Doreen Daume (1957-2013)
Manchmal beginnen Übersetzerkarrieren mit Kritzeleien am Buchrand, Fingerübungen in der Muttersprache gewissermaßen. So im Fall von Doreen Daume, deren Laufbahn mit der Lektüre des polnischen Avantgardisten Bruno Schulz (1892-1942) ihren Anfang nahm: „Ich hatte mich damals noch gar nicht so sehr mit dem Thema Übersetzung beschäftigt. Aber das kam dann langsam, und irgendwann hab ich rumgekritzelt in dem Buch und Stellen markiert, wo ich dann einfach beim Lesen stecken geblieben bin.“
Doreen Daume war eine Spätberufene, deren erste Übersetzung 2000 erschien, im dreiundvierzigsten Lebensjahr ihrer Schöpferin, die zu diesem Zeitpunkt ein Klavierstudium am Wiener Konservatorium und eine Ausbildung zur Dolmetscherin für Englisch und Polnisch absolviert hatte. Bis zu ihrem frühen Tod im Jahr 2013 übersetzte sie zahlreiche polnische Autorinnen und Autoren wie den Nobelpreisträger Czesław Miłosz (1911-2004), Olga Tokarczuk (geb. 1962) oder Marek Krajewski (geb. 1966).
Neben Prosa galt Doreen Daumes Interesse vor allem der Lyrik. Übertragungen poetischer Texte, der „genauen Form“ mit ihrem Anspruch an Bildhaftigkeit und sprachliche Dichte sah sie als eigenständige Sprachkunstwerke, und ihre Schöpfer, so betonte sie stets, als Autoren. Autoren freilich, deren autonome Leistung generell meist ignoriert werde, da dem Übersetzer neben dem Autor wenig Beachtung zukomme. Nicht zufällig gehörte Doreen Daume deshalb zu den Ersten, die das literarische Übersetzen aus den Schreibstuben an die Universitäten trugen, um in der Arbeit mit Studierenden und dem Austausch mit einer breiteren Öffentlichkeit den Wert der Übersetzerkunst zu vermitteln. So arbeitete sie zum Beispiel im Frühjahr 2009 mit Studierenden der Universität Tübingen im Projekt „Textabdrücke – literarisches Übersetzen“, wo sie gemeinsam mit dem Polen Andrzej Kopacki, seinerseits Übersetzer wie auch von Doreen Daume übersetzter Lyriker als translator in residence das Übersetzen aus seiner Nische holte.
Die Texte des zuletzt 1961 ins Deutsche übersetzten Bruno Schulz, über die Doreen Daume zum Übersetzen gekommen war, sollten nach jahrelanger Verlagssuche schließlich ihre Karriere krönen: Ihren Neu-Übersetzungen der Zimtläden (2008) und des Sanatoriums zur Sanduhr (2011) wurde einhelliges Lob zuteil, „denn im Ergebnis dürfte es dieser Aufwand einem weitaus größeren Publikum ermöglichen, das einzigartige Erzählwerk von Bruno Schulz besser, um nicht zu sagen angemessen zu verstehen“.
Von Marlena Breuer und Jakob Walosczyk
(Das Zitat von Doreen Daume sowie die abschließende Kritikermeinung stammen aus einem Beitrag des Deutschlandfunks vom 19.03.2008. Mit der „genauen Form“ beziehen sich die Autoren auf Peter Wapnewskis Beitrag Gedichte sind genaue Form, erschienen in der ZEIT am 04.02.1977.)