Im voll besetzten Hörsaal 24 des Kupferbaus fand am 28.04.2016 der erste Kriminologisch-Kriminalpolitische Arbeitskreis in diesem Sommersemester statt.
Gegenstand des von Herrn Professor Dr. Jörg Kinzig moderierten Abends war die Reform des Sexualstrafrechts nach den Ereignissen von Köln.
Herr Professor Dr. Jörg Eisele, Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches und Europäisches Straf- und Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Computerstrafrecht, stellte dar, welche Strafbarkeitslücken sich im Sexualstrafrecht auftun, wenn das Opfer zwar seinen entgegenstehenden Willen ausdrückt, der Täter aber keinen Zwang ausübt, um sein Vorhaben umzusetzen. Das ist z. B. der Fall, wenn das Opfer den sexuellen Handlungen nur verbal widerspricht, von ihnen überrascht wird oder diese, vor Angst gelähmt, über sich ergehen lassen muss. Derartig gelagerte Konstellationen können bisher nicht als sexuelle Nötigung oder als Vergewaltigung gemäß § 177 StGB erfasst werden.
Anknüpfend daran bezog Eisele zu der kontrovers geführten Diskussion Stellung, ob sämtliche unerwünschte sexuelle Handlungen zu pönalisieren sind. Dabei beleuchtete er die aktuellen Reformbestrebungen des Gesetzgebers zur Umsetzung der Istanbul-Konvention des Europarats und stellte den aktuellen Regierungsentwurf eines §179 StGB-E vor. Die Zuhörer erhielten hierdurch auch interessante Einblicke in die Tätigkeit von Eisele als Mitglied der vom BMJV eingesetzten Kommission zur Reform des Sexualstrafrechts.
Kritisch beleuchtete Eisele ein in Kalifornien verabschiedetes Gesetz, das den sogenannten „Ja heißt Ja“- Ansatz im Sexualstrafrecht verankert hat. Nach diesem Gesetz müssen Studierende vor jedem sexuellen Kontakt die gegenseitige und ausdrückliche Zustimmung einholen. Auch stellte Eisele dar, weswegen er von dem von ihm anfangs favorisierten „Nein heißt nein“- Ansatz im Lauf der Reformdiskussion abgerückt ist. Laut Eisele könne dieser bei bestimmten Fallkonstellationen zu lebensfremden Ergebnissen führen. Resümierend stellte er fest, dass eine moderne Interpretation des Merkmals der Erheblichkeit sexueller Handlungen nach § 184g StGB zur Erfassung derartiger Delikte als Sexualstraftat ausreichend sei.
Anschließend referierte der seit März 2010 in Hechingen tätige Staatsanwalt Martin Engel. Anhand fünf beispielhafter Fälle aus der Praxis zeigte er auf, wie diese nach derzeitiger Rechtslage und nach einer möglichen Reform strafbar wären. Besondere Schwierigkeiten ergäben sich auch laut Engel bei der rechtlichen Frage, wann eine erhebliche sexuelle Handlung und demnach eine Sexualstraftat vorliege.
Den Vorträgen schloss sich eine rege Diskussion mit dem Publikum an.