Hungerkatastrophen setzen von außen her die Ordnungen des Zusammenlebens einem solchen Druck aus, dass die Verbindung von Bedrohungskommunikation und Bewältigungshandeln geradezu zwingend wird. Das Projekt „Hungerkatastrophen…“ zeigt nun, dass überall dort, wo Religion ins Spiel kommt, durch Katastrophen gleich zwei Ordnungen bedroht sind: das menschliche (Zusammen‑)Leben und seine Sicherungssysteme, aber auch das theologische Deutungsschema einer vermeintlich guten, weil gottgewollten Ordnung der Welt und die dem entsprechende religiöse Praxis von Kult und Caritas.
Hungerkatastrophen als Bedrohung religiöser und sozialer Ordnungen. Bedrohungskommunikation und Bewältigungshandeln in christlichen Gesellschaften (1570 – 1980)
Laufzeit: 2011-2015
Sollen wir unsere ganze Zeit darauf verwenden, interne Probleme der Kirche zu diskutieren, während zwei Drittel der Menschheit Hungers sterben?
Dom Helder Camara
Dom Helder Camara, damals noch nicht der international renommierteste Befreiungstheologe unter den Bischöfen Lateinamerikas, sondern ein kaum bekannter Weihbischof in Rio de Janeiro, rückte auf dem II. Vatikanischen Konzil die dramatischen Probleme der Entwicklungsländer ins Bewusstsein der Kirche. Camara begriff den Hunger als zentrale Bedrohung der politischen und sozialen Ordnung, weil „heute zwei Drittel der Menschheit unter ‚Ordnung‘ eine Situation verstehen, die so ungerecht und unmenschlich ist, dass sie höchstens den Namen ‚systematisierte Unordnung‘ verdient.“
Der Hunger und seine skandalisierend-drängende Anklage in den 1960er Jahren zeigen, worum es dem Projektbereich B „Katastrophen“ insgesamt zu tun ist: Hungerkatastrophen (und andere…) setzen von außen her die Ordnungen des Zusammenlebens einem solchen Druck aus, dass die Verbindung von Bedrohungskommunikation und Bewältigungshandeln geradezu zwingend wird. Das Projekt B 02 „Hungerkatastrophen…“ zeigt nun, dass überall dort, wo Religion ins Spiel kommt, durch Katastrophen gleich zwei Ordnungen bedroht sind: das menschliche (Zusammen‑)Leben und seine Sicherungssysteme, aber auch das theologische Deutungsschema einer vermeintlich guten, weil gottgewollten Ordnung der Welt und die dem entsprechende religiöse Praxis von Kult und Caritas. Der Untersuchungsgegenstand selbst – Hungerkatastrophen in christlichen Gesellschaften –, die Anlage des SFB wie die Gesamtfragestellung des Projektbereichs „Katastrophen“ fordern also, diese zwei Ebenen zu verschränken.
Damit zielt das Projekt auf eine genaue Adaption der vier Untersuchungsdimensionen, die den SFB insgesamt prägen und gleichzeitig die Langfristperspektiven und den Zusammenhalt der Untersuchungen konstituieren:
Wir stellen also Fragen zum Wandel der Sachdimension. Was bedingte Hunger in den Klimaschüben der „Kleinen Eiszeit“, eklatanten Mangel in Industriegesellschaften, Globalisierung von Katastrophenverantwortung – und was bewirkte dies ökonomisch, ökologisch, sozial und kulturell? Was wurde wie erfahren und vermittelt? Was begegnete den Menschen am eigenen Leib, in den Wohnslums des anderen Stadtteils oder in aufrüttelnden Zeitungs- und Fernsehbildern und auf Misereor-Plakaten?
Wir stellen Fragen zum Wandel der Zeitdimension: War die Hungerkatastrophe als conditio humana unaufhebbar, war sie sie Vorbote des Weltendes, war sie drängende Zukunftsaufgabe? Wie wurden Weltordnung oder Natur, Mensch und Gesellschaft, Gott und transzendente Mächte in solchen Zeitszenarien als Akteure einander zugeordnet?
