AJR-Symposium 2008: Japanische Religionen im Internet
-- Abstracts --
Jan C. Becker: "Die Möglichkeiten des Web 2.0"
Einleitend wurde eine Definition des Begriffs „Web 2.0“ vorgeschlagen sowie eine Abgrenzung zum Web 1.0 – auch in technologischer Hinsicht – vorgenommen. Den Hauptaspekt bildete dabei, dass sich das Web 2.0 in erster Linie durch ein verändertes Nutzerverhalten auszeichnet, ermöglicht durch Technologien, die in ihrer Gesamtheit zwar „altbekannt“ sind, jedoch erst durch jüngste technologische Fortschritte im Bereich der Hardware flächendeckend eingesetzt werden. Dem Begriff „Social Software“ kommt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle zu, weil auf dieser Art Software jene Web‐Anwendungen basieren, durch die sich eine Vielzahl von Individuen untereinander digital vernetzen und so gemeinsam die Inhalte des Web 2.0 erstellen – : Das ist der wesentliche Aspekt des Web 2.0. Ein kurzer Überblick sollte über die wichtigsten Veränderungen des World Wide Web in den letzten sieben Jahren für die Länder Japan, Deutschland und die USA informieren, d.h. wie sich die Nutzerzahlen verändert haben, welche Web‐Dienste und Anwendungen die Nutzer aktuell in Anspruch nehmen. Danach wurde auf die Frage eingegangen, inwiefern sich das Web 2.0 als wissenschaftliche Informationsquelle eignet. Abschließend wurde der Einsatz von Web‐2.0‐Technologien in den Wissenschaften anhand von Wiki‐Software für das Projektmanagement des Tübinger VBJR‐Projekts demonstriert.
Hakim Aceval: "En-no-Gyôja@Google"
„Cyber-yamabushi: En no Gyôja im japanischsprachigen Internet (WWW)“ ist der Titel von H. Acevals Magisterarbeit. Sie untersucht traditionelle religiöse Konzepte in Internet am Beispiel des altjapanischen Religionsstifters En no Ozunu, alias En no Gyôja. In diesem Referat werden die wichtigsten Fragen und Ergebnisse vorgestellt. Die Arbeit wurde im Rahmen des Projektes ‚Internet-Schamanismus’ am Tübinger Seminar für Japanologie erstellt. Kernfrage war die Rezeption von En no Gyôja-Legenden im japanischsprachigen Internet.
Die Legende von En no Gyôja wurde seit seiner ersten, noch historischen, Erwähnung im Shoku Nihongi von 797 und einer bereits hagiographisch gefärbten Erwähnung im Nihon Ryôiki über die Jahrhunderte um verschiedene legendäre Elemente erweitert. H. Aceval hat die Legende in acht ursprüngliche und 17 spätere Elemente zerlegt und die Darstellungen von En no Gyôja in 15 durch Google.co.jp gefundenen sowie weiteren fünf relevanten (Shugendô-Tempel) japanischen Websites auf die Erwähnung oder nicht-Erwähnung dieser Elemente sowie ihrer korrekten Zuordung zu einer historischen Quelle untersucht.
Die zehn häufigsten Kategorien, nach denen sich die ersten 800 Treffern, die Google.co.jp zu En no Gyôja ausgab, sortieren ließen, waren: Site einer Stadt/Dorf (69), Blogs (69), interessierte religöse Laien (63), Tourismus (62), matsuri (52), Bergwandern/Hiking (43), Verlage/Versand/Bibliotheken (40), sonstige Berge (36), Buchhandlungen (36) und Buddhismus (30). Die genauere Analyse der 15+5 prominentesten Websites zeigte, daß die Legende nur in drei privaten Websites vollständig und unter Nennung korrekter Quellen wiedergegeben worden war. Gerade die Sites der Shugendô-Tempel, auf denen man eine korrekte, text-kritische Wiedergabe erwartet hätte, nannten diese nicht oder nur unvollständig und ohne Angabe von Quellen.
Es läßt sich also erkennen, daß En no Gyôja auch im Internet zwar als Gründer des Shugendô anerkannt wird, die historische Figur eines asketischen Einsiedlers aber wechselweise als eine Werbefigur, ein heilender Held oder Legitimationsfigur — für Tempel oder Wanderwege — dargestellt wird. Die Rezeption der Legende geschieht meist unkritisch und mit starken Bezügen zu den jeweiligen Kontexten der realen Welt.
