Von Donnerstag, dem 24. Juni, bis Samstag, dem 26. Juni, simulierte eine Gruppe von 27 Studierenden eine mögliche Mediation des aktuellen Sudan-Konflikts im Internationalen Forum Burg Liebenzell e.V. in Bad Liebenzell. Diese Exkursion bildete den praktischen Bestandteil des Seminars „Theories and Practices of Mediation“, das von Dr. Gabi Schlag im Rahmen des Masterstudiengangs Friedensforschung und Internationale Beziehungen am Institut für Politikwissenschaft der Universität Tübingen angeboten wird.
Während sich das Seminar auf aktuelle wissenschaftliche Debatten und Forschung zu Konfliktmediation und -transformation konzentriert, zielte die Simulation darauf ab, den Studierenden die Möglichkeit zu geben, ihr Wissen und ihre Kompetenzen zur Bearbeitung und Transformation eines gegenwärtigen und andauernden Konflikts praktisch zu erproben.
Die Simulation wurde über den Verlauf des Semesters vorbereitet. Jede*r Studierende konnte eine Rolle wählen – sei es aus den Konfliktparteien, externen Akteuren, der Zivilgesellschaft oder dem AU/UN-Mediationsteam. Konfliktexpertise wurde von Dr. Gerrit Kurtz von der SWP eingebracht, der sich dankenswerterweise bereit erklärte, im Juni eine Online-Sitzung im Seminar zu übernehmen. Auf Grundlage seiner Einsichten und weiterer umfassender Recherchen bereiteten die Studierenden Positionen und Strategien vor, um die Verhandlungen im Sinne ihrer jeweiligen Akteure zu führen (niedergelegt in Positionspapieren). Die Mitglieder des Mediationsteams hatten eine besondere Rolle, da sie nicht nur die Interessen und Positionen aller beteiligten Akteure verstehen und analysieren mussten, sondern auch eine Struktur entwickelten, wie die Gespräche an den drei Tagen der Mediation organisiert und moderiert werden sollten.
Studierende und Lehrende kamen am Donnerstagmittag in Bad Liebenzell an. Nach einem einleitenden Mittagessen begannen die Verhandlungen mit einer formellen Runde, in der Spannungen und Unvereinbarkeiten bereits sichtbar wurden. Weitere Diskussionen in kleineren Gruppen zeigten schnell, dass Verhandlungen über einen Waffenstillstand – wie ursprünglich vom Mediationsteam angestrebt – in weiter Ferne lagen. Daraufhin schlug die Vertreterin der EU eine extern überwachte, 24-stündige humanitäre Feuerpause vor, um eine Blockade der Gespräche zu verhindern. Diese wurde schließlich zum einzigen Abkommen, das in den folgenden Tagen verhandelt wurde. Nach zahlreichen bi- und multilateralen Gesprächsrunden, einigen provokativen und störenden Interventionen verschiedener Akteure sowie einer ausführlichen Prüfung jedes einzelnen Artikels des Dokuments wurde das Abkommen über eine 24-stündige humanitäre Feuerpause in bestimmten Regionen des Sudans am späten Samstagvormittag von allen anwesenden Parteien unterzeichnet.
Nach einem abschließenden Mittagessen traten die Teilnehmenden die Rückreise nach Tübingen an. Unabhängig von der jeweils gespielten Rolle wurde die Exkursion als bereichernde Erfahrung wahrgenommen, die das individuelle Verständnis über (die Dynamiken von) Mediation, Verhandlungs- und Vermittlungsprozesse vertiefte und zugleich eine wertvolle Übung der eigenen Verhandlungsfähigkeiten für zukünftige Berufsfelder darstellte.
Anna, die in der Rolle der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas, teilnahm, sagt dazu:
„Durch die Simulation hat man etwas über Mediation auf eine Weise und in einer Vielschichtigkeit gelernt, wie man es in keinem Lehrbuch findet. Es war eine sehr intensive Lernerfahrung.“
Ihre Kollegin Zoe, die Minni Minawi, Gouverneur von Darfur und Mitglied einer der beiden Hauptkriegsparteien, den sudanesischen Streitkräften, darstellte, ergänzt:
„Das gesamte Projekt hat den Studierenden sehr viel Handlungsspielraum gegeben. Von der Fallauswahl bis zum Ablauf der Mediationssimulation konnten wir vieles selbst gestalten, interpretieren und leiten. Das habe ich sehr geschätzt.“