Wir wollen daher die Sozialdimension so definieren, dass Bedrohungskommunikation nicht nur innnerhalb der Gesellschaft stattfand und ‑findet. Vielmehr bezog sie durch religiöse Praxis und theologische Reflexion auch Gott selbst und transzendente Instanzen mit ein. Wer waren die guten Christen, wer die Anhänger des Teufels oder des entgrenzten Kapitalismus? Wer musste wie beeinflusst werden, damit die Katastrophe ein Ende fand und sich nicht wiederholte? Wer ging auf Distanz zu den Hungernden, wer suchte darin Gottesbegegnung? Und wer trieb welche In- und Exklusionsstrategien und Bewältigungsanstrengungen voran?
Die emotionale Dimension speist sich aus dem Ineinander von Sach-, Zeit- und Sozialdimension. Wir suchen nach Anzeichen und Wirkungen hilfloser Ausgesetztheit, der Angst vor noch Schlimmerem, der sozialen Organisation und religiösen Praxeologie von Wut und Verzweiflung. Wir wollen die Solidarisierungen untersuchen, die im Mitleid ebenso wurzelten wie im Überlegenheitsgefühl. Wir fragen nach der gegen die Verursacher gerichteten Aggression und nach den Versuchen, sie zu zivilisieren und produktiv zu kanalisieren.
Zwei Ebenen, drei Zeitschnitte, vier Dimensionen – diese kompakte Versuchsanordnung zu bearbeiten erfordert ein differenziertes Quellen- und Methodensample, das im Antrag des SFB näher beschrieben wurde.
Die Rolle des Projekts B02 im Projektbereich Katastrophen
Mit diesem Konzept fügt sich das Projekt B 02 „Hungerkatastrophen“ in den Projektbereich „Katastrophen“ genau ein. Durch inhaltliche Vergleichsmomente werden stets auch methodische Interaktionen induziert. Denn:
Wir können hier verschiedene Katastrophen vergleichen: Hunger, Erdbeben, Sand- und Staubstürme, Lawinen, Seuchen wie Aids. Das zielt methodisch auf Systemvergleich: Den dadurch ausgelösten sozialen Wandel können wir nicht nur für westliche Gesellschaften wie Deutschland, Österreich oder Australien, sondern auch für kommunistische wie die Sowjetunion/Russland oder China beschreiben.
Wir können von den überwiegenden Projekten zum 20. Jahrhundert zurückfragen: ins 19., in die Frühe Neuzeit, in die Antike und die Grenzphase zwischen Spätantike und Frühmittelalter. Dadurch können wir auch analysieren, wie Katastrophen Definitions-, Entscheidungs- und Verfügungsmacht ins Wanken bringen, aber auch neu begründen.
Wir können synchron vergleichend forschen zu Katastrophenerfahrung und Bedrohungskommunikation in christlichen, nicht- oder postchristlichen wie dezidiert areligiösen Gesellschaften Europas, Asiens und Australiens im 20. Jahrhundert, diachron zu vorchristlichen Kulturen und ihren religionskulturellen Verarbeitungs- und Bewältigungslogiken. Das dient gleichzeitig methodisch dazu, die Rolle von Expertenkulturen zu evaluieren und das In- oder Gegeneinander von religiösen, politisch-administrativen und technokratischen Eliten in den Blick zu nehmen.
Wir haben es schließlich – in Wechselwirkung mit den Eliten – mit der Dynamik von Massenverhalten zu tun. Verteilungskämpfe können sozialen Zusammenhalt auflösen und soziale Grenzen verschärfen – oder umgekehrt Selbstbezichtigung und Solidarisierung bewirken, ja neue soziale Bewegungen initiieren. Methodisch sind diese Fragen für unsere Arbeit herausfordernd, weil sie in ihrer Prozessualität wie Medialität genau das interdisziplinäre Tableau verlangen, das wir in diesen Projektbereich integriert haben: Geschichtswissenschaft, Theologie, Literaturwissenschaft, Empirische Kulturwissenschaft und Medizin(ethik).