Jan C. Becker: "VBJR: Die Linksammlung des Tübinger Cyber‐Religion‐Projekts in der Virtuellen Fachbibliothek CrossAsia - Ein Arbeitsbericht"
Den Grundstock der Virtuellen Bibliothek Japanische Religionen (VBJR) bildet die Linksammlung des ehemaligen DFG‐Projekts „Selbstdarstellung und Selbstverständnis von Religionsgemeinschaften im japanischsprachigen Internet – das WWW als Quelle japanologischen Arbeitens“ (Cyber‐Religion‐Projekt). In der aktuellen Phase des VBJR‐Projekts gilt es nun, diese Linksammlung zu überarbeiten und in eine Datenbank zu überführen, die von der Staatsbibliothek zu Berlin bereitgestellt wird und den Titel „Online Guide East Asia“ (kurz: OGEA) trägt. OGEA ist eine ständig wachsende Sammlung kommentierter und inhaltlich erschlossener Internetquellen und ist ihrerseits ein Modul von CrossAsia, einer virtuellen Fachbibliothek für die Ost‐und Südostasienwissenschaften. Die Überführung der Daten nach CrossAsia bietet mehrere Vorteile: u.a. eine höhere Nutzerzahl für diese Daten und damit auch generell einen höheren Nutzen für die Wissenschaft, eine wesentlich vereinfachte Verwaltung dieses Informationspools durch die moderne Datenbanktechnologie sowie die Möglichkeit, die Webseiten selbst zu archivieren und dauerhaft verfügbar zu machen. Zusätzlich zur systematischen Überarbeitung der Datensätze werden auch gezielt E‐Texte archiviert, die auf diversen Webseiten bereitgestellt werden. Der besondere Wert einer solchen Archivierung liegt darin, dass diese E‐Texte Inhalte zugänglich machen, die sonst unbeachtet bleiben. Das können z.B. von buddhistischen Tempeln in Eigenregie digitalisierte und ins Internet gestellte Handschriften sein, die anderweitig nirgends verfügbar sind – außer man begibt sich direkt vor Ort.
Abschließend wurde noch eine kurze Einführung in die Benutzung des Online Guide East Asia gegeben.
Birgit Staemmler: "Mosaiksteinchen: Bilder von Schamanismus in drei Wikipedia-Ausgaben"
Dieses Referat präsentiert die ersten Ergebnisse einer vergleichenden Analyse der ‚Schamanismus’-Einträge in der japanischen, englischen und deutschsprachigen Wikipedia. Im ersten Teil — einer quantitativen Analyse umfangreicher Wikipedia-Statistiken — zeigten sich erhebliche Unterschiede in der Größe sowie in der Zahl der Überarbeitungen zwischen den Versionen. Der japanische Artikel zu ‚Schamanimus’ ist nicht nur kleiner — Problem der Messung japanischer vs. lateinischer Schrift! —, sondern auch ergeblich weniger berarbeitet als der deutsche oder gar englische, scheint aber dem finnischen, norwegischen, russischen und schwedischen in Länge und z.T. Inhalt relativ ähnlich zu sein, Ländern in denen es ebenfalls eine schamanische Tradition gegeben haben soll.
Der zweite Teil des Referats enthält die wichtigere qualitative Analyse der Artikel, die mit Hilfe eines detaillierten Kodierungsformulars vorbereitet wurde. Die inhaltlichen Schwerpunkte der drei Sprachausgaben liegen an drei völlig verschiedenen Stellen, zusammengefaßt zu einem einzigen Artikel würden sie sich kaum überlappen. Literarische oder andere fiktive Quellen spielen bei allen keine Rolle. Während der japanische Artikel kurz einige Ergebnisse traditionell-etablierter Schamanismusforschung präsentiert und die Schwerpunkte des deutschen auf der Forschungsgeschichte und auf Neo-Schamanismus liegen, bietet der englische Artikel ein von modernem westlichem Schamanismus beeinflußtes Sammelsurium an Detailinformationen. In den Artikeln lassen sich — ohne Frage eine Momentaufnahme, die von den Interessen einzelner Autoren nicht unbeeinflußt ist — völlig unterschiedliche Bilder von ‚Schamanismus’ erkennen: das japanische als eher abstrakt-klassifizierend, das deutsche als sibirische Tradition mit einflußreicher Forschungsgeschichte und das englische als weltumspannendes religiöses Phänomen.
