Mittlere und Neuere Kirchengeschichte

Graduiertenkolleg 1662 "Religiöses Wissen im vormodernen Europa"

Das interdisziplinäre Graduiertenkolleg beschreibt mit Hilfe des Begriffes „Religiöses Wissen“ in neuer Weise, wie sich in Europa die sogenannte westliche Wissensgesellschaft mit ihren Selbstzuschreibungen der Toleranz, Säkularität, Rationalität und Ausdifferenzierung von Wissenschaft und Bildung, Recht und Politik, Religion, Kunst und Literatur entwickeln konnte.

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Graduiertenkolleg 1662 Religiöses Wissen im vormodernen Europa (800–1800)

Transfers und Transformationen – Wege zur Wissensgesellschaft der Moderne

I. Ziele: Das Graduiertenkolleg etabliert den Begriff „Religiöses Wissen“ interdisziplinär als Forschungskonzept; und es beschreibt mit Hilfe dieses Konzepts in neuer Weise, wie sich in Europa die sog. westliche Wissensgesellschaft mit ihren Selbstzuschreibungen der Toleranz, Säkularität, Rationalität und Ausdifferenzierung von Wissenschaft und Bildung, Recht und Politik, Religion, Kunst und Literatur entwickeln konnte.

II. Begriffe: Der Terminus religiöses Wissen bezieht sich auf ein komplexes sozial- und kulturhistorisches Phänomen der drei monotheistischen Religionen, welche die Geschichte Europas seit dem Mittelalter prägten: Das vorrangig untersuchte Christentum verfügte – wie Judentum und Islam, die in ihrem Einfluss auf das Christentum betrachtet werden – über schriftlich fixierte heilige Texte. Sie galten als Ergebnis göttlicher Offenbarung, das in ihnen fixierte Wissen daher als unfehlbar, unveränderlich und unbedingt verehrungswürdig. Doch wurde dieses Offenbarungswissen nur dadurch handlungsleitend, dass es in sich wandelnden Lebenswelten – je neu durch Auslegung transformiert und medial transferiert – eine sinnvolle Kommunikation und Praxis begründete. Diese zeit- und kulturspezifischen Adaptationen bezeichnet das Kolleg als religiöses Wissen.

III. Untersuchungsfelder: Transformation und Transfer religiösen Wissens trugen wesentlich zur Ausdifferenzierung von Wissensfeldern bei. Dynamische Prozesse und strittige Verhandlungsfelder religiösen Wissens stehen daher im Mittelpunkt des Forschungsinteresses: Zu bedenken sind mündliche Tradierung, schriftliche Texte, Bilder, Handlungsmuster und Rituale. Das Kolleg untersucht 1.) jene Transformationsprozesse, aus denen das religiöse Wissen im historischen Wandel immer neu hervorging, 2.) den synchronen und diachronen Transfer religiösen Wissens in seinen unterschiedlichen Existenzformen. Dazu richtet es den Blick auf die

  • Institutionen und soziale Gruppen, die an der Produktion, Interpretation, Weitergabe und Kontrolle religiösen Wissens beteiligt waren,
  • Verfahren, mit denen Offenbarungswissen in Lebenswelten integriert, aber auch religiöse Wissensbestände in andere Vermittlungsformen überführt und über Zeiten, Räume und soziale Grenzen hinweg weitergegeben wurden und
  • Wechselwirkungen und Grenzverschiebungen zwischen religiösem und anderem Wissen, die schließlich auch die Leitfunktion des Offenbarungswissens veränderten.