Deutsches Seminar

Publikationen (Monographien und Sammelbände)

In Auswahl

Gutes Mönchtum in St. Gallen und Fulda. Diskussion und Correctio im Spiegel karolingischer Klosterbibliotheken

Johanna Jebe
Herder | 2024
Fuldaer Studien 30

Abstract: Johanna Jebe legt eine Neuanalyse zu den monastischen Entwicklungen der Karolingerzeit vor, die erstmals die vielstimmigen Diskussionen aufdeckt, die in den Klöstern selbst über gutes Mönchtum geführt worden sind. Dafür rücken als neue Quellenbasis die Handschriften der bedeutenden Abteien St. Gallen und Fulda ins Zentrum. Im Licht aktueller Ansätze zu materiellen Textkulturen und Wissensgeschichte erschließt sie über Praktiken des Kopierens und Kompilierens im Kloster einen differenzierten und weit verzweigten Austausch über gutes Mönchsleben unter sich wandelnden Wissensordnungen. Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf der karolingischen Correctio („Renaissance“), indem konkrete alltagspraktische Bedingungen zwischen Zentren und Peripherie untersucht werden, unter denen religiöse und politische Leitgedanken ausgehandelt worden sind.


Pastorale Strategien zwischen Konfessionalisierung und Aufklärung. Katholische Predigten und ihre implizite Hörer/Leserschaft (circa 1670 bis 1800)

Florian Bock
Aschendorff | 2023

Abstract: Die Forschung zur katholischen Predigtkultur zwischen Westfälischem Frieden und Aufklärungsepoche kennzeichnet eine große Leerstelle. Die vorliegende Studie erhellt anhand des geschlossenen Quellenbestandes der Bayerischen Kapuzinerprovinz, was und wie im 17. und 18. Jahrhundert gepredigt wurde. Das Buch begreift Predigten dabei als pastorale Strategien, die sich an eine implizite Hörer- und Leserschaft wenden. Denn auf ihre imaginierten Adressaten hin ist diese genuin mündliche Textsorte konzipiert. Predigten sind somit Praxeologien religiösen Wissens, die zu einem bestimmten Handeln in einer konkreten, zumeist ländlichen Lebenswelt anleiten möchten. Aufgrund der eher unscharfen kirchlichen Vorgaben nach dem Konzil von Trient, wie eine erfolgreiche Kanzelrede auszusehen hat, kreuzen sich dabei verschiedene Frömmigkeitsformen. Wie z.B. Jesus Christus verehrt oder liturgische Feste begangen werden sollen, was den idealen Ehepartner oder einen ‚guten‘ Tod ausmacht oder wie die Gemeinde mit Armen umzugehen hat, beantworteten die Predigtautoren zwischen 1670 und 1800 recht unterschiedlich. Dieser differenzierte Quellenbefund liegt nahe, nicht von einem allzu starken Bruch zwischen den Epochen der Konfessionalisierung und dem aufgeklärten Zeitalter auszugehen. Vielmehr plädiert die Studie für eine schrittweise Transformation von Frömmigkeitsensemblen im Übergang zur Moderne.


Veritatis Imago. Visuelle Konzepte der Wahrheit in der niederländischen Druckgraphik des 16. und 17. Jahrhunderts

Mariam Hammami
De Gruyter | 2023
Andere Ästhetik. Studien 4

Abstract: Anhand ausgewählter niederländischer Druckgraphiken des 16. und 17. Jahrhunderts analysiert die Studie unterschiedliche visuelle Konzepte von Wahrheit und verfolgt dabei die Leitthese, dass die jeweiligen Kupferstiche und Radierungen gerade anhand der Veritas-Figur die Möglichkeiten und Grenzen einer Visualisierung des Abstraktums ‚Wahrheit‘ sowie die spezifische Wahrheitsfähigkeit der Graphiken ausloten. Die Dissertation arbeitet damit die kulturhistorische Relevanz der Druckgraphik als zentraler Diskursträger im Kontext der politisch-religiösen Krisen heraus und legt das kontinuierliche Experimentieren der Künstler mit dem ästhetischen Leistungsvermögen des Mediums offen.


Die Erdteile in der Weltordnung des Mittelalters. Asien – Europa – Afrika

Christoph Mauntel
Hiersemann | 2023
Monographien zur Geschichte des Mittelalters 71

Abstract: Asien, Europa, Afrika – die typische Reihenfolge der drei im Mittelalter bekannten Kontinente – ist eine Hierarchie, in der Europa keineswegs an erster Stelle kam. Schon dies zeigt, dass die Dreierordnung der Kontinente kein abstraktes geographisches Fachwissen war. Anhand des Erdteilkonzepts wurden Kriege und Expansionsbewegungen erläutert, Herrscher gelobt und Feinde dämonisiert. Das Buch nimmt die Geschichte des Erdteilkonzepts im Mittelalter vom 3. bis zum 16. Jahrhundert in den Blick. Dabei werden die antiken Ursprünge und die Adaption durch christliche Autoren ebenso untersucht wie die sich wandelnden Kontexte sowie die Darstellung der Erdteile in mittelalterlichen Karten und Diagrammen.


Widerständiges Wissen. Widerstandskonzeption und Wissensproduktion in den theoretischen Kontroversschriften um 1100

Maximilian Nix
Verlagsgruppe Husum | 2023
Historische Studie 517

Abstract: Die Studie widmet sich der Frage, wie in der turbulenten Krisenzeit um 1100 Gelehrte Überzeugungen entwickeln, ob und ggf. wie Widerstand gegen Autoritäten (wie bspw. Kaiser oder Papst) erlaubt sein kann, unter Umständen sogar notwendig ist. Um diese Frage zu beantworten, wird die Entstehung vierer prominenter Traktate der Kontroversliteratur vor dem Hintergrund lokaler Gegebenheiten und Anliegen exemplarisch erörtert. In einem wissensgeschichtlichen Zugriff wird die Verhandlung von Widerstand in den Traktaten als Ergebnis von Aushandlungsprozessen verstanden, die sich aufgrund der Erarbeitung und Produktionsbedingungen untersuchen lassen. Anstatt lediglich die Ergebnisse dieser Prozesse in den Blick zu nehmen, also die fertigen Texte, verhandelten Ideen und Argumentationsstrukturen, werden zusätzlich die Entstehungsprozesse der Quellen untersucht, um herauszufinden, wie Gelehrte in dieser Zeit ihre Erkenntnisse entwickelten. Im Fokus stehen daher nicht zuletzt die Arbeitsweisen, Vorlagen und Bedingungen, welche die Wissensprodukte ermöglichten.


