zwar auf der Vorderseite rechts oben sowie auf der Rückseite im unteren Bereich. Die Springmaus hüpfte damit über die Zeitenwende 750 von den Umayyaden zu den ʿAbbāsiden, was dann vollkommen unbemerkt in meinem Fundkatalog der Grabungsmünzen von ar-Ruṣāfa im syrischen Euphratgebiet 1995 veröffentlicht wurde. Weitere Münzen tauchten während der 1990er Jahre im Handel auf oder wurden 2004 von dem jordanischen Numismatiker Nayib Qoussouss veröffentlicht, die dann zeigten, dass es andere und zuvor unbekannte frühʿabbāsidische Münztypen aus Ḥimṣ gab, welche den Anspruch erheben konnten, die frühesten ʿabbāsidischen Münzen aus Ḥimṣ zu sein, da sie den Namen des ʿabbāsidischen Eroberers von Syrien ʿAbdallāh ibn ʿAlī zusammen mit lokalen, nicht identifizierbaren Beamten tragen. Auch diese wurden in ihrer jordanischen Erstpublikation als umayyadisch identifiziert, was ich dann 2016 im Rahmen einer grundsätzlichen Diskussion der numismatischen Trennung von Umayyaden und ʿAbbāsiden erörtern konnte.

Eine Änderung der Ausgabeweise von regionalem Kupfergeld, das mit dem Wechsel von der umayyadischen zur ʿabbāsidischen Herrschaft einhergeht, betrifft das Nebeneinander von offiziellen Kupfermünzen und von nachfolgenden Imitationen, die oft geprägt, noch häufiger aber gegossen wurden. Dies ist ein in der Münzgeschichte wiederkehrendes Moment, welches in der Britannia, Gallia und dem Rheinland im 3. Jh. feststellbar ist, dann im 4. Jh. in Ägypten, im 6. in Palästina, im 7. im ganzen Nahen Osten konstatiert werden kann. Der Spezialist für zeitgenössisches Fälscherwesen im römischen Reich, Markus Peter, hat dieses Phänomen mit dem treffenden Begriff der pandemischen Fälschungen bezeichnet. Die Bedingungen, Rechtsstellung und ökonomische Auswirkungen sind bis heute allerdings kaum verstanden. Unsere Springmaus erlebte infolge dieser Erscheinung eine erstaunliche Ausbreitung, indem die Vorder- und Rückseiten dieses Typs als Nachguss gerne mit Münzen anderer Herkunft von Ägypten bis nach Mosul kombiniert wurden. Nicht anders als bei den geprägten Nachahmungen könnte hier die Herkunft nur über den Fund von Produktionswerkzeug ermittelt werden. Das ist aber bislang nicht zutage getreten, sodass die Herkunft unklar bleibt. Diese Nachahmungen sind aber nicht weniger häufig zu finden als die Vorbilder, sodass die Möglichkeit besteht, die Imitationen als Teil eines Systems zu verstehen, welches von staatlicher Seite toleriert oder lizensiert wurde. Die Regelmäßigkeit, mit der den offiziellen Ausgaben immer kleiner werdende Imitationen folgen, weist ihnen einen Platz im Währungssystem zu, vielleicht als in der Nähe des Kupferwertes gehandeltes Kleingeld nach Ablauf bestimmter Fristen, wie wir das aus der spätmittelalterlichen Mamlūkenzeit in Syrien detailliert kennen.

Was bedeutet nun die Springmaus auf den Münzen? Hierzu ist der Kontext mit den Aufschriften zu betrachten. Sie ist umgeben von einer Umschrift, welche die Herkunft aus Ḥimṣ bezeichnet: „Im Namen Gottes wurde dieser fals in Ḥimṣ geprägt“. Unter den vielen Varianten gibt es einen Stempel, welcher den Namen Hims durch das in den ersten beiden Buchstaben identische Zahlwort ḫamsīn („fünfzig“) ersetzt. Dabei ist nicht ganz auszuschließen, dass dies als Andeutung einer Jahreszahl 150 H. zu verstehen ist. Da aber auch andere Deutungen im Sinne einer Wertfeststellung zu 1/50 Dirham denkbar wären, bleibt dieser Hinweis eines der vielen Rätsel, die sich mit dieser Ausgabe verbinden. Weniger rätselhaft ist die rückseitige Nennung eines Prägeherrn, bi-amr / Marwān ibn / Bašīr („auf Befehl des …“), welche insbesondere bei den vergröbernden Imitationen oft den Vatersnamen zu Bišr werden lässt. Der Personenname wie auch der des Vaters gehören zu den bevorzugten Namen der Umayyadenfamilie und ihres Klientelumfeldes. Hieraus lässt sich aber nicht auf eine umayyadenzeitliche Entstehung schließen, sondern nur auf eine umayyadenzeitliche Geburt, die bei Beamten der frühen ʿAbbāsidenzeit geradezu selbstverständlich ist. In der Tat lässt sich die Person sogar identifizieren mit einem literarisch erwähnten Marwān ibn Bašīr ibn Abī Sāra, der als Klient des Umayyadenkalifen al-Walīd II. (125-126 H.) in die Geschichte eingegangen ist. Um das Feld zieht sich eine religiöse Umschrift, die an mehreren Stellen des Koran zu finden ist, und welche die besondere religiöse Bedeutung des Propheten Muḥammad erklärt. Dieser Text gehört zu den bevorzugten Münzaufschriften der ʿabbāsidischen Revolution und der ʿAbbāsidenzeit, weil er die ʿabbāsidische Herrschaftsbegründung durch die Zugehörigkeit zur Prophetenfamilie unterstützt. Der Text ist allerdings auch schon in der umayyadischen Gold- und Silbermünzgestaltung verwendet worden, wenngleich selten auf den Kupfermünzen. Wir sehen also neben der Wüstenspringmaus die Münzhoheit und die Herrschaftsbegründung in der Typengestaltung. Ist die Maus nun eine Zutat, welche allein der Typenunterscheidung eines neu eingeführten und zunächst dekretierten hohen Wertes dient, so wie das offenbar bei Tierdarstellungen in der iranischen Welt seit der Mongolenzeit bis in das 19. Jh. hinein der Fall war? Das ist für die frühislamischen Tierdarstellungen nicht gesichert, zumal eine Bevorzugung von Löwen und Adlern auf die Herrschaftssymbolik verweist. Die Wüstenspringmaus, arab. yarbūʿ, weckt jedoch noch eine andere Assoziation, nämlich die an den beduinischen Unterstamm der Banū Yarbūʿ, welche über den Spross Ḥanẓala der Stammesfamilie der Tamīm zugehörig war. Unter den nordsyrischen und nordmesopotamischen Beduinen waren Tiernamen für die eigene Namensgebung beliebt und sie blieben das auch nach der Islamisierung. Insofern kann es als wahrscheinlich gelten, dass ein Springmausbild in Syrien in den 140er Jahren die Assoziation an die Banū Yarbūʿ wecken sollte. Auf welche Person oder ob eine Identifikation überhaupt möglich sein wird, ist gegenwärtig noch nicht geklärt. Dies kann nämlich durchaus neben Marwān ibn Bašīr eine zweite Person gewesen sein, da ʿabbāsidische Kupfermünzen der Mitte des 2. Jh. H. häufig zwei Beamtennamen tragen: den eines lokalen Gouverneurs, der zumeist identifizierbar ist, und daneben den eines Beamten, der offenbar in der Regel für die Finanzverwaltung zuständig war. Für diese nachrangigen Beamten gibt es im Raum Syrien anders als in Ägypten zumeist keine Identifizierungsmöglichkeit da die literarische Quellenlage weniger gut ist. So bleiben in der islamischen Numismatik Rätsel je weiter wir in der Bestimmung kommen – glücklicherweise!

MdM Juni 2019

 

Der 1. Juni ist der Internationale Kindertag und auch sonst fallen in diesen Monat verschiedene Aktionstage, deren Anliegen das Kindeswohl ist (4.6.: Internationaler Tag der Kinder, die unschuldig zu Aggressionsopfern geworden sind; 10.6.: Kindersicherheitstag; 12.6.: Welttag gegen Kinderarbeit). Das erste Land, welches einen Kindertag einführte, war übrigens nicht etwa ein westlicher Staat, sondern 1920 die Türkei. Die FINT-Münze des Monats stammt allerdings aus einem viel weiter entfernten, tropischen Teil der islamischen Welt: aus Zentralindien. Sie wurde unter einem Herrscher geprägt, welcher schon als Kind auf den Thron kam, was in der islamischen (wie in der europäischen) Geschichte an sich keine große Seltenheit ist (s. etwa MdM April 2019); denn worauf es ankam, war die Legitimation, die grundsätzliche Bestimmung zur Herrschaft, für die das Alter keine Rolle spielte. Auf dem Dekkan gab es jedoch ein Sultanat, an dessen Spitze nicht ausnahmsweise, sondern gleich mehrfach hintereinander Minderjährige rückten – das 1347 begründete Sultanat der Bahmaniden-Dynastie.

Auf beiden Seiten der Münze (ex Sammlung Hans Herrli) finden sich ausschließlich Titel und Namen(sbestandteile), wobei auf der Rückseite mittig (2. Zeile) gut lesbar und weitgehend punktiert „Sohn des Humāyūn-Šāh“ steht. Dieser Humāyūn, der Vater des Münzherrn, war der 11. Bahmanī-Herrscher und ist als besonders grausam in die Geschichte eingegangen, womöglich aber zu Unrecht. Als er 1461 starb, folgte ihm planmäßig sein Sohn Aḥmad-Šāh (III.) auf den Thron, welcher allerdings erst acht Jahre alt war, sodass die Regierungsgeschäfte in seinem Namen von einem Rat aus drei Personen geführt wurden. Dies waren – ebenfalls gemäß Humāyūns Willen – die beiden obersten Würdenträger mit den Titeln vāǧa-yi ǧahān bzw. malik at-tuǧǧār („König der Händler“) und die verwitwete Sultansmutter maḫdūma-yi ǧahān Nargis-Begam, mit der sich besagte Herren allmorgendlich berieten und welche sodann den kleinen Aḥmad aus ihren Gemächern in den Audienzsaal zu schicken pflegte.

Ähnlich charakteristisch wie eine Vormundschaftsregierung ist, dass ein Kindkönig im Ausland als politische Schwäche gesehen wurde und damit als günstige Gelegenheit für eine militärische Intervention. Nachdem Aḥmad zum Sultan gekrönt worden war, fielen sogar gleich mehrere Nachbarmächte wiederholt ins Bahmanī-Territorium ein, v. a. der Gajapati-König von Orissa (im Osten) und der Sultan von Mālwā (im Norden). Alle Eroberungsversuche konnten letztlich aber abgewehrt werden, auch dank einem Bündnis mit dem Sultan von Gujarat. Für Aḥmad hatten diese Auseinandersetzungen wohlgemerkt bedeutet, dass er trotz seines Alters mit ins blutige Schlachtgetümmel genommen wurde, und auch sonst lassen die Chroniken oft erahnen, was minderjährigen Herrschern ganz selbstverständlich zugemutet wurde und wie traumatisierend frühe Gewalt- und Verlusterfahrungen für diese Kinder waren. Manchmal wird hiervon sogar ganz explizit berichtet.

