Politische Lebenswelten in Baden-Württemberg
Ein Forscherteam des Lehrstuhls um Daniel Buhr und Rolf Frankenberger untersuchte im Auftrag der Baden-Württemberg Stiftung im Rahmen des Demokratie-Monitoring Baden-Württemberg 2013/14 exemplarisch politische Einstellungen und alltagsweltliche Orientierungen in vierzehn ausgewählten Kommunen des Landes. Dabei zeigte sich eine Vielfalt politischer Lebenswelten, die sich im Verständnis von Demokratie und Politik sowie Art und Umfang von Beteiligung unterscheiden. Die Ergebnisse der Studie wurden am 06.05.2015 im Landtag vorgestellt. Die Pressemeldung der Baden-Württemberg Stiftung findet sich hier.
In der Tübinger Teilstudie des Demokratie-Monitoring Baden-Württemberg wurden insgesamt 275 Personen nach lebensweltlichen Bezügen und Mustern politischer Interessen, Orientierungs- und Handlungsmuster gefragt. Zudem wurde untersucht, welche Auswirkungen diese auf Demokratie, Demokratiebewertung und die politische Beteiligung haben. Die Interviews dauerten zwischen 12 Minuten und zwei Stunden. Bei der Auswahl der Gesprächspartner wurden sowohl regional-siedlungsräumliche als auch sozio-demographische Kriterien berücksichtigt, um eine größtmögliche Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse zu erreichen.
Die Studie bestätigt die These einer Pluralisierung politischer Lebenswelten. Es finden sich insgesamt sieben Lebenswelten, die sich in drei unterschiedliche Gruppen zusammenfassen lassen:
- Unpolitische und Distanzierte bilden die politikfernen Lebenswelten.
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· Gemeinwohlorientierte, Elektorale und Macher sind drei zentrale delegative Lebenswelten.
- Mitgestalter und Mitbestimmer konstituieren die partizipatorischen Lebenswelten.
Abbildung: Politische Lebenswelten - eine Typologie
© Frankenberger, Buhr und Schmid
Wie die Abbildung zeigt, unterscheiden sich diese Lebenswelten nicht nur im Verständnis von Demokratie und Politik, sondern auch hinsichtlich der Partizipationsniveaus und -formen. Außerdem sind sie unterschiedlich häufig zu finden, wie die Größe der jeweiligen Ellipsen zeigt. Die Muster verweisen auf den dominanten Partizipationsmodus im Falle von Partizipation. Diagonale Muster verweisen auf soziale Partizipation, Karos repräsentieren politische Partizipation und Punkte kombinierte soziale und politische Partizipation. Partizipation kann dann in unterschiedlicher Kombination hinsichtlich der Formen und Themen auftreten.
Da diese Lebenswelten sich nicht eindeutig über sozio-demographische oder sozio-ökonomische Variablen (z.B. Schicht) oder alltagsästhetische Segmentierungen (Milieus) fassen lassen, bietet die vorliegende Typologie ein erhebliches Potential für gezielte Politikberatung und die Gestaltung partizipativer Verfahren. Denn mit den identifizierten Idealtypen werden wichtige Vorstellungswelten und Handlungsmuster aus der Mitte der Gesellschaft kartiert.