Lutherische Orthodoxie und konfessioneller Pragmatismus. Kurfürst Joachim Friedrich von Brandenburg zwischen Dynastie, Territorien und Reich

Uwe Folwarczny
Duncker & Humblot | 2022
Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz. Forschungen 20

Abstract: Kurfürst Joachim Friedrich von Brandenburg (reg. 1598–1608) gehört zu den beeindruckenden Fürstenpersönlichkeiten des Konfessionellen Zeitalters. Mit ihm trat die brandenburgische Landes- und Reformationsgeschichte in eine reichspolitisch besonders angespannte Phase vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges ein. Hierbei changierte Kurfürst Joachim Friedrich zwischen lutherischer Orthodoxie und konfessionellem Pragmatismus, betrieb eine Religions- und Konfessionspolitik mit ganz eigenen Akzenten und prägte die Geschichte Brandenburgs in vielfältiger Weise nachhaltig. Hierfür stehen herausragend die Festigung des lutherischen Konfessionsstandes Kurbrandenburgs und die Sicherung der brandenburgischen Erbansprüche auf die Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg und Preußen. Die Studie fokussiert auf die als zentrale Akteure zu verstehenden hohen kurbrandenburgischen Amtsträger, die maßgebliche Einflussmöglichkeiten auf den Konfessionsstand Kurbrandenburgs sowie auf die reichspolitischen und dynastischen Regierungshandlungen des Kurfürsten hatten.


Artifizialität und Agon. Poetologien des Wi(e)derdichtens im höfischen Roman des 12. und 13. Jahrhunderts

Jan Stellmann
De Gruyter | 2022
Andere Ästhetik. Studien 3

Abstract: Die Studie entfaltet die These, dass das Wiederdichten, wie es in den Poetologien deutschsprachiger höfischer Romane des 12. und 13. Jahrhunderts reflektiert wird, nicht nur als artifizielle Poiesis, sondern auch als Praxis der Nachahmung und des Wettstreits verstanden werden muss. Diese doppelte Dimensionierung des Wieder- als Widerdichtens wird historisch aus der Ars poetica des Horaz sowie der Poetria nova Galfrids von Vinsauf hergeleitet und konzeptionell mit den Begriffen Artifizialität und Agon erfasst.


Konfessionsbildung im Zweiten Abendmahlsstreit (1552–1558/59)

Corinna Ehlers
Mohr Siebeck | 2021
Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 120

Abstract: Der Zweite Abendmahlsstreit (1552–1558/59) zählt zu den wichtigsten Ereignissen für die Abgrenzung zwischen Luthertum und Reformiertentum. Corinna Ehlers legt eine Neuanalyse im Horizont aktueller Konfessionsforschung vor. Die theologische Kontroverse zeigt sich als Konflikt reformatorisch normativer Identitätsvorstellungen, der ebenso mit der kirchenpolitischen Entwicklung im Reich verknüpft war wie mit der Situation Evangelischer in anderen Ländern Europas. Neben Johannes Calvin und dem Hamburger Pastor Joachim Westphal werden zahlreiche bisher kaum berücksichtigte Akteure in die Untersuchung einbezogen. So entsteht ein differenziertes Bild von der Vielfalt reformatorischer Positionen um 1550, der allmählichen Herausbildung konfessioneller Abgrenzungen, aber auch der bleibenden Uneindeutigkeiten im innerevangelischen Verhältnis.


Religiöses Wissen im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Schauspiel

Hg. von Klaus Ridder, Beatrice von Lüpke und Michael Neumeier
Schwabe | 2021

Abstract: In Mittelalter und Früher Neuzeit spielt das Schauspiel eine wichtige Rolle bei der Verbreitung und Aktualisierung von religiösen Wissensbeständen. Die Beiträge des Bandes gehen den Transformationen religiösen Wissens in szenisches Geschehen nach, analysieren den produktiven Umgang der Autoren/Kompilatoren mit Heiligen Texten und theologischen Konzepten und reflektieren Fragilität und Neuausrichtung des religiösen Wissens in den reformatorischen Auseinandersetzungen.


Himmlische Körper. Konstruktionen sozialer Differenz in der spätmittelalterlichen Laienastrologie

Bruno Wiedermann
Didymos | 2021
Studien und Texte zur Geistes- und Sozialgeschichte des Mittelalters 13

Abstract: Die Astrologie ist eine jahrtausendealte Kulturtechnik und übt bis heute eine ungebrochene Faszination aus. Neben ihrem Anspruch, Prognosen der Zukunft zu ermöglichen, besteht die Attraktivität der Astrologie darin, Erklärungen der Gegenwart zu liefern. Eigenschaften und Verhaltensweisen einzelner Menschen können ebenso astrologisch begründet werden wie das Schicksal sozialer Gruppen oder ganzer Gesellschaften. Im 15. Jahrhundert entstand in Europa eine spezifische Form der Astrologie, die sich auf solche Erklärungen der sozialen Zustände konzentrierte und dabei fast gänzlich auf komplexe astronomische Berechnungen und konkrete Zukunftsprognosen verzichtete.
Die Arbeit untersucht, wie in dieser sogenannten Laienastrologie Vorstellungen von der sozialen Ordnung entworfen und vermittelt wurden. Diese Ordnungsentwürfe erweisen sich dabei als durchaus dynamisch: Überkommene astrologische Konzepte wurden in den Handschriften immer wieder aktualisiert, was sich in der Entstehung neuer Text- und Bildtypen ausdrückte. Die Studie zeigt mithilfe einer intersektionalen Analyse auf, wie stark einzelne soziale Ordnungskategorien auch in der Vormoderne aufeinander bezogen wurden. Diese Bezüge werden in den Quellen in Form der vier Primärqualitäten diskutiert, wodurch die Astrologie in einen engen Zusammenhang zu zeitgenössischen Medizin- und Körperdiskursen rückt. Die Arbeit liefert damit auch eine wichtige Fallstudie zur historischen Intersektionalitätsforschung.