Unter den Bahmaniden war es ferner üblich, Prinzen schon sehr zeitig zu verheiraten. Auch für den achtjährigen Aḥmad hatte seine Mutter bereits eine Braut gefunden, doch war es 1463 ausgerechnet die Hochzeitsnacht, in der den jungen Sultan plötzlich der Tod ereilte. Auf den Thron folgte ihm sein jüngerer Bruder Abū l-Muẓaffar Muḥammad (III.), welcher damals neun Jahre alt war. Er ist es, von dem die Münze des Monats stammt; in der Zeile oberhalb der Filiationsabgabe ist dementsprechend Muḥammad-Šāh zu lesen. Die 3. Rev.-Zeile enthält (neben einem Ornament) noch den Sultanstitel über einer Linie, unter der sich in diesem Fall nur noch minimale Spuren eines in (arabisch-indischen) Ziffern angegebenen Prägejahres erhalten haben (wohl 870er H.). Als Prägeort darf sicher die rund 40 Jahre zuvor von Gulbargā (Aḥsanābād) nach Bīdar (Muḥammadābād) verlegte Bahmanī-Kapitale angenommen werden. Auf der Vorderseite findet sich oben ein Ehrenname, bei dem man eigentlich sofort an einen Kalifen denkt: al-Muʿtaṣim / bi-llāh – „der bei Gott Zuflucht Suchende“. Der damals amtierende ʿAbbāside in Kairo hieß jedoch anders und so gehört jener Name offenbar ebenso dem 13. Bahmaniden-Herrscher wie der in Zeile 3 und 4 folgende: [Š]ams ad-Duny[ā] / [wa]-d-Dīn – „Sonne der Welt und der Religion“. (Man beachte wieder die Setzung diverser orthographischer Hilfszeichen.)

Das Kupfer-Stück ist bei einem Durchmesser von ca. 2 cm typischerweise sehr dick – etwa einen halben Zentimeter – und dementsprechend schwer: 16,3 g. Die Bezeichnung einer solchen Münze lautete gānī. Neben vollen gānīs wurden unter Muḥammad III. auch ⅔-, ½-, ⅓-, ⅙- und 1/12-gānī-Stücke geprägt sowie große Gold- und Silbermünzen (tankas). Wie Schatzfunde zeigen, kursierten auf dem gesamten Bahmanī-Territorium zudem die gewohnt kleinen und damit praktischeren Goldmünzen des südlichen, hinduistischen Nachbarn Vijayanagar und als Handelsmünze spielte bald auch der silberne lārī eine wichtige Rolle.

In Anbetracht von Muḥammads Alter blieb es anfangs bei besagtem Dreierrat, bis die darin tonangebende Sultansmutter beschloss, den vāǧa-yi ǧahān Malik-Šāh Turk zu beseitigen. Hierzu benutzte sie ihren minderjährigen Sohn, indem sie ihn während einer Audienz durch ein Zeichen die sofortige Tötung des vāǧa-yi ǧahān befehlen ließ. Malik-Šāh wurde daraufhin vor den Augen des Sultans niedergestochen; seinen Titel erhielt der bisherige malik at-tuǧǧār Maḥmūd Gāvān – ein hochgebildeter, kultivierter und in der ganzen islamischen Welt vernetzter Großkaufmann und Literat aus Gīlān, welcher den Bahmaniden bereits seit Humāyūn als Wesir diente (und u. a. für das dauerhafte Bündnis mit Gujarat verantwortlich war). Dank seiner herausragenden Qualitäten als Staatsmann und Feldherr erlebte das Sultanat nun sowohl eine kulturelle Blütezeit als auch seine maximale Ausdehnung. Im Westen wurde an der Konkan-Küste u. a. Goa erobert (das zuvor zu Vijayanagar gehört hatte) und im Osten (gegen Orissa) bis an den Golf von Bengalen (Krishna-Delta) expandiert, womit die stark vom Fernhandel profitierende Bahmanī-Herrschaft von Meer zu Meer reichte.

Der fähige Wesir ging in der Folge eine radikale Verwaltungsreform an, nach der jede der bislang vier (mittlerweile zu groß gewordenen) Provinzen in zwei neue Provinzen geteilt und die Macht der Zentralregierung in Bīdar (auf Kosten jener der Gouverneure) gestärkt werden sollte. Gleichzeitig war der Iraner Maḥmūd Gāvān um eine Balance zwischen der eingesessenen dekkanischen Elite einerseits und der Gruppe der (wie er selbst) erst neu ins Land gekommenen und teilweise (auch von ihm selbst) gezielt angeworbenen iranischen, türkischen oder arabischen „Fachkräfte“ andererseits bemüht. Die Spannungen zwischen diesen beiden rivalisierenden Fraktionen nahmen jedoch weiter zu und da auch die Reformen des übermächtigen Wesirs bei Manchen Unmut erzeugten, kam es 1481 schließlich so weit, dass einige der Fremdenhasser dem Sultan einen gefälschten Brief zeigten, aus welchem eine Verschwörung Maḥmūd Gāvāns mit dem König von Orissa hervorging. Nun war Muḥammad damals – wie so oft – betrunken und so lag es wohl hieran, dass er den übersiebzigjährigen vāǧa-yi ǧahān ohne eine Prüfung der Anschuldigungen umgehend hinrichten ließ – was er schnell bitter bereute; er selbst starb (alkoholbedingt) nur exakt ein (Mond-)Jahr später. Nach Maḥmūd Gāvān hielt den Staat niemand mehr zusammen und die Bahmanī-Herrschaft verfiel zusehends, bis aus ihr um 1500 schließlich fünf unabhängige Sultanate hervorgingen.

Muḥammad III. wurde als Sultan 1482 von seinem Sohn Maḥmūd beerbt. Dieser war damals 12 Jahre alt, weshalb man ihn bei seiner Krönung an beiden Armen auf den für ihn noch zu hohen Türkis-Thron der Bahmaniden hob. Wieder regierte zunächst ein Rat, dem die Sultansmutter vorstand, und wieder wurde der Junge instrumentalisiert, etwa als ihn der Anführer der Dekkaner-Fraktion ein Massaker an Tausenden Türken anordnen ließ. Maḥmūd-Šāh blieb auch als Erwachsener eine Marionette rivalisierender Würdenträger, hinsichtlich deren Dominanz schon sein Vater während der Regelung der Thronfolge häufig gesagt hatte: „Wenn sie nicht einmal mir gehorchen, der ich viele Jahre lang ruhmreich geherrscht und mit meinem Schwert Nationen unterworfen habe, wie sollten sie sich da einem Kind fügen?“

Sebastian Hanstein

MdM Mai 2019

 

Am ersten Mai-Wochenende richtet die FINT traditionell das Tübinger Treffen der Oriental Numismatic Society (ONS) aus, eine internationale Wochenendtagung zur islamischen Münzkunde mit Vorträgen von Wissenschaftlern und Sammlern diverser Spezialisierungen. In diesem Jahr wird einer der Beiträge die hochinteressante Münzprägung der Qarmaṭen zum Thema haben. Die Qarmaṭen waren eine recht radikale schiitische Sekte, welche am Ende des 9. Jahrhunderts durch eine Spaltung der Ismāʿīliten, also der Siebener-Schiiten, entstand: Einige ismāʿīlitische Gemeinden erkannten damals den (überraschend erhobenen) Anspruch des ersten Fāṭimiden-Herrschers, selbst der erwartete Mahdī, eine Art Messias und Endzeit-Führer, sowie Kalif zu sein, nicht an und hielten stattdessen am Erwarten der bevorstehenden Rückkehr des verborgenen 7. Imams (Muḥammad b. Ismāʿīl; vgl. MdM Febr. 2019) fest, dessen Nachkomme der Fāṭimide zu sein behauptete. Zu diesen „altgläubigen“, qarmaṭischen Ismāʿīliten-Gemeinden zählte auch jene von al-Baḥrain am Persischen Golf, wo der Missionar Abu Saʿīd al-Ǧannābī um das Jahr 900 dem ʿAbbāsidenkalifat die Macht entriss und ein unabhängiges Fürstentum begründete.

Mit Baḥrain ist hier wohlgemerkt nicht (nur) das Gebiet des heutigen Inselkönigreichs gemeint, sondern die deutlich größere historische Küstenprovinz, welche u. a. auch Qaṭar sowie Teile des östlichen Saudi-Arabien umfasste. So entspricht das moderne al-Hofūf (in Saudi-Arabien) der qarmaṭischen Oasen-Hauptstadt al-Aḥsāʾ. Von hier aus beherrschten Abū Saʿīds Nachkommen im 10. Jh. zeitweise fast die gesamte Arabische Halbinsel (Karte) und unternahmen häufig Überfälle auf Städte wie Kūfa und Baṣra, die Küste von Fārs oder die jährlichen Ḥaǧǧ-Pilgerkarawanen nach und von Mekka. Im Jahre 930, unter Abū Saʿīds Sohn Abū Ṭāhir Sulaimān al-Ǧannābī, raubten sie bei einem Angriff auf die heiligste Stadt des Islams sogar den Schwarzen Stein (ein Meteorit?) der Kaʿba und behielten ihn für zwei Jahrzehnte in al-Aḥsāʾ. Kurz darauf offenbarte sich ihnen dann der erwartete Mahdī, wodurch sie die Endzeit und damit die Aufhebung der Gesetzesreligion für gekommen hielten. Der junge Perser, an den Abū Ṭāhir folgerichtig die Herrschaft übergab, entpuppte sich jedoch schnell als bedrohliche Enttäuschung, weshalb man ihn beseitigte und etwas demoralisiert wieder zu alten Glaubensvorstellungen zurückkehrte.

In Syrien und Palästina stießen die Baḥrain-Qarmaṭen mit ihrer Schwestersekte, den Fāṭimiden, zusammen, deren Westexpansion mit der Eroberung Ägyptens 969 noch nicht beendet war. Diese Bedrohung hatte eine pragmatische Allianz normalerweise gegnerischer Mächte zur Folge, die auf unserer Münze des Monats dadurch zum Ausdruck kommt, dass die extremschiitischen Qarmaṭen ihren eigentlichen Erzfeind, den sunnitischen Kalifen von Bagdad, nominell anerkennen. Die Nennung des (zu dieser Zeit būyidisch kontrollierten) ʿAbbāsiden findet sich in der vorletzten Revers-Zeile: al-Muṭīʿ li-llāh (reg. 946–974). Darüber steht: li-’llāh / Muḥammad / rasūl Allāh ṣallā / ’llāhu ʿalaihi wa-ʿalā ālihī – „für Gott; Muḥammad ist der Gesandte Gottes, Gott segne ihn und seine Familie!“ (eine Eulogie). Die Erwähnung der Prophetenfamilie deutet bereits in Richtung Schiismus, doch ist es die Vorderseite des 4,15 g schweren Dinars, welche selbigen zweifelsohne als qarmaṭische Prägung kennzeichnet. Unter dem ersten Teil des Glaubensbekenntnisses (lā ilāha illā / ’llāh waḥdahū / lā šarīka lahū) ist dort as-sāda / ar-ruʾasāʾ zu lesen, was so viel wie „die Herren Oberhäupter“ bedeutet; sāda ist der Plural von sayyid. Gemeint ist damit die Führung des Ǧannābī-Fürstentums, an dessen Spitze nämlich zeitweise eine Art Gremium stand! Dieses Herrscherkollektiv war im Jahre 944 auf (den monarchisch regierenden) Abū Ṭāhir gefolgt und setzte sich aus dessen Brüdern zusammen, darunter Abū ’l-Qāsim Saʿīd und Abū ’l-ʿAbbās al-Faḍl. „Wenn es eine wichtige Entscheidung zu treffen galt, pflegten die Brüder einen gemeinsamen Ausritt zu unternehmen, von dem sie dann in Einigkeit bezüglich des weiteren Vorgehens zurückkehrten“ (so der Chronist Ibn Miskawaih).

