Neuere Geschichte

Wissenschaft im Vernichtungskrieg. Der „Generalplan Ost“ und die Rolle der Berliner Universität vor und nach 1945

Bereits der Begriff „Plan“ lässt ahnen, dass die gewaltsame Verwandlung Europas sorgfältig vorbereitet wurde, und zwar durch die enge Zusammenarbeit einflussreicher Akteure von der Reichsleitung bis zur SS – und gerade durch viele renommierte Wissenschaftler an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. Den Auftrag zur Erarbeitung des „Generalplan Ost“ erhielt Prof Dr. Konrad Meyer (Agrarwissenschaftler und Leiter der Hauptabteilung Dienststelle des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums“). Zahlreiche Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen entwarfen unter seiner Leitung bis zum Frühling 1942 den „Generalplan Ost“. Ziel war die Schaffung einer Agrargesellschaft in Polen, in weiten Teilen der Sowjetunion und im Baltikum, welche die Bedürfnisse deutscher Siedler erfüllen sollte. Sogenannte „rassisch unerwünschte“ Einwohner sollten als Zwangsarbeiter herangezogen, nicht weniger als 30 bis 40 Millionen deportiert oder getötet werden. Wissenschaftliche Visionen, rassistische Bevölkerungspolitik, wirtschaftliche Ausbeutung und Massenmord griffen ineinander. Die deutschen Experten bedrohten durch ihr größenwahnsinniges Konzept das Leben, den Besitz, die Freiheit und die Würde von Millionen polnischer und sowjetischer Männer, Frauen und Kinder.

Das Projekt untersucht den Anteil der Berliner Universität an der Entstehung des „Generalplan Ost“ auf der einen und dessen Bewertung durch Universität, Politik und Öffentlichkeit von 1945 bis 1990 auf der anderen Seite. Der Schwerpunkt liegt auf der Kooperation der hoch motivierten Wissenschaftler mit den gnadenlosen Tätern des Vernichtungskrieges. Wichtig ist der Blick auf die Arbeit der Forscher an der Berliner Universität und auf die mitwirkenden Kollegen an anderen Universitäten und Instituten. Skizziert werden auch die wenigen Prozesse gegen die Akteure in der DDR nach 1945. Schließlich gilt es den zögerlichen, ja meist verweigerten Umgang der Berliner Universität in der DDR mit denjenigen Kriegsverbrechern oder Kollaborateuren zu untersuchen, die hier weiterhin arbeiteten.