Religiöses Wissen in Fischarts Geschichtklitterung. Reformatorische Einflüsse auf die Entwicklungsdarstellung des Menschen 

Florence Brunner
TOBIAS-lib Universität Tübingen | 2020

Abstract: Die Dissertation befasst sich mit Fischarts „Geschichtklitterung“ (1575, 1582, 1590), seiner ‚Überarbeitung‘ von Rabelais‘ „Gargantua“ (1535). Die „Geschichtklitterung“ ist Fischarts bedeutendstes Werk und Höhepunkt seines schriftstellerischen Schaffens. Über 15 Jahre lang schreibt und überarbeitet der Straßburger Autor dieses Meisterwerk, dessen Vielseitigkeit Übersetzungskunst, Polemik und Sprachspiel vereint. Letzteres stand lange Zeit im Fokus der Forschung. Doch deckt die Sprachartistik nur einen Teil der Besonderheiten der „Geschichtklitterung“ ab. Die ‚Überarbeitung‘ von Rabelais‘ „Gargantua“ zeigt passagenweise umfangreiche Modifikationen, die sich mit konfessionspolitischen Interessen in Verbindung bringen lassen. Die diversen Entwicklungsstationen des Riesenbabys, die der Roman „Gargantua“ erzählt, werden bei Fischart religiös aufgeladen. Sie sind wie schon bei Rabelais nicht bloß die Darstellung einer fiktiven Figur, sondern vielfach übertragbar auf den zeitgenössischen Menschen – wobei bei Fischart das reformatorische Verständnis des Menschen entscheidend wird. Die drei Entwicklungsstadien, die bei Fischart hervorgehoben werden, sind die Kindheit (Fokus in Kapitel 5 auf Ehe und Erziehung), die Ausbildung (Parodie der scholastischen und humanistischen Bildung) und die Verselbständigung (Begriff der Freiheit im Zentrum der Abtei Willigmut). In der letzten Stufe kommen alle zuvor thematisierten und kritisierten Elemente zusammen. Die Arbeit zeigt einerseits, wie omnipräsent das religiöse Gedankengut für das Verständnis von Fischarts Überarbeitung ist. Andererseits legt sie dar, dass eine werkübergreifende Synthese angesichts der häufigen Hin- und Abwendung Fischarts von seiner Vorlage kaum möglich ist. Getreu dem ‚aemulatio‘-Motiv lobt und kritisiert Fischart seinen Vorgänger, unterstützt und widerlegt die gegebenen Aussagen und Modelle.


Füchsische Desintegration. Studien zum ‚Reinhart Fuchs‘ im Vergleich zum ‚Roman de Renart‘

Marion Darilek
Winter | 2020
Germanisch-Romanische Monatsschrift. Beiheft 100

Abstract: Der ‚Reinhart Fuchs‘ inszeniert, ausgehend von der Erkrankung des Löwenkönigs, eine substanzielle Verunsicherung und Auflösung von Ordnungen und Ordnungsgewissheit. Die fundamentale ‚füchsische Desintegration‘ umfasst diverse Bezugsfelder und Ebenen (literarische, sprachliche, religiöse, rechtliche, soziale, politische u. a. m.). Die vorliegende Studie verbindet philologisch fundierte Textinterpretationen des ‚Reinhart Fuchs‘ daher mit einer weiten literar- und kulturhistorischen Kontextualisierung. Erstmals werden dabei systematisch Ansätze der ‚Cultural Literary Animal Studies‘ für die Analyse und Interpretation des mittelhochdeutschen Fuchsepos herangezogen. Ergänzt werden die Untersuchungen um vergleichende Lektüren des ‚Roman de Renart‘. Die untersuchten altfranzösischen Passagen werden auf Basis aktueller Editionen neu ins Deutsche übersetzt. Vorgelegt wird so eine nuancierte Gesamtinterpretation des ‚Reinhart Fuchs‘, die der Radikalität und Schonungslosigkeit des Tierepos Rechnung trägt.


Charity for and by the Poor: Franciscan-Indigenous Confraternities in Mexico, 1527–1700

Laura Dierksmeier
University of Oklahoma Press | 2020

Abstract: Spanish colonization of Latin America in the sixteenth century continues to provoke scholarly debate. Spanish missionaries employed various strategies to convert indigenous inhabitants to the Catholic faith, including operating schools, organizing choirs, and establishing charitable brotherhoods known as confraternities. In Charity for and by the Poor, Laura Dierksmeier investigates how the reformed Franciscans; commitment to evangelizing Mexico gave rise to an extensive network of local confraternities and their respective care institutions. She finds that these local groups were the chief welfare providers for the indigenous people during the early colonial period and were precursors of the modern social security system. Dierksmeier shows how the Franciscan missionary imperative to promote the works of mercy and charity inspired the goals, governance, and operations of indigenous confraternities, their hospital and orphan care, and their contributions to the moral economy, including releasing debt prisoners and lending money to the poor. Focusing on the inner logic and daily practices of indigenous confraternities, Charity for and by the Poor highlights their far-reaching effects on Mexican society. Dierksmeier argues that confraternities are best studied within the religious framework that established them, and she does so by analyzing confraternity record books, lawsuits, last wills, missionary correspondence, and parish records from archives in Mexico, Spain, the United States, and Germany. The confraternity became an essential institution for protecting the indigenous population during epidemics, for integrating the various indigenous classes from the former Aztec Empire into the emerging social order, and for safeguarding indigenous self-governance within religious spheres. Most notably, Franciscan-established confraternities built social structures in which the poor were not only recipients of assistance but also, through their voluntary participation, self-empowered agents of community care. In this way, charity was provided for and by the poor.