Dieser erste sāda-Rat bestand bis 361 H. (972) und aus ebendiesem Jahr stammt die Münze des Monats. Der inneren Avers-Umschrift ist zudem der (bereits im Mai 964 von den Qarmaṭen geplünderte) Prägeort Ṭabarīya zu entnehmen, Tiberias am Ufer des Sees Genezareth im nördlichen Israel. Während in Baḥrain selbst mit Blei-Münzen gezahlt wurde (auch darauf: as-sāda / ar-ruʾasāʾ), sind aus Damaskus, ar-Ramla („Filasṭīn“) und eben Ṭabarīya sowohl qarmaṭische Gold- als auch Silberprägungen bekannt. Auf den meisten Typen dieser Münzstätten und so auch in der letzten Revers-Zeile unseres Dinars ist wohlgemerkt noch ein bestimmtes Mitglied der Ǧannābī-Dynastie namentlich aufgeführt: al-Ḥasan b. Aḥmad („al-Aʿṣam“). Dieser Enkel Abū Saʿīds fungierte als eine Art Generalissimus und Vizekönig der Qarmaṭen in Syrien und Palästina, was ihn ab 970 für mehrere Jahre zum Hauptgegner des Fāṭimiden-Kalifats machte. Al-Ḥasan belagerte sogar Kairo, unterstand aber stets der zentralen Führung in Baḥrain – die er denn auch auf allen Münzen ordnungsgemäß über sich nennt. Hierbei ist 361 H. jedoch eine (meist falsch verstandene) Anpassung zu beobachten: Aus dem Plural as-sāda ar-ruʾasāʾ wird für mehrere Jahre die entsprechende Singularform as-sayyid ar-raʾīs ! Die Macht lag demnach also zwischenzeitlich wieder in den Händen eines einzelnen Qarmaṭen-Oberhauptes, bevor später, ab 366 H., erneut ein Herrschergremium regierte, welches dann dauerhaft aus sechs Mitgliedern der Ǧannābī-Dynastie bestand und ebenfalls numismatisch belegt ist. Wer genau sich nun aber hinter dem Titel as-sayyid ar-raʾīs verbirgt und warum auf manchen Münzen sogar sowohl der Singular als auch der Plural begegnet, sind zwei der vielen spannenden Fragen, welche ausführlich behandelt werden, wenn man sich diesen Monat wieder zur ONS-Konferenz in Tübingen trifft.

Sebastian Hanstein

MdM April 2019

 

Diesen Monat steht in Japan ein bemerkenswerter politischer Vorgang an, wie es ihn seit über 200 Jahren nicht mehr gab. Nachdem im Januar 2019 bereits Sultan Muḥammad V. von Kelantan als erster der bis dahin 15 Yang di-Pertuan Agong („der, der zum Herrscher gemacht wurde“) auf die (ihm 2016 zugekommene) malaysische Königswürde verzichtet hatte (Gerüchten zufolge spielte seine Heirat mit einer ehemaligen „Miss Moskau“ eine Rolle) und erst im März recht überraschend der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew (welcher eine Amtszeitbegrenzung für sich persönlich per Verfassungsänderung 2007 hatte aufheben lassen) als Staatsoberhaupt zurückgetreten war, wird nun der 125. Tenno Akihito aus Alters- und gesundheitlichen Gründen den Chrysanthementhron freiwillig für seinen ältesten Sohn Naruhito frei machen. Dieser Schritt musste dem Kaiser (dessen politische Funktion ja rein symbolischer Natur ist) allerdings erst von der japanischen Regierung erlaubt werden. Hierzu wurde im Parlament ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, bei dem es sich aber auch nur um eine Einzelfallregelung speziell für Akihito handelt. Für künftige Kaiser gilt vorerst weiterhin, dass im unverändert bestehenden „Gesetz über den kaiserlichen Haushalt“ von 1947 keine Abdankung eines Tennos vorgesehen ist.

Auch in der islamischen Geschichte sind freiwillige Abdankungen sehr selten; ein Kalif oder Sultan hielt seinen Thron im Normalfall auf Lebenszeit besetzt. Die Entwicklungen, an welche die bislang kleinste FINT-Münze des Monats (⌀ 1 cm) erinnert, sind daher ziemlich ungewöhnlich, ja teils rätselhaft, und nahmen ihren Anfang, während sich der 1421 an die Macht gelangte Osmanen-Herrscher Murād II. über lange Jahre hin wechselhafte Kämpfe mit einer Reihe anderer, christlicher Mächte Südosteuropas lieferte. Vom Papst zu einem Balkan-Kreuzzug aufgerufen, überquerten dabei 1443 der Jagiełłonen-König Władysław (Ladislaus) III. und sein transsilvanischer Woiwode Johann Hunyadi mit einem polnisch-ungarischen Heer die Donau, entrissen Sultan Murād Serbien und stießen bis ins osmanische Bulgarien vor (Eroberung Sofias). Parallel erhob sich der albanische Fürst Georg Kastriota „Skanderbeg“ und auch die (muslimischen) Qaramaniden in Zentralanatolien starteten einen Angriff auf osmanisches Territorium. Derart in der Defensive blieb Murād letztlich nichts Anderes übrig, als den Christen 1444 im Frieden von Szeged(in) einen zehnjährigen Waffenstillstand zuzusichern, dessen Einhaltung er mit Eidschwüren bekräftigte. Dasselbe soll daraufhin auch Władysław getan haben. Der Sultan musste den von ihm zuvor vertriebenen Đurađ (Georg) Branković als Despoten von Serbien anerkennen und seine Ansprüche auf dieses Gebiet fallen lassen.

Älteren Chroniken zufolge hatte Murād nun bereits an diesem Punkt das Bedürfnis, sich von der Herrschaft zurückzuziehen, und kündigte überraschend an, zugunsten seines zwölfjährigen Sohnes Muḥammad (Mehmed) abzudanken. Nach dem Tod eines älteren Bruders war dieser erst im Jahr davor zum Kronprinzen aufgestiegen und aus der Provinz an den Hof seines Vaters geholt worden. Wahrscheinlich ist, dass Sultan Murād ihn dort im Sommer 1444 allerdings doch erst einmal „nur“ zum Mitregenten und Reichsstatthalter in Rumelien erhob, ehe er selbst nach Osten aufbrach, um (vielleicht schon zur Vorbereitung einer weitergehenden Machtübergabe?) auch noch in Anatolien für Ordnung zu sorgen (s. zu alledem etwa Franz Babinger, „Von Amurath zu Amurath“ in: Oriens, Bd. III, Nr. 2, S. 229–265). Sein Vorgehen gegen die Qaramaniden hatte recht schnell Erfolg, da erreichte ihn – nur kurze Zeit nach dem Friedensschluss von Szeged – die Nachricht, dass König Władysław und Verbündete abermals in Bulgarien eingefallen waren! Hinter diesem eklatanten Vertragsbruch steckte Kardinal Giuliano Cesarini (der Ältere), welcher den jungen Jagiełłonen als päpstlicher Legat anscheinend davon überzeugt hatte, dass der Eid gegenüber einem Ungläubigen ja gar keine Gültigkeit besitze. Angesichts dieser neuerlichen, akuten Bedrohung konnte Murād nun natürlich schlecht auf einem Rückzug von der Staatsführung beharren und selbige einem Kind überlassen. Er eilte von Kleinasien zurück auf den Balkan, wo er sich mit den Kreuzzüglern nahe Warna eine denkwürdige Schlacht lieferte, in der sowohl der König von Polen und Ungarn als auch der Kardinal sein Leben verlor. Für die Osmanen endete sie mit einem großen, für die weitere Expansion in Europa entscheidenden Triumph.

Im Anschluss an diesen Sieg dankte Murād II. dann (im Alter von 39 Jahren) tatsächlich in aller Form freiwillig ab – warum, wird sich wohl nie ganz klären lassen. Muḥammad, welcher als äußerst zielstrebig und ambitioniert beschrieben wird, wurde offenbar noch Ende 1444 offiziell als neuer Sultan inthronisiert, was anderen Herrscher der islamischen Welt sogleich in feierlichen Sendschreiben verkündet wurde, und natürlich beanspruchte der neue Monarch auch das Recht, seinen Namen in die sikka zu setzen. So steht auf unserer Münze des Monats – bei der es sich um eine solche erste Prägung des Teenager-Sultans handelt – im kreisförmigen Av.-Feld (untere Zeile:) Muḥammad b. / (obere Zeile:) Murād und innerhalb des liegenden Halbmondes (!) unmittelbar darunter: ḫān ʿazza naṣruhū – „der Ḫān Muḥammad, Sohn des Murād, möge sein Sieg glorreich sein!“. Das im April 1444 beginnende Prägejahr 848 H. findet sich auf der anderen Seite der Münze in Ziffern, verteilt über die beiden Zwischenräume, welche durch die Einfügung zweier augenförmiger Inschriftenfelder in einen Kreis entstanden: ٨۴ / ٨. Im oberen Feld ist eine weitere arabische Wunschformel zu lesen, ḫalada mulkuhū – „Möge seine Herrschaft andauern!“, im unteren die Münzstättenangabe: żarb-i Adirna. Der Prägeort ist hier also die damalige osmanische Hauptstadt, das alte Adrianopel und heutige Edirne, womit auch diese islamische Münze des Monats wieder aus Europa stammt.

Besonders interessant ist das Gewicht des kleinen Silberstücks. Nachdem so eine als aqče bekannte Münze über lange Zeit stets ca. 1,18 g gewogen hatte, ließ Sultan Muḥammad das Gewicht der „Silberlinge“ (wörtlich eigentlich: „Weißlinge“) 1444 erstmals reduzieren, sodass unser Exemplar nur noch 1,04 g auf die Waage bringt. Wohl auch deshalb kam es in Edirne zur ersten Janitscharen-Revolte, bei der große Teile der osmanischen Hauptstadt niederbrannten. Die aufständischen Truppen forderten vom jungen Herrscher eine Solderhöhung von 3 auf 3½ aqče pro Tag, die ihnen letztlich auch gewährt wurde. Aufgewiegelt hatte die Janitscharen vermutlich der alte Großwesir Ḫalīl Paša, welcher weder ein gutes Verhältnis zu Muḥammad noch Vertrauen in dessen Herrscherqualitäten hatte und daher schließlich aus Besorgnis Boten ins kleinasiatische Maġnisa (Manisa) entsandte. In diesem Provinzstädtchen hatte sich nämlich Murād nach seinem Thronverzicht zur Ruhe gesetzt. Als er nun aber durch besagte Boten dringendst zurück nach Rumelien gerufen wurde, machte er sich im Mai 1446 auf den Weg, um – Edirne erst im August erreichend – noch einmal als Sultan die Macht zu übernehmen! Muḥammad musste folglich weichen und ging nun seinerseits, abgesetzt und dementsprechend grollend, als Statthalter nach Maġnisa.

