Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)

Die WeNet Plattform – Ambitionen und ethische Reflexionen

Das EU-Projekt „WeNet – the Internet of Us“ möchte mit Informationstechnik das gesellschaftliche Zusammenleben verbessern und ist damit allein von seiner Zielsetzung her ein sehr ambitioniertes Projekt. Konkreter gesagt, man möchte die soziale Interaktion von Menschen im digitalen Raum fairer und inklusiver gestalten. Hierzu soll eine soziale Plattform entwickelt werden, die mit innovativen, diversitäts-sensiblen Algorithmen arbeitet. Diese Algorithmen werden von zahlreichen Informatiker*innen unter Einbezug von ethischen und soziologischen Diversitätskonzepten entwickelt. Sie dienen der Mediation von Kommunikation zwischen zwei Personen, denn die Plattform soll eine sogenannte „One-to-One“ Kommunikation ermöglichen. Wie sieht das konkret aus?

Hier gibt es verschiedene Szenarien, denn die zu entwickelnde App wird zunächst in universitären Kontexten in verschiedenen Ländern und Kontinenten getestet. Ein Beispiel für die Nutzung bietet folgendes Szenario: Eine Studentin aus Italien kehrt nach einem Erasmus-Semester an ihre Universität zurück und möchte gerne internationalen Studierenden helfen, sich an ihrer Heimatuni zurechtzufinden. Dankbar für die Hilfe, die sie im Ausland erhalten hat, beantwortet sie Anfragen von internationalen Studierenden, die über die App nach günstigen Einkaufsmöglichkeiten oder Sprachunterricht fragen. Oder ein Student aus Mexiko möchte mehr für seine Gesundheit tun, vielleicht mit einer neuen Sportart beginnen oder gemeinsam mit anderen Studierenden gesund kochen. Er benutzt die App und schickt Anfragen an seinen Freundes- und Bekanntenkreis, um sich Sportkleidung zu leihen und sich mit erfahrenen Koch-Begeisterten zu vernetzen.

Bei diesen Szenarien stehen soziale Praktiken im Vordergrund. Sie sind der Startpunkt für ein Konzept von Diversität im WeNet Projekt. Neben sozio-demografischen Basisdaten von Studierenden werden also vor allem Informationen erhoben, die auf Verhalten und Routinen abzielen. Diese Daten werden genutzt, um die Plattform zu entwickeln und ihre Nutzer*innen mithilfe von diversitäts-sensiblen Algorithmen zusammenzubringen. Hier stellen sich ethische Fragen, denn das in einer Gesellschaft vorherrschende Verständnis von Diversität bestimmt, wer einbezogen oder ausgegrenzt wird. Auch die Beschreibung oder Zuschreibung menschlichen Verhaltens kann problematisch sein, insbesondere wenn kultur-spezifische Praktiken durch eine hegemoniale, eurozentrische Interpretation marginalisiert werden. Das IZEW arbeitet daher derzeit an einer ethischen und konzeptionellen Operationalisierung von Diversität für die Nutzung in informationstechnischen Systemen.

Weitere ethische Fragen und Bedenken ergeben sich in Bezug auf das Design und die Nutzung der App, den Prozess der Datensammlung und -verwertung sowie die Mensch-Technik-Interaktion. Wichtige Fragen, die es im Laufe des Projektes zu bearbeiten gibt sind: Wie können wir verhindern, dass die Technik ungewollte und potenziell schädliche Konsequenzen verursacht? Wie können wir Subjektivität und die Variabilität von kulturellen Normen abbilden und dabei gleichzeitig fundamentale Menschenrechte schützen? Wie können wir die Daten und die Privatheit der Nutzer*innen schützen, wenn wir große Mengen an Daten erheben müssen, um Diversität überhaupt abbilden zu können? Diese Fragen zu beantworten, ist eine ebenso ambitionierte Aufgabe wie die Entwicklung der WeNet-Plattform selbst und wird das Projektteam   - Jessica Heesen, Karoline Reinhardt, Laura Schelenz - in den nächsten drei Jahren beschäftigen.