Aushandlungen religiösen Wissens / Negotiated Religious Knowledge

Hg. von Annette Gerok-Reiter, Anne Mariss und Markus Thome
Mohr Siebeck | 2020
Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 115

Abstract: Religiöses Wissen, so die Grundannahme des DFG-Graduiertenkollegs Religiöses Wissen im vormodernen Europa (800–1800), entsteht in der Auseinandersetzung mit dem in der Bibel offenbarten, aber nicht greifbaren Wissen. Im alltäglichen Umgang der religiösen Experten und Laien wird es jedoch immer wieder transformiert und an die zeitspezifischen Gegebenheiten angepasst. Die dabei entstehenden diskursiven Konkurrenzen zwischen religiösem Wissen und anderen Wissensfeldern wie der Naturforschung, der Kunst oder Literatur stehen im Fokus des interdisziplinär angelegten Sammelbands. Die Beiträge thematisieren die unterschiedlichen Verfahrensweisen, durch die religiöses Wissen in den angrenzenden Wissensfeldern der Naturforschung, der Kunst oder der Literatur adaptiert und modelliert wird, sowie die dabei zu Tage tretenden Spannungen, Konkurrenzen oder Synergien.


Karten und Mission. Die jesuitische Konstruktion des Amazonasraums im 17. und 18. Jahrhundert

Irina Saladin
Mohr Siebeck | 2020
Historische Wissensforschung 12

Abstract: Die Jesuiten sind aus der Geschichte der europäischen Kartographie nicht wegzudenken. Häufig waren sie die ersten Europäer, die Karten bestimmter Regionen in Asien, im Pazifik oder in Amerika zeichneten und einem breiten Publikum in Europa zugänglich machten. Dies traf auch auf den oberen Amazonas zu, wo sich jesuitische Missionare im Auftrag der spanischen Krone ab 1638 niederließen. Viele Missionare verbrachten Jahre oder Jahrzehnte am Amazonas. Irina Saladin untersucht die Zusammenhänge von missionarischen Praktiken und Wissensproduktion. Sie zeigt, dass die alltäglichen Reisen durch das Labyrinth aus Flüssen und der enge Kontakt der Missionare zur indigenen Bevölkerung Auswirkungen auf die kartographischen Repräsentationen des Amazonas in der Frühen Neuzeit hatten, ebenso wie religiöse Konzepte und politische Aktivitäten des Ordens.


Natur und Mimesis. Visualisierungen des Atmosphärischen in der religiösen Malerei Venedigs und Mailands um 1500

Lars Zieke
Schnell & Steiner | 2020
Studi. Schriftenreihe des Deutschen Studienzentrums in Venedig 19

Abstract: In der norditalienischen Malerei vollziehen sich im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert richtungsweisende Neuformulierungen bildräumlicher Gestaltungsweisen und der Auffassung von Landschaftsdarstellung. Ausgehend von Giovanni Bellini in Venedig und Leonardo da Vinci in Mailand, tritt besonders das Interesse für atmosphärische Qualitäten der Landschaft in den Vordergrund. Viele dieser Phänomene zeigen sich im Bereich von Bildern mit religiösem Sujet und stehen dabei auch in Zusammenhang mit neuen Bildaufgaben und sich wandelnden Rezeptionsbedingungen. Für die Analyse lokalspezifischer Gestaltungsweisen zur Darstellung des Atmosphärischen werden in dem Band Formen und Prozesse künstlerischen Austauschs behandelt sowie die Zirkulation neuer Bildkonzepte der führenden Malerpersönlichkeiten besonders durch die Fokussierung auf die Mobilität der Maler in ihrem Umkreis dargelegt. Anhand von Fallbeispielen der Malerei in Venedig und Mailand werden zudem verschiedene Konzepte von Bildräumlichkeit mit dem Fokus auf die Darstellung atmosphärischer Phänomene untersucht, die das religiöse Sujet visuell erfahrbar machen sollen.


Religiöses Wissen im vormodernen Europa. Schöpfung – Mutterschaft – Passion

Hg. von Renate Dürr, Annette Gerok-Reiter, Andreas Holzem und Steffen Patzold
Ferdinand Schöningh | 2019

Abstract: Religion und Wissen waren im vormodernen Europa keine Gegensätze. Sie befruchteten sich vielmehr gegenseitig; und ihr komplexes Zusammenwirken hat kraftvoll dazu beigetragen, dass sich in Europa jene spezifische Wissensgesellschaft ausbildete, die im Selbstverständnis der westlichen Moderne bis heute einen prominenten Platz einnimmt. Der Band untersucht, wie im Laufe der Jahrhunderte die Auseinandersetzung mit drei zentralen Themen der Bibel neue Wissensbestände und Formen des Wissens hervorgebracht hat. Die Autorinnen und Autoren gehen aus von den biblischen Aussagen zur Schöpfung, zur Jungfräulichkeit und Mutterschaft Mariens und zur Passion Christi. Sie beobachten, wie aus der immer wieder neuen Aktualisierung und Aneignung dieser Aussagen in Texten, in Bildern und in Ritualen neues Wissen über die Welt entstand – ein Wissen, das Lebensbereiche auch fern der Religion strukturieren konnte und schließlich auch den Geltungsanspruch des Bibeltextes selbst in Frage stellte.


„ΚYΡΙE ΒΟΗΘΕΙ Τω Cω ΔΟΥΛω“ HERR, HILF DEINEM DIENER! Zur (Schutz-)Funktion der byzantinischen Enkolpien des 8.–13. Jahrhunderts

Julia Ulrike Kühnemund
TOBIAS-lib Universität Tübingen | 2019

Abstract: Eine archäologische Betrachtung zur (Schutz-)Funktion der byzantinischen Enkolpien des 8.–13. Jahrhunderts.