Auch Murāds Rücktritt vom Rücktritt ist numismatisch belegt, doch erfolgte interessanterweise nur eine minimale Anpassung der aqče-Inschriften: Indem man das Wörtchen für „Sohn des …“ so verschob, dass es nicht mehr rechts neben Muḥammad stand, sondern links davon, ergibt sich die veränderte Lesung Muḥammad b. / Murād („Murād, Sohn des Muḥammad“), wobei anders als zuvor mit der oberen statt mit der unteren Zeile zu beginnen ist. Erst als Murād II. 1451 nach weiteren 4½ Jahren auf dem Thron verstarb, konnte Muḥammad II. abermals und dieses Mal endgültig als Sultan nachfolgen – und ein Projekt in Angriff nehmen, das er sich schon während seiner ersten Regierungszeit in den Kopf gesetzt hatte: die Eroberung Konstantinopels…

Sebastian Hanstein

MdM März 2019

 

Schon seit mehr als 100 Jahren wird am 8. März der internationale Frauentag begangen. Einige Länder, in denen dieser Tag – so wie ja erst ganz neu für die Berliner – ein gesetzlicher Feiertag ist, waren früher nicht nur Teil der Sowjetunion gewesen, sondern hatten auch einmal zum Reich der mongolischen Ilḫane gehört. Der neunte und letzte große Ilḫan (aus der Nachkommenschaft von Činggis-Ḫans Enkel Hülegü) regierte von 1316 bis 1335 und hieß Abū Saʿīd. Seine Gemahlin Baġdād-Ḫatun soll wie schon manch andere mongolische und türkische Dame vor ihr ganz beachtlichen Einfluss besessen haben und stand sogar im Verdacht, für Abū Saʿīds Tod in der Region Qarabāġ (Bergkarabach) verantwortlich zu sein, weshalb sie der nächste Ilḫan Arpa (der schon kein Nachkomme Hülegüs mehr war) 1336 hinrichten ließ. Ihr Vater war der mächtige Emir Čopan (gest. 1327) gewesen, welcher seinerseits mit Abū Saʿīds Schwester Sati-Beg verheiratet worden war (1319). Letztere verfügte anscheinend über weniger Autorität als Baġdād Ḫatun, sollte aber in den turbulenten Jahren, als das Ilḫanat zerfiel und rivalisierende Emire (aus neuen Dynastien) in wechselnden Allianzen erbittert um die Macht rangen, eine ganz besondere Rolle spielen, wie auch unsere Münze des Monats dokumentiert.

Nach dem Tod ihres – problematischerweise keinen Erben hinterlassenden – Bruders wurde Sati-Beg, deren Abstammung sie zu einem Legitimationsquell machte, zunächst von Arpa zur Frau genommen. Gegen dessen Feinde kämpfte daraufhin auch ihr Sohn aus der Ehe mit Čopan namens Sorġan, doch wurde der zehnte Ilḫan noch 1336 geschlagen und selbst hingerichtet. Im Folgenden standen Sati-Beg und ihr Sohn auf der Seite des Ǧalāyiriden-Emirs Ḥasan, welcher beide zurück nach Qarabāġ entsandte, wo Sorġan Gouverneur wurde. In Täbris installierte Ḥasan (Baġdād-Ḫatuns erster Ehemann) derweil seinen eigenen Marionetten-Ilḫan, doch ließen erneute Auseinandersetzungen um die Macht im Reich nicht lange auf sich warten: Gegen seinen ǧalāyiridischen Namensvetter wandte sich Čopans Enkel Ḥasan – zur Unterscheidung wird ersterer Ḥasan-i Buzurg („der große Ḥasan“) und letzterer Ḥasan-i Kūčik („der kleine Ḥasan“) genannt –, woraufhin Sati-Beg und ihr (čopanidischer) Sohn zu ihm überliefen. Ḥasan-i Kūčik trug den Sieg davon und machte nach der Beseitigung des gegnerischen Marionetten-Ilḫans einen bemerkenswerten Zug, indem er 1338 (wohl nicht zuletzt mangels verbliebener Hülegü-Nachkommen) niemand anderen als Sati-Beg auf den Thron setzte, also der (nicht nur) in der Geschichte des Ilḫanats einzigen Sultanin huldigen ließ! Entsprechend wurde Sati-Begs Name auch ordnungsgemäß in die Freitagspredigt (ḫuṭba) und Münzinschrift (sikka) integriert und so handelt es sich bei der Münze des Monats, passend zum Weltfrauentag, tatsächlich um einen der wenigen islamischen Münztypen, auf denen eine Herrscherin genannt wird.

Der Doppeldirham mit einem Gewicht von 2,08 g zeigt sogar, was eine Frau auf dem Thron für die Titulatur bedeutete – sprachliches gendering war auch hier schon ein Thema. Während nämlich auf vielen Prägungen Sati-Begs einfach die übliche, männliche Form as-sulṭān al-ʿādil oder as-sulṭān al-aʿẓam zu lesen ist, findet sich im Reversfeld der Münze des Monats die korrekte weibliche Form as-sulṭāna al-ʿādila, „die gerechte Sultanin“. In den beiden Zeilen darunter folgt zum einen der Name der Ilḫanin, Sātī-Beg Ḫān, und zum anderen die obligatorische Wunschformel, welche hier ebenfalls grammatikalisch angepasst wurde: Statt ḫallada Allāh mulkahū lesen wir ḫallada Allāh mulkahā, „Möge Gott ihre Herrschaft andauern lassen!“. Die türkischen Titel beg und ḫan sind maskulin, gehören aber offenbar fest zum (unveränderlichen) Namen; ansonsten wäre hier etwa die feminine Form ḫatun zu erwarten gewesen.

Rings um die Nennung der Münzherrin steht über die Blätter des Sechspasses verteilt, wo und wann der Doppeldirham geprägt wurde. Allerdings macht diese Inschrift auf den ersten Blick ebenso stutzig wie das, was auf dem Avers in sowie zwischen den Blättern eines Vierpasses geschrieben steht. Gleich lesbar ist nur der Anfang des islamischen Glaubensbekenntnisses innerhalb des zentralen Perlkreises – lā ilāha illā / Allāh –, die anderen Inschriften sind hingegen alle spiegelverkehrt! So steht im unteren und linken Blatt rasū / l Allāh, im Zwickel dazwischen nichts anderes als der Name des ersten Kalifen Abū Bakr (womit auch der unvollständig sichtbare Rest klar ist). Was die spiegelverkehrte Inschrift auf dem Rev. angeht, so enthält das Sechspassblatt links neben al-ʿādila die Angabe der Münzstätte: Arzarūm, geschrieben ارزروم. Die Araber nannten den Ort Arzan ar-Rūm oder Arḍ ar-Rūm („Land der Römer“), was bereits auf die Lage in Anatolien schließen lässt – Erzurum ist heute die größte Stadt im Osten der Türkei.

Münzen Sati-Begs sind bislang von gut 30 – zuallermeist (trans)kaukasischen und ostanatolischen – Prägeorten bekannt, womit die Ilḫanin andere muslimische Herrscherinnen in den Schatten stellt. Wirkliche Macht aber hatte Abū Saʿīds Schwester nicht, da auch sie nur die Marionette eines Emirs war, in ihrem Fall die des gerissenen, aufstrebenden Čopaniden Ḥasan-i Kūčik. Dieser benutzte Sati-Beg, um im andauernden Machtkampf mit seinem Rivalen Ḥasan-i Buzurg dessen Pläne bezüglich eines aus Ostiran eingeladenen Thronanwärters geschickt zu durchkreuzen (1339), und zwang die Sultanin schließlich, einen minderjährigen Abkömmling Hülegüs aus einer Nebenlinie zu heiraten. Letzterer hieß Sulaimān und wurde damit neuer Marionetten-Herrscher, sodass Sati-Begs Sultanat schon nach weniger als einem Jahr endete. Dementsprechend ist auch das Prägejahr auf unserer Münze des Monats keine Überraschung: Nach sanata im Sechspassblatt auf 12 Uhr steht – wie gesagt, alles spiegelverkehrt – in den rechtsseitig folgenden Blättern tisʿa und ṯalāṯīn, also: 39; die folgende Hunderterzahl ist nicht zu sehen. 739 H. ist das Jahr, zu dessen Beginn Sati-Beg inthronisiert wurde und an dessen Ende bereits die Münzprägung Sulaimāns einsetzte. Einige wenige Stücke mit dem Namen der abgesetzten Ilḫanin tragen aber auch die Jahresangaben 740–745 H. (die letzten stammen aus Hasankeyf und Arzan), was wohl im Kontext erneuter Machtverschiebungen und Auseinandersetzungen zu sehen ist, in deren unübersichtlichem Verlauf sich Sorġan u. a. wieder mit Ḥasan-i Buzurg zusammentat und gemeinsam mit seiner Mutter und Sulaimān nach Anatolien ging. Ḥasan-i Kūčik war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr am Leben; ermordet hatte den 25jährigen Čopaniden 1343 seine untreue Gemahlin ʿIzzat-i Mulk, was diese auf grausame Weise mit ihrem eigenen Leben bezahlte. Dass Sati-Beg zumindest weitere Verwicklungen in blutige Intrigen erspart blieben und ihre letzten Jahre vielleicht sogar zu den glücklicheren zählten, kann man ihr anlässlich des Frauentages zumindest wünschen, denn sowohl über ihr Ende als auch über das ihres dritten Ehemanns Sulaimān ist uns nichts bekannt. Dass mit ihr, wenn auch nur für kurze Zeit, offiziell eine Frau an der Spitze eines Reiches stand, gerät jedenfalls nicht in Vergessenheit, auch dank Sati-Begs gut belegter Münzprägung.

