Osteuropäische Geschichte und Landeskunde

03.06.2011

„Bedrohte Ordnungen“ – Neuer geisteswissenschaftlicher Sonderforschungsbereich (SFB) 923 der Universität Tübingen bewilligt

Revolutionen in Tunesien und Ägypten, Krieg in Libyen, Erdbeben in Japan und Haiti, Super-Gau in Fukushima, Überschwemmungen in Pakistan, Australien und am Mississippi, Weltfinanz- und Weltwirtschaftskrise – Krisen, Umbrüche und Katastrophen kennzeichnen unsere Zeit. Unser Alltag ist brüchig, unsere Ordnung gefährdet, unsere Zukunft unsicher, scheinen sie zu sagen. Aber: Ist die Gegenwart wirklich so katastrophal, verglichen mit anderen Zeiten? Oder haben wir nur verlernt, mit dem Nicht-Normalen zu leben? Sind wir technisch und ökonomisch anfälliger für Katastrophen? Oder nur sensibler? Wie sind Menschen zu anderen Zeiten und in anderen Weltregionen mit Krisen und Katastrophen umgegangen? Welche ihrer Ordnungen konnten dem Schock einer Katastrophe gut begegnen, welche nicht? Halten sie Erfahrungen bereit, die uns nützlich sein können?

Diesen Themen wird sich der Tübinger <link 23115 _blank internal-link "Öffnet internen Link im aktuellen Fenster">Sonderforschungsbereich (SFB) 923 „Bedrohte Ordnungen“</link> widmen, dessen Einrichtung die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) soeben bekanntgab. 25 Doktorandinnen und Doktoranden sowie sechs PostDocs werden ab dem 1. Juli in Tübingen für zunächst vier Jahre gefördert. Die Fördersumme beträgt jährlich mehr als 2 Millionen Euro. Das organisatorische Zentrum des Sonderforschungsbereichs liegt bei den Historikern, die an neun der sechzehn geförderten Teilprojekte beteiligt sind. Zum Team gehören auch Forscherinnen und Forscher aus der Politikwissenschaft, der Germanistik, Amerikanistik und griechischen Philologie, der Katholischen Theologie, der Empirischen Kulturwissenschaft und der Medizin.

„Nach dem erfolgreich abgeschlossenen SFB ‚Kriegserfahrungen‘ ist es den historisch ausgerichteten Disziplinen der Universität Tübingen erneut gelungen, ein geisteswissenschaftliches Großprojekt erfolgreich einzuwerben“, erklärt SFB-Sprecher Professor Ewald Frie, Neuere Geschichte. Universitätsrektor Professor Bernd Engler zieht eine positive Bilanz hinsichtlich der Einwerbung von DFG-Großprojekten durch die Universität Tübingen: „Nach einem neuen Graduiertenkolleg in der vergangen Woche können wir uns nun auch über einen neuen Sonderforschungsbereich freuen. In dem neuen SFB werden wir uns mit historischen und aktuellen Krisensituationen befassen und können so einen essentiellen Beitrag zu wichtigen gesellschaftlichen Debatten leisten.“

Die Themen des SFB umfassen kurze Zeiträume großer Bedrohung von der vorchristlichen Antike bis zur unmittelbaren Gegenwart. Es geht um Revolutionen, Aufruhr und Katastrophen, um den Zerfall langlebiger Großordnungen sowie um unmittelbar konkurrierende Ordnungen. Den Untersuchungsschwerpunkt bildet Europa. Einige Teilprojekte gehen aber weit darüber hinaus, und bearbeiten afrikanische, nordamerikanische, chinesische und australische Beispiele. Der umfassende räumliche und zeitliche Zugriff und die Aktualität des Themas haben die Aufmerksamkeit internationaler Kooperationspartner geweckt. Gastwissenschaftler von der Pariser Sorbonne, aus Limoges, Paris und Melbourne haben sich für das erste halbe Jahr angesagt. Im März 2012 wird eine mehrtägige internationale Konferenz die Einrichtungsphase des SFB abschließen.

Der Sonderforschungsbereich „Bedrohte Ordnungen“ möchte mit seinen Untersuchungen das alarmistische Reden über Krisen historisieren. Er will zu diesem Zweck nach Regelhaftigkeiten in Zeiten schnellen sozialen Wandels suchen, die Vergleichbarkeit verschiedener Zeiten und Räume in Geschichte und Gegenwart diskutieren und die Reichweite der Ansätze verschiedener Fächer austesten. Vor ihm liegen vier Jahre intensiver Arbeit an einem kulturwissenschaftlichen Thema mit großem Gegenwartsbezug. Eine Zusammenarbeit mit Medien, Schulen und Museen ist daher von vornherein eingeplant.

Kontakt

<link 4386#8594 - internal-link "Öffnet internen Link zur Homepage von Professor Frie">Prof. Dr. Ewald Frie</link>
Universität Tübingen
Philosophische Fakultät
Seminar für Neuere Geschichte
Wilhelmstraße 36
72074 Tübingen
Telefon: +497071 29-74973
Fax: +49 7071 29-5874
ewald.frie [at] uni-tuebingen.de

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