Transformationen Roms in der Vormoderne

Hg. von Christoph Mauntel und Volker Leppin
Kohlhammer | 2019
Studien zur christlichen Religions- und Kulturgeschichte 27

Abstract: Die Stadt Rom gilt als ein zentraler Kristallisationspunkt christlich-lateinischer Gesellschaften der Vormoderne. Jenseits der sinnlich erfahrbaren Stadt, oft als "Haupt der Welt" (caput mundi) gefeiert, sind es aber vor allem Vorstellungen und Ideen Roms, von denen die Quellen berichten. Die in diesem Buch gesammelten Beiträge legen dar, wie die Stadt Rom in der Vormoderne in politischen, kulturellen und religiösen Kontexten als Ideal- oder Gegenbild inszeniert wurde und welchen Transformationen diese Vorstellungen von Rom unterworfen waren. Untersucht wird Rom als geographischer Ort, als idealer religiöser Raum sowie als religiöser Gegen-Raum.


Schreiben im Netzwerk. Briefe von Frauen als Praktiken frommer Selbst-Bildung im frühen Quedlinburger Pietismus

Katja Lißmann
Harrassowitz | 2019
Hallesche Forschungen 50

Abstract: Der pietistische Fokus auf die individuelle Beziehung zu Gott bewirkte eine neue Gewichtung des frommen Selbst im Verhältnis zu gesellschaftlichen Konstruktionen wie Standes- und Geschlechterkonstellationen. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Konzept des Wachstums der Neuen Kreatur im Menschen, das gelesen werden kann als potentiell unabschließbarer, individuell zu vollziehender Bildungsweg. In Auseinandersetzung mit aktuellen historisch-praxeologischen Ansätzen und unter einer konsequenten Netzwerkperspektive untersucht Katja Lißmann in ihrer Studie die Briefe zweier Frauen der Quedlinburger pietistischen Bewegung (1691-1703): Sophia Maria von Stammer, geb. von Selmnitz, und Anna Magdalena Francke, geb. von Wurm. In ihren Briefen nahmen sie das pietistische Programm schreibend beim Wort. Sie erarbeiteten sich im Vollzug ihrer frommen Praxis einen eigenständigen religiösen Subjektstatus und trugen auf diese Weise zur Dynamisierung geschlechtsspezifischer Möglichkeitsräume bei. Eingebettet ist die im Schnittfeld von historischer Bildungs- und genderorientierter Pietismusforschung angesiedelte Analyse der Briefe in eine mikrohistorische Rekonstruktion der Quedlinburger lokalpolitischen Situation um 1700 und des lokalen pietistischen Netzwerks.


Memoria und Konfession. Süddeutsche Grabdenkmäler im Zeitalter der Konfessionalisierung

Anja Kristina Verena Seizinger
TOBIAS-lib Universität Tübingen | 2019

Abstract: Wie wirkt sich der theologische Wandel in nachreformatorischer Zeit auf die Gestaltung und die Funktion von Grabdenkmälern aus? Wurden Grabdenkmäler bewusst für die Darstellung persönlicher Glaubensvorstellungen und die Vermittlung konfessionsspezifischer Botschaften genutzt? Inwieweit lässt sich eine konfessionsübergreifende Kontinuität spätmittelalterlicher Traditionen belegen? Die Grundlage der vorliegenden Arbeit bildet eine empirische Untersuchung spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Grabdenkmäler aus vier süddeutschen Territorien (Baden-Baden, Württemberg, Hohenlohe, Bayern). Im Fokus steht die Analyse einer Vielzahl von Gestaltungselementen, die einen direkten Bezug zur Heiligen Schrift herstellen (Bibelzitate, biblische Szenen, Segensformeln und Attribute).


Neue Religion in Friedrich Hölderlins später Lyrik

Moritz Strohschneider
De Gruyter | 2019
Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 94

Abstract: Die Arbeit untersucht, wie in Friedrich Hölderlins zwischen 1800 und 1806 geschriebenen Gedichten in der Verbindung unterschiedlicher religiöser und (natur-)wissenschaftlicher Diskurse und Traditionen eine 'Neue Religion' konzipiert wird. In der eingehenden Analyse der Gedichte 'Der Nekar', 'Der Wanderer', 'Heimkunft', 'Der Einzige' und 'Germanien' werden die religions- und diskursgeschichtlichen Hintergründe der in den Texten beschriebenen göttlichen Mächte erarbeitet. Die Untersuchung zeigt, dass dafür weniger die in der Forschung vielfach behauptete synkretistische Verknüpfung unterschiedlicher Wissensbestände von Bedeutung ist. Entscheidend ist vielmehr die Ambiguität der von Hölderlin verwendeten Begriffe, Konzepte und syntaktischen Verknüpfungen. Deren Vielschichtigkeit eröffnet unterschiedliche Konnotationsräume, innerhalb derer die Texte das Göttliche beschreiben. Auf diese Weise zeigt die Arbeit erstmals umfänglich, aus welchen traditionsgeschichtlichen Quellen sich die religiösen Vorstellungen von Hölderlins späten Gedichten speisen und wie sie diese miteinander sowie mit zeitgenössisch aktuellen Wissensbeständen verbinden, um eine 'Neue Religion' zu entwerfen.


Poetologie im Prosaroman. Fortunatus – Wickram – Faustbuch

Gudrun Bamberger
Königshausen & Neumann | 2018
Poetik und Episteme 2

Abstract: Prosaromane sind durch eine gemeinsame Zielform, nicht aber eine explizite Regelpoetik gekennzeichnet. Dennoch bemühen sie sich um Legitimierung im Kanon etablierter Gattungen durch Verfahren, die sich aus intermedialen und -textuellen Phänomenen (‚Poetik im Vollzug‘) sowie der Auseinandersetzung mit Literatur als Kunst ergeben. Der Roman wird zum Ort poetologischer Potenziale und gibt Aufschluss über Produktions- und Rezeptionsbedingungen von Literatur in einer Epoche, die durch eine Medienrevolution (Buchdruck) geprägt ist und die Gattung in sozialgeschichtlicher Dimension neu denken muss.