Jörg Quenzer: "Buddhistische Schulen in der Wikipedia"
Anhand einer ersten Analyse mehrerer Eintragungen in der japanischen Wikipedia zu buddhistischen Schultraditionen in Japan wurde der Versuch unternommen, Merkmale der Darstellung und der Genese der jeweiligen Internettexte herauszuarbeiten. Als Vergleichsdarstellung diente das einbändige Iwanami Bukkyô jiten (2. Auflage) von 2002.
Die Lemmata der Schultraditionen lagen methodisch nahe, weil dort verschiedene Informationen mit tendenziell neutralisierender Tendenz zusammen kommen:
- Hinweise zu Gründerpersönlichkeiten und anderen religiösen Figuren,
- die historische Situierung von Entstehung und Entwicklung der Tradition,
- doktrinäre Fragen,
- Fragen der Organisation und Struktur von Religion (Institutionengeschichte),
- und schließlich Fragen aktueller gesellschaftlicher oder ideologischer Relevanz.
In allen Artikeln war anhand der Verfasser(innen)profile folgende Tendenz der Genese nachvollziehbar:
Entstehungszeit der Artikel fast ausnahmslos das Jahr 2003. Zunächst handelt es sich um Verfasser, die systematisch zu einzelnen Themengebieten, insbesondere der japanischen Geschichte, arbeiten, keine Spezialisten oder erkennbare Mitglieder von religiösen Schulen selbst. Ab 2004ff. werden die Artikel mit sehr speziellen Informationen ergänzt, die u.a. zum organisatorischen Schulkontext gehören. In den letzten 6 Monaten (2007/08) ein weiterer erkennbarer Schub an Aktivitäten. Es bleibt zudem identifizierbar der Kreis an thematisch interessierten Wiki-Mitarbeitern, welche die Artikel regelmäßig durchgehen und vereinheitlichen.
Die Analyse der Lemmata Tendaishû, Sôtôshû, Rinzaishû, Nichirenshû und Jôdoshinshû hinsichtlich der Widerspiegelung ideologischer oder anderer Streitfragen (schulintern und innerhalb des japanischen Buddhismus) blieb enttäuschend. Es ließen sich kaum change back oder undo revision feststellen, doktrinäre Auseinandersetzungen auf der Metaebene waren kaum zu beobachten. Daher wurde die Liste um drei Lemmata erweitert:
Der Eintrag zu Myôe galt der Darstellung einer populären Identifikationsgestalt mit nihonjinron-Potential (vgl. bereits die Nobelpreisrede von Kawabata Yasunari), der Eintrag zu einem speziellen Tempel (Daiyûzan) der Frage, inwieweit spezielle, tendenziell charismatische Traditionen die Wikipedia nützen oder nicht, und der Eintrag zu hongaku („ursprüngliche Erleuchtung“) einem in der buddhologischen Diskussion der letzten 15–20 Jahre heftig umstrittenen Schlüsselbegriff zur Analyse des mittelalterlichen Buddhismus sowie der Kritik am ostasiatischen Mahâyâna-Buddhismus.
Die erweiterte Untersuchung erlaubte folgende erste Thesen:
- Die japanische Wikipedia scheint, für Themen des japanischen Buddhismus, kein Ort, ideologische oder doktrinäre Differenzen auszutragen (auf der Meta-Ebene der Revisionen oder Kommentare) – aber auch kein Ort, um existierende Differenzen ausführlicher zu thematisieren (auf der inhaltlichen Ebene).
- Umfang und Breite der Artikel sind, im Verhältnis zur Relevanz der einzelnen Lemmata für die japanische Kultur- und Geistesgeschichte, auffallend dürftig.
- Auch die Inhalte – verglichen mit dem Referenzwerk – sind ausgesprochen dürftig. Auffallender Unterschied: Neigung zu Service-Elementen, etwa lange Listen von Tempeln oder Subströmungen mit entsprechenden Verlinkungen auf deren Homepages.
- Es finden sich fast keine Literaturangaben (Ausnahme: „Myôe“-Artikel!); von den bereits angesprochenen Verweisen abgesehen auch nur wenige externe Meta-Verlinkungen.
- Fast nichtexistent: Diskussionen (nôto).
