Wer definiert die Grenzen?
Beim Gedanken an planetare Grenzen, denen wir uns unaufhörlich nähern – sechs gelten bereits als überschritten –, drängen sich Fragen auf wie: Welche Anstrengungen muss die Menschheit aufbringen, um die Ziele einzuhalten? Wie geht es weiter, wenn sie gerissen werden? Doch aus Sicht der Studienleiter geht die Ethik einen Schritt weiter: Wie und von wem lassen sich solche Grenzen überhaupt sinnvoll definieren? Gelten sie global oder braucht es regionale Ausdifferenzierungen? Wer trägt am Ende Verantwortung für politisches Handeln?
Das Konzept wirke wie ein wissenschaftliches Modell, erklärt Meisch. „Es geht jedoch von normativen Annahmen aus, die es nicht transparent macht.“ So wird schon länger problematisiert, dass die planetaren Grenzen von einer kleinen Forschergruppe aus westlichen Industrieländern definiert wurden. Drücken Europa und die USA dem Rest der Welt ihre Vorstellungen aufs Auge?
Die Bedrohung beim Überschreiten der Belastbarkeitsgrenzen könne unterschiedlich wahrgenommen werden, so Schmidt. Planetary Boundaries bleibt hier naturgemäß allgemein und berücksichtigt keine Einzelinteressen. So gehe es beispielsweise beim Verlust biologischer Vielfalt oder dem Wandel der Landnutzung immer auch um konkrete Räume, die Menschen bewohnen und kultivieren, wie Simon Meisch erklärt.
Oft werde die Landwirtschaft als Problemquelle gesehen. Gleichzeitig sei sie Lebensgrundlage für große Teile der Menschheit. „Familien, die ihr Land über Generationen bewirtschaften, können diesem durchaus innig verbunden sein.“ Genauso könnten politische Maßnahmen, die das Überschreiten einer planetaren Grenze verhindern wollen, in problematischer Weise in die Lebensweisen indigener Völker eingreifen. „Gerade für den Schutz der Biodiversität sind indigene Völker von großer Bedeutung, weil sich viele Biodiversität-Hotspots auf ihren Territorien finden. Westliche, stark durch die Naturwissenschaften geprägte Konzepte von Biodiversität können im Spannungsverhältnis zu Vorstellungen stehen, wie indigene Völker ihre Beziehungen zu nichtmenschlichen Lebewesen verstehen und leben.“