„Loca sanctificate, plebem benedicite“ – Stationsliturgien und Sakraltopographien in Augsburg von Bischof Ulrich († 973) bis 1620

Jens Brückner
Verlag des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte e.V. | 2018
Sonderreihe des Jahrbuchs des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte 9

Abstract: Der liturgiehistorische Band untersucht die Erfahrbarkeit Religiösen Wissens in der Feier der Liturgie und an den durch die Liturgie in Räume transformierten verwendeten Orten. Dies wird anhand der Stationsliturgie - dem mittelalterlichen Wandergottesdienst - der Augsburger Domherren und der Sakraltopographie des Augsburger Doms und der Stadt Augsburg überprüft. Hauptquelle der Untersuchung bildet der im Anhang edierte Liber ordinarius des Augsburger Doms. Neben der Behandlung vieler Fragen, wie z. B. nach Liturgie und Raum, der Grenze zwischen liturgischen Experten und Nicht-Experten oder dem Verhältnis zwischen Macht, Autorität und Expertise in liturgischen Sachverhalten, wird schließlich ein schärferes Bild der Stadt Augsburg und seiner sozialen und ökonomischen Eigenlogiken und politischen Situation in den Jahren von um 973 bis etwa 1620 gezeichnet.


Der konfessionelle Gottesacker: Katholische und protestantische Sepulkralkultur in den oberschwäbischen Reichsstädten in der Frühen Neuzeit

Dominik Gerd Sieber
Kohlhammer | 2018
Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B: Forschungen 214

Abstract: Sterben, Tod, Begräbnis und Grabstätten wurden zu Beginn der Frühen Neuzeit auch in den oberschwäbischen Reichsstädten neu wahrgenommen: Platzmangel und erste hygienische Überlegungen führten zu einer Verlegung vieler Friedhöfe an Orte außerhalb der Stadtmauer. Die Reformation wiederum bewirkte mit ihrer Ablehnung des Ablasswesens, der Totenfürbitten und -messen grundlegende Veränderungen des städtischen Toten- und Begräbniskultes. In seiner interdisziplinär angelegten und mit reichhaltigem Bildmaterial illustrierten Arbeit zeigt der Autor auf, wie sich aus dieser Konstellation heraus neue, konfessionsabhängige Sepulkralkulturen in den Reichsstädten entwickelten und mehr und mehr etablierten. Entgegen bisheriger Forschungsmeinung griffen diese jedoch auf ein im Wesentlichen gleiches architektonisches Konzept bei der Ausgestaltung der Friedhöfe zurück.


Freiheit, Ordnung und Gemeinwohl. Reformatorische Einflüsse im Meisterlied von Hans Sachs

Uta Dehnert
Mohr Siebeck | 2017
Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 102

Abstract: Hans Sachs war nicht nur Nürnberger Schuster, sondern auch Dichter und Meistersinger: Mit der »Wittenbergisch Nachtigall« legte er sein persönliches reformatorisches Bekenntnis ab. Er steht im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung, um anhand seiner Meisterlieder exemplarisch für einen Handwerker der Frühen Neuzeit die Frage zu beantworten, wie ein Laie im städtischen Kontext des 16. Jahrhunderts das Anliegen der Reformation verstanden und dieses persönlich für sich und andere in das praktische Leben übersetzt hat. Welche Schwerpunkte waren für ihn konkret als Handwerker wichtig, welche Lehren erschienen ihm als besonders lebensnah und animierten ihn zur Nachahmung? Die Rezeption der theologischen Lehren Luthers wird in dieser Arbeit konsequent aus der Perspektive von Hans Sachs analysiert, der als Meistersinger seine Lieder auf der Singschule vortrug und zur Diskussion stellte. Vor diesem Hintergrund verdichten Meisterlieder auf kleinstem Raum, was im Großen den Prozess der Meinungsbildung bestimmte. Uta Dehnert zeigt, inwiefern sie Spiegel der Dynamik der Reformation sind, deren Anstoß bei den Wittenberger Theologen um Luther zu suchen ist. Dies führte zu einem neuen Selbstbewusstsein unter den Laien in den Reichsstädten, indem dieselben sich unabhängig mit religiösen Fragen beschäftigten und die Bibel eigenständig, angeleitet durch reformatorische Traktate, auszulegen begannen.


Prophetie als Partizipation am Heilsplan? Lutherische Prophetie im Konfessionellen Zeitalter (1550–1650)

Susanne Kofler
Evangelische Verlagsanstalt | 2017
Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte 47

Abstract: Prophetien treffen Aussagen über die Zukunft, um die Gegenwart zu gestalten. Das trifft auch für Prophetien aus lutherischen Kontexten im Konfessionellen Zeitalter zu. Diese Arbeit lotet aus, auf welche Strategien und Wissensbestände Laien wie Geistliche zurückgriffen, um Prophetien als Handlungsaufforderungen Gottes zu authentifizieren oder zurückzuweisen. Die Studie zeichnet zudem nach, wie die Pluralität und Widersprüchlichkeit von Prophetien und ihrer Bewertung durch das Medium des Druckes sichtbar wurde. Im Bemühen gesichertes Wissen über Gottes Heilsplan und die Teilhabe des Menschen daran zu erlangen, trat die Unsicherheit der menschlichen Erkenntnis zunehmend zu Tage.


Autonomie im Gehorsam. Die dominikanische Observanz in Selbstzeugnissen geistlicher Frauen des Spätmittelalters

Stefanie Monika Neidhardt
LIT | 2017
Vita regularis – Ordnungen und Deutungen religiosen Lebens in Mittelalter und Früher Neuzeit. Abhandlungen

Abstract: Im Zentrum dieser Arbeit steht die Frage nach Autonomie im Ordensgehorsam von observanten Dominikanerinnen im südwestdeutschen Raum. Chroniken, Briefe und private Berichte geben Einblicke in Reformabläufe, Widerstand, Alltag und Umgang mit altem Wissensgut und ermöglichen den Fokus auf eine kleine Gruppe gebildeter Frauen aus Niederadel und Bürgertum, die die Vorgaben des Ordens aufnehmen, an die Gegebenheiten innerhalb des Klosters anpassen und für sich nutzbar machen konnten. So öffnet sich ein seltener Einblick in Abläufe, Gestaltung und Kommunikation zwischen Dominikanern und Schwestern.


