Am 27.6.2022 schilderte Dorothee Dienstbühl, Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, im Rahmen des Kriminologisch-Kriminalpolitischen Arbeitskreises (KrimAK) ihre Erfahrungen, Ansichten und Forschungsergebnisse zum Phänomen der sogenannten Clankriminalität. Im Mittelpunkt ihrer Ausführungen standen dabei sicherheitsrechtliche Aspekte – wie etwa die Gewalt im öffentlichen Raum oder die Bedrohung von öffentlichen Bediensteten. Nahe am Puls der Zeit bewegte sich die Referentin insofern, als sie auch Vorkommnisse aufgriff, die sich erst am Tag zuvor in Essen abgespielt hatten.
Zunächst warf Dienstbühl die Frage auf, was überhaupt unter Clankriminalität zu verstehen sei. Dabei hob sie die Schwierigkeit hervor, eine präzise Definition vorzunehmen und verwies zugleich auf verschiedene Versuche, die jeweils unterschiedliche Aspekte wie die familiäre und ethnische Herkunft, den überhöhten familiären Ehrbegriff und das Mobilisierungspotenzial in den Vordergrund stellen würden.
Das Phänomen der Clankriminalität bringe das Gemeinwesen, so die Vortragende, an seine Grenzen. Dies erläuterte Dienstbühl anschaulich am Beispiel von Essen-Altendorf – nach ihrer Einschätzung neben Berlin ein Clan-Hotspot in Deutschland. Neben Statistiken zur (auch empfundenen) Sicherheitslage vor Ort konnte die Referentin eindrucksvoll von persönlichen Erfahrungen aus diesem Stadtteil berichten; so begleitet sie regelmäßig örtliche Polizeikräfte bei deren Arbeit. Gefährliche Situationen habe sie dabei noch nicht erlebt. Allerdings schilderte sie Begegnungen, anhand derer ihr klar geworden sei, dass in dieser Gegend die Verhältnisse umgekehrt seien, die Polizei also gewissermaßen unter der Beobachtung der Community stehe.
Auch Gewalt sei ein weit verbreitetes Phänomen im Zusammenhang mit Clankriminalität. Allerdings, so Dienstbühl, handle es sich dabei in aller Regel um ein internes Problem. Außenstehende hätten weniger nennenswerte Gefahren zu befürchten. Gesamtgesellschaftlich sei jedoch problematisch, dass die internen Konflikte auch intern geregelt, nämlich durch sog. Friedensrichter beigelegt würden – was der Etablierung einer Paralleljustiz gleichkomme. Der staatlichen Justiz begegneten die betreffenden Personen derweil mit Misstrauen; in Strafverfahren hüllten sich die Opfer zumeist in Schweigen.
Zum Schluss ging die Referentin auf den „Aktionsplan Clan“ ein, mit dem in Essen langfristig das Problem der Clankriminalität angegangen werden soll. Der Schwerpunkt der Bemühungen liege dabei auf der Vernetzung der behördlichen Akteure; denn nur über ein koordiniertes kooperatives Zusammenwirken sei es möglich, das Problem in den Griff zu bekommen. Dienstbühl selbst sei in das Projekt – als wissenschaftliche Beraterin – involviert.
Nach dem Vortrag gab es für die mehr als 100 Zuhörerinnen und Zuhörer die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Diese Chance wurde auch weidlich genutzt und führte zu weiteren anregenden Einblicken in das hochaktuelle Thema.