Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)

Zwischen Sicherheits- und Gesundheitspolitik

Zur Stärkung von Gesundheitsversorgung und Pflegeinfrastrukturen in Krisensituationen

Autor*innen: Katharina Wezel, Alexander Roppelt und Marco Krüger

Die COVID-19 Pandemie rückt die Aufrechterhaltung der alltäglichen Gesundheitsversorgung in Krisen in den Mittelpunkt. Im März 2020 starteten am IZEW zwei Projekte zu diesem Thema. Sie befassen sich mit der Aufrechterhaltung der Funktionalität ambulanter Pflegestrukturen in Krisensituationen sowie von Krankenhäusern im Evakuierungsfall.

Was geschieht mit Patient*innen im Krankenhaus bei einem Stromausfall oder einem Großbrand? Wie kann in einer Pandemie eine angemessene Versorgung für pflegebedürftige Menschen gewährleistet werden? Wie können Pflege und Katastrophenschutz besser miteinander kooperieren? Diesen durch die aktuelle Pandemie in den Fokus gerückten Fragen widmen sich die Forschungsprojekte AUPIK und RESIK. Die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekte nähern sich dem Zusammenhang von Gesundheit und Sicherheit jedoch aus zwei unterschiedlichen Richtungen und ergänzen sich daher sowohl auf theoretischer Ebene, als auch in ihrer praktischen Ausrichtung.

AUPIK steht für „Aufrechterhaltung der ambulanten Pflegeinfrastrukturen in Krisensituationen“. Im Jahr 2017 befanden sich 3,41 Millionen Menschen in unterschiedlichen Pflegearrangements. Der Großteil aller Hilfs- und Pflegebedürftigen wird in der eigenen Häuslichkeit betreut, was für gewöhnlich durch Angehörige und Unterstützungsangebote von Pflegediensten und Tagespflegeeinrichtungen geschieht. Viele Pflegearrangements arbeiten jedoch bereits im Alltag an ihren Belastungsgrenzen und können Alltagsstörungen, geschweige denn Katastrophen – wie etwa einen langfristigen Stromausfall oder Einschränkungen aufgrund eines Hochwassers –, kaum abfedern. An diesem Punkt setzt AUPIK an, denn der deutsche Katastrophenschutz orientiert sich nicht primär an den Bedarfen von Hilfs- und Pflegebedürftigen, sondern geht in seinen Planungen von einem selbsthilfefähigen, erwachsenen Menschen aus. Kooperationsmechanismen zwischen den Strukturen des Katastrophenschutzes und der vielschichtigen ambulanten Pflegeinfrastruktur fehlen. In Zusammenarbeit mit der Charité Berlin, dem Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes und dem Vincentz Network (Fachverlag und Anbieter von Weiterbildungen im Pflegebereich) erarbeitet das IZEW im Rahmen von AUPIK politische Handlungsempfehlungen und Ausbildungsmaterialien, um die Resilienz der ambulanten Pflegeinfrastrukturen im Falle einer Katastrophe zukünftig zu stärken.

Geht die Betrachtung in AUPIK von Herausforderungen der ambulanten Pflege aus, steht das Projekt RESIK für „Resilienz und Evakuierungsplanung für sozioökonomische Infrastrukturen im medico-sozialen Kontext“. Wie die Covid-19-Pandemie schon früh zeigte – versinnbildlicht im Slogan „Flatten the Curve“ –, erweist sich die Funktionsfähigkeit des Krankenhauses als wichtiger Faktor bei der Katastrophenbewältigung. RESIK versteht sich als Beitrag zur Gewährleistung dieser Funktionsfähigkeit unter widrigen Umständen. Neben Überforderungen von Außen, im Fall der Pandemie durch ein erhöhtes Patient*innenaufkommen, werden auch interne Ausfälle der Krankenhausinfrastruktur, etwa durch einen Brand, berücksichtigt. Wie AUPIK hebt RESIK dabei die Bedeutung des Austauschs zwischen verschiedenen Akteur*innen für die Krisenbewältigung hervor und verfolgt einen kooperativen Ansatz. Das Projekt betrachtet das Krankenhaus nicht isoliert, sondern als kritische Infrastruktur in einem Netzwerk aus Institutionen des Gesundheitswesens sowie der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben. Erst in diesem Zusammenhang kann die Funktionsfähigkeit des Krankenhauses auch über die örtliche Evakuierung hinaus durch den Aufbau temporärer, dezentraler Versorgungsstrukturen gewährleistet werden. Im Verbund mit der Katastrophenforschungsstelle Berlin, dem Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes, der Stadt Krefeld und der Firma Dräger (Medizin- und Sicherheitstechnik) ist das IZEW in RESIK an der Entwicklung von Strategien zur Resilienzsteigerung der Krankenhausinfrastruktur sowie zur Evakuierung beteiligt.

Die Arbeiten des IZEW kreisen in beiden Forschungsverbünden um die Frage einer wünschbaren Herstellung von Sicherheit, die die inhärenten Wertabwägungen von Sicherheitspraktiken offenlegt und somit verhandelbar macht. Hierbei spielen neben Gerechtigkeitserwägungen und Verantwortungskonstellationen auch Fragen der Teilhabe eine Rolle. Daher fußen die ethischen Arbeiten auf empirischen Erhebungen, die ihrerseits den Einbezug von einer möglichst großen Pluralität an Perspektiven bezwecken.

Ansprechpartner*innen:

AUPIK: Katharina Wezel (katharina.wezel@izew.uni-tuebingen.de)

RESIK: Alexander Roppelt (alexander.roppelt@izew.uni-tuebingen.de)