Augenlust und Augenlaster. Zum Wissen der Bilder in der venezianischen Malerei 1450–1520

Marianne Seidig
Schnell & Steiner | 2017

Abstract: Für gewöhnlich wird die venezianische Malerei der Frührenaissance mit dem umfangreichen Schaffen Giovanni Bellinis gleichgesetzt. Neben den Werken dieses vielerforschten Malers entstand aber auch eine Reihe weiterer prägsamer Bilder, u.a. von Lorenzo Lotto, Cima da Conegliano oder Marco Basaiti. Untersucht man diese Bilder im Zusammenhang, erscheint die venezianische Malerei in einem neuen Licht. Der Band nimmt ausgesuchte Bilder aus dem Umfeld Bellinis in den Blick. Untersucht wird, auf welche Weise venezianische Darstellungen abstrakte religiöse Gehalte sinnlich greifbar zu machen suchten. Dabei wird deutlich, dass Maler wie Lorenzo Lotto, Cima da Conegliano oder Marco Basaiti – entgegen den Annahmen der stilgeschichtlichen Forschung – nicht als mehr oder minder begabte Nachahmer ihres Meisters („Belliniani“) begriffen werden können. Sie besaßen vielmehr ein Potential, das die Fähigkeit zur abbildhaften Nachahmung eines Stiles überstieg. Statt von hierarchischen Abhängigkeiten, die alle auf Bellini zulaufen, ist daher eher von einem Spektrum verschiedener, nicht selten gleichberechtigter Positionen auszugehen – einem Spektrum, das sich mit dem geläufigen Terminus „Bellini und die Belliniani“ nicht angemessen umschrieben findet.


Lebenswelt Kloster. Das Gebetstagebuch der Windesheimer Chorfrau Angela aus St. Agneten in Trier (1465–1539)

Petra Kurz
Kliomedia | 2016
Kleine Schriften der Trierer historischen Forschungen 4

Abstract: Angela Holfels (1465–1539) lebte als regulierte Augustiner-Chorfrau der Windesheimer Kongregation in Str. Agneten in Trier. Dort verfasste sie ein einzigartiges Schriftzeugnis, ihr Gebetstagebuch, das einen Blick durchs Schlüsselloch in die inneren Strukturen der Gemeinschaft von St. Agneten und die Devotio Moderna bietet. Die am Einzelbeispiel gewonnenen Ergebnisse werden in den übergeordneten Rahmen der Ordensgeschichte, der Stadt- und Reichsgeschichte und der zeitgenössischen Vorstellung von Frömmigkeit gesetzt. Somit ist nicht nur der Blick nach innen, sondern auch Angelas Verständnis von der Welt außerhalb der Gemeinschaft thematisiert. Petra Kurz erschließt mit ihrer Mikrostudie das Selbstverständnis, die Wahrnehmung sowei den Wissensraum einer geistlichen Frau im ausgehenden Mittelalter.


Gott handhaben. Religiöses Wissen im Konflikt um Mythisierung und Rationalisierung

Hg. von Steffen Patzold und Florian Bock
De Gruyter | 2016

Abstract: Christentum, Judentum und Islam gehen gemeinsam davon aus, dass Gott sich aus der Unverfügbarkeit seiner Transzendenz heraus den Menschen selbst verfügbar gemacht hat. Das göttliche Wesen und sein Wille werden in den heiligen Schriften erkennbar ― aber auf eine Weise, die ein weitergehendes Wissen darüber erforderlich macht, wie diese Schriften für den Alltag handlungsleitend werden sollen: Solches „religiöses Wissen“ ist wesentlich verfasst als reflexives und praktisches Wissen darum, wie der Mensch Gott zur Verfügung zu stehen hat. Umgekehrt geht es den institutionellen Religionen, aber auch den sozialen Gruppen und Individuen darum, Gott „handzuhaben“. Dabei ist für sie wesentlich, die Welt mit jenen transzendenten Potentialen aufzuladen, die Leben sichern und auch über sein Scheitern und Ende hinaus „aufbewahren“. Die Allmacht Gottes wird demnach trotz der Versuche, ihn verfügbar zu machen, nicht verneint. Der Glaube an sie ist vielmehr die Triebfeder für das Handeln der Akteure. Im vorliegenden Band zeichnen verschiedene Disziplinen nach, wie Konflikte um das Zu-Handen-Machen Gottes dazu beigetragen haben, Institutionen, Verfahren und soziale Gruppen zu generieren, die „religiöses Wissen“ mitprägten und damit letztlich auch die Entstehung unserer heutigen Wissensgesellschaft beeinflusst haben. Vier Forschungsfelder strukturieren dabei den Sammelband. Sie fragen (1) nach Strategien der Distinktion, (2) dem religiösen Expertentum, (3) den Gender-Kategorien der Handhabung Gottes und (4) ihren Medien. Alle beruhen auf dem Gegensatz zwischen „Mythisierung und Rationalisierung“ bzw. „Verzauberung und Entzauberung“.


Christlicher Republikanismus in den Bibeldramen Sixt Bircks. Theater für eine 'neu entstehende' Bürgerschaft nach der Reformation in Basel und Augsburg

Judith Pfeiffer
De Gruyter | 2016
Frühe Neuzeit. Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext 202

Abstract: Anhand der Bibeldramen Sixt Bircks (1501–1551) lässt sich darstellen, mit welchen Mitteln und Zielen biblische Texte in den Jahren nach der Reformation in Schauspiele transformiert wurden. Im 16. Jahrhundert war dies ein äußerst populäres Verfahren, um einem größeren Publikum Exempla aus der Heiligen Schrift vor Augen zu stellen. Das dramatische Werk Sixt Bircks beschäftigt sich darüber hinaus mit Fragen des öffentlichen Lebens und der Institutionen in einer ‚Respublica christiana‛ – ein republikanisches Gemeinwesen mit Gott an der Spitze. In seinen Dramen spricht sich Birck u.a. für ein Gerichtswesen nach römischem Vorbild aus und leitet die weltliche Obrigkeit an, wie sie zum Wohl der ‚Respublica christiana‛ beitragen könne. Die Dramen werden in den historischen und geistesgeschichtlichen Kontext ihrer Entstehung eingebunden, wodurch auch Bezüge zu historischen Ereignissen, Entwicklungen und gelehrten Diskursen an den Entstehungsorten Basel und Augsburg hergestellt werden können. Die interdisziplinär angelegte Studie betrachtet erstmals eine größere Auswahl der Dramen Sixt Bircks unter dem Aspekt politischer (Neu-)Entwürfe. Dadurch können die verschiedenen Aspekte der christlichen Respublica im Zusammenhang betrachtet werden.