Untersuchung 1: Frühe Neuzeit Hungerbedrohung, Sündenstrafe und Magie im „Zeitalter des zornig-gerechten Gottes“ (1570–1715)
Pieter Bruegel d.Ä.: Caritas. Zeichnung zur „Tugendfolge“ (1559)
Hungerkatastrophen der Frühen Neuzeit bedrohten und töteten ganz unmittelbar. Man konnte wenig dagegen tun. Darum dominierten die theologische Deutung und das religiöse Handeln: Ein gerechter Gott, die Sünden der Menschen strafend, musste durch glaubhafte Verchristlichung versöhnt werden. Oder aber: Er ließ den Teufel von der Kette, und der Schadenzauber der Hexen verheerte das Land. Katastrophenbedrohung von außen bedeutete hier: aus der Transzendenz – oder aus der Magie!
Untersuchung 2: Industrialisierung und Moderne Hungerbedrohung und Sozialstrategie zwischen katholischer Sozialmoral und kapitalistischer Moderne (1870–1929)
Weltwirtschaftskrise 1929: Mobile Suppenküche
Die zweite Untersuchung bearbeitet die Hochindustrialisierung zwischen Gründerkrach und Weltwirtschaftskrise (1870–1929). In den Deutungskategorien der Zeitgenossen verursachte nicht mehr ein zornig-strafender Gott, sondern die liberal-kapitalistische Moderne den Hunger und die katastrophalen Lebensbedingungen der working poor. Darum schlug die Stunde nicht der Bußprozession, sondern des Sozialkatholizismus: Arbeitervereine, christliche Gewerkschaften, wenn es ganz schlimm kam Suppenküchen. Aber auf der Ebene des religiösen Verständnisses, der Motivation und Begründung, blieb das Gottesdienst, Begegnung mit dem Christus der Passion und des Gerichts, während die Sozialtechnologie der liberalen Armenfürsorge als – wörtlich – „im Herzen erkaltet“ verurteilt wurde.
Untersuchung 3: Globalisierung Hungerbedrohung, Wohlstandsverteidigung und Verantwortung im Zeitalter eines Gottes der globalen Gerechtigkeit (1960–1980)
Plakat des kirchlichern Hilfswerks Misereor (D&AD-Award 2007)
Die dritte Untersuchung betrachtet die Nachkriegsphase des Wirtschaftswunders und der neuen Sattheit in der Bundesrepublik: Die Hungerkatastrophen fanden (und finden) anderswo statt, aber sie drängten sich medial nach vorn (1960–1980). Zu bewältigen war erst die Angst vor der Ausbreitung des Kommunismus unter den verhungernden Ärmsten; und das glaubte man nach 1960 mit einer die Industrialisierung des Westens rasch nachholenden Entwicklungspolitik lösen zu können. Als in den 70ern das Scheitern dieser Strategie evident wurde, grassierte alarmierte Furcht vor dem Übergreifen des Hungers auf die Weltökologie und die Oasen des Wohlstands. Auch das hatte eine religiöse Seite: Gott war in der Befreiungstheologie zum Verteidiger globaler Gerechtigkeit angesichts des Hungers geworden (vgl. Dom Helder Camara u.a.). Und mit dem Club of Rome-Bericht über die Grenzen des Wachstums wurde die Apokalyptik zu einem Thema der theologischen Avantgarde (Johann Baptist Metz). Jugendliche inszenierten einen Generationenkonflikt in den konfessionellen Milieus: Sie griffen die Ordnungen der Adenauer-Ära und der CDU-nahen Kirchen im Kern an.
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