- Im Kontext des Schlüsselbegriffs hongaku fiel weiterhin auf, daß ein eigener Artikel zum Schlagwort hihan Bukkyô 批判仏教 bislang (Anfang Mai 2008) fehlt. Weiterhin fiel auf, daß die kritischen Aspekte, welche die Diskussion in diversen Schulen (vor allem Rinzai, aber auch Jôdo shinshû) in den letzten Jahrzehnten beschäftigt haben, kaum oder gar nicht auftauchen: Kriegsverantwortung, Diskriminierung (sabetsu), Genderfragen.
Bernhard Scheid: "Wikipedia als Mittel zur Verbreitung Japan-bezogenen Wissens: Ein Erfahrungsbericht mit Beispielen zu den Themen ‚Shinto' und ‚Hachiman'"
Ausgangspunkt dieses Erfahrungsberichts war eine Analyse der Online-Enzyklopädie „Wikipedia“, speziell von Artikeln zu „Shinto“ (als Beispiel für ein allgemeines Thema) und zur Gottheit „Hachiman“ (spezielleres Wissensgebiet), in den Sprachversionen Englisch, Deutsch, Japanisch, Französisch und Italienisch. Darüber hinaus wurden eigene Erfahrungen als Mitglied der Wikipedia-Autoren-Community in den Bericht eingebracht.
Zunächst wurde ein gewisser systemimmanenter „Konservativismus“ in der Entwicklung von Wikipedia-Artikeln diagnostiziert, obwohl theoretisch jeder Nutzer die Möglichkeit hat, jeden Artikel zu jeder Zeit von Grund auf neu zu gestalten. Tatsächlich kommt es aber nur relativ selten vor, dass einmal postulierte Inhalte vollkommen aus einem Artikel verschwinden. Aus der eigenen Erfahrung als Wiki-Autor lässt sich dies leicht nachvollziehen, da man damit rechnen muss, Co-Autoren durch die Streichung ihrer Beiträge zu verärgern und entsprechende Manipulationen seines eigenen Beitrags zu provozieren. Ähnliches gilt für inhaltliche Außenseiterpositionen. Größere Veränderungen werden daher oft zunächst auf der sogenannten „Diskussionsseite“ erörtert, bevor sie in die Tat umgesetzt werden.
Trotz dieser gebotenen Vorsicht beim Abfassen eines Wiki-Artikels, lässt sich beobachten, dass gewisse Eigenheiten eines bestimmten Artikels oft über unzählige Bearbeitungsschritte hinweg beibehalten werden. Des weiteren fallen innerhalb der verschiedensprachigen „Shinto“-Artikel starke Unterschiede auf. Einzelheiten wie z.B. Bilder oder Links werden zwar wechselseitig übernommen, inhaltlich dienen anderssprachige Artikel jedoch allenfalls als Anregung, aber kaum als direkte Quelle eines Eintrags. Es scheint also so etwas wie ein regionales Bewusstsein, um nicht zu sagen Konkurrenzdenken, der verschiedensprachigen Autoren-Communities zu existieren, aufgrund dessen eine gewisse Differenz zu anderssprachigen Wikipedia-Seiten durchaus begrüßt wird. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass die Eigenheiten regionalsprachlicher Forschungstraditionen in den einzelnen Beiträgen zu „Shinto“ deutlicher zu erkennen sind, als dies gemeinhin von einer lexikographischen Quelle zu erwarten wäre.
Es gibt somit trotz der Vielzahl der beteiligten Autoren Mechanismen, die die Herausbildung von Idiosynkrasien innerhalb einzelner Artikel fördern. Im allgemeinen sind, insbesondere bei längeren Artikeln, die dargelegten Inhalte zwar nicht unbedingt falsch, unterscheiden sich aber in ihrer Gewichtung von den in den einzelnen Disziplinen etablierten „master narratives“. Tendenziell werden allerneueste Trends aber auch sehr alte Sekundärquellen gegenüber gängigen akademischen Standardwerken bevorzugt. Auf diese Weise sind Wikipedia-Artikel vielleicht nicht als einzige Referenzquelle zu empfehlen, bieten aber durchaus die Chance auf Neuentdeckungen. Diese Chance des Unerwarteten, die die Attraktivität des Internets insgesamt gegenüber etablierteren Medien auszeichnet, scheint – zumindest für die untersuchten Themenbereiche – innerhalb der Wikipedia durchaus gegeben. Dem steht ein Mangel an innerer Struktur und Kohärenz gegenüber, der ebenfalls für das Internet insgesamt kennzeichnend ist.