„Mein minnecliche zarte rede hon ich mit dir geteilt“– Studien zu den „Offenbarungen“ Christine Ebners

Janina Sollbach
TOBIAS-lib Universität Tübingen | 2016

Abstract: Die vorliegende Studie stellt die „Offenbarungen“ der Nürnberger Dominikanerin Christine Ebner in den Mittelpunkt. Die in dieser einzelpersönlichen Vita über das Gespräch zwischen einer göttlichen und weiblichen Figur gestaltete Beziehung steht dabei im Fokus. Zwei Aspekte sind darin zentral: Einerseits wird die weibliche Figur durch den göttlichen Gesprächspartner besonders herausgestellt und als von Gott erwählt dargestellt. Andererseits sind damit bestimmte Privilegien verbunden, die in den Gesprächen thematisiert und ausgehandelt werden. Mit einem sprechakttheoretischen Instrumentarium wird das Sprachhandeln der Figuren untersucht, um Aussagen zur Hierarchie in der Beziehung zwischen den Figuren zu erhalten. Darüber wird durch eine intertextuelle Analyse, getrennt in eine exemplarische Betrachtung der im Text explizit genannten Quellen und das Konzept der „Freiheit“, das in diesem Text aufgegriffen und variiert wird, untersucht, wie Texte anderer Autoren oder gedankliche Konzepte Eingang in die „Offenbarungen“ fanden und dort zur Beziehungskonstitution beigetragen haben. Abschließend werden die Funktionen eines solchen Textes mit Hilfe der narratologischen Kategorien der Figur/Figurenrede sowie der Perspektive/Fokalisierung genauer untersucht. Dabei werden sowohl die für diese Literatur bereits nachgewiesene Aufgabe der memoria und eine Erbauungsfunktion als auch darüber hinausgehende Funktionen, z.B. Werbung für das Kloster angenommen und in ihren erzähltheoretischen Strukturen aufgezeigt. Die besondere Beziehung in ihrer Gestaltung in den Dialogen zwischen göttlicher und weiblicher Figur zu erfassen sowie von hier aus auf die Funktionen zu schließen, ist das zentrale Anliegen der vorliegenden Studie.


Ein neues Geschlecht von Priestern. Tridentinische Klerikalkultur im französischen Katholizismus 1620–1640

Milan Wehnert
Schnell & Steiner | 2016

Abstract: Frankreich um 1630: Katholische Geistliche wetteifern um ein neues Priestertum von mystischem Glanz. Welche Priestergruppe vermag sich als »erwähltes Geschlecht und königliche Priesterschaft« durchzusetzen? Besonders die Kollision von Jesuiten und Bischöfen läutet eine außerordentlich fruchtbare Phase tridentinischer Kirchlichkeit ein. Das Konzil von Trient (1545–1563) bekräftigte das Priestertum als zentrales Heilsinstrument der Kirche. Dies führte in Frankreich ab 1620 zu massiven Konkurrenzen unter Klerikern: Ordens- und Weltgeistliche entwickelten widerstreitende Ideale priesterlicher Heiligkeit. Um den eigenen Status zu stärken, suchte man die Priestertümer umgebender Verbände zu dekonstruieren und in ihrer Außenwirkung zu schmälern. Diese spannungsreiche »guerre« hatte eine Blüte priesterlicher Kultur zur Folge, die hier erstmals in ihrer Dichte an Ideen, Imaginationen und Medien ausgelotet wird. Durchweg interdisziplinär nimmt die Arbeit Spiritualität, Liturgie und Ästhetik von Jesuiten, Oratorianern und Episkopat in den Blick und legt zugleich die politische Diskursmacht von Sprache und Bildern frei. Hieraus entsteht ein faszinierender Zugang zur Vorstellungswelt tridentinischer Kleriker mit neuen Einblicken in die Sonderentwicklung des französischen Katholizismus im 17. Jahrhundert.


Artefakt – Inschrift – Gebrauch. Zu Medialität und Praxis figürlicher Taufbecken des Mittelalters

Jörg Widmaier
Dr. Faustus | 2016
Tübinger Forschungen zur historischen Archäologie 7

Abstract: Die Taufe ist wesentlicher Bestandteil des Christentums. Der Täufling wird gereinigt, in den Glauben und die religiöse Gemeinschaft eingeführt. Bereits im Mittelalter wurde dieser rituelle Akt mit geweihtem Wasser durchgeführt, das sich im Regelfall in hölzernen, steinernen oder metallenen Becken befand. Oft waren diese Taufbecken zentral im Kirchenraum platziert und im Zusammenhang von Altar, Wandmalerei oder Prozessionsweg inszeniert. Die Gefäße wurden häufig aufwendig verziert, mit Bildern und narrativen Sequenzen ausgestaltet oder mit Inschriften versehen. Als Gebrauchsgegenstände des Taufsakraments und der Taufwasserweihe waren sie in rituelle Praktiken eingebunden. Die räumliche Inszenierung und die figürliche Ausgestaltung mit Bildern und Inschriften nehmen auf diese Zusammenhänge Bezug. Durch die Analyse der Artefakte werden Aussagen über Wahrnehmungskonventionen, materielle Praktiken des Sakralen und Medialitätskonzepte des Mittelalters getroffen. Der vorliegende Band fragt nach den Strategien und Intentionen derartiger Inszenierungen und Ausgestaltungen, wobei sowohl archäologische, kunsthistorische, historische wie liturgiewissenschaftliche Quellen ausgewertet werden. Dabei wurden die Taufgefäße nicht nur in ihren theologischen, religiösen und künstlerischen Implikationen erfasst, sondern auch in ihren sozialen, politischen und medialen Dimensionen betrachtet.