Institute of Media Studies

06.06.2011

Die Jagd nach dem Skandal

Der Skandalforscher Prof. Hans Mathias Kepplinger über die Mechanismen der Skandalisierung

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Affären und Affärchen zum Thema werden, Politiker unter Rechtfertigungsdruck geraten, Krisen und Skandale die öffentliche Agenda bestimmen. Die Produktion ständig neuer Aufreger hat nicht zuletzt ökonomische Gründe: Skandale sorgen für Aufmerksamkeit und damit für Auflage und Einschaltquote. Zudem verleihen sie dem, der sie aufdeckt, Macht. Medien, die einen Missstand anprangern, können gelegentlich den Gang der Dinge ändern – oder zumindest einen Minister oder Topmanager zu Fall bringen. Das macht den Reiz des Skandals für viele Journalisten aus. Sie suchen, so Hans Mathias Kepplinger, das Ärgernis und geraten dabei in Gefahr, ihre Beobachterrolle aufzugeben, Partei zu werden, sich von der selbst ausgelösten Welle der Empörung mittragen zu lassen. Die Folge: Das Bemühen um Objektivität und Differenzierung tritt hinter die Aufregung über einen echten oder vermeintlichen Missstand zurück. Journalisten überschreiten in ihrer Empörung der Gerechten oft selbst Grenzen. Und die Jagd nach Skandalen ist nicht selten selbst skandalös.

In seinem Vortrag auf Einladung der Tübinger Medienwissenschaft analysiert Hans Mathias Kepplinger – Professor für Empirische Kommunikationsforschung in Mainz und einer der profiliertesten Skandalforscher der Republik – welche Wahrnehmungsgesetze die Skandalisierung prägen und welche Mechanismen der Dramatisierung in den Medien längst alltäglich geworden sind. Kepplinger: „Skandale sind Kunstwerke mit klaren Botschaften und starken emotionalen Appellen. Die Skandalisierung von Missständen ist eine Kunst, und die Skandalisierer sind viel eher Künstler als Analytiker – Geschichtenerzähler, die einem disparaten Geschehen subjektiven Sinn verleihen und dadurch für die Allgemeinheit nachvollziehbar machen.“

Der Vortrag ist öffentlich und findet im Rahmen der medienwissenschaftlichen Ringvorlesung „Der Skandal und die Medien“ statt. Interessierte sind herzlich willkommen.

Termin: Donnerstag, 9. Juni 2011, 18.15 bis 19.45 Uhr

Ort: Kupferbau, HS 22, Hölderlinstraße 5, 72074 Tübingen

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