Sebastian Hanstein

MdM Februar 2019

 

Im Iran besteht diesen Monat Anlass zu großen offiziellen Feierlichkeiten: Die Islamische Revolution jährt sich zum 40. Mal. Nachdem Moḥammad-Reżā, Irans letzten šāhānšāh („König der Könige“) aus der kurzlebigen Pahlavī-Dynastie, das Land angesichts überhandnehmender Massenproteste gegen ihn sowie seines auch international geschwundenen Rückhalts im Januar 1979 notgedrungen für immer verlassen hatte, landete am Morgen des 1. Februar auf dem Flughafen Teheran-Mehrābād der einflussreiche schiitische Geistliche (im Rang eines Ajatollahs) Rūḥollāh Chomeinī. Dieser hatte die oppositionellen Kräfte im Iran bis dahin aus seinem erst irakischen und zuletzt französischen Exil heraus mobilisiert und übernahm nun als Führer der von ihm vorangetriebenen Revolution binnen kurzer Zeit und unter Ausschaltung anderer Oppositionsflügel die Macht. Am 5. Februar setzte er eine neue Regierung ein; am 11. Februar (nach iranischem Kalender: 22. Bahman) – welcher seither als Tag der Revolution begangen wird – erklärte sich auch das noch dem Schah ergeben Militär für neutral. Während trotzdem mehrere Generäle und andere Anhänger der gestürzten Monarchie sowie neue Gegner des Revolutionsregimes hingerichtet wurden, rief Chomeinī nach einem entsprechenden Referendum die Islamische Republik aus; auf den iranischen Münzen verschwand in der Folge nicht nur das Schah-Bildnis, sondern auch das alte Löwe-und-Sonne-Emblem. In einer weiteren Volksabstimmung wurde schließlich die bis heute gültige Verfassung angenommen, in welcher es heißt (Artikel 5):

„In der Islamischen Republik Iran liegen während der Verborgenheit (ġaiba) des Herrn der Zeit [d. h. des 12. Imams Muḥammad al-Mahdī, geb. 870] – möge Gott der Erhabene seine Wiederkehr beschleunigen! – die Regierungsgewalt (velāyat-e amr) und die Leitung der Gemeinde (emāmat-e umma) bei dem gerechten und frommen, auf der Höhe der Zeit stehenden, tapferen und zur Führung befähigten Rechtsgelehrten (faqīh) [...].“

Dies entspricht dem von Chomeinī vertretenen schiitischen Konzept der velāyat-e faqīh, der „Statthalterschaft des Rechtsgelehrten“, und bedeutet, dass der als oberster Führer (rahbar) amtierende Ajatollah (seit Chomeinīs Tod 1989: ʿAlī Chāmeneʾi) die Herrschaft an der Spitze des Staates lediglich in Vertretung, also nur provisorisch bis zur jederzeit möglichen Rückkehr des seit 941 ganz im Verborgenen lebenden 12. Imams ausübt. Denn eigentlich sei der entrückte Muḥammad al-Mahdī („der Rechtgeleitete“) der einzig legitime Stellvertreter Gottes auf Erden, das einzig wahre Staatsoberhaupt.

Schiiten, die einer mit ʿAlī, dem Schwiegersohn des Propheten, beginnenden und mit dessen Nachfahren Muḥammad al-Mahdī endenden Reihe von 12 Imamen – d. h. von 12 unfehlbaren „Gemeindeoberhäuptern“ –  anhängen, werden Zwölferschiiten oder Imamiten genannt. Indem sie in frühislamischer Zeit einem – zunächst noch nicht verborgenen – Imam wegen seiner besonderen Abstammung folgten, erkannten die Schiiten Herrscher wie die Umayyaden oder ʿAbbāsiden grundsätzlich nicht als rechtmäßige Kalifen an. So wurde etwa Mūsā al-Kāẓim, der 7. Imam der „Zwölfer“, von Hārūn ar-Rašīd vorsichtshalber deportiert und bis zu seinem Tod unter Hausarrest gestellt.

Woran nun die FINT-Münze des Monats erinnert, ist, dass die Herrschaftsübernahme als Staatsoberhaupt tatsächlich schon einmal für einen anderen Imam der Zwölferschia aus der Nachkommenschaft des ʿAlī ibn Abī Ṭālib ganz offiziell eingeleitet worden war. Auf Geheiß des Kalifen al-Maʾmūn (reg. 813–833) hatte nämlich der 8. Imam ʿAlī ibn Mūsā von Medina nach Marv (im heutigen Turkmenistan) reisen müssen, wo ihn der ʿAbbāside im Jahre 817 (201 H.) zu seiner und aller Überraschung feierlich als Thronfolger einsetzte, also dazu designierte, als nächster Kalif über das islamische Weltreich zu gebieten! Niederschlag fand diese spektakuläre Regelung ab 202 H. auch auf al-Maʾmūns Dirhams der östlichen Münzstätten Marv, Nīšāpūr, al-Muḥammadīya (Rayy), Iṣfahān, Fārs und Samarqand. Letztere ist, wie der inneren Av.-Umschrift zu entnehmen, der Prägeort unserer Münze des Monats, in deren Rev.-Feld zunächst steht: li-llāh / Muḥammad rasūl Allāh / al-Maʾmūn ḫalīfat Allāh – „für Gott / Muḥammad ist der Gesandte Gottes / al-Maʾmūn ist der Kalif [d.h. der Stellvertreter] Gottes“. Anschließen heißt es: mimmā amara bihī al-amīr ar-Riḍā / walī ʿahd al-muslimīn ʿAlī ibn Mūsā / Ibn ʿAlī ibn Abī Ṭālib – „Von dem, was der Zustimmung findende Emir, der designierte Thronfolger, ʿAlī ibn Mūsā, Nachkomme des ʿAlī ibn Abī Ṭālib, (zu schlagen) befahl“. Damit wird tatsächlich zum einzigen Mal einer der 12. Imame zu seinen Lebzeiten und ohne entrückt zu sein auf Münzen genannt. Der wichtige Titel ist walī ʿahd al-muslimīn (s. auch MdM Okt. 2018); ar-Riḍā (persisch: Reżā) sollte zum Beinamen des (ob seiner Ernennung skeptischen) 8. Imams werden.

Auch die zweite, äußere Av.-Umschrift war eine Neuerung al-Maʾmūns. Sie enthält Vers 4–5 aus Sure 30 (wo es um den Sieg dank Gottes Hilfe geht) und ist von nun an für lange Zeit ein standardmäßiger Bestandteil der Münzinschriften. In der untersten Rev.-Zeile unseres 3,12 g schweren Dirhams ist mit al-Maʾmūns Wesir Ḏū ʼr-Riʾāsatain („der mit der doppelten Führungsgewalt“) noch eine dritte Persönlichkeit im Zentrum jener interessanten Geschehnisse aufgeführt, während auf dem Av. unter dem ersten Teil der šahāda an gleicher Stelle al-mašriq, d. h. „der Osten“, zu lesen ist. Auf Goldmünzen westlich(er)er Prägeorte steht analog al-maġrib, „der Westen“ oder aber, auf Bagdader Dinaren, al-ʿIrāq, „der Irak“; offenbar kommt hier eine administrative Dreiteilung des Imperiums zum Ausdruck. Nach dem konkreten Prägeort ist als Prägejahr 203 H. (818/19) angegeben. Damals war al-Maʾmūn bereits auf dem Weg von Ḫurāsān in die Zentralprovinz Irak, wo seine Entscheidung, einen ʿAliden anstelle eines ʿAbbāsiden zum Nachfolger zu bestimmen, für große Empörung gesorgt hatte. Aus einer Erhebung war in Bagdad sogar ein Gegenkalif hervorvorgegangen, was nun ein persönliches Eingreifen – sowie offenbar politisches Umdenken – al-Maʾmūns erforderte. Unterwegs verlor jedenfalls 202 H. (Febr. 818) erst Ḏū ʼr-Riʾāsatain sein Leben, welchen man für politische Fehlentscheidungen verantwortlich machte und dessen Nennung auf unserer Münze somit gar nicht mehr aktuell war. 203 H. verstarb dann nahe Ṭūs zudem ʿAlī ar-Riḍā, womit sich dessen Thronfolge passenderweise schnell wieder erledigt hatte. Gleichwohl wird auch er auf einigen Münzen noch bis 205 H. posthum genannt; sein Grab entwickelte sich zum heutigen Pilgerzentrum Mašhad („Märtyrerschrein“).

Al-Maʾmūn, bei dessen triumphalen Einzug in Bagdad das dortige Gegenkalifat bereits zusammengebrochen war (204 H./819), steht nicht nur im Verdacht, hinter der Ermordung des (zu) mächtigen Ḏū ʼr-Riʾāsatain zu stecken, Schiiten werfen dem ʿAbbāside außerdem vor, ihren Imam, den walī ʼl-ʿahd, vergiftet zu haben. Daher wird auch dieser Kalif von ihnen bis heute verflucht, obwohl al-Maʾmūn anscheinend tatsächlich geplant hatte, die beiden hāšimidischen Linien der ʿAbbāsiden und ʿAliden zu einen. Interessanterweise war ʿAlī ibn Mūsā (ebenso wie sein Sohn Muḥammad, der 9. Imam) 817 in Marv obendrein mit einer Tochter des Kalifen verheiratet worden, wobei aber unklar ist, welche Überlegungen es hinsichtlich der einstigen Nachfolge eines Imam-Kalifen ʿAlī ar-Riḍā gegeben hatte. Fest steht, dass es zu keiner Versöhnung in der verzweigten Prophetenfamilie kam: Die drei Imame, die auf den 8. folgten und in deren wachsender Anhängerschaft die ʿAbbāsiden eine Gefahr sahen, verstarben allesamt in Gefangenschaft am Kalifenhof. Für jene Schiiten, welche meinten, der 11. Imam habe bei seinem Tod 873/74 einen Sohn namens Muḥammad hinterlassen, war daher klar, dass der ʿAlide sein Kind geheim gehalten hatte und dass der 12. Imam vorerst versteckt bleiben musste, um vor den Kalifen sicher zu sein. Bis zu Muḥammads nach wie vor ausstehendem Hervortreten aus dieser Verborgenheit, sind es im Iran seit Februar 1979 schiitische Geistliche, die ihn als Staatsoberhaupt vertreten.

Sebastian Hanstein

MdM Januar 2019

 

Der erste Monat des Jahres bietet Gelegenheit, der ersten islamischen Dynastie zu gedenken, jener der Umayyaden. Etwa ein Jahrhundert hatte die Herrschaft dieser arabischen Familie über das unlängst errichtete Kalifenreich gedauert, als es im Januar 750 an den Ufern des Großen Zāb (eines Tigris-Nebenflusses in Kurdistan) zu einer Schlacht kam, die für den Umayyaden Marwān II. – genannt „der Esel“, wohl weil das 100. Jahr einer Dynastie (nach Sure 2, Vers 259) als „Eselsjahr“ bezeichnet wurde – in einer folgenschweren Niederlage endete. Den Sieg trug damals jenes Heer davon, welches unter schwarzen Bannern unaufhaltsam aus Richtung Osten vorgerückt war und für den Kalifatsanspruch des Hauses ʿAbbās kämpfte, also für die Nachkommenschaft eines Onkels des Propheten Muḥammad. Zwar gelang es Marwān (dessen Residenz das nordmesopotamische Ḥarrān war) vom winterlichen Schlachtfeld nach Syrien zu entkommen, doch sollte mit ihm die Umayyaden-Herrschaft im Nahen Osten enden: Ein halbes Jahr später wurde er von seinen Verfolgern am Nil (wahrscheinlich unweit der Fayyūm-Oase) getötet; zuletzt ließ man angeblich eine Katze die Zunge aus seinem abgetrennten Kopf fressen. Das Kalifenreich gehörte nunmehr den ʿAbbāsiden, deren blutige Machtübernahme nicht viele Umayyaden überlebten – die Chroniken berichten von systematischen Massakern. Auch die Flucht von Marwāns Söhnen ʿAbdallāh und ʿUbaidallāh nach Abessinien nahm kein gutes Ende, wohingegen es einem anderen jungen Mitglied der gestürzten Dynastie namens ʿAbd ar-Raḥmān glückte, sich bis ins heutige Marokko durchzuschlagen, der Heimat seiner berberischen Mutter Rāh. 755 schaffte es dieser Enkel des Kalifen Hišām sogar, nach Europa überzusetzen und die Kontrolle über die Randprovinz al-Andalus zu gewinnen, den muslimisch beherrschten Teil der Iberischen Halbinsel mit der Hauptstadt Córdoba (Qurṭuba). Hier, im äußersten Westen der islamischen Welt, etablierte ʿAbd ar-Raḥmān (ad-dāḫil, „der Einwanderer“; gest. 788) in der Folge eine neue Umayyadenherrschaft, ein Emirat, das zwar in Unabhängigkeit vom Bagdader ʿAbbāsiden-Kalifat Bestand hatte, dessen Herrscher dem Weltreich ihrer Vorfahren mit dem Kernland Syrien aber nur noch in Erinnerungen und Erzählungen nachhängen konnten. Auch in der Münzprägung hielt man in Córdoba noch lange am traditionellen Design der umayyadischen Reichsmünzen fest, indem die Dirhams ʿAbd ar-Raḥmāns I. (ab 762/63) und der folgenden Emire anonym blieben und im Rev.-Feld weiterhin die 112. Koransure zeigten.

