Lehrkonzept
Ziele
Das Lehrkonzept, nachdem in unserer derzeitigen Arbeitsgruppe unterrichtet wird, beinhaltet eine fachdisziplinäre Lehre, die drei Primärziele verfolgt und dabei
- Studierende befähigt, erfolgreich mit KommilitonInnen der besten Universitäten weltweit zu konkurrieren, wenn sie auf Postgraduierten-Niveau vergleichende wissenschaftliche Forschung betreiben.
- AbsolventInnen attraktiv macht für die nationalen und internationalenArbeitsmärkte jenseits der Wissenschaft, in denen AbsolventInnen der Politikwissenschaft arbeiten.
- Künftigen LehrerInnen das notwendige Wissen und Rüstzeug über politische, soziale und wirtschaftliche Systeme, Institutionen und Prozesse vermittelt und ihnen die notwendigen analytischen und didaktischen Instrumente bereitstellt, die sie befähigen, ihr eigenes Wissen in hochwertige Lehre der deutschen Sekundarstufe für künftige Schüler zu übersetzen.
Darüber hinaus beteiligt sich unser Arbeitsbereich einschließlich mir selbst auch jenseits der primären Zuständigkeiten (Comparative Politics, Entwicklungsländerforschung, Entwicklungszusammenarbeit, Nahost/Nordafrika) an unterschiedlichen Lehrangeboten sowohl im BA-Bereich (Einführung in das Studium der Politikwissenschaft; Einführung in die politische Theorie; Einführung in die Vergleichende Politikwissenschaft) als auch im MA-Bereich (bspw.: Entwicklungspolitik; Internationale Demokratieförderung; Theorien und Konzepte politischer Herrschaft: Theorien politischer Systeme; Struktur- und Entwicklungsmerkmale ausgewählter Regionen; Internationale Beziehungen und Regionale Ordnung ausgewählter Regionen; u.a.m.). Als Sekundärziele werden hierbei verfolgt:
- Anknüpfungspunkte zu Theorien, Konzepten und Methoden benachbarter Disziplinen herzustellen, zu identifizieren und einzuüben, um so die Voraussetzungen synergetischer, nicht willkürlicher Interdisziplinarität zu schaffen. Denn Interdisziplinarität ist kein Selbstzweck, sondern erhält ihren Mehrwert erst dadurch, dass sie reflektiert gefördert und eingesetzt wird.
- Die universitäre Lehre eng mit der akademischen Forschung zu verknüpfen und aktuelle Forschungsdebatten auf verständliche Weise in die Lehre zu integrieren.
- Das Fach Politikwissenschaft als theorie- und konzeptbasierte, dabei aber stets empirisch relevante Sozialwissenschaft zu unterrichten.
Das gegenwärtig verfolgte Konzept basiert auf unterschiedlichen nationalen und internationalen Lehrerfahrungen mit Studierenden und anderen Lernenden aller Kontinente.
Während der Lehramts-Studiengang ein interessantes, anspruchsvolles, und vor allem klares Berufsbild nach dem erfolgreichen Abschluss vorsieht, bieten andere Studiengänge wie der B.A. oder die diversen M.A. Studiengänge zwar vielfältige Spezialisierungsoptionen sowie eine große Bandbreite möglicher Arbeitsmarktperspektiven, doch haben sie andererseits nicht das eine, klar definierbare Berufsziel für Absolventinnen und Absolventen. Von wissenschaftlicher Forschung über politische Beratungsarbeit oder einer Beschäftigung bei Medien, neben anderen Tätigkeiten für nationale wie internationale öffentliche Organisationen und Institutionen sowie der lokalen, der Länder- oder der Bundesadministration – viele divergierende Wege sind möglich. Einerseits bietet dies breitgestreute Perspektiven, andererseits bedeutet dies, dass AbsolventInnen der Politikwissenschaft nicht nur mit PolitologInnen im Wettbewerb stehen, sondern mit AbsolventInnen unterschiedlicher anderer Fachdisziplinen um dieselben Arbeitsplätze konkurrieren müssen. Es ist wichtig, diese Wettbewerbssituation früh zu realisieren, denn nur dann werden Studierende in die Lage versetzt werden können, ihre Studien so auszurichten, dass sie einen komparativen Vorteil gegenüber MitbewerberInnen erlangen können. Wir sind überzeugt, dass dieser komparative Vorteil, den unsere AbsolventInnen erlangen können, primär in ihren analytischen Kompetenzen sowie der Fähigkeit, diese qua Transferleistungen empirisch anzuwenden, liegt, d.h. auf sozial, wirtschaftlich und politischrelevante Gegenstandsbereiche, in denen die Bedarfe gegenwärtiger Gesellschaften am stärksten zutage treten und die kompetente und intelligente Köpfe benötigen, die neue Lösungen anbieten können. Solche Menschen werden sehr wahrscheinlich diejenigen sein, die am besten zu strukturieren und priorisieren vermögen und angemessene analytische Ansätze aufzufinden wissen und solche zur Problemlösung realweltlicher Herausforderungen auch anzuwenden verstehen.
Viele Angestellte in unterschiedlichen Berufen widmen sich solchen Problemstellungen, aber die besten und nachhaltigsten Lösungsvorschläge, die gleichzeitig auf dem größtmöglichen erreichbaren Gemeinwohl basieren, werden von denjenigen aufgefunden werden, die am besten in der Lage sind, die Gegenstände, die sie angehen, analytisch zu durchdringen. Unsere Studierenden dazu auszubilden und zu erziehen, solche Analytiker zu werden, ist wonach wir in der universitären Lehre streben.
Pädagogik und Didaktik (und wie beide zusammenhängen)
Während das oben Gesagte möglicherweise überzeugen mag, aber sehr abstrakt klingt, stellt sich die Frage, wie man dorthin gelangt. Die Lehrangebote unseres Arbeitsbereiches basieren dabei auf zwei Prinzipien:
a) Nur wenn Studierende die Logik dessen, was sie tun, verstehen und die Inhalte, über die sie arbeiten, inspirierend finden, werden sie in der Lage sein, ihre Begabungen vollständig zu entfalten und so gut performieren, wie es ihr tatsächliches Potenzial erlaubt. Es gilt, in der Lehre das volle Potenzial der Studierenden freizusetzen und zur Entfaltung zu bringen.
b) Da Studierende in nicht allzu ferner Zukunft auf den Arbeitsmarkt eintreten werden, sollten Lehrinhalte so gewählt werden, dass sie sich möglichst nah an realistischen und praxisnahen Situationen orientieren. Dies gilt insbesondere für den Graduate-Bereich.
Wir sind darüber hinaus davon überzeugt, dass jedwelche didaktische Methodik substanzlos bleibt und nicht die gewünschten Ergebnisse zeitigen wird, es sei denn, sie ist organisch in pädagogische Prinzipien (hier die oben genannten) eingebettet - und v.a. daraus abgeleitet! Deshalb ist unser Ziel, eine Lehre anzubieten,
- die Studierende fasziniert, weil sie verstehen, dass das, was sie in ihren Studien betreiben mit ihnen selbst sowie mit der außeruniversitären Lebenswelt ihrer selbst und ihrer Mitmenschen eng verknüpft ist,
- die Studierende inspiriert, nach eigenen Wegen zu suchen, mit denen sie wissenschaftliche Rätsel angehen und lösen können und,
- die den Aufbau von Kompetenzen insbesondere zur Erbringung von Transferleistungen bei Studierenden fördert (bspw. die Fähigkeit, Fragestellungen mit je adäquaten Methoden anzugehen und diese so zu adaptieren, dass sie in der Lage sind, diese auch angemessen übernommen oder abgewandelt auf andere Fälle zu übertragen).
Während Faktenwissen selbstverständlich wichtig ist, so erachten wir es als noch wichtiger, die hier genannten Fähigkeiten in den Hirnen und Herzen jedes/-r Studierenden aufrechtzuerhalten. Faktenwissen wird in dieser Herangehensweise an eine integrierte universitäre Pädagogik eher ein Nebenprodukt bleiben denn zum Hauptziel avancieren; Hauptziel ist, Studierende als Generalisten in die Lage zu versetzen, eine große Bandbreite an Themen und Gegenständen, von policy-bezogenen Problemen bis zu rein akademischen Rätseln, anzugehen und durch ihre analytischen Fähigkeiten in der Lage zu sein, Lösungen vorzuschlagen, die auf einer fundierten theoretischen und konzeptionellen Basis beruhen.
Wir suchen diese Prinzipien in unserer Lehre mit einer Vielzahl unterschiedlicher praxisbezogener Wege zu verbinden und dadurch zu ergänzen, um so die Lehrinhalte auf lebensnahe Weise an Studierende zu vermitteln. Eine wichtige Art, dies zu erreichen, ist bspw., dass wir in Kursen versuchen, Situationen zu schaffen und Aufgaben zu stellen, die Situationen des praktischen Berufslebens in denjenigen Wissensbereichen nahekommen, für die wir unsere Studierenden ausbilden und in denen wir potenzielle künftige Beschäftigungsfelder für sie sehen. (Dazu mehr unten).
Was? (Inhalte)
Im Bereich undergraduateteaching bietet unser Arbeitsbereich eine große Bandbreite an einführenden Kursen im B.A.-Programm an. Diese reichen von der “Einführung in das Studium der Politikwissenschaft” über „Einführung in die politische Ökonomie“ und der „Einführung in die politische Theorie“, freilich neben unseren Kernzuständigkeiten der Vergleichenden Politikwissenschaft, zu der unser Arbeitsbereich neben der Vorlesung „Foundations of Comparative Politics“ i.d.R. mindestens zwei Einführungsseminare anbietet (eines mit Fokus auf Entwicklungsländer, eines mit Fokus auf die Region Nahost/Nordafrika). Dadurch können wir unseren Studierenden neben dem handwerklichen Rüstzeug bereits im BA-Bereich die Möglichkeit einer inhaltlichen und/oder regionalen Vertiefung innerhalb dieser Themenfelder bieten. Im Bereich der politischen Theorie haben wir uns im Angebot konzentriert auf Theorien politischer Herrschaft in Entwicklungsländern einerseits, zweitens auf Theorien politischer Systemwechsel; die von unserem Arbeitsbereich angebotenen Kurse “Introduction to Comparative Politics” erlauben Studierenden, entweder einen Fokus auf die politischen Systeme der MENA-Region oder aber genereller auf Entwicklungsländer zu legen. Wir stellen daneben sicher, dass zumindest ein Teil der Kurse auch im BA-Bereich in englischer Sprache angeboten wird, weil wir dem Kurs der Internationalisierung nicht nur verpflichtet sind, sondern auch von dessen Notwendigkeit überzeugt sind. Heute ist es die Policy des Instituts für Politikwissenschaft, mindestens einen Kurs jeder Kategorie auch im Undergraduate-Bereich auf Englisch anzubieten.
Im Graduierten-Bereich setzt unser Arbeitsbereich in der Lehre systematisch auf die Verbindung aktueller Forschung mit der Lehre. Beispielsweise unterrichtete unsere Lehrbeauftragte Asli Aksoy, M.A. einen Kurs über Türkische und Nahöstliche Zivilgesellschaft, wozu sie eine Dissertation anfertigt. Dr. Aida Essaid, eine amerikanisch-jordanische Gastwissenschaftlerin, die heute beim West-Asiaand North-Africa (WANA)-Forum in Amman arbeitet, unterrichtete einen Kurs zum arabisch-israelischen Konflikt, der sich direkt aus einem sechsjährigen Forschungsprojekt ergab, welches sie an der Universität Exeter durchgeführt hatte. Unsere Kurse beinhalten eine Mischung aus einerseits themenspezifischen Kursen (wie etwa “Development Cooperation”, oder “International Democracy Promotion”, “Current Approache sto Political Regime Theory”, “What is Legitimate Rule?”; “Regime Change and Democratization”; etc.), und andererseits regional fokussierten Kursen (wie “Comparative Politics of the Middle East”, “Civil Society in the Middle East”, “Political Economy of the Middle East”, “International Relations and Regional Order of the Middle East” sowie spezifischere Kurse zu einer kleinen Anzahl einzelner politischer Systeme dieser Region). Im M.A.-Bereich findet der Löwenanteil der Seminare und Vorlesungen unseres Arbeitsbereiches in englischer Sprache statt; Kurse auf deutsch bilden hier die Ausnahme. Aufgrund des zunehmend internationalen Profils unserer Studierenden wurde auch die Arbeitssprache des “Research Colloquium on Middle East and Comparative Politics” von deutsch zu englisch umgestellt.
Darüber hinaus erproben wir in der Graduierten-Lehre experimentelle Lehrmethoden, die auf die Aktivierung Studierender abzielen und Situationen simulieren, die sie später im Berufsleben antreffen mögen. Ein solches Beispiel beinhaltet etwa die Aufgabenstellung, staatlichen Entscheidungsträgern wissenschaftlich fundierte und strukturierte “countrybriefings” vor einem angenommenen offiziellen Besuch eines Ministers in das betreffende Land zu geben. Ein anderes Beispiel dieses Ansatzes waren zwei parallele Kurse, die von meinem Arbeitsbereich angeboten wurden: Einer zu autoritärer Herrschaft und Regimen sowie ihren Überlebensstrategien, ein anderer zu internationaler Demokratieförderung. Die TeilnehmerInnen beider Kurse trafen dann als Teil ihrer jeweiligen Veranstaltung in einer ganztägigen Simulation von Regierungsverhandlungen aufeinander, während deren sie die Aufgabe hatten, Abkommen mit der Partnerseite zu Fragen von politischen Reformen zu schließen, wobei jede Seite versuchte, so viele der eigenen (oft im Widerspruch zur anderen Seite stehenden) Prioritäten durchzusetzen und in den Abkommen zu verankern, wie möglich (in diesem Fall waren von den Studierenden Ägypten und die Vereinigten Staaten als Modell ausgewählt worden).
Ein weiteres Highlight, aufgrund erfolgreicher Mittelakquise im Vorfeld möglich geworden, bestand in einem gemeinsam mit der staatlichen Cairo University und der American University in Cairo durchgeführten Internet-Seminar zum Thema Revolutionen in der Arabischen Welt: Studierende aller drei Universitäten trafen sich eine Woche lang in Kairo und konnten zunächst aus erster Hand ein empirisches Bild gewinnen, einschließlich Vertretern politischer Parteien und NGOs. Die Studierenden bildeten dann trilaterale Referatsgruppen, erarbeiteten sich konzeptionelle und empirische Grundlagen in wöchentlichen Sitzungen, die an allen Universitäten entlang identischer Seminarpläne abgehalten wurden, mussten sich jedoch währenddessen mit ihren KommilitonInnen absprechen und ihre Referate vorbereiten. Diese wurden dann in einer viertägigen weiteren Kompaktphase in Deutschland gehalten, diskutiert und kommentiert, bevor eine abschließende Phase den Studierenden Gelegenheit gab, mit Praktikern westlicher Organisationen zu diskutieren (hochrangige Vertreter von politischen Stiftungen, NATO, sowie dem Direktor des Euro-Mediterranean Human Rights Network). Im Anschluss erarbeiteten die Studierenden dann Politikempfehlungen für die westliche Praxis und Zusammenarbeit mit Transformationsländern dieser Region, die dann wiederum an die Vertreter, mit denen sich die Studierenden auseinandergesetzt hatten, zurückgespielt wurden und teilweise dort dann intern diskutiert wurden, so dass die Studierenden einen echten Input an Entscheidungsträger geben konnten und ihre Stimmen Gehör fanden.
Natürlich unterscheiden sich die didaktischen Methoden der Wissensvermittlung nicht nur je nach der übergeordneten Themenstellung einer Veranstaltung, sondern v.a. auch je nach Anzahl der TeilnehmerInnen: Eine Vorlesung mit über 200 Studierenden erfordert eine andere Didaktik als ein Oberseminar mit zehn oder noch weniger TeilnehmerInnen. Hier ist der Arbeitsbereich stets bestrebt, unterschiedliche didaktische Formate der Wissensvermittlung teilnehmergerecht und abwechslungsreich anzuwenden.
Dies gilt auch für den MA-Studiengang Comparative and Middle East Politics and Societies(www.CMEPS.eu), der mit je zehn Studienplätzen pro Standort gemeinsam mit der American University in Cairo durchgeführt und verantwortet wird. Bereits im ersten und zweiten Jahrgang erreichte das Tübinger Institut hier eine vierfache Anzahl von BewerberInnen auf die angebotenen Plätze und eine wesentliche Internationalisierung der Studierenden, was Erstabschlüsse aus den USA, Indien, Großbritannien, Österreich und anderen Ländern bezeugen. Auch ist damit eine wesentliche Komponente interkulturellen Lernens verbunden, die den Studierenden erlaubt, je ein Semester kostenfrei (d.h. ohne Studiengebühren) und qua Stipendien finanziert, an der Partnerhochschule zu studieren. Voraussetzung dafür ist freilich die uneingeschränkte Anerkennung von Leistungspunkten sowie die dem zugrunde liegenden Übereinkünfte über Lehrinhalte und Schwerpunkte, bis hin zur gemeinsamen Abstimmung der Syllabi einzelner Veranstaltungen der hier wie dort unterrichteten Kurse. Darüber hinaus erfolgt die Betreuung der Abschlussarbeiten bilateral-international, auf der Basis eines internationalen Kolloquiums, welches ebenso wie ein einschlägiges Praktikum einen Pflichtbestandteil des Curriculums ausmacht.