Abschließend wurde in dem Bericht angeregt, „Wiki“-Technologien auch im Unterricht einzusetzen und dadurch den kritischen Umgang mit dieser Form des Wissenserwerbs zu fördern.
Thomas Eich: "Sprachlich segregierte Online-Präsenz des Islamic Center Toyko"
Ich analysiere den Online-Auftritt des Islamic Center Tokyo, von dessen Startseite auf Englisch man in englische, arabische und japanische Seitenteile gehen kann. Die drei Teile (Japanisch, Arabisch, Englisch) der Seite unterscheiden sich. Dies ist nicht überraschend, da sie natürlich ein jeweils unterschiedliches Publikum anvisieren. In einem ersten Schritt rekonstruiere ich mittels Methoden, die der historischen Quellenkritik entlehnt sind, in welcher zeitlichen Abfolge die drei Teile der Seite entstanden. Die Beantwortung dieser Frage bietet Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage, warum die Seite überhaupt geschaffen wurde. Dieser Analyseschritt zeigt auf, dass das eigentliche Zielpublikum der Seite offenbar arabisch liest und somit nicht in Japan zu suchen ist, sondern im Nahen Osten. Diese formale Analyse wird dann mit einer gezielten Content-Analyse verknüpft. Diese ergibt, dass die Seite Rechenschaftsfunktion erfüllt und Spenden generieren soll. In einem dritten Schritt werden diese Ergebnisse mit zusätzlichen Informationen zu korreliert, die sich aus dem Webdesign herauslesen lassen. Vor diesem Hintergrund argumentiere ich dafür, dass in einer vergleichenden Internetforschung neben form- und inhaltsbasierter Analyse auch die Webgestaltung oder ggf. auch Programmierstruktur wichtige Anhaltspunkte für die Untersuchung liefern kann.
(Zum Volltext des Artikels in den BAJR)
Detlev Schauwecker: "Eine Kontroverse über christliche Wunder in Japan vom 16. bis 18. Jahrhundert"
Die zahlreichen Christenwunder-Mitteilungen der Jesuitenmissionare aus Japan, von Franz Xavers Totenerweckung der Kagoshima-Tochter, 1550, bis zu Heilungen mit Franz-Xaver-Reliquien im frühen 17. Jahrhundert – werden einleitend an zwei Beispielen vorgestellt. Sie waren von Anfang an vom lebhaften Widerspruch begleitet: Die Wunder habe es nicht gegeben, ihre Darstellungen seien überhöht, nur Magie, ein bloßes Fangmittel der Missionare usw. Der Streit hierüber setzte ein
- (1) im Jesuitenorden selber. Hier kommt zur Sprache die offensichtliche Kontroverse zwischen einer renaissancezeitlich aufgeklärten italienischen Gruppe und einer dem Mittelalter stärker verhafteten spanisch-portugiesischen Gruppe des Ordens; die Debatte findet sich in der vertraulichen Korrespondenz des Ordens;
- (2) zwischen Franziskaner- und Jesuitenorden. Die gegenseitige Bezichtigung naïver Wundergläubigkeit (des Franziskaners), bzw. weltmännischen Missionskalküls (des Jesuiten) kommt hier zur Sprache; Informant ist gleichfalls interner Briefwechsel der Ordensbrüder;
- (3) zwischen Reformierten und Katholiken. Die Kritik an überhöhter, daher unglaubwürdiger Darstellung kommt zur Sprache; Quelle sind japankundliche Bücher aus dem reformierten Holland;
- (4) zwischen japanischen Nichtchristen und europäischen Christen. Eine zwischen Buddisten und Christen ausgeführte Kontroverse kommt zur Sprache, wo das antibuddhistische Argument der Christenseite nun gegen sie verkehrt wird (Japanische Traktate des frühen 17. Jhdts.), ferner farcenhafte Christenverhöhnung (Japanische Historienromane des frühen 18. Jhdts. [der barockzeitlichen Buddhistenverspottung im Jesuiten-Japandrama und in jesuitischen China- und Japandarstellungen vergleichbar]), ferner eine volksaufrührerische Magie, die der Christenlehre angelastet wird (ein Chikamatsu-Drama, frühes 18. Jahrhundert).
Abschließend wird noch einmal gefragt, in welcher Weise Japaner die Christenwunder aufnahmen. Die Frage einer Akkommodation des Missionars an japanischen Reliquien (shari)-Kult wird hier gestellt.
(Zum Volltext des Artikels in den BAJR)