- Findet statt: jeweils Donnerstag, 18 Uhr c.t.
- Veranstaltungsort: Hörsaal 25 im Kupferbau
- Organisation: Zentrum für Gender- und Diversitätsforschung
Der Begriff ‚queer‘ wird oft ausschließlich mit menschlichem Geschlecht und Begehren, mit menschlicher Sprache und Kultur in Verbindung gebracht. Dabei sind Sexualität jenseits von Reproduktion, gleichgeschlechtliches sexuelles Verhalten und geschlechtliche Vielfalt auch bei verschiedensten Tierarten weit verbreitet. Pflanzen, Pilze und Mikroben sowie andere nichtmenschliche Lebensformen unterwandern zudem entschieden Vorstellungen von einer ‚Natürlichkeit‘ von Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität und können uns dazu inspirieren, auch menschliches Geschlecht, Begehren und Zusammenleben anders zu denken.
Menschliche Kategorien von Geschlecht, Sexualität, Reproduktion, aber auch bestimmte Charaktereigenschaften werden oft auf die ‚Natur‘ projiziert, und die Welt des Nichtmenschlichen wird dazu herangezogen, Verhaltensweisen und Machtstrukturen menschlicher Gesellschaften zu legitimieren. Dabei zeigen sich bei genauerem Hinsehen in vielen Bereichen des Nichtmenschlichen entgegen unseren Erwartungen ‚queere‘ Formen von Sexualität und Geschlecht, aber auch von Solidarität, Kooperation und Zugehörigkeit. Wir können also in zweierlei Hinsicht viel von den ‚queer creatures‘ dieser Welt lernen. Einerseits bietet ein Blick auf die ganze Bandbreite von morphologischen, sozialen und reproduktiven (und nicht-reproduktiven) Spielformen der nichtmenschlichen Natur Erkenntnisse über Vielfalt und Funktion von Geschlecht und Sexualität jenseits enger Vorstellungen von Zweigeschlechtlichkeit und Fortpflanzung. Andererseits stellen Lebensformen wie Pilze oder Mikroben faszinierende Modelle dar, die auch für die Theoriebildung in den Geistes- und Sozialwissenschaften, aber auch in der Technikentwicklung und im Bereich der ‚Künstlichen Intelligenz‘ aktiviert werden können. Auch in Literatur und Kunst bieten Tiere und Pflanzen einen reichen Imaginationsschatz, der zum Ausloten queerer Modelle und Möglichkeiten einlädt. Eine queere Perspektive auf die ‚Natur’ und die nichtmenschliche Welt schärft also ein kritisches Bewusstsein für die Konstruiertheit von Kategorien und die unscharfen Grenzen zwischen (vermeintlich rein menschlicher) ‚Kultur‘ und ‚Natur‘. Gleichzeitig zeigen jüngste Entwicklungen in KI und Robotik, wie menschengemachte Kategorien und Vorstellungen bewusst und unbewusst in nichtmenschliche Systeme eingeschrieben werden.
In dieser Vorlesungsreihe wollen wir in Beiträgen aus den Natur-, Technik-, Geistes-, Gesellschafts- und Sozialwissenschaften fragen, wie wir mit dem Nichtmenschlichen – beispielsweise mit Pflanzen, Tieren, Pilzen, Mikroben, Robotern und KI – denken, forschen und arbeiten, dabei kritisch vorhandene Kategorien und Strukturen menschlicher Gesellschaften be- und hinterfragen und aus der Komplexität und Vielfalt der Welt jenseits des Menschlichen lernen können.
Termine:
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