Mit einem einfachen Emirat sollten sich die Umayyaden von al-Andalus allerdings nicht für immer bescheiden. Der Mann, unter dem sich diesbezüglich – wie durch die Münze des Monats dokumentiert – eine Wende vollzog und die Herrschaft der Dynastie abermals in eine neue Phase überging, hatte das Licht der Welt im Januar 891 als Europäer erblickt und denselben Namen erhalten wie sein noch in Damaskus geborener und von dort geflüchteter Ahn, welcher einst das Umayyaden-Emirat von Córdoba begründet hatte. ʿAbd ar-Raḥmān III. regierte von 912 bis 961 und bewies seine Führungsqualitäten früh in einer Reihe erfolgreicher Dschihad-Feldzüge gegen christliche Nachbarmächte und Rebellen (im Januar 928 ergab sich ihm der letzte Sohn des Aufstandsführers ʿUmar b. Ḥafṣūn). Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der Errichtung und Expansion des schiitischen Fāṭimiden-Kalifats in Nordafrika (Januar 910) legte er sich im Januar 929 ebenfalls die Titulatur eines Kalifen zu. Für seine Münzen – zu denen von da an auch erstmals Goldprägungen (ganze Dinare und Teilstücke) gehörten! – bedeutete dies ein Ende der traditionellen Anonymität: Anstelle der 112. Sure wird nun stets der umayyadische Herrscher genannt. So ist im Rev.-Feld unserer silbernen Münze des Monats zu lesen: al-imām an-Nāṣir / li-Dīn Allāh ʿAbd ar-Raḥmān / amīr al-muʾminīn. Neben dem kalifalen Imam-Titel und vor allem dem eines „Befehlshabers der Gläubigen“ nahm der aufstrebende Umayyade also auch noch einen Thronnamen nach Vorbild der (zu dieser Zeit an Macht verlierenden) ʿAbbāsiden an: An-Nāṣir li-Dīn Allāh bedeutet „der der Religion Gottes zum Sieg Verhelfende“.

Die arabischen Inschriften auf solchen Prägungen der spanischen Umayyaden-Kalifen sind oft nicht leicht zu lesen, was nicht zuletzt am Einsatz von Punzen bei der Stempelherstellung liegt: Die Wörter und sogar Buchstaben wurden teilweise nach dem Baukastenprinzip aus den gleichen ganzen oder halben Ringlein, Strichen usw. zusammengesetzt (wobei es nicht um Schönheit ging). Typisch sind auch die vielfältigen Ornamente oben und unten im Feld, bei denen es sich im Falle der Münze des Monats gleich zweimal (Kombination nicht bei G. C. Miles, The Coinage of the Umayyads of Spain, S. 273 f.) um eine Fleur-de-Lys handelt; während die untere eher knospenhaft anmutet, wurde die obere um zwei Ranken erweitert. Auf Prägungen, die ein Jahr jünger sind als unser Exemplar, begegnen oben allerlei unsymmetrisch wuchernde Arabesken, woraufhin noch ein Jahr später Sterne dominieren (s. Miles, op. cit., S. 276 f. bzw. 280).

Während die Umschrift auf der Rückseite Vers 33 aus Sure 9 enthält (wobei vor al-hudā die Präposition bi- fehlt), steht um das Glaubensbekenntnis auf der Vorderseite, wo und wann der 3,13 g schwere Dirham geschlagen wurde. Das hier (nicht ohne die übliche Ranke am Ende der Zehnerzahl) angegebene Jahr 336 H. entspricht dem Jahr 948 christlicher Rechnung und ist für die Münzprägung von besonderer Bedeutung. Denn nicht nur stand ab diesem Jahr nach einigen Experimenten schließlich die exakte Art und Weise fest, wie der Kalif auf den neuen Münzen aufzuführen war, just 336 H. ließ ʿAbd ar-Raḥmān III. zudem die Münzstätte von Córdoba in seine erst neu erbaute Palaststadt (inkl. Quecksilberbrunnen) wenige Kilometer westlich der bisherigen Residenz verlegen. Als Prägeort ist auf dem Dirham daher erstmals nicht mehr al-Andalus zu lesen, sondern Madīnat az-Zahrāʾ. Darauf, dass mit dem Umzug auch ein Wechsel in der Leitung der Münzstätte einherging, könnte der Name Muḥammad unterhalb des Glaubensbekenntnisses deuten. An dieser Stelle oder anderswo im Feld weisen Prägungen der Umayyaden von al-Andalus regelmäßig Namen von Personen auf, die sich zum Großteil nicht sicher identifizieren lassen, bei denen es sich aber in erster Linie um Münzmeister (ṣāḥib as-sikka) handeln mag. Vor Muḥammad (s. Miles, op. cit., S. 76 f.) war noch auf den letzten Dirhams aus Córdoba – wohin die Hauptmünzstätte 365 H. zurückverlegt werden sollte – ein Herr namens ʿAbdallāh angegeben.

Jedenfalls zeugt die Münze des Monats von wichtigen Entwicklungen in der – nicht etwa anno 750 endenden – Geschichte der Umayyaden, darunter von deren Comeback als „Befehlshaber der Gläubigen“ (in Konkurrenz zu anderen Kalifaten). Unter ʿAbd ar-Raḥmān III. erreichte die Herrschaft der Dynastie auf der Iberischen Halbinsel ihre höchste Blüte; genau 200 H.-Jahre vor dem Umzug in die hierfür repräsentativen Prachtbauten von Madīnat az-Zahrāʾ hatte sich ʿAbd ar-Raḥmān I. noch auf seiner Flucht ins Ungewisse befunden.

Sebastian Hanstein

MdM Dezember 2018

 

Passend zur Weihnachtszeit ein christliches Motiv – auf einer islamischen Münze; auch das gibt es. Der Avers zeigt Jesus in einem frontalen Brustbild als Pantokrator („Allherrscher“), mit einem Evangelienbuch in seiner Linken und einem (auf unserem Stück durch Punkte konturierten) Nimbus, welcher ein Kreuz enthält. Was die 6,84 g schwere Kupferprägung islamisch macht, ist der muslimische Münzherr aus der türkischen Artuqiden-Dynastie. Deren Gründer war ein Emir im Dienste der Selǧuqen-Sultane gewesen und als Statthalter von Jerusalem ebenda verstorben, woraufhin sich seine Söhne Anfang des 12. Jh. die Herrschaft über Teile Nordmesopotamiens/Ostanatoliens sichern konnten. Hier, ganz am Rand des großselǧuqischen Reiches, regierten die Artuqiden recht autonom in direkter Nachbarschaft zur christlichen Kreuzfahrer-Grafschaft Edessa und bald auch zu anderen islamisch-türkischen Dynastien wie den Dānišmandiden und Zangiden. Noch waren die Türken auf dem Gebiet der heutigen Türkei relativ neu. Der unverkennbar türkische Name des Machthabers, welcher die Münze des Monats prägen ließ, bedeutet „schwarzer Löwe“ und findet sich in der untersten Zeile der – stilistisch recht wilden – arabischen Inschrift auf dem Revers. Dort heißt es: ḍuriba hāḏā / d-dirham fī ayyām / Faḫr ad-Dīn / Qara-Arslan / [(rechts:) b. Dāʾūd] / (links:) b. Sökmen / (ganz oben:) b. Artuq, zu Deutsch: „Es wurde geschlagen dieser / Dirham in den Tagen / des Faḫr ad-Dīn / Qara-Arslan / b. Dāʾūd / b. Sökmen / b. Artuq“. Die Abstammung des Münzherrn mit dem islamischen Ehrennamen „Stolz der Religion“ wird hier also über drei Generationen bis zu besagtem Gründer und Namensgeber der Dynastie angegeben. Die Formulierung „in den Tagen“ ist an dieser Stelle eher ungewöhnlich und gab bereits Anlass zur Vermutung, der Münztyp könnte nicht direkt unter Qara-Arslan, sondern anderswo von einem Gouverneur dieses Artuqiden geprägt worden sein, doch besteht im Grunde keine Notwendigkeit zu so einer Interpretation.

Während sein Onkel 2. Grades namens Temür-Taš b. Il-Ġāzī b. Artuq 1122–1154 in Mārdīn (sowie ab 1118 Maiyāfāriqīn, heute: Silvan) regierte – die Dynastie teilte sich in zwei Hauptlinien –, herrschte Qara-Arslan 1144–1167 über Ḥiṣn Kaifā (sowie Ḫartpert, heute: Harput). Der Prägeort der Münze ist zwar ebenso wenig angegeben wie das Prägejahr, doch darf wohl die Hauptstadt angenommen werden, also das heutige (leider durch ein Staudammprojekt bedrohte) Hasankeyf am oberen Tigris. Interessant ist, dass solche großen Kupfer-Prägungen als Dirhams bezeichnet wurden; sonst waren es ja eigentlich Münzen aus Silber, die so hießen. In den Chroniken wird sogar erwähnt, wie 1122/23 eine Kupfermine auf artuqidischem Territorium entdeckt wurde und Temür-Taš 1147/48 Münzen prägen ließ, nachdem einer der Chronisten selbst hierfür das Kupfer besorgt hatte. Da Æ-Münzen nach islamischen Recht eigentlich kein richtiges Geld waren, galten für sie meist weniger strenge Regeln. So sind bildliche Darstellungen gerade für die artuqidische Münzprägung nicht etwa selten, sondern typisch: Auf den bei Sammlern beliebten Kupfer-Dirhams dieser Dynastie entfalten sich ganze Bilderwelten, wobei Vorlagen aus unterschiedlichen Epochen und Kulturen erkennbar sind – christliche Motive machen hier nur den Anfang. Bald finden sich Darstellungen, welche auf hellenistische, römische und sāsānidische Vorlagen zurückgehen. Bei manchen der reizvollen Bilder handelt es sich wahrscheinlich um Astralallegorien (s. vor allem W. Spengler/ W. Sayles, Turkoman Figural Bronze Coins, Bd. I, passim) und zeitgenössische Herrscherportraits, doch geben viele der Motive nach wie vor Rätsel auf, zumal Vorbilder kreativ verändert und auch ganz eigene Kompositionen gefunden wurden.

Im Falle antiker Vorlagen stellt sich natürlich die Frage, was die Menschen im 12. Jh. eigentlich (noch) darin sahen und damit verbanden. Während von einem richtigen Verständnis der Originale eher nicht auszugehen ist, kann man sich gut vorstellen, dass der – übrigens auch in der Architektur zu beobachtende – klassizistische Stil für die neuen türkischen Machthaber nicht zuletzt eine Sache des höfischen Geschmacks und der Mode war: In ihren Augen waren die Zeugnisse der griechisch-römischen Vergangenheit wohl faszinierend exotisch und so zeigten sie ein besonderes (ästhetisches) Interesse an antiken sowie christlichen Darstellungen und Formen – gewillt, sich selbst in diese regionale Tradition zu stellen. Ebenso wie andere Artuqiden förderte Qara-Arslan an seinem Hof Gelehrte und Literaten; man kann auf eine gebildete und aufgeschlossene Herrscherpersönlichkeit schließen.

Die Adaption christlicher Motive gleich zu Beginn der artuqidischen Münzprägung dürfte sich noch insbesondere dadurch erklären lassen, dass man sich bei der Gestaltung des neuen, eigenen Geldes – das ja auch akzeptiert werden sollte – zunächst an jenen Münzen orientierte, welche in der Region bereits kursierten und der mehrheitlich christlichen Bevölkerung (!) vertraut waren. Diese Münzen stammten aus dem byzantinischen Reich und tatsächlich lassen sich unter den großformatigen, anonymen folles Typen identifizieren, deren Christus-Pantokrator-Darstellung jener auf den artuqidischen Dirhams sehr ähnlich ist (s. etwa E. Whelan, The Public Figure, S. 161 f.). Wohlgemerkt gab es außer Qara-Arslan noch weitere muslimische Machthaber der Region, welche solche byzantinischen folles nicht nur mit Gegenstempeln versahen, sondern die christlichen Motive für frühe eigene Münzen übernahmen. Beispielsweise findet sich die Christusbüste mit Kreuznimbus ebenso auf den ersten Prägungen der Dānišmandiden sowie auf einer Münze des Artuqiden Šīr-Bārīk (Maudūd b. ʿAlī b. Alp-Yaruq b. Artuq), welcher erst Temür-Taš und später Qara-Arslan diente.

Obwohl man am artuqidischen Hof durchaus in der Lage war, byzantinische Vorbilder sowie griechische oder auch lateinische Inschriften korrekt nachzuempfinden, handelt es sich bei Dirhams wie der Münze des Monats wohlgemerkt um keine genauen Nachahmungen der Originale. Während einige Exemplare dieses Typs stilistisch nah am Vorbild bleiben, zeigen andere gewisse Freiheiten und Merkwürdigkeiten. So mutet die Christus-Darstellung in unserem Fall teilweise etwas eigenartig an (Gestaltung der Haare) und die „Schrift“ zu beiden Seiten des Nimbus stellt mitnichten einen Versuch dar, das +EMMANOVHΛ auf manchen byzantinischen Prägungen wiederzugeben. Stattdessen verteilen sich links dieselben Buchstaben wie rechts, indem so gut wie alle einfach sinnlos gespiegelt wurden; selbst die Abkürzung IC / XC (für Jesus Christus; normalerweise direkt über den Schultern) ist hier somit nicht zu lesen und wieder kann man fragen, inwieweit die Abwandlungen bewusst zu einem bestimmten Zweck erfolgten. Die Ikonographie artuqidischer Münzen bleibt ein herausforderndes und überaus spannendes Gebiet der islamischen Numismatik.

Sebastian Hanstein

MdM November 2018

 

Dem November erging es 2002 im international relativ isolierten Turkmenistan nicht anders als allen anderen Monaten und den Wochentagen: Er wurde vom Präsidenten (auf Lebenszeit) Saparmyrat Nyýazow per Gesetz umbenannt. Machthaber eines bestimmten Schlages sowie Anführer von Revolutionen gehen in ihrem Eifer ja mitunter gerne so weit, irgendwann sogar die Zeitrechnung im Sinne ihrer neuen Ideologie (sowie des Kultes um ihre Person) kreativ anzupassen; beispielsweise führte auch Muʿammar al-Gaddafi eine verwirrende Kalenderreform inkl. Umbenennung sämtlicher Monate durch. Während der November in Libyen danach al-Ḥarth („das Pflügen“) hieß, entschied sich „der große Türkmenbaşy“ Nyýazow dafür, den vorletzten Monat Sanjar zu nennen, zu Ehren des gleichnamigen Selǧuqen-Sultans (Sanǧar, sprich: Sandschar). Dieser im November 1086 geborene Sohn Sultan Malik-Šāhs I. gilt (nicht zu Unrecht) als letzter Großselǧuqe – als letzter Vertreter der Dynastie, welcher noch auf imperialer Ebene in Ost und West anerkannt wurde –, doch ergibt sich seine spezielle Bedeutung für Turkmenistan insbesondere daraus, dass Sanǧars Hauptstadt Marv (Mary) heute auf dem Territorium dieses postsowjetischen Wüstenstaates liegt und das hier noch immer stehende Mausoleum des 1157 verstorbenen Sultans zu den Wahrzeichen des Landes gehört. Auf Sanǧar wurde und wird von Seiten der Regierung in Aschgabat dementsprechend häufig Bezug genommen; seit 2009 findet sich etwa ein Phantasiebildnis des Selǧuqen auf dem turkmenischen 5-Manat-Schein.

Die FINT-Münze des Monats ist nun ein direktes Zeugnis für die unruhigen Anfänge der außerordentlich langen Herrschaft des letzten Großselǧuqen in Ḫurāsān. Geprägt wurde der 3,41 g schwere Dinar im Jahre 493 H. (1099/1100) nicht weit entfernt von der modernen turkmenischen Hauptstadt in Nīšāpūr (s. Av.-Umschrift). Es handelt sich also um einen dīnār nīšāpūrī und damit nicht um irgendeine Goldmünze. Während nämlich Dinare aus anderen östlichen Münzstätten wie Marv, Balḫ, Herāt oder Ġazna im 11. und 12. Jh. nicht selten kaum noch Gold enthielten, d. h. hauptsächlich aus Silber bestanden, und nur als Lokal- oder Regionalwährung akzeptiert wurden, waren die Goldprägungen aus Nīšāpūr weithin für ihre Reinheit bekannt und deshalb die bevorzugte Währung des transregionalen Handels, nicht nur in Iran und Mittelasien. Bei ihnen konnte man sich darauf verlassen, dass sie dauerhaft einen stabilen, sehr hohen Feingehalt aufwiesen, und so bezog man sich auf sie auch zur Wertangabe, z. B. seitens des Staates, wenn es um Lehen oder Tribute ging. Diese herausragende Stellung war bereits den Nīšāpūrer Dinaren der Sāmāniden (10. Jh.) und Ġaznaviden zugekommen und die Errichtung des Selǧuqen-Reiches hatte hieran nichts geändert. So lesen wir vom dīnār nīšāpūrī in den Quellen etwa, wenn 1122 angeblich 1 Million davon investiert werden, um sich unter Sanǧar das Amt des Wesirs zu erkaufen, oder wenn Sanǧar einem Emir ein Lehen in Māzandarān zuweist, dessen Wert urkundlich mit 30 000 Dinaren der Sorte aus Nīšāpūr beziffert wird.

Wie Nāṣir-i Ḫusrau feststellte, als er auf seiner Reise von Mekka nach Baṣra 1051 in Falaǧ Station machte, gehörte beispielsweise sogar die Yamāma im heutigen Saudi-Arabien zu den Gebieten, in denen man allgemein mit dem dīnār nīšāpūrī zahlte (welcher al-Bīrūnī zufolge zudem die Währung des Perlen-Handels war). Seit die einheimischen Prägungen nicht mehr hoch im Kurs standen, hatte man auch im būyidischen Irak schon verbreitet nach Nīšāpūrī-Dinaren gerechnet, doch war hierhin gleich noch eine zweite überregional beliebte, da zuverlässig guthaltige Gold-Währung vorgedrungen: der dīnār maġribī der Fāṭimiden. Diese Münze war gewissermaßen das westliche Pendant zum dīnār nīšāpūrī, wurde vom sunnitischen ʿAbbāsiden-Kalifen in Bagdad allerdings ungern gesehen, da sie natürlich Namen und Slogans des schiitischen Erzfeindes in Kairo trug. Al-Qāʾim erließ daher 1035 ein Verbot der Erwähnung solcher maġribinischen Dinare in Kaufverträgen und anderen Dokumenten, was sich letztlich zwar nicht völlig durchgesetzt haben, doch der Dominanz der Nīšāpūrer Goldmünzen zuträglich gewesen sein mag – auf denen ja unter sāmānidischer, ġaznavidischer sowie selǧuqischer Herrschaft immer ordnungsgemäß der ʿabbāsidische Kalif genannt wurde. Letzteres gilt also auch für unsere Münze des Monats. Hier ist es al-Mustaẓhir bi-llāh (reg. 1094–1118), dessen Name mit dem Imam-Titel (nach dem Glaubensbekenntnis) unten im Rev.-Feld steht. Platz 2 in der auf dem Dinar dokumentierten Herrscherhierarchie nimmt nun allerdings noch nicht Sanǧar ein, da dieser damals noch gar kein Sultan war, sondern in Ḫurāsān nur als untergeordneter Vizekönig (malik) regierte. Hierzu hatte ihn 1097 sein Bruder Berkyaruq (reg. 1092–1105) ernannt, den der junge Prinz Sanǧar daraufhin als Sultan anerkannte, auch auf seinen Münzen. Dies änderte sich jedoch 1099/1100. Wie unser Dinar belegt, unterstütze Sanǧar jetzt offen den Sultanatsanspruch eines anderen Bruders namens Muḥammad Tapar, was bedeutet, dass er selbigen ab 493 H. anstelle Berkyaruqs über sich auf allen Münzen aufführen ließ und im mehrjährigen, wechselhaften Krieg zwischen den Brüdern für Muḥammad kämpfte. So lesen wir auf dem Av. (unter li-llāh): as-sulṭān al-muʿaẓẓam / Ġiyāṯ ad-Dunyā wa-d-Dīn / Abū Šuǧāʿ Muḥammad („der hochverehrte Sultan, Beistand der Welt und der Religion, Vater der Tapferkeit Muḥammad“). Neu ist zudem, dass die zweite, äußere Av.-Umschrift (Koran, 30:4–5) weggelassen und der Satz „Muḥammad ist der Gesandte Gottes“ vom Rev. auf das Av. verschoben wurde.

Sanǧar selbst ist auf dem Dinar direkt nach dem Sultan auf Platz 3 genannt (unten im Av.-Feld). Ehe er sich 1118 seinerseits zum obersten Herrscher des Selǧuqenreiches aufschwang, blieb er noch bis zu Muḥammads Tod dessen Vizekönig; entsprechend lautet sein Titel auf der Münze al-malik al-muẓaffar („der siegreiche König“). Normalerweise sind nun auf Prägungen Sanǧars aus Ḫurāsān keine weiteren, untergeordneten Personen aufgeführt, auch die mächtigsten Emir-Gouverneure nicht. Es muss daher erstaunen, dass wir (einzig) auf unserem Dinar rechts und links im Av.-Feld noch amīr / Ismāʿīl lesen. Wer war jener Emir und warum wurde er in diesem einen Jahr auf Nīšāpūrer Münzen genannt? Im SNAT-Bd. XIVa, wo das Stück von Atef Mansour Ramadan 2012 publiziert worden ist (s. S. 68 f., Nr. 664), wurde diese Frage nicht beantwortet und leider bleiben die Hintergründe auch weitgehend im Unklaren. Wahrscheinlich hängt die Nennung mit einer nicht überlieferten Entwicklung in besagtem Bruderkrieg zusammen, der im Prägejahr der Münze des Monats auch weit im Osten ausgetragen wurde. Entscheidend war hier die Schlacht bei Naušaǧān, in der Sanǧar über Berkyaruq und dessen mächtigen Oberemir Ḥabašī ibn Altun-Taq siegte. Letzterer hatte bis dahin auch große Teile Ḫurāsāns kontrolliert, die nun dauerhaft an den jungen malik fielen. Berkyaruq war damals in Nīšāpūr gewesen, während Ḥabašī u. a. 5000 Ismāʿīliten für den Kampf gegen Sanǧar gewann. Vermutlich stammten diese schiitischen Truppen aus Quhistān, wo für diese Zeit ein Emir namens Ismāʿīl belegt ist: Ḥusām ad-Dīn Abū l-Muẓaffar Ismāʿīl ibn Muḥammad Gīlakī. Dass dieser als Verbündeter in Frage kam, legen Lobgedichte nahe, die Muʿizzī und Ǧabalī – Hofpoeten der Selǧuqen – auf ihn verfassten; außerdem soll ein Emir Sanǧars den Gīlakī-Herrscher (auf Anordnung von oben) später einmal in Nīšāpūr willkommen geheißen haben. 494 H. hatte Sanǧar die Quhistān-Ismāʿīliten andererseits bekämpfen lassen und überhaupt wäre eher nicht anzunehmen, dass er und Muḥammad auf einer Münze gleichzeitig mit einem Alliierten Ḥabašīs anerkannt wurden. Wie dem auch sei, der Emir Ismāʿīl von Quhistān dürfte in diesen Auseinandersetzungen eine Rolle gespielt haben, weshalb es sein kann, dass seine Macht 493 H. kurzzeitig bis nach Nīšāpūr reichte.

Saparmyrat Nyýazows Macht in Turkmenistan endete übrigens 2006 mit dem Tod des Türkmenbaşy; unter dem nachfolgenden Präsidenten Gurbanguly Berdimuhamedow, Nyýazows Leibzahnarzt, wurde die Umbenennung der Monate und Wochentage 2008 wieder rückgängig gemacht.

Sebastian Hanstein

MdM Oktober 2018

 

Oktober 2018. Vor exakt 1000 Jahren (gemäß unserer Zeitrechnung) schrieb man in der islamischen Welt das Jahr 409 nach der Hidschra und aus ebendiesem Jahr stammt die erste „Münze des Monats“ aus der Sammlung der Forschungsstelle für islamische Numismatik Tübingen. Es handelt sich um einen Dirham mit einem Gewicht von 3,05 g. Geschlagen wurde die (im Gegensatz zu vielen anderen Prägungen der Zeit) guthaltige Silbermünze unter der Herrschaft des Būyiden Sulṭān ad-Daula (reg. 1012–1024) in dessen iranischer Residenz Šīrāz.

Vom Prägeort sind nur noch die drei letzten Buchstaben deutlich zu erkennen, doch selbst wenn diese Stelle gänzlich unleserlich wäre, ließe allein schon das außergewöhnlich künstlerisch-ansprechende Design auf die Hauptstadt der Provinz Fārs schließen. Hier entstand nämlich eine ganze Reihe būyidischer Münztypen, die durch eine ähnlich innovative Gestaltung und Ästhetik auffallen; vielleicht sollte das anspruchsvollere Layout die Dirhams auch fälschungssicherer machen.

Dem etwa gleichzeitig arbeitenden Stempelschneider im kakūyidischen Iṣfahān, einem gewissen Muḥammad, dienten die kleinen Kunstwerke aus Šīrāz offenbar als direktes Vorbild (L. Treadwell, Craftsmen and coins, S. 88). Während Muḥammad dank von ihm signierter Stempel namentlich bekannt ist, bleibt der Meister in Fārs so wie die meisten seiner Kollegen anonym.

Zwar sind es insbesondere die Dirhams des Būyiden Abū Kālīǧār (reg. 1024–1048), in denen hinsichtlich Kreativität und künstlerischem Raffinement ein Höhepunkt gesehen werden kann – zu bewundern sind spektakuläre Blütenformen, Achtorte und rankige Wellenlinien –, doch brachte die Suche nach neuen, komplexeren Designs in der būyidischen Münzprägung von Šīrāz unzweifelhaft schon zuvor sehr reizvolle Typen hervor (wenngleich die vollendete Eleganz qaraḫanidischer Prägungen unerreicht blieb). Nachdem die Serie eher konventionell gelayouteter Münzen bereits durch Prägungen ʿAḍud ad-Daulas unterbrochen worden war, auf denen ein doppeltes Hexagon das Inschriftenarrangement bestimmte, fällt das eigentliche Erblühen solcher Spezial-Designs in die ersten Jahre des 5. Jh. H. Noch unter Bahāʾ ad-Daula (reg. 989–1012) waren in Fārs erste Dirhams mit ausschließlich konzentrischen Kreisinschriften geschlagen worden (fast gleichzeitig fand der nasḫī-Duktus Verwendung), woraufhin unter Sulṭān ad-Daula, Abū Kālīǧārs Vater, bald mit kleinen Medaillons gearbeitet wurde oder eben – so wie auf unserem Tübinger Exemplar – mit wie aufgespannt wirkenden Feldern in Form regelmäßiger Hexagone, deren Seiten konkav sind und so eine Art Stern ergeben. Dabei setzen die effektvoll geperlten Bogenlinien bei 2, 4, 6, 8, 10 und 12 Uhr an einem durchgehenden Ring an, welchen auf dem Av. wie Rev. je eine Umschrift und zuletzt noch ein äußerer Perlkreis umläuft. Die zwischen den Bögen und dem Ring entstandenen sechs mandelförmigen Kartuschen wurden nur auf dem Av. allesamt mit Schrift befüllt – auf dem Rev. ließ man beachtenswerter Weise die linke und die rechte frei, was zur Leichtigkeit des gesamten Designs beiträgt.

Sulṭān ad-Daula trägt auf seiner Münze von 409 H. (1018/19) nicht nur einen Ehrennamen. Sein daula-laqab ist lediglich einer von vieren, die auf dem Av. zu lesen sind, und findet sich zusammen mit ʿIzz al-Milla („Macht der Glaubensgemeinschaft“) und Muġīṯ al-Umma („Helfer der Gemeinde“) innerhalb der kleinen Kartuschen, welche das zentrale Feld umgeben. Noch innerhalb des Feldes und damit an prominenterer Stelle steht unter dem Glaubensbekenntnis (Zl. 1–2) und gefolgt von der kunya Abū Šuǧāʿ („Vater der Tapferkeit“) jener Ehrenname, welcher erwartbar der höchstrangige ist: ʿImād ad-Dīn („Stütze der Religion“). Dieser ist zusätzlich dadurch hervorgehoben, dass er zusammen mit der kunya in einer anderen, kursiven Schriftart erscheint, gekennzeichnet durch zwei Ligaturen (ʿain-mīm und šīn­-ǧīm). In kalligraphischer Hinsicht ist auch die floral verzierte Form des ʿain in der Hunderterzahl der Jahresangabe (Av.-Umschrift) bemerkenswert.

Sulṭān ad-Daula war seinem Vater Bahāʾ ad-Daula zwar als oberster König des būyidischen Herrschaftsverbandes auf den Thron gefolgt, schaffte es aber nicht, sich innerhalb der verzweigten Familie gegen Rivalen durchzusetzen (s. H. Busse, Chalif und Grosskönig, S. 91 ff.). 1017, also erst etwa ein Jahr bevor unser Dirham in Šīrāz geprägt wurde, hatte Sulṭān ad-Daula diese so wichtige Stadt zurückerobern müssen, nachdem Fārs von seinem Bruder Qiwām ad-Daula, dem Herrn der östlichen Nachbarprovinz Kirmān, mit ġaznavidischer Unterstützung besetzt worden war. Zur Zeit dieses Übergriffs war Sulṭān ad-Daula gerade in Mesopotamien gewesen, wohin er nach der erfolgreichen Zurückdrängung Qiwām ad-Daulas (408 H.) zunächst zurückkehrte. Nichtsdestotrotz ging ihm das Zweistromland mit der Kalifenmetropole Bagdad Anfang der 1020er Jahre – anders als seine Kernprovinz Fārs – dauerhaft an einen weiteren Bruder namens Mušarrif ad-Daula verloren, welcher ihm zuletzt nicht einmal die Würde ließ, noch formell als Dynastieoberhaupt anerkannt zu werden.

Außer dem Bagdader ʿAbbāsiden-Kalifen al-Qādir bi-llāh (reg. 991–1031) – der Name findet sich nach der Propheten-Eulogie in der untersten Rev.-Zeile – lässt Sulṭān ad-Daula auf seiner Münze (über die Kartuschen bei 1, 11, 5 und 7 Uhr verteilt) auch noch al-Ġālib bi-llāh nennen. Bei dieser Person handelt es sich um al-Qādirs Sohn Abu l-Faḍl, welcher bereits im Februar 1001 achtjährig dazu bestimmt worden war, seinem Vater dereinst als Kalif nachzufolgen. Entsprechend ist der ʿabbāsidische Prinz auf dem Dirham als „sein“, d. h. al-Qādirs, „walī-ʿahd“ bezeichnet, also mit dem Titel eines designierten Thronerben.

Der Grund für die frühzeitige, in Bagdad öffentlich vor Würdenträgern und Mekka-Pilgern aus dem Osten der islamischen Welt verkündete Festlegung eines rechtmäßigen Nachfolgers war damals das Auftreten eines falschen kalifalen walī-ʿahd in Transoxanien gewesen. Genauer gesagt, hatte sich der dortige Herrscher aus der Dynastie der Qaraḫaniden durch ein fingiertes Ernennungsschreiben für seinen Günstling al-Wāṯiqī (einen Nachfahren des Kalifen al-Wāṯiq) davon überzeugen lassen, ebendiesen Mann sogar in der Freitagspredigt als al-Qādirs Thronfolger nennen zu lassen – was am Tigris freilich auf großes Missfallen stieß und eine rasche Klarstellung erforderte. So wurde die Meldung von al-Ġālibs Designation schriftlich in alle Provinzen übermittelt und die Nennung des (echten) Kronprinzen in der Freitagspredigt angeordnet, womit der būyidisch kontrollierte Kalif nicht zuletzt ein gewisses Maß an politischer Handlungsfähigkeit zeigte. Allerdings brauchte es interessanterweise erst Sulṭān ad-Daula, ehe auf Bagdader oder eben Šīrāzer Münzen tatsächlich auch al-Ġālibs Name zu lesen ist; Bahāʾ ad-Daula hatte sich zuvor offenbar geweigert, den ʿabbāsidischen walī-ʿahd auf diese Weise offiziell anzuerkennen (E. Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 67).

Nun war es al-Ġālib bi-llāh jedoch nicht vergönnt, seinen Vater zu überleben – als Todesjahr dieses Kronprinzen ist das Prägejahr unseres Dirhams das letzte, in welchem al-Qādirs designierter Thronfolger auf Münzen aufgeführt wurde.